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3. Mai 1952

Amtsblatt für den Kreis Calw

die Freiwilligkeit dieser Geste gibt es keine Zweifel. Schwaden von Rauch zeigen die Wir­kungsstätte seiner Tätigkeit an. Was war ge­schehen? Der Waschkessel in der Waschküche des Hausbesitzers Häfele ist unbenützbar, der Rost ist durchgebrannt, das Rohr ist defekt! Zu alledem noch behindern in der Waschküche abgestellte Kisten und Fahrräder den Zutritt mit Waschkörben usw. Der Mieter Pfisterer macht seinem Ärger Luft und eilt sofort zum Hausbesitzer Häfele, um ihm sein Leid zu kla­gen. Schon gibt esKrach im Hinterhaus. Herr Häfele läßt sich auf nichts ein: Wann er den kaputten Waschkessel instandsetzen läßt, ist seine Sache. Wem dies nicht paßt, der muß eben die Wäsche zur Wäscherei bringen. Und überhaupt: er habe die Benützung der Wasch­küche bisher nur gutwillig geduldet. Wenn jetzt die Instandsetzung gewünscht werde, so drehe er den Stiel herum und sperre künftig den Zu­tritt zur Waschküche für dauernd. Der Miet­vertrag enthalte ja keine Klausel über die Mit­benutzung der Waschküche. Es könne ihm also niemand Vorschriften machen. Die Kisten in der Waschküche würden dem Ladenmieter Tüchtig gehören, gegen diesen wolle Herr Häfele nichts unternehmen. Im übrigen verbiete er künftighin das Waschen derkleinen Wäsche in der Küche.Wenn es Ihnen so nicht paßt, dann ziehen Sie aus. Basta! Verschnupft und gereizt zieht Herr Pfisterer ab. Sollte der Mie­ter wirklich so machtlos sein? Und er erkundigt sich. Hier irrt der Hausbesitzer Herr Häfele! Denn: Auch ohne ausdrückliche Regelung in einem Mietvertrag ist der Mieter zur Mit­benutzung einer Waschküche berechtigt, wenn

eine solche vorhanden ist. Dasselbe gilt übri­gens für einen etwaigen Trockenboden und einen Trockenplatz. Der Hausbesitzer kann die Benutzung der Waschküche durch die verschie­denen Mieter regeln (Hausordnung). Vor allen Dingen muß er aber die Waschküche in einem benutzungsfähigen Zustand erhalten. Dazu ge­hört, daß er Schäden beseitigt. Der Vermieter läuft Gefahr, bei ergebnisloser Aufforderung zur Schadenbeseitigung dem Mieter die Mehr­kosten für die Inanspruchnahme einer Wä­scherei bezahlen zu müssen. Zudem könnte in diesem Fall der Mieter eine Herabsetzung des Mietpreises verlangen und durchsetzen. Auch dürfen in der Waschküche keine sperrigen Ge­genstände aufbewahrt werden. Der Haus­besitzer kann solche Störungen evtl, gerichtlich abstellen lassen. Aber die Benutzung der Wasch­küche kann nicht nur ein Recht sein, sie ist auch eine Pflicht. Der Mieter darf die große Wäsche nicht in der Küche waschen und in der Woh­nung zum Trocknen aufhängen. Dies wäre eine Verletzung der Mieterpflichten und berechtigt den Vermieter bei vergeblicher Abmahnung zur Erhebung der Räumungsklage. Dagegen bildet das Waschen der sogenannten kleinen Wäsche keinen Mietaufhebungsgrund. Anderer­seits muß der Mieter die Wascheinrichtungen in der Waschküche ordnungsmäßig gebrauchen und auch pfleglich behandeln. Wir nehmen an, daß Herr Häfele bei der nochmaligen Vor­sprache durch den Mieter Pfisterer seinen Irr­tum einsieht und sich den sachlichen Darlegun­gen nicht verschließt. Damit beim Waschtag das Barometer für Wetter und für Stimmung steigt. Auch bei Pfisterers.

Zur Theorie der Pforzheimer Auskreisungsbestrebungen

In dem Plangebilde, das der Pforzheimer Ausschuß zur Neuordnung des Landkreises Pforzheim der Öffentlichkeit offiziell unter­breitete, spielt auch der Altkreis Neuenbürg eine bedeutende Rolle. Über die Stellungnahme von Landrat Geissler zu den Pforzheimer Vor­schlägen in der Pressebesprechung vom 10. April 1952 und über die Behandlung der angeschnittenen Probleme in der anschließen­den lebhaften Diskussion wurde in der Presse ausführlich berichtet. Die durch die Darlegung des Calwer Standpunktes im allgemeinen be­ruhigte Atmosphäre des Kreises Calw wurde in seinen nördlichen Teilen durch eine sinn­gemäß ungenaue Berichterstattung über eines der Diskussionsprobleme mit neuer Erregung erfüllt. Die imEnztäler vom 12. April 1952 nicht sinngetreu wiedergegebene Äußerung des Diskussionsredners Bürgermeister Klepser, Bad Liebenzell,daß er die Ansicht Herrn Petrecks (bei der Verteilung der Mittel des Heimat- vertriebenenwohnungsbaus in den nördlichen Kreisgemeinden kurz zu treten) unterstützen müsse und daß er sich auch schon einmal im Kreisrat in dieser Richtung ausgesprochen habe, löste begreiflicherweise in einigen Ge­meinden eine gewisse Beunruhigung und Er­regung aus. Einmal aber hat Bgm. Klepser

nicht für, sondern gegen die Auffassung von Schriftleiter Petreck gesprochen, zum andern dürfte unmißverständlich klar sein, was er mit seiner bereits im Kreisrat vertretenen Stellung­nahme sagen wollte:Daß es angebracht sei, im Hinblick auf die Pforzheimer Bestrebungen gewisse Probleme bis zur endgültigen Kreis­neueinteilung zurückzustellen.

Erst, wenn die große Linie für die Kreis­neueinteilung endgültig festliegt, wenn sozu­sagen das genehmigte Gebäude im Rohbau fertiggestellt ist, kann mit derKleinarbeit begonnen werden. Der Zeitpunkt, wo sich Theorie und Praxis ablösen, ist aber noch nicht gekommen.

Um den Südweststaat zu einem Werk echten Gemeinschaftsgeistes zu machen, müssen sich auch die in diesem Neugebilde vielfach not­wendig werdenden Kreisneueinteilungen in diesem Geiste vollziehen.

Hierher gehört auch, daß alles, was über diese Neubildungen gespröchen und verhandelt wird, der breiten Öffentlichkeit sinngetreu be­richtet wird, damit nirgendwo bei den Beteilig­ten Unruhe und Mißfallen entstehen, die eine Regelung in freundlichem'Übereinkommen er­schweren.

Lob des Regenwurmes

Der Regenwurm, dieses äußerlich so un­ansehnliche, ja vielen Menschen widerliche Tier, gehört zu den Wohltätern der Mensch­heit.

Der berühmte englische Naturforscher Dar­win, der sich in jahrelangen Studien mit dem Regenwurm beschäftigte, schrieb ein Werk über ihn, dessen Inhaltszusammenfassung etwa so lautet: Die Kultur ist in vieler Beziehung der Verdauungstätigkeit der Regenwürmer zu ver­danken.

Es ist zweifelhaft, sagt Darwin u. a.,ob noch mehr Tiere existieren, die in der Welt­geschichte eine so wichtige Rolle gespielt haben, wie diese niedrig organisierten Geschöpfe. Nach ihm gehören sie zu den größten mate­riellen Wohltätern der Menschheit, denn sie sind die eigentlichen Pflüger und Ackersleute der Natur,

die der Kultivierung des Bodens seit Jahr­tausenden verarbeiteten, ja sie in vielen Ge­genden erst ermöglichten. Die Würmer haben den allergrößten Anteil an der Bildung der Humusdecke, die in den gemäßigt feuchten Ländern die Erde überzieht.

Er beginnt sein Werk mit einer genauen Be­schreibung des Regenwurmes, vor allem seines ausgezeichneten Verdauungssystemes.

Alle die interessanten Tatsachen aus dem Leben des Regenwurmes behandelt Darwin jedoch nur einleitend, der Hauptzweck seines Werkes ist zu zeigen, daß alles das, was man vegetabilische Erde nennt, fast allein das Produkt unseres Regenwurmes ist, und daß man diesenMulm eheranimalisch (tie­risch) stattvegetabilisch (pflanzlich) nennen müßte. Die Regenwürmer sind fortgesetzt da­mit beschäftigt, kleine Sternchen und Erde zu

verschlucken, die, durch ihren langen zylindri­schen Körper hindurchgehend, wieder fein zer­rieben abgegeben werden. So wird die Erde am besten gedüngt und für den Pflanzenbau ge­eignet gemacht, sie ist auf diese Weise in einem fortwährenden Wechsel, in einer ständigen Umwandlung und Durchwühlung begriffen, denn die ganze Erde unter unsern Füßen ist dicht mit Regenwürmern gefüllt. Darwin be­rechnet deren Zahl in jedem Acker (= 0,4 ha) auf 35 000 bis 50 000 Stück. Die wieder wurm­förmig aussehenden erdigen Verdauungs­produkte der Würmer, die aus der Tiefe der Erde stammen, machen im Verlauf von fünf Jahren durchschnittlich auf der Oberfläche eine zolldicke Lage aus, wenn man die oben genannte Anzahl pro Acker annimmt. Ihre Miniertätigkeit geht auch noch aus folgender Beobachtung hervor: Blätter, Stein, Kalk und andere Substanzen, die unberührt auf der Ober­fläche eines Feldes lagen, wurden nach Verlauf einiger Jahre mehrere Zoll unter der Ober­fläche in einer Schicht zusammen gefunden, Die Millionen Blätter und andere pflanzliche Stoffe, die von den fleißigen Tierchen unter die Ober­fläche geschleppt und zum Teil auch durch ihren Körper hindurchgearbeitet werden, bilden den besten natürlichen Dünger. Ebenso werden tierische Reste, Knochen, Insekten, Muschel­schalen usw. von den Würmern unter die Erde geschafft. Gewöhnlich sind die Wurmlöcher und Gänge nur wenige Zoll tief unter der Erde; in einzelnen Fällen führen sie aber auch meh­rere Fuß tief, jedenfalls aber tragen sie dazu bei, daß Feuchtigkeit und Luft besser in die Erde eindringen können.

Aber nicht bloß der Landmann soll dem Regenwurm dankbar sein, auch der Altertums­forscher, der Archäologe, ist ihm zu Dank ver­pflichtet. Ganze gepflasterte Straßen und große Steine, die seit Jahrhunderten unbegangen da­lagen, wurden im Laufe der Zeit von den Ver­dauungsprodukten der Würmer förmlich mit einer dicken Erdlage zugedeckt und so vor dem Verfall geschützt. Manche altheidnischen Stein­denkmäler, alte Römerstädte, alte Wander­straßen sind auf diese Weise von den immer wirkenden, nie rastenden Würmern mit Erde bedeckt worden. Wie der Tropfen den Stein höhlt, so haben sie durch unausgesetztes Auf­schütten der kleinen Erdkrümchen selbst Städte begraben und sie somit für die Forschung ge­rettet. Rr.

Erzeugung von gesundem Obst

Bei einem Gang durchs Obstfeld fällt auf, daß die Obstbäume fast ohne Ausnahme einen reichen Blütenansatz haben. Wenn das überall so ist, kann man mit einer großen Obsternte rechnen, um so mehr, als auch die Birnen reich­lich blühen. Damit kommen unwillkürlich auch die Gedanken an den Obstabsatz auf. Sicher ist, daß als Tafelobst nur gesunde und markt­fähige Früchte guten und willigen Absatz An­den. Das haben uns die letzten Jahre deutlich genug gezeigt. Wollen wir also im Herbst vor unliebsamen Tatsachen bewahrt bleiben, so müssen wir Sorge tragen, möglichst viel Obst gesund und fehlerfrei zu erhalten. Winter­spritzungen und Vorblütenspritzungen konn­ten nur in geringem Umfang durchgeführt wer­den. Um so wichtiger ist, daß sofort nach der Blüte gegen den Hauptfeind gesunder Ware, den Schorf, gespritzt wird. Dies müßte jedoch sofort nach Abfallen der Blütenblätter ge­schehen, da die kühle Regenwoche vom 19. bis 26. April dem Anflug der Schorfsporen schon großen Vorschub leistete. Ist erst Ansteckung erfolgt, dann ist eine Bekämpfung ziemlich aussichtslos. Um weder Blätter und Frücht­chen, noch Bienen und Haustiere zu gefährden, ist einem der ungiftigen Schorfmittel der Vor­zug zu geben. Als solche sind zu nennen: Fuclasin, Nirit, Pomarsol. Von einem dieser Mittel werden für 100 Liter 750 g benötigt. Die Spritzbrühe muß fein versprüht auf die Blätter und Früchtchen kommen. Das Laub­werk darf zur Spritzung nicht taunaß sein.

Walz, Kreisbaumwart

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