Erscheinungsweise: täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage
Anzeigenpreis: s) im Anzeigenteil:
äi« Seile 20 Soldpfennig«
b) im rr.klameteil: die Zeile 65 Soldpfenmg«
/,uf Saumrelanzeigen kommen 50°/« Zuschlag
Für Platzvorschriften kann keine Sewähr übernommen werden
S»richt»stan<l für d»iS« r«U« Ist calw
«M
Nr. 42
/imts- unä Knzeigeblalt für äen vberamlsbezirk calw
Freitag, den 20. Februar 1931
Bezugspreis:
2n der Stadt 40Soldpfennige wöchentlich mit Träger lohn Post-Bezugspreis 40 Soldpfennige ohne Bestellgeld
Schluß der Anzeigenannahme 8 Uhr vormittag»
ln §Lll«n KSHerrr Srwalt b<s>»h> k«in Anspruch aus Q-s-rung öer Seüung «ckrr aus Rückzahlung krzugspreiser
Fernsprecher Nr. 9
verantwort!. Schriftleitung: Friedrich Hans Scheele Druck und Verlag der A. Oelschläger schen Buchdruckerei
Fahrgang 103
Der Verkehrshaushall vor dem Reichstag
Ablehnung des Speditions-Monopolverlrages der Reichsbahn Stetig sinkende Einnahmen
Berlin, 20 Febr. Nach der dreitägigen Fastnachtspause hat der Reichstag gestern die Etatsberatungen wieder ausgenommen. Nationalsozialisten und Deutschnationale waren der Sitzung ferngeblieben. So mnßt§ man beim Berkehrsetat, dessen zweite Lesung es zu absolvieren galt, auf den üblichen Vorspruch des Berichterstatters verzichten, denn der Deutschnationale Qua atz, dem diese Aufgabe eigentlich zugefallen wäre, war nicht anwesend. Wie immer bei der Beratung des Verkehrsetats stand im Brennpunkt der Diskussion die Reichsbahn, die seit dem Dawes-Vcrtrag nur noch indirekt den Machtbefugnissen des Verkehrsministers untersteht. Wie aber sich die Verhältnisse gewandelt habe», seit die Souveränität des Neichsverkehrsministeriums auf ein Mindestmaß herabgesetzt wurde, zeigte die Geschichte des Schenker-Vertrages. Ohne sich um den Ver- kchrsminister zu kümmern, hat die Reichsbahnverwaltung einen Monopolvertrag mit dieser Speditionsfirma abgeschlossen. Der Wirtschaftsparteiler M ollath wies in der sehr scharfen Kritik, die er an dem Verhalten der Reichsbahn- gcsellschaft übte, darauf hin, daß die österreichischen Bundesbahnen erst vor wenigen Tagen einen gleichen Vertrag mit dem in Oesterreich ansässigen Stammuntcrnehmen mit Entrüstung abMehnt haben.
Neichsverkehrsmtnister von Gntzrard stellte fest, daß der sogenannte Schenker-Vertrag dem Vcrkehrsministerium durch die Reichsbahn nicht vorgelegt worden sei. Er, der Minister, sei durch den Abschluß des Vertrages völlig überrascht worden. (Hört! hört!) Er hübe auf eine ganze Reihe von Fragen finanzieller Natur Antworten von der Reichsbahn noch nicht erhalten. Die Reichsbahn sei aber verpflichtet, diese Auskünfte zu geben. Er sei ferner der Auffassung, daß sich die Reichsrcgierung die Genehmigung zu diesem Vertrag Vorbehalte. Ohne diese Genehmigung sei das Abkommen nach seiner Auffassung r e ch t s » n w i r k s a m. (Beifall.) Man rverde noch Gelegenheit haben, sich über den Schenker-Vertrag zu unterhalten. (Zuruf: „Um ihn zu beseitigen!")
Ferner erklärte der Minister, daß der Haushaltsplan seines Ministeriums infolge der Not der Zeit seit drei Fahren ständig im Rückgang begriffen sei. Das zeige sich besonders auf dem Gebiet der Wasserbauverwaltung. Dort müßten auch Aufgaben zurückgestellt werden, die geeignet wären, Arbeit zu schassen. Da auch die kommenden Haushalte nur in dem Umfange des jetzigen ausgestellt werden sollten, sei es leider unumgänglich notwendig, auf die größtmögliche Wirtschaftlichkeit aller Ausgaben hinzuwirken. Zweifellos sei es die Aufgabe einer gesunden Verkehrspolitik, eine gewisse Einheitlichkeit in den Beziehungen der Verkehrsmittel zueinander herzustellen. Indessen könne man die gesunde Konkurrenz, die notwendig sei, nicht ausschalten.
Der Minister sprach dann den beteiligten Stellen seinen Dank aus für die Bildung eines einheitlichen VerkehrsauS- schnsses für die gesamte deutsche Fremdenwerbung. Er hob besonders hervor, daß dafür Neichszuschüsse nicht erforderlich seien. Das früher benutzte Schlagwort „Deutsche reist nicht ins Ausland!" sei ein Kehler, denn wir könne man dann verlangen, baß die Ausländer nach Deutschland kämen.
Die Finanzlage der Reichsbahn habe sich auch gerade im letzten Jahre wieder außerordentlich verschlechtert. Die Reichsbahn habe im letzten Geschäftsjahr ein« Mindereinnahme von 780 Millionen Mark gehabt. Sie sei daher zu einer Drosselung ihrer Ausgaben gezwungen wordSn. Das neue Geschäftsjahr zeige in finanzieller Hinsicht ein außerordentlich unbefriedigendes Bild. Die Reichsbahn gehe mit sehr beschränkten Betriebsmitteln in das neue Jahr hineim.
Die Einnahinen zeigten im Januar gegenüber dem Jahre 1S80 eine weitere Verschlechterung von 84 Millionen Mark. In den letzten Tagen sei zum ersten Male seit Beendigung des Krieges die Tageseinnahme unter 10 Millionen Mark gesunken. Diese finanzielle Lage mache es unmöglich, den Anträgen auf Tariferleichterungen in irgendwie erheblichem Umfange stattzugeben.
Zum Luftverkehrswesen verwies der Minister auf die gewaltigen Ausgaben anderer Staaten auf diesem Gebiet. Leider könne Deutschland wegen seiner Finanzlage seine Pläne für den Transozeanluftverkehr nicht schnell genug verwirklichen. Verbesserung des Straßennetzes sei notwendig. Dem Bau großer Autostraßen stehe die Regierung durchaus ablehnend gegenüber. Der Beimischungszwang von Spiritus zum Kraftwagenbetriebsstoff wäre für die deutsche Antomobilindustrie unerträglich. Er würde allein für den öffentlichen Kraftverkehr eine Mehrbelastung von 14S Millionen bedeuten. (Hört! hört!) In Beantwortung einer Interpellation wegen des Flaggenwechsels der Hamburger Reederei Bogemann erklärte der Minister dann noch, baß er diesen Flaggenwechsel vom nationalen Standpunkt aus außerordentlich bedauere, daß sich aber rechtlich wenig dagegen tun lass«.
In der Aussprache wurde der alte Wunsch nach Beschleunigung der Arbeiten am Mittellandkanal laut. Redner der verschiedenen Parteien setzten sich weiter für den Ausbau der deutschen Luftfahrt ein, die nicht vor der Auslandskonkurrenz ins Hintertreffen geraten dürfe. Der Staatsparteiler Winschuh behandelte hauptsächlich soziale Fragen und trat für eine möglichst schonende Anwendung der Rationalisterungsmaßnahmen bei der Reichsbahn ein. Der Volksparteiler Schneider trug Tarifwünsche der sächsischen Wirtschaft vor- Noch während der Beratungen ging ein Antrag der Wirtschaftspartei ein, der von der Regierung verlangt, -aß sie dem Schenker-Vertrag ihre Zustimmung verweigere.
Sitzung des Aelteftenrates.
An der Donnerstagsitzung -es Aelteftenrates des Reichstags beteiligten sich die Nationalsozialisten nicht. Die Deutschnationalen wurden zunächst durch ihren Fraktionsvorsitzenden Dr. Oberfohren vertreten, der die Sitzung jedoch bald nach Beginn verließ, um an der Fraktionssitzung teilzunehmen. Auf Antrag -es Präsidenten Löbe beschloß der Aeltestenrat, die Diätenanträge der Nationalsozialisten in Druck zu geben; auf die Tagesordnung des Reichstags können sie allerdings erst gesetzt werden, wenn es di« Unterzeichner in -er Vollsitzung beantragen, und wenn es von -er Mehrheit des Hauses beschlossen wir-. Schließlich wurde man sich dahin einig, -aß auch dieser Reichstag wieder einen Untersuchungsausschuß für die Kriegsursachen einsetzen soll, um di« Arbeiten -er Untersuchungsausschüsse früherer Reichstage zu beenden. Der Ausschuß soll seine Arbeiten noch möglichst bis Ende dieses Jahres fertigstellen.
St« »euer Diäteuantrag.
Die nationalsozialistische Reichstagsfraktion hat einen Antrag eingebracht, wonach die Aufwandsentschädigung der Mitglieder des Reichstags einschließlich der Gesamtbezüge des Reichstagspräsibenten um die Hälfte gekürzt werben sollen, wenn eine Tagungspause eintritt, die de« Zeitraum von einem Monat und darüber hinaus umfaßt. Die dadurch in der Reichskasse verfügbar werdenden Beträge sollen den ausgesteuerten Erwerbslosen, Kleinrentnern und Sozialrentnern überwiesen werben, die sich infolge KranHeit, o-er sonst erschwerter Lebens- und Familienverhältnisse in besonders drückender Notlage befinden.
Reichskabinelt und Agrarvorlage
TU. Berlin» 20. Febr Amtlich wird mitgeteilt: Unter dem Vorsitz des Reichskanzlers trat am Donnerstag vormittag bas Reichskabinctt bei der Erörterung des Agrarprogramms in die Spezialdebatte ein. Die Beratung, die heute fortgesetzt werden soll, ergab in wesentlichen Fragen bereits vollkommene Uebereinstimmung.
In Ergänzung der amtlichen Mitteilung über das bisherige Ergebnis der Kabinettsverhandlnngen itber die Agrarvorlage des ReichSernährnngsministcriuM erfahren wir, daß unbeschadet der bereits am Montag erfolgten grundsätzlichen Zustimmung und der sachlichen Erledigung einer Anzahl von Programmpunkten gestern einige wesentliche Punkte noch offen geblieben sind, so u. a. die Einführung von Gleitzöllen für Butter und andere Milchcrzeugnisse. Dagegen darf für die Verlängerung der Ermächtigung zur Handhabung -er Getreidezölle liber den 1. April hinaus sowie zu
der gegenwärtigen Regelung des Einfuhrscheinsystems die Zustimmung des Kabinetts als gesichert gelten. Zu einem Einvernehmen ist man weiter auch, wie verlautet, über den Grundsatz -er Einführung von beweglichen Zöllen für Schweine und für Hülsenfrüchte gelangt. Einmütigkeit besteht endlich darüber, daß mit Italien über die Einfuhr von Frühgemüse und Obst Verhandlungen geführt werden sollen, wobei im Hintergrund offenbar der alte Plan eines Südsruchtmonopols steht.
lieber die noch offenen Punkte will «an die Beratungen tunlichst noch heute zu Ende führen. Es handelt sich um diejenigen in der Agrarvorlage vorgeschlagencn Maßnahmen, die für die deutsche Handelspolitik am meisten von Bedeutung sind.
»
Die -eutfchnationale Reichstagsfraktion hielt gestern eine kurze Fraktionssitzung ab, in -er di« politische Lage besprochen wurde. Beschlüsse wurden nicht gefaßt.
Tages-Spiegel
Der Reichstag beschäftigte sich gestern in zweiter Lesung mit dem Etat des Reichsverkehrsministeriums. Minister von Guerard leitete -ie Anssprache mit einer Rede ei».
»
Im Reichokahinett wnrde bei -er weiteren Beratung -er Agrarvorlage eine Teileinigung erzielt.
Die sächsische Negierung hat beim Reichskabinett beantragt, auch die sächsische» Teile der Lausitz in die Osthilse eiuzn- -eziehen.
*
Der Reichsrat hat gestern die Wahlreformvorlage des Kabinetts angenommen.
»
Die Regierung von Paraguay hat wegen Arbeiter»»»«»^«« über die HauptstaLt Asnncion und 11 andere Städte das Kriegsrecht verhängt.
Die Wahlresormvorlage vom Reichsrat angenommen
TU. Berlin, 20. Febr. Der Reichsrat hat am Donnerstag abend die Wahlresormvorlage mit 56 gegen 10 Stimmen von Thüringen, Mecklenburg-Schwerin und Sachsen angenommen.
Die Wahlresormvorlage sah vor, daß auf je 70 000 statt bisher 60 000 Wähler ein Abgeordneter entfallen soll. Auf preußischen Antrag wurde in namentlicher Abstimmung mit 34 gegen 29 Stimmen bei drei Enthaltungen diese Zahl auf 75 000 erhöht. Dagegen stimmten die Provinzen Grenzmark Posen-Westpreutzen, Nieberschleste«, Oberschlesien, Westfalen und die Länder Bayern, Württemberg» Thüringen, Hessen, Hamburg, Mecklenburg-Schwerin, Braunschweig, Bremen und Lübeck. Die Provinzen Sachsen, Hessen-Nassau und -ie Rheinprovinz enthielten sich.
Die Borlage enthält außer der Erhöhung des Wahlquotienten folgende Neuerungen: 1. Abschaffung der langen Liste; die Stimmzettel können nur bis drei Bewerber enthalten; 2. Berkletuerung der Wahlkreise — 162 gegen bisher —; 8. Beseitigung -er Reichslisten; 4. Vereinfachung des Wahlvorschlagsverfahrens.
Kanonenschüsse zum Fenster hinaus
TU. Berlin, 20. Febr. Ein einzig dastehender Vorfall ereignete sich am Donnerstag nachmittag im Weste» Berlins. Von einer im 2. Stock des Hauses Pfalzburgerstraße 5 gelegenen Wohnung wurden aus einem Geschütz mehrere Schüsse -um Fenster hinaus abgegeben. Die Detonationen brachten das ganze umliegende Straßenviertel tu Aufregung. Das alarmierte Ueberfallkommanöo stellte als Täter den 88jährigen Johannes Lautkin fest, der -er Kriminalpolizei zugeführt wurde, während Geschütz und Munitio« -er Beschlagnahme verfielen. Nach den bisherigen Feststellungen handelt es sich bei dem Täter um einen früheren Offizier, der die Schüsse, durch die zum Glück niemand verletzt wurde, anscheinend in geistiger Verwirrung abgefeuert hat. Lautkin soll sich seit längerer Zeit mit der Neukonstruktion eines Geschützes befaßt haben, konnte aber feine Erfindung nicht verwerten. Offenbar, um zu zeigen, daß sein Modell brauchbar sei, kam er dann auf de« seltsame» Gedanken» aus dem Fenster der Wohnung einen Versuch zu machen.
Neue Volksabstimmung für Eupen-Malmeoy beaniragt
TU. Brüssel, 20. Febr. Die Parlameutsfraktion -er flämischen Nationalsozialisten nahm am Donnerstag eine Vorlage über die Umwandlung Belgiens in einen Bundesstaat an, wobei Lte Verwaltung Flanderns und Walloniens vollständig getrennt werden soll. In der neuen Vorlage, -ie in de« nächsten Tagen dem Parlament zugehen soll, ist für Eupen-Malmedy eine neue Volksabstimmung über die Rückkehr dieser Gebiete zu Deutschland vorgesehen.
Neue Zusammenstöße in Danzig
TU. Danztg, 20. Febr. Gestern vormittag wurden 20 arbeitslos« Nationalsozialisten, die vom Arbeitsamt kamen, auf dem Fischmarkt von Angehörigen der Roten Marine und des Rotfrontkämpferbundes, die sich mit zwei Hauptanführern hinter Kohlenwagen verschanzt hatten, ohne weiteres beschossen. Einer der Nationalsozialisten, der von einem Kommunisten aufs Pflaster geworfen und mit einem Messer bearbeitet wurde, gab in der Notwehr einen Schuß ab, der seinem Angreifer in den HalS ging. Die Pottzei verhaftet« mehrere Kommunisten.