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Amtsblatt für den Kreis Calw
22. September 1951
Giftschlangen,
Schlangenserum und Heilmittel aus Schlangengift
auf folgende Weise „gemolken“, d. h. die Giftentnahme erfolgt so: Die mit Hilfe eines Spezialhakens aufgenommene Schlange hält man — unter Beobachtung besonderer Vorsichtsmaßnahmen — hinter dem Kopf fest und läßt sie ihre Giftzähne in den Rand eines vorgehal-
Schlangen, vor allem Giftschlangen, gehören ritzungen mit Schlangen-Giftzähnen allmähzu den unbeliebtesten und gefürchtesten Tieren, lieh gegen Schlangenbisse unempfindlich.) An- Allein schon der Anblick eines solchen geheim- fänglich konnte man einen Schlangenbiß nur tenen Glasgefäßes einhaken. Das Gift fließt in nisumwitterten, starr verharrenden Tieres, aus mit einem aus dem Gift derselben Schlange das Glasgefäß und wird zur Serum-Herstel- dessen Maul unter stieren Augen die gespal- gewonnenen Serum wirksam behandeln. In- lung weitergegeben. Ein und dieselbe Schlange tene Zunge lebhaft hervorschießt, flößt Angst zwischen sind schon Sera entwickelt worden, wird meistens alle 14 Tage gemolken. Für und Schrecken ein. die bei Bißverletzungen verschiedener Schlan- ständigen Nachschub muß gesorgt werden, da
Der Schaden der häufigsten Giftschlange genarten anwendbar sind. In den tropischen die Tiere nur eine gewisse Zeit zum Melken
Deutschlands, der Kreuzotter, ist — für die und subtropischen Ländern wird die Serum- genommen werden können.
Gesamtbevölkerung betrachtet — unerheblich, behandlung bei Schlangenbissen bereits seit Schlangengift wird aber nicht nur zur Her- ihre unbestreitbare Nützlichkeit überwiegt bei drei Jahrzehnten in immer steigendem Umfang Stellung der Sera verwendet, es hat auch seinen
weitem. durchgeführt. In Europa findet die Serum- Einzug in die Heilkunde gehalten. In Indien
Die Bedeutung der Bißverletzungen durch therapie erst neuerdings größere Anwendung, benutzt man es schon lange — innerlich ein- Giftschlangen des übrigen Europas (z. B. der einmal, weil die Bisse der europäischen Gift- genommen — als Anregungsmittel, bei uns Aspisviper, der Sand-, Wiesen-, Karst- und schlangen — wenigstens in Mitteleuropa — findet es als Einreibungs- und Einspritzungs- der Balkankreuzotter) darf man zwar nicht' selten tödlich verlaufen, zum anderen, weil die mittel zur Behandlung aller chronischen For- unterschätzen, aber sie reicht bei weitem nicht zur Immunisierung größerer Tiere (über die men von Rheumatismus immer mehr Anwen- an die Bedeutung derartiger Verletzungen in das Serum gewonnen wird) benötigten Gift- düng. — Klapperschlangengift z. B. wird bei den tropischen Gebieten heran. In den Tropen, mengen von diesen relativ kleinen Schlangen epileptischen Erkrankungen angewandt, das dem „Eldorado“ der Giftschlangen, sind die nur schwer zu beschaffen sind und die Serum- Gift der Kobra als schmerzstillendes Mittel bei Schlangenbißgefahren naturgemäß sehr viel Herstellung sehr verteuern. Rückenmarksleiden, Tumoren, Krebserkran-
größer und die Zahl der Todesopfer sehr viel Die beiden größten Schlangenfarmen, die kungen und Rheumatismus. Die bei uns am höher als bei uns. Giftschlangen wie die zugleich über die modernsten Einrichtungen häufigsten benutzten Medikamente „Viprasin“ schwarze Mamba (eine der wenigen Giftschlan- zur Serum-Gewinnung verfügen, befinden sich und „Viprasid“, die aus dem Gift der Sandgen, die von sich aus den Menschen angreift) in Butantan (Brasilien) und in Port Elizabeth ottern (Vipera ammodytes) entwickelt wurden, und die Puffotter Afrikas, die verschiedenen (Südafrika). haben sich besonders bei Neuralgien, Bron-
Kobraarten Asiens, die Klapperschlange und Die hauptsächlich zum Zwecke der Gift- chialasthma. Gelenkentzündungen und Rheu- die Jararaca in Amerika, die Todesotter in gewinnung dort gehaltenen Schlangen werden matismus gut bewährt. Rr.
Australien—um nur einige besonders bekannte Arten zu nennen — sind mit Recht überaus gefürchtet. Auf der anderen Seite aber sind die Berichte über viele Tausende alljährlicher Todesopfer durch Schlangenbisse übertrieben. Zu den meist angebauten Apfelsorten gehört lingsbekämpfung werden heute leider noch In Indien z. B. mit seiner über 300 Millionen die Sorte „Schöner von Boskoop“. Dieser wür- immer bei vielen Obstbaumbesitzern klein
zählenden Bevölkerung kommen durch Schlan- zige und erfrischende Apfel wird nicht nur geschrieben.
genbisse weniger Menschen ums Leben als bei wegen seiner geschmacklichen Qualitäten, son- Durch die im Laufe dieses Sommers geschaf- uns in ganz Deutschland jährlich durch Ver- dern auch wegen seiner schönen Fruchtform fenen Musteranlagen — wie z. B. die Anlage
kehrsunfälle. — Ein Bericht aus dem Institut sehr geschätzt. Trotzdem werden aus Obstbau- der Gemeinde Arnbach, Gewand Wagrain _
Pasteur in Bandoeng (Java) besagt, daß 1924 kreisen mancherlei Bedenken gegen diese Sorte konnte eindeutig und überzeugend der Wert
— zu einer Zeit also, als die Serum-Behand- geltend gemacht, und auch in Fachkreisen wird gerade der Sorte „Schöner von Boskoop“ be-
lung von Schlangenbissen noch „in den Kinder- ihre Anbauwürdigkeit des öfteren diskutiert, wiesen werden. Bei ungünstigen Standortschuhen steckte" — in 171 Spitälern Nieder- In den letzten Jahren wurden schon viele Verhältnissen:
ländisch-Indiens nur 132 Schlangenbißkranke Bäume zum Umpfropfen bestimmt, ohne daß a ) in zu trockenem, leichtem Boden- behandelt wurden, von denen 2 (!) Fälle töd- man sich vorher erst einmal darüber klar ge- b) in Frostlag e n oder in nassem,’ undurch- hch waren. worden wäre, warum die Ertragnisse nicht be- löQoiupm Pnripn-
Schon im Altertum beschäftigte man sich friedigten. , . „,7 ’ ... . , . ,
eingehend mit Schutz- und Heilmitteln gegen Im Folgenden sollen nun die Existenzbedin- ^_* u ,.„_
Die Ap£elsorte „Schöner von Boskoop'
Schlangenbisse. Neben den mechanischen Hilf s- gungen aufgezeigt werden, die die Voraus
zeitiges Abfallen der Früchte);
maßnahmen, wie Aussaugen der Bißstelle, Er- Setzung für das Gedeihen dieser wertvollen ^ ^ei einseitiger Düngung oder bei Gülle
weitern und Ausschneiden der Wunde, An- Apfelsorte sind, und deren genaue Beachtung
Wirtschaft;
setzen eines Schröpfkopfes und Ausbrennen den Anbau des „Boskoop“ rentabel und ertrag- e ) bei zu dichter Baumkrone, die die Entwick- spielten schon frühzeitig Medikamente eine sicher gestalten. lung der Blütenknospen hemmt,
große Rolle. Ganz besondere Heilkräfte gegen Die Heimat des „Schönen von Boskoop“ ist ist auch der Ertrag entsprechend unbefriedi- Gifte aller Art schrieb man den Schlangen Holland. Von dort aus wird dieser Apfel all- gend. Sind aber die Standortbedingungen den selbst zu. (Deshalb wurde auch der griechische jährlich in großen Mengen nach Deutschland örtlichen klimatischen Verhältnissen richtig Gott der Heilkunst, Äskulap, mit einer Schlange eingeführt und vom Großhandel gern zu guten angepaßt, und hat der Baum die Pflege, die er am Stab dargestellt.) Auflegen von Schlangen- Preisen abgenommen. Der „Boskoop“, ein braucht, so liefert er bei schön entwickelten eingeweiden z. B. soll auch die schwersten „Kind des niederländischen Seeklimas“, braucht Früchten reichen Ertrag.
durch Giftschlangen verursachten Bißver- also vor allem Feuchtigkeit und Wärme. Ne- Boskoop-Blüten sind schlechte Pollen-(Blü- letzungen geheilt haben. — Der Genuß einer ben der Bodenfeuchtigkeit verlangt er auch tenstaub-)Spender, sie werden fast nur durch gekochten Viperleber sollte gegen künftige einen hohen Grad an Luftfeuchtigkeit und den Blütenstaub anderer Sorten befruchtet. Schlangenbisse sichern. Noch heute betrachten einen nährstoffreichen und durchlässigen Bo- Deshalb sollen in einer Obstanlage neben einem die Indianer den Verzehr einer Schlangenleber den. Sein Nährstoffbedarf ist ungleich größer schlechten Pollenspender auch gute vorhanden als ein unfehlbares Schutzmittel gegen Schlan- als bei unseren Wirtschaftssorten wie Bohn- sein, und deshalb sollen die „Boskoops“ ihren genbiß. (Die Araber essen bei Schlangenbiß- apfel, Gewürzluiken u. a. m. Zur Bildung seines Standort in der Nähe guter Befruchtersorten Verletzungen die Schlange roh, mit Zusatz von starken Astgerüstes und zur Ausweitung der wie „Goldparmäne“, „Baumanns Renette“, Salmiak und Kochsalz.) — Schlangenöl oder Baumkrone, für sein großes Blatt und seine gro- „Landsberger Renette“ und „Transparent“ Schlangenschmalz und die berühmten Schlan- ßen Früchte benötigt er weit größere Nähr- haben.
gen-Fleischküchlein fanden noch bis zu Beginn stoffmengen als viele andere Apfelsorten. Die Da die Ertragfähigkeit bei jungen Boskoop- des 19. Jahrhunderts nicht nur bei Schlangen- Triebwilligkeit des „Boskoop“ verträgt nur Bäumen erst nach dem 15. bis 20. Pflanzjahr bissen, sondern auch bei infektiösen Krank- eine mittelmäßige Düngung mit stickstoffhalti- beginnt, so ist es ratsam, die Sorte auf Stamm- heiten ausgiebige Verwendung. — Besonders gen Düngemitteln. Um so wichtiger für diese bildnersorten aufzupfropfen. Die Ertragfähiggroß war die Zahl der gegen Schlangenbisse Sorte sind aber größere Gaben von Phosphor- keit tritt dann viel früher ein, und die Ernten angewandten pflanzlichen Arzneistoffe. Heute säure und Kali und — zur Förderung der Holz- werden regelmäßiger. Bei richtiger Pflege ist noch benutzen in den tropischen Gebieten die ausreife — eine regelmäßige Versorgung mit der „Boskoop“ eine sehr wertvolle Apfelsorte, Eingeborenen-Ärzte zahlreiche, meist streng Kalk. Fehlen den Boskoop-Bäumen diese deren Anbau sich lohnt. Sch.
geheim gehaltene Pflanzen-Drogen mit oft er- Grundbedingungen für ihr Gedeihen, so braucht
staunlichem Heilerfolg. man sich über unbefriedigende Erträgnisse -
Die Erkenntnis von der immunisierenden nicht zu wundern. Der Fehler liegt aber dann Wirkung des Schlangengiftes führte eine Um- beim Besitzer dieser „unrentablen“ Bäume, der Stuttgart. Das große schwäbische Volksfest, wälzung in der Schlangenbißbehandlung her- den Bäumen nicht das gibt, was sie zum Ge- „der Cannstatter Wasen“ in Stuttgart, findet in bei. (Neu ist aber auch die Immunisierung deihen nötig haben, und nicht bei den Bäumen diesem Jahre zum 106. Male, und zwar vom nicht! Denn einige Naturvölker kennen eine selbst. Das hier über den „Boskoop“ Gesagte 22. Sept. bis 1. Oktober statt. Das Festgelände Art des Sich-immun-machens schon lange, gilt ebenso für die Apfelsorte „Blenheimer ist um ein Drittel größer als im Vorjahre, auch Eingeborene Brasiliens, Mexikos und manche Goldrenette“, deren Wert auch vielfach ver- der Eröffnungsfestzug wird erheblich größer afrikanischen Stämme machen sich durch Haut- kannt wird. Kronenpflege, Düngung und Schäd- sein als in den letzten Jahren.