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Nr. 42

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Freitag, den 20. Februar 1931

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Fahrgang 103

Der Verkehrshaushall vor dem Reichstag

Ablehnung des Speditions-Monopolverlrages der Reichsbahn Stetig sinkende Einnahmen

Berlin, 20 Febr. Nach der dreitägigen Fastnachts­pause hat der Reichstag gestern die Etatsberatungen wieder ausgenommen. Nationalsozialisten und Deutschnationale waren der Sitzung ferngeblieben. So mnßt§ man beim Ber­kehrsetat, dessen zweite Lesung es zu absolvieren galt, auf den üblichen Vorspruch des Berichterstatters verzichten, denn der Deutschnationale Qua atz, dem diese Aufgabe eigent­lich zugefallen wäre, war nicht anwesend. Wie immer bei der Beratung des Verkehrsetats stand im Brennpunkt der Diskussion die Reichsbahn, die seit dem Dawes-Vcrtrag nur noch indirekt den Machtbefugnissen des Verkehrsmini­sters untersteht. Wie aber sich die Verhältnisse gewandelt habe», seit die Souveränität des Neichsverkehrsministeriums auf ein Mindestmaß herabgesetzt wurde, zeigte die Geschichte des Schenker-Vertrages. Ohne sich um den Ver- kchrsminister zu kümmern, hat die Reichsbahnverwaltung einen Monopolvertrag mit dieser Speditionsfirma abge­schlossen. Der Wirtschaftsparteiler M ollath wies in der sehr scharfen Kritik, die er an dem Verhalten der Reichsbahn- gcsellschaft übte, darauf hin, daß die österreichischen Bundes­bahnen erst vor wenigen Tagen einen gleichen Vertrag mit dem in Oesterreich ansässigen Stammuntcrnehmen mit Ent­rüstung abMehnt haben.

Neichsverkehrsmtnister von Gntzrard stellte fest, daß der sogenannte Schenker-Vertrag dem Vcrkehrsministerium durch die Reichsbahn nicht vor­gelegt worden sei. Er, der Minister, sei durch den Abschluß des Vertrages völlig überrascht worden. (Hört! hört!) Er hübe auf eine ganze Reihe von Fragen finanzieller Natur Antworten von der Reichsbahn noch nicht erhalten. Die Reichsbahn sei aber verpflichtet, diese Auskünfte zu geben. Er sei ferner der Auffassung, daß sich die Reichsrcgierung die Genehmigung zu diesem Vertrag Vorbehalte. Ohne diese Genehmigung sei das Abkommen nach seiner Auffassung r e ch t s » n w i r k s a m. (Beifall.) Man rverde noch Ge­legenheit haben, sich über den Schenker-Vertrag zu unter­halten. (Zuruf:Um ihn zu beseitigen!")

Ferner erklärte der Minister, daß der Haushaltsplan seines Ministeriums infolge der Not der Zeit seit drei Fahren ständig im Rückgang begriffen sei. Das zeige sich be­sonders auf dem Gebiet der Wasserbauverwaltung. Dort müßten auch Aufgaben zurückgestellt werden, die ge­eignet wären, Arbeit zu schassen. Da auch die kommenden Haushalte nur in dem Umfange des jetzigen ausgestellt wer­den sollten, sei es leider unumgänglich notwendig, auf die größtmögliche Wirtschaftlichkeit aller Ausgaben hinzuwir­ken. Zweifellos sei es die Aufgabe einer gesunden Ver­kehrspolitik, eine gewisse Einheitlichkeit in den Be­ziehungen der Verkehrsmittel zueinander herzustellen. In­dessen könne man die gesunde Konkurrenz, die notwendig sei, nicht ausschalten.

Der Minister sprach dann den beteiligten Stellen seinen Dank aus für die Bildung eines einheitlichen VerkehrsauS- schnsses für die gesamte deutsche Fremdenwerbung. Er hob besonders hervor, daß dafür Neichszuschüsse nicht erforder­lich seien. Das früher benutzte SchlagwortDeutsche reist nicht ins Ausland!" sei ein Kehler, denn wir könne man dann verlangen, baß die Ausländer nach Deutschland kämen.

Die Finanzlage der Reichsbahn habe sich auch gerade im letzten Jahre wieder außerordentlich verschlechtert. Die Reichsbahn habe im letzten Geschäftsjahr ein« Minder­einnahme von 780 Millionen Mark gehabt. Sie sei daher zu einer Drosselung ihrer Ausgaben gezwungen wordSn. Das neue Geschäftsjahr zeige in finanzieller Hinsicht ein außer­ordentlich unbefriedigendes Bild. Die Reichsbahn gehe mit sehr beschränkten Betriebsmitteln in das neue Jahr hineim.

Die Einnahinen zeigten im Januar gegenüber dem Jahre 1S80 eine weitere Verschlechterung von 84 Millionen Mark. In den letzten Tagen sei zum ersten Male seit Beendigung des Krieges die Tageseinnahme unter 10 Millionen Mark gesunken. Diese finanzielle Lage mache es unmöglich, den Anträgen auf Tariferleichterungen in irgendwie erheblichem Umfange stattzugeben.

Zum Luftverkehrswesen verwies der Minister auf die gewaltigen Ausgaben anderer Staaten auf diesem Gebiet. Leider könne Deutschland wegen seiner Finanzlage seine Pläne für den Transozeanluftverkehr nicht schnell ge­nug verwirklichen. Verbesserung des Straßennetzes sei not­wendig. Dem Bau großer Autostraßen stehe die Regierung durchaus ablehnend gegenüber. Der Beimischungszwang von Spiritus zum Kraftwagenbetriebsstoff wäre für die deutsche Antomobilindustrie unerträglich. Er würde allein für den öffentlichen Kraftverkehr eine Mehrbelastung von 14S Mil­lionen bedeuten. (Hört! hört!) In Beantwortung einer Interpellation wegen des Flaggenwechsels der Hamburger Reederei Bogemann erklärte der Minister dann noch, baß er diesen Flaggenwechsel vom nationalen Standpunkt aus außerordentlich bedauere, daß sich aber rechtlich wenig da­gegen tun lass«.

In der Aussprache wurde der alte Wunsch nach Be­schleunigung der Arbeiten am Mittellandkanal laut. Red­ner der verschiedenen Parteien setzten sich weiter für den Ausbau der deutschen Luftfahrt ein, die nicht vor der Aus­landskonkurrenz ins Hintertreffen geraten dürfe. Der Staatsparteiler Winschuh behandelte hauptsächlich soziale Fragen und trat für eine möglichst schonende Anwendung der Rationalisterungsmaßnahmen bei der Reichsbahn ein. Der Volksparteiler Schneider trug Tarifwünsche der sächsi­schen Wirtschaft vor- Noch während der Beratungen ging ein Antrag der Wirtschaftspartei ein, der von der Regierung verlangt, - sie dem Schenker-Vertrag ihre Zustimmung verweigere.

Sitzung des Aelteftenrates.

An der Donnerstagsitzung -es Aelteftenrates des Reichstags beteiligten sich die Nationalsozialisten nicht. Die Deutschnationalen wurden zunächst durch ihren Frak­tionsvorsitzenden Dr. Oberfohren vertreten, der die Sitzung jedoch bald nach Beginn verließ, um an der Frak­tionssitzung teilzunehmen. Auf Antrag -es Präsidenten Löbe beschloß der Aeltestenrat, die Diätenanträge der Na­tionalsozialisten in Druck zu geben; auf die Tagesordnung des Reichstags können sie allerdings erst gesetzt werden, wenn es di« Unterzeichner in -er Vollsitzung beantragen, und wenn es von -er Mehrheit des Hauses beschlossen wir-. Schließlich wurde man sich dahin einig, - auch dieser Reichstag wieder einen Untersuchungsausschuß für die Kriegsursachen einsetzen soll, um di« Arbeiten -er Unter­suchungsausschüsse früherer Reichstage zu beenden. Der Ausschuß soll seine Arbeiten noch möglichst bis Ende dieses Jahres fertigstellen.

St« »euer Diäteuantrag.

Die nationalsozialistische Reichstagsfraktion hat einen Antrag eingebracht, wonach die Aufwandsentschädigung der Mitglieder des Reichstags einschließlich der Gesamtbezüge des Reichstagspräsibenten um die Hälfte gekürzt werben sollen, wenn eine Tagungspause eintritt, die de« Zeitraum von einem Monat und darüber hinaus umfaßt. Die dadurch in der Reichskasse verfügbar werdenden Beträge sollen den ausgesteuerten Erwerbslosen, Kleinrentnern und Sozial­rentnern überwiesen werben, die sich infolge KranHeit, o-er sonst erschwerter Lebens- und Familienverhältnisse in besonders drückender Notlage befinden.

Reichskabinelt und Agrarvorlage

TU. Berlin» 20. Febr Amtlich wird mitgeteilt: Unter dem Vorsitz des Reichskanzlers trat am Donnerstag vor­mittag bas Reichskabinctt bei der Erörterung des Agrar­programms in die Spezialdebatte ein. Die Beratung, die heute fortgesetzt werden soll, ergab in wesentlichen Fragen bereits vollkommene Uebereinstimmung.

In Ergänzung der amtlichen Mitteilung über das bis­herige Ergebnis der Kabinettsverhandlnngen itber die Agrarvorlage des ReichSernährnngsministcriuM erfahren wir, daß unbeschadet der bereits am Montag erfolgten grund­sätzlichen Zustimmung und der sachlichen Erledigung einer Anzahl von Programmpunkten gestern einige wesentliche Punkte noch offen geblieben sind, so u. a. die Einführung von Gleitzöllen für Butter und andere Milchcrzeugnisse. Dagegen darf für die Verlängerung der Ermächtigung zur Hand­habung -er Getreidezölle liber den 1. April hinaus sowie zu

der gegenwärtigen Regelung des Einfuhrscheinsystems die Zustimmung des Kabinetts als gesichert gelten. Zu einem Einvernehmen ist man weiter auch, wie verlautet, über den Grundsatz -er Einführung von beweglichen Zöllen für Schweine und für Hülsenfrüchte gelangt. Einmütigkeit be­steht endlich darüber, daß mit Italien über die Einfuhr von Frühgemüse und Obst Verhandlungen geführt werden sol­len, wobei im Hintergrund offenbar der alte Plan eines Südsruchtmonopols steht.

lieber die noch offenen Punkte will «an die Beratungen tunlichst noch heute zu Ende führen. Es handelt sich um diejenigen in der Agrarvorlage vorgeschlagencn Maßnahmen, die für die deutsche Handelspolitik am meisten von Bedeu­tung sind.

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Die -eutfchnationale Reichstagsfraktion hielt gestern eine kurze Fraktionssitzung ab, in -er di« politische Lage besprochen wurde. Beschlüsse wurden nicht gefaßt.

Tages-Spiegel

Der Reichstag beschäftigte sich gestern in zweiter Lesung mit dem Etat des Reichsverkehrsministeriums. Minister von Guerard leitete -ie Anssprache mit einer Rede ei».

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Im Reichokahinett wnrde bei -er weiteren Beratung -er Agrarvorlage eine Teileinigung erzielt.

Die sächsische Negierung hat beim Reichskabinett beantragt, auch die sächsische» Teile der Lausitz in die Osthilse eiuzn- -eziehen.

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Der Reichsrat hat gestern die Wahlreformvorlage des Kabi­netts angenommen.

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Die Regierung von Paraguay hat wegen Arbeiter»»»«»^«« über die HauptstaLt Asnncion und 11 andere Städte das Kriegsrecht verhängt.

Die Wahlresormvorlage vom Reichsrat angenommen

TU. Berlin, 20. Febr. Der Reichsrat hat am Donnerstag abend die Wahlresormvorlage mit 56 gegen 10 Stimmen von Thüringen, Mecklenburg-Schwerin und Sachsen angenom­men.

Die Wahlresormvorlage sah vor, daß auf je 70 000 statt bisher 60 000 Wähler ein Abgeordneter entfallen soll. Auf preußischen Antrag wurde in namentlicher Abstimmung mit 34 gegen 29 Stimmen bei drei Enthaltungen diese Zahl auf 75 000 erhöht. Dagegen stimmten die Provinzen Grenzmark Posen-Westpreutzen, Nieberschleste«, Oberschlesien, Westfalen und die Länder Bayern, Württemberg» Thüringen, Hessen, Hamburg, Mecklenburg-Schwerin, Braunschweig, Bremen und Lübeck. Die Provinzen Sachsen, Hessen-Nassau und -ie Rheinprovinz enthielten sich.

Die Borlage enthält außer der Erhöhung des Wahlquo­tienten folgende Neuerungen: 1. Abschaffung der langen Liste; die Stimmzettel können nur bis drei Bewerber ent­halten; 2. Berkletuerung der Wahlkreise 162 gegen bisher ; 8. Beseitigung -er Reichslisten; 4. Vereinfachung des Wahlvorschlagsverfahrens.

Kanonenschüsse zum Fenster hinaus

TU. Berlin, 20. Febr. Ein einzig dastehender Vorfall er­eignete sich am Donnerstag nachmittag im Weste» Berlins. Von einer im 2. Stock des Hauses Pfalzburgerstraße 5 ge­legenen Wohnung wurden aus einem Geschütz meh­rere Schüsse -um Fenster hinaus abgegeben. Die Detonationen brachten das ganze umliegende Straßen­viertel tu Aufregung. Das alarmierte Ueberfallkommanöo stellte als Täter den 88jährigen Johannes Lautkin fest, der -er Kriminalpolizei zugeführt wurde, während Geschütz und Munitio« -er Beschlagnahme verfielen. Nach den bisheri­gen Feststellungen handelt es sich bei dem Täter um einen früheren Offizier, der die Schüsse, durch die zum Glück nie­mand verletzt wurde, anscheinend in geistiger Ver­wirrung abgefeuert hat. Lautkin soll sich seit längerer Zeit mit der Neukonstruktion eines Geschützes befaßt haben, konnte aber feine Erfindung nicht verwerten. Offenbar, um zu zeigen, daß sein Modell brauchbar sei, kam er dann auf de« seltsame» Gedanken» aus dem Fenster der Wohnung einen Versuch zu machen.

Neue Volksabstimmung für Eupen-Malmeoy beaniragt

TU. Brüssel, 20. Febr. Die Parlameutsfraktion -er flä­mischen Nationalsozialisten nahm am Donnerstag eine Vor­lage über die Umwandlung Belgiens in einen Bundesstaat an, wobei Lte Verwaltung Flanderns und Walloniens voll­ständig getrennt werden soll. In der neuen Vorlage, -ie in de« nächsten Tagen dem Parlament zugehen soll, ist für Eupen-Malmedy eine neue Volksabstimmung über die Rückkehr dieser Gebiete zu Deutschland vorgesehen.

Neue Zusammenstöße in Danzig

TU. Danztg, 20. Febr. Gestern vormittag wurden 20 arbeitslos« Nationalsozialisten, die vom Arbeitsamt kamen, auf dem Fischmarkt von Angehörigen der Roten Marine und des Rotfrontkämpferbundes, die sich mit zwei Haupt­anführern hinter Kohlenwagen verschanzt hatten, ohne wei­teres beschossen. Einer der Nationalsozialisten, der von einem Kommunisten aufs Pflaster geworfen und mit einem Messer bearbeitet wurde, gab in der Notwehr einen Schuß ab, der seinem Angreifer in den HalS ging. Die Pottzei ver­haftet« mehrere Kommunisten.