Samstag den 27. September 1952
Amtsblatt für den Kreis Calw
Nr. 39/Seite 3
Stuttgart - Calw im „Nikolaus“
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uach Württemberg reisen, heißt nach Stuttgart fahren; denn nur wer Stuttgart kennt, kennt Württemberg. Von Nord und Süd, von West und Ost zielen viele Wege Deutschlands und Europas nach diesem „Stapelort“ von Industrie und Wirtschaft, dem Herzstück eines wunderschönen Landes.
Nach Stuttgart kommen, heißt in Stuttgart bleiben, auch wenn es vorher nicht im Reiseplan gestanden hat. Nicht nur alte Baudenkmäler locken, nicht nur das viele Neue, das aus der Zerstörung wieder auferstanden ist, nein, das ganze Stuttgart, die „Großstadt zwischen Wald u. Reben“ lädt zum Verweilen ein: Das Stuttgart, desseiwepräsentativste_jmd^erühmteste_
Calw, Marktplatz
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Stuttgart^
Calw
Kapstadt
Die Stadt Stuttgart hatte schon immer ein großes Interesse daran, auch mit den bis jetjt verhältnismäßig verkehrsungünstig liegenden Gebieten unsres Landes in eine innigere Verbindung zu kommen. Seitdem das Land Baden-Württemberg geschaffen ist und wir die Hauptstadt des ganzen deutschen Sfid- westens geworden sind, hat sich dieser Wunsch nur noch verstärkt. Die alte, tradi- tionsreiche u. wirtschaftlich lebendige Stadt Caiw und ihre Umgebung war lange Zeit zu unserem Leidwesen verkehrsmäßig ein Stiefkind. Umso mehr freuen wir uns darüber, daß dies jetjt nach langwierigen Bemühungen anders geworden ist. Ich habe keinen Zweifel, daß die neue Omnibuslinie einen sehr regen Zuspruch findet u. zu allen Jahreszeiten viele Schwarzwälder in Stuttgarts Mauern bringen wird. Wir selbst wollen nicht versäumen, reichlich Gegenbesuche zu machen, und die Schönheit des württember- gischen Schwarzwaldes als eines uns besonders am Herzen liegenden Stüches Heimat genießen.
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Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart
Straße, die Königstraße, in einem großzügigen Wiederaufbau begriffen ist. Voll trostloser Ruinen, bedeckt mit Trümmerschutt - 1945.
Und 1952! Aus neu erstandenen Geschäftshäusern ergießt sich abends ein wahres Lichtermeer, fast beängstigend ist die Menschenfülle, die sich an den prächtigen Auslagen vorbeischiebt, auf der Fahrbahn reißt die Kette der Kraftfahrzeuge nie ab(Stutt- gart hat die meisten Kraftfahrzeuge der Bundesrepublik, gemessen an der Einwohnerzahl): Die Königstraße bietet wie einst ein überwältigendes Bild großstädtisch. Prachtentfaltung.
. . . Das Stuttgart der liebenswürdigen schwäbischen Gastlichkeit, die ebenso in kleinen, alten und traulichen Wirtschaften wie in modernen Gaststätten und Cafös, in komfortablen Hotels zu finden ist.
. . . Das Stuttgart, das an der Spitje des deutschen Industrie- Exports steht, in dem Werke von Weltgeltung wie Daimler-Benz und Robert Bosch ansässig sind, das im Verlagswesen und im graphischen Gewerbe führend ist, und dessen Solitude-Rennen um den Großen Preis von Deutschland alljährlich Hunderttausende von nah und fern herbeizieht.
. . . Das Stuttgart, in dem Wald, Wiese und Weinberg zum Bestandteil der Stadt geworden sind, das die größte landwirtschaftliche und die zweitgrößte Weinbaugemeinde der Bundesrepublik (eineinhalb bis zweieinhalb Millionen Liter Wein werden in den einzelnen Weinherbsten in Groß-Stuttgart abgeemtet) ist. Wo man sich inmitten einer modernen Großstadt in idyllische Grünanlagen, die die Stadtmitte freundlich lockern und draußen bergend umschließen, zu einer beschaulichen Ruhestunde zurückziehen kann. Wo die weiten Anlagen des Stadions mit seinen Kampfbahnen dicht neben Schwimmbecken liegen, in denen sich im Sommer Tausende von Stuttgartern und viele ihrer Gäste im heilenden Mineralwasser tummeln.Täglich sprudeln inBadCannstatt u. dem Berger Becken etwa 20 Mill. Liter heilkräftiges Mineralwasser aus dem Schoße der Erde. Wo es einen Höhenpark Killesberg und eine Wilhelma gibt.
Wissen bieten seine Hochschulen und Bibliotheken, seine Museen, und Kunstsammlungen, Unterhaltung und Erholung seine Theater sein Musikleben, seine Kleinkunststätten und seine Kinos.
Wahrlich, wer, wann immer, nach Stuttgart kommt, er wird vom wiedergewonnenen Liebreiz dieser Stadt, die alles zusammen ist: Industrie- und Gartenstadt, Kunst-, Fremden-, Bade-, Buch- und Sportstadt, von ihrer einzigartigen Atmosphäre bestrickt sein. Nur
Eine Sdroellverblndung' zwischen den beiden Städten Calw n. Stuttgart ist schon seit vielen Jahren ein sehnlicher Wunscfa^eines
Keser Wunsch ging min durch die Einrichtung der OmnibusschneTlverbindung, welche über Magstadt nach Stuttgart führt, in Erfüllung. Der Beweis für die Notwendigkeit einer solchen Schnellverbindung ist bereits durch die bisher starke Benutjung der Linie eindeutig erbracht.
Die Einwohnerschaft von Calw bedient sich gern dieses bequemen, mit Polstersesseln ausgestatteten Omnibusses, genannt der „Nikolaus“, der sie von der Stadtmitte Calw zur Stadtmitte Stuttgart in kaum einer Stunde zu einem günstigen Fahrpreis bringt. Ein Fortschritt, der auch dem Kleinen Mann zugute kommt. Nicht zulegt besteht hier nach den vielen Jahren der Trennung das Bedürfnis mit der Landeshauptstadt enger verbunden zu sein.
ungern denkt er ans Weiterreisen. Z. B. in den Schwäbischen Wald, zur Alb, zum Bodensee, zum Schwarzwald.
Wer keinen eigenen Wagen fährt, benutjt die Bundesbahn oder die Kurse der bequemen Omnibuslinien, die von Stuttgart aus nfcch allen Richtungen starten. Nur wenige Hauptausfluggebiete gibt es, die mit ihnen nicht zu erreichen wären. Zu diesen wenigen gehörte bis vor kurzer Zeit der gleichsam vor der Haustür Stuttgarts liegende Schwarzwaldkreis Calw mit seiner Kreisstadt und
seinen zahlreichen bekannten Bade- und Luftkurorten. Per Bundesbahn kommt man zwar gut, jedoch auf großen zeitraubenden Umwegen ans Ziel. Die Strecke Stuttgart-Calw über Leonberg z. B., die kürzeste Bahnverbindung zwischen Stuttgart und Calw, zählt 56 Bahnkilometer, während es auf der Fahrstraße nur 42 km sind. Dazu die vielen „Haltstationen“ unterwegs und die zum Teil recht langen Aufenthalte! Die Schnellverbindung für die in den Schwarzwald „ausfliegenden“ Stuttgarter und für dieCalwer, die „rasch mal* in die Landeshauptstadt wollten, fehlte. Die Rufe nach ihr wurden von beiden Seiten immer lauter,
____ immer dringender, und
schließlich wurden sie gehört: Am 31. März 1952 befuhr der neue Schnellomnibus der Bundesbahn zum ersten Male die Strecke Stuttgart-Calw und eröffnete damit den regelmäßigen Ohne-Halt-Verkehr Stuttgart - Calw.
Der„Schwerer- kämpfte“,derauf seiner Jungfernfahrt aus Stutt- gartetlichemaß- geblich an seinem endlichen „Da-Sein“ beteiligte Persönlichkeiten mitbrachte, wurde in Calw feierlich eingeholt. Und anschließend an die offizielle Begrüßung wurde er im „Hirsch“ zu Calw „getauft“. Eine Aktion, die beileibe keine Nottaufe bedeutetelDenn gerade diesem heißbegehrten Kind der Bun-
Stuttgart, Stiftskirche mit Rössle
Bürgermeister der Stadt Calw
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