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Samstag, 26. September 1953
Amtsblatt für den Kreis Calw
Nr. 39 / Seite 3
Kreistags-Sitzung in Hirsau
Am Freitag, den 18. September 1953 trat im Kursaal in Hirsau der Kreistag zu seiner fünften und lebten Sifeung zusammen.
Landrat Ge iss ler begrüßte die Abgeordneten des Kreistags und die zahlreich erschienen Zuhörer.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gab der Vorsi^ende einige ehrenvolle Auszeichnungen für Angehörige des öffentlichen Dienstes im Kreis bekannt; so wurde dem wegen Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand getretenen Reg.Vet.Rat Dr. Wolf (Calw) für seine wertvollen Dienste im Interesse des Kreises und der Landwirtschaft, eine Urkunde des Ministerpräsidenten überreicht. Für seine hervorragende Verdienste um die Belange des Kreises Calw, besonders für den sozialen Wohnungsbau, konnte Landrat Geissler an Bürgermeister a.D. Hermann Maier (Nagold) das vom Bundespräsidenten verliehene Verdienstkreuz am Bande übergeben. Dem verdienten Gewerbeschulrat Reile (Neuenbürg) sprach der Vorsitjende zu seiner Ernennung zum Studienrat an der Meisterschule in Reutlingen die Glückwünsche des Kreistags aus.
n Zukunft 10 Kreisratsmitglieder
Im 1. Punkt der Tagesordnung wurde der Antrag desbisherigenMitglieds Willi Schnierle (Haiterbach) auf Ausscheiden aus dem Kreistag behandelt und zugestimmt. Als neues Kreistagsmitglied wurde Bürgermeister Brenner (Oberschwandorf) vom Vorsitjenden verpflichtet. Bürgermeister W i d m a n n (Gültlin- gen und Wildberg) stellte den Antrag die Zahl der Kreisratsmitglieder auf 10 zu erhöhen. (Bisher 8). Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Die abgeänderte Satjung wird dem Regierungspräsidium in Tübingen vorgelegt, sodaß am 1. 12. 1953 die Aenderung in Kraft treten kann.
Steuerkraftmeßzahlen auf 7851985DM erhöht
Zu den Beratungen über die Haushaltssatzung und den Haushaltsplan 1953 gab einleitend Landrat Geissler einen umfassenden Bericht über die Finanzlage und die Aufgaben des Kreises. Besonders erfreulich sei, so führte der Vorsitjende aus, daß heuer der Haushaltsplan des Kreisverbandes IV 2 Monate früher vorgelegt werden könne als im vergangenen Jahr. Die Absicht der Verwaltung den Haushaltsplan schon vor Mitte August fertigzustellen wäre nicht möglich gewesen, da neben anderen wichtigen Unterlagen, insbesondere die Steuerkraftmeßzahlen noch nicht feststanden. Diese betragen nunmehr 7 851985 DM; somit eine Steigerung von 20,14*/ o gegenüber dem Vorjahr. Der Vorsitjende dankte den verantwortlichen Beamten und Angestellten des Kreisverbandes und der Kreiskrankenhausverwaltung für den frühzeitigen Abschluß der Rechnung 1952 und ihre damit verbundene Mehrarbeit.
Der neue Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1953 zeige nicht nur einen Ausblick in die Zukunft, sondern auch einen Rückblick auf die geleistete Arbeit im Jahre 1952. Wesentlich beeinflußt werde der Haushaltsplan durch die 200000 DM Restmittel auf der Einnahmeseite, andererseits stehe auf der Ausgabenseite die Erhöhung der Löhne und Preise und der Zinsen- und Tilgungsdienst für die aufgenommenen Darlehen. Der Landrat stellte fest, daß mit Abschluß des Rechnungsjahres 1952 endgültige Klarheit über den Aufwand für den Bau des Altenheim in Neuenbürg und für den Erweiterungsbau des Kreiskrankenhaus in Calw geschaffen sei.
Belegung und Betrieb des Altenheims befriedigt
Der Gesamtaufwand für den Bau des Altenheim in Neuenbürg beträgt einschließlich dem Erwerb und dem notwendigen Umbau der beiden Gebäude Happey Weg 3 und Wildbader Strasse 153 1183719 DM. Die Restfinanzierung ist im ordentlichen Haushaltsplan 1953 mit
76200 DM, im außerordentlichen Haushaltsplan mit 61000 DM vorgesehen.
Neuzeitliches Kreiskrankenhaus wurde geschaffen
In seinen weiteren Ausführungen stellte Landrat Geissler die mit dem bevorstehenden Abschluß des Um- und Erweiterungsbaus des Kreiskrankenhaus Calw gelösten Aufgaben in den Vordergrund.
Durch die Erhöhung der Bettenzahl von 180 auf 280 ist die dauernde Ueberbelegung beseitigt und damit auch die Gewähr gegeben, daß auf viele Jahre hinaus die bisherigen Un- zuträglichkeiten in dieser Hinsicht behoben sind. Die Küche, die bei einer Leistungsfähigkeit von rund 200 Portionen schon beim alten Zustand überbeansprucht war, genügt nunmehr allen Anforderungen des erweiterten Betriebs. Insbesondere ist je^t auch die Einrichtung einer in der modernen Therapie nicht mehr wegzudenkenden Diätküche möglich geworden. Weiter sei eine bisher nicht vorhandene neuzeitliche Bäderabteilung geschaffen worden und die bisher beinahe vorsintflutlich anmutenden sanitären Verhältnisse sind ebenfalls auf die Höhe der Zeit gebracht worden. Die menschenwürdige und saubere Unterbringung des Pflege- und Hauspersonals innerhalb des Hauses sei nunmehr sichergestellt. Auch die Schwesternschule ist jetjt in vollem Umfang im Neubau des Wirtschaftsbaus untergebracht. Endlich sei auch die Unterbringung der Hals-Nasen-Ohren-Station im Kreiskrankenhaus möglich. Der Vorsitjende sprach die Hoffnung aus, daß das Kreiskrankenhaus Calw in seiner äußeren Gestaltung und in seiner inneren Einrichtung nunmehr auf viele Jahre hinaus allen Anforderungen, insbesondere auch in wirtschaftlicher Hinsicht entspricht und weitere bauliche Aufwendungen nicht mehr notwendig sein werden.
Die Kosten haben sich wesentlich erhöht
Die Kosten für den Um- und Erweiterungsbau seien allerdings wesentlich höher geworden als ursprünglich angenommen wurde. Dies sei auf verschiedene, bei der erstmaligen Planung nicht vorgesehene Umstände zurückzuführen. Zunächst sei eine Steigerung der Löhne und Preise eingetreten; auch der Umbau der beiden Altbauten, sowie eine völlige Neuanlage der Installationseinrichtungen ver= ursachten weit höhere Kosten als ursprünglich angenommen wurde. Zu den Mehraufwendungen kam noch das in diesem Umfang zunächst nicht vorgesehene Wirtschaftsgebäude, die Aufstockung des einstöckigen Pavillon (sogen. „Siebener“) für die rund eine halbe Million aufzubringen waren. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei mit einem Gesamtaufwand von 3,94 Millionen zu rechnen. Die Finanzierung dieses Betrages ist wie folgt gedacht: Aus früheren Rückstellungen und aus laufenden Mitteln der Haushaltspläne 1950, 1951, 1952 und 1953 (in diesem Jahr 291887 DM) 1 050 000 DM Staatsbeitrag 10 °/o 375 000 DM
durch Schuldaufnahme 2 505 000 DM
Spenden und Altmaterial 10000 DM
zusammen also
3940000 DM
Erweiterung der Kreiskrankenhäuser in Nagold und Neuenbürg
Als Zukunftsaufgaben stellte der Vorsijjende größere Erweiterungsarbeiten an den Kreiskrankenhäuser Nagold und Neuenbürg hervor. Der Zweck dieser Arbeiten soll sein, die Belegungsfähigkeit zu erhöhen, Schwestern und Hauspersonal besser unterzubringen, Maßnahmen für die Durchführung einer modernen Therapie zu schaffen und eine geordnete Wirtschaftsführung zu gewährleisten. Der Kreisrat wird sich, vorbehaltlich der Zustimmung des Kreistags, in nächster Zeit mit der Ausarbeitung der Pläne für die Erweiterung der beiden
Kreiskrankenhäuser beschäftigen. Bei dieser Gelegenheit dankte der Landrat den Aerzten, Schwestern und dem Hilfs- und Hauspersonal für ihre selbstlose und aufopfernde Arbeit im Dienste der Kranken.
232 km Landstraße II. Ordnung im Kreis müssen unterhalten werden
Ein weiteres, die Finanzen des Kreises stark berührendes Problem, so führte der Vorsitjende weiter aus, sei die Unterhaltung, der Um- und Ausbau unserer Landstraßen II. Ordnung, Der Zustand unserer Straßen habe sich in den lebten 3—4 Jahre erfreulicherweise wesentlich gebessert. Dafür sei besonders auch dem Leiter des Straßenbauamts Calw, Oberbaurat L ü t z e und seinen Mitarbeitern zu danken.
Der gesamte Aufwand für die Landstraßen II. Ordnung betrage nach Abzug des Staatsbeitrags rund 530000 DM, dieser Summe ist noch der Beitrag des Kreisverbands an den Staat für die Unterhaltung der Landstraßen I. Ordnung mit 212000 DM zuzuschlagen, sodaß allein rund s /‘ Millionen DM oder ein starkes Drittel des Gesamtaufkommens an Kreisverbandsumlage für die Straßenunterhaltung verwendet werden müsse.
Kreistag fordert „kommunalen Lastenausgleich“
Zu diesem Thema sagte Landrat Geißler wörtlich: „Die Finanzlage der Kreisverbände und ihre Belastung durch öffentliche Aufgaben müßte für die Regierung Veranlassung sein, einen Lastenausgleich nicht nur zwischen Land und Gemeinden, sondern auch zwischen leistungsschwachen, stark belasteten und leistungsstarken, weniger belasteten Kreisen und Gemeinden durchzuführen“.
Der Vorsitjende richtete abschließend namens des Kreistags an die Regierung eine dahingehende Bitte.
Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen erläuterte der Landrat den Aufwand des Kreisverbandes für die Fürsorge jeder Art. Den Einnahmen mit 3891255 DM stehen Ausgaben in Höhe von 4498758 DM gegenüber. Die verantwortlichen Männer des Kreisverbandes seien sich darüber klar, daß der Kreisverband auch für die Lösung sozialer Aufgaben erhebliche finanzielle Opfer bringen muß. Man habe jedoch kein Verständnis dafür, daß von der als reine Bundesangelegenheit den Kreisen übertragenen Aufgabe des Lastenausgleichs 70°/ 0 der insgesamt rund 120000 DM betragenden sachlichen und persönlichen Ausgaben, von den Kreisen getragen werden müsse. Es werde daher erwartet, daß in Bälde der gesamte sachliche und persönliche Aufwand für diese Bundesaufgabe den Kreisen und Gemeinden abgenommen wird, zum mindesten aber, daß wenigstens der im Lastenausgleichsgesetj festgelegte Anteil von 50°/o dieser Ausgaben den Kreisen und Gemeinden ersetjt wird.
100000 DM Schullastenausgleich für den Kreis
Der Vorsigende berichtete weiter, welche schwere Belastung den Kreisverbänden durch das Finanzausgleichsgeset 5 von 1951 erfolgte Verpflichtung zur Uebemahme des Schullastenausgleichs auferlegt worden sei. In diesem Zusammenhang richtete Landrat Geissler an die Verfassungsgebende Landesversammlung die dringende Bitte, die diesbezüglichen Beschlüsse der Ausschüsse über die völlige Schulgeld und Lernmittelfreiheit einer Revision zu unterziehen. Es gehe nicht an, den Kreisen und Gemeinden von Landes- oder Bundeswegen immer größere Lasten aufzubürden, ohne ihnen gleichzeitig die Wege zu deren Finanzierung zu zeigen.
Bevor in die Beratung des Haushaltplans im einzelnen eingegangen wurde kam Landrat Geissler noch auf den Schuldenstand des Kreises zu sprechen. Nach Auffassung des Kreisrats könne diese Fülle von Aufgaben nur durch