Das Verfahren bei Lehrlingsstreitigkeiten

Es entspricht einem alten Brauch, der Ich seit der Zeit der Handwerkszünfte er­halten hat, daß Streitigkeiten zwischen Lehrherrn und Lehrling nicht gleich vor dem ordentlichen Gericht, sondern zunächst vor einem Ausschuß der Handwerks-Innung ausgetragen werden. Diese Einrichtung hat auch die südwürttembergische Handwerks­ordnung vom 5. November 1946 aufrecht- orhalten und dadurch neu bestätigt. Unter "den Aufgaben der Innung ist daher auch die Entscheidung bei Streitigkeiten zwi­schen selbständigen Handwerkern und ihren Lehrlingen genannt. Die Innung ist das für solche Streitigkeiten zuständige Organ. Für diese Aufgaben hat die Innung einen Ausschuß zu bilden, dem Betriebsinha­ber und Gesellen in gleicher Zahl angehö­ren müssen. Die Einzelheiten regelt die Satzung der Innung Diese Inmtngssehieds- gerichtsbarkeit ist im wesentlichen nur ein besonders ausgestaltetes Güteverfahren an stelle des arbeitsgerichtVichen Gflteverfah- rens.

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Welche Ansprüche kommen vor den Aus- '«'hoß?

Die Innungsausschüsse sind nicht für alle Streitigkeiten aus dem Lehrverhältnis zu- ländig, sondern nur soweit es sich um Ar­beitsstreitigkeiten handelt. Die Ausschüsse sind nicht zur Entlastung der Arbeits­gerichte da, sondern die Verhandlung vor diesen hat ihren Grund in der Rücksicht­nahme auf das besondere Erziehungs- und Vertrauensverhältnis zwischen Meister und Lehrling. Es ist Aufgabe der Innungen, darauf zu drängen, daß sich die Streitteile or Lösung des Lehrvertrags rechtzeitig an ihn wenden, zumal nach der Entstehungs­geschichte der Ausschüsse gerade diese Streitigkeiten vor die Ausschüsse gehören. Es gehören nicht vor die Ausschüsse, son­dern unmittelbar vor die Arbeitsgerichte, ilie Streitigkeiten zwischen Innungsmitglie­dern und ihren kaufmännischen Lehrlingen oder wenn ein Streitteil nicht lunungsmitglied iet, oder die Klage gegen den Rechtsnachfolger oder gegen den ge­setzlichen Vertreter allein gerichtet ist. Ferner über das Bestehen oder Nichtbeste- hen eines Lehrvertrags, aus Verhandlungen über die Eingehung eines Lehrvertrags und über Ansprüche aus unerlaubten Handlun­gen, die mit dem Lehrverhältnis im Zu­sammenhang stehen. In allen diesen Fällen ist demnach die Anrufung des Innungsaus­schusses nicht erforderlich, vielmehr kön­nen solche Klagen unmittelbar vor das Ar­beitsgericht gebracht werden, das in dem "'blichen Verfahren darüber entscheidet.

bas Verfahren vor dem Ausschuß.

Die allgemeinen Grundsätze des Prozeß­rechts, wie rechtliches Gehör usw. sind zu beachten. Das Verfahren endigt mit einem Vergleich oder einem Spruch. Ein etwaiger Vergleich ist unter Angabe des Tages sei­nes Zustandekommens schriftlich nieder­zulegen und von den Streitparteien und den Vusschußmitgliedern zu unterschreiben. \us dem Vergleich findet die Zwangsvoll­streckung statt. Kommt kein Vergleich nstande, so muß der Ausschuß einen ' p r u c h fällen. Er kann sich dieser Auf­gabe nicht entziehen. Der Spruch kann auch auf Grund eines Anerkenntnisses er­gehen. Die Wirkungen des Spruches sind erschieden, je nachdem ob er von den arteien anerkannt wird oder nicht. Die \nerkennung ist eine einseitige Willens- iklärung, die ausdrücklich mündlich oder schriftlich dem Gegner oder der Innung gegenüber abgegeben werden muß. Bloßes -üillschweigen der Parteien genügt nicht. Wird der Spruch von beiden Parteien an­erkannt, so ist er für diese bindend und ebenso wie ein .Vergleich Grundlage der

Zwangsvollstreckung. Erkennt eine Partei nicht an, so ist der Weg frei für eine Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht. Vergleich oder angenommener Schieds­spruch werden aber erst durch Beschluß des Vorsitzenden des Arbeitsgerichtes voll­streckbar. Vor der Vollstreckbarkeitserklä­rung hat der Vorsitzende d6n Gegner zu hören. Der Innungsausschuß hat jeden ge­fällten Spruch den Parteien zuzustellen. Es ist wichtig, das Datum dieser Zustellung in jedem Fall festzuhalten. Denn von der Zu­stellung ab läuft die Frist von zwei Wo­chen, innerhalb welcher die Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht nur möglich ist.

Wann ist die Klage vor dem Arbeitsgericht zu erheben?

Der vom Ausschuß gefällte Spruch muß innerhalb einer Woche von beiden Teilen anerkannt werden. Ist er von beiden Teilen anerkannt, so kann die Zwangsvollstrek­kung nach Durchführung des oben geschil­derten Vollstreckbarkeitverfahrens statt­linden. Erfolgt die Anerkennung in dieser Frist nicli, so muß die Klage binnen zwei Wochen nach Zustellung des Spruchs beim Arbeitsgericht erhoben werden. Der Klage muß in allen Fällen die Verhand­lung vor dem Ausschuß vorangegangen sein. Anrufung und Spruch des Ausschus­ses sind Prozeß Voraussetzung. Bei Nicht­vorliegen muß das Arbeitsgericht die Klage ohne sachliche Prüfung des Klagevorbrin­gens abweisen. Weiterhin prüft das Arbeits­gericht, ob die Frist von zwei Wochen ge­wahrt ist. Der Lauf der Frist beginnt mit der Verkündung des Spruchs, falls die Par­tei anwesend ist, sonst mit der Zustellung, über deren Form die Satzung oder Ge­schäftsordnung des Ausschusses in der Re­gel Bestimmungen treffen sollte. Nach der Rechtssprechung der höchsten Arbeits­gerichte ist diese Frist eine echte Aus­schlußfrist,deren Versäumnis den Ausschluß mit der klageweisen gerichtli­chen Geltendmachung der vor dem Aus­schuß erhobenen Ansprüche zur notwendig gen Folge hat Bei Versäumung der Frist hat also z. B. das Lehrverhältnis nicht nur tatsächlich sondern rechtlich sein Ende ge­funden. Das Interesse des Lehrlings wie auch das des Lehrherrn erheischen eine mög­lichst schnelle und endgültige Klarstellung über das Weiterbestehen des Lehrverhält­nisses. Es ist also sehr darauf zu achten, daß durch die Versäumung der Frist nicht das Klagerecht verloren geht. Die Klage selbst muß einen bestimmten Antrag, eine Begründung und die Mitteilung enthal­ten, daß eine Verhandlung vor dem In­nungsausschuß vorangegangen ist. Vor dem Arbeitsgericht selbst findet dann das ge­wöhnliche Verfahren, allerdings ohne Güte- verfahren statt. Der Spruch bindet das Ge*. rieht nicht. Es gibt daher auch keine Klage auf Anerkennnhg des Spruchs oder auf Feststellung seiner Wirksamkeit, sondern die Klage hat einen genau bestimmten An­trag zu enthalten (bei Geldbeträgen also immer ins einzelne beziffert nach Mark und Pfennig).

Klagen nach rechtlicher Beendigung des Lehrverhältnisses gehören nicht vor die Ausschüsse. Das gilt also im allgemeinen für die Ansprüche des Lehrherrn oder des Lehrlings auf Entschädigung wegen der Beendigung des Lehrverhältnisses vor Ab­lauf der verabredeten Lehrzeit (§ 127 f der Gewerbeordnung). Diese Entschädigungs­ansprüche erfischen zudem, wenn sie nicht innerhalb vier Wochen nach Auflösung des Lehrverhältnisses im Wege der Klage oder Einrede geltend gemacht werden. Zur Geltendmachung ist ferner Voraussetzung, daß der Lehrvertrag schriftlich geschlossen ist. Auch diese Frist ist eine echte Aae-

schlußfrist und bei ihrer Versäumung geht der Anspruch endgültig unter. Ihr Lauf beginnt mit der rechtlichen Beendigung des Lehrvertrages, hierzu haben die Lehrherrn vorläufig noch die Zustimmung der Arbeits­amtes einzuholen. Die Frist bezieht sich nur auf Ansprüche wegen vorzeitiger Be­endigung des Lehrvertrags. Wird der An­spruch dagegen darauf gestützt, daß die Ausbildung während der Dauer der Lehre nicht ordnungsmäßig gewesen sei, also der Lehrherr bei bestehendem Lehrverhältnis seine Ausbildungspflicht vernachlässigt habe, so gilt die Frist nicht.

Alle Meister und die gesetzlichen Vertre­ter der Lehrlinge tun gut daran, sieh mit diesen Bestimmungen vertraut zu machen und auf die Formvorschriften dieses Ver­fahrens zu achten, um sich vor Schäden zu bewahren, die durch die Nichteinhaltung der prozessualen Fristen entstehen können.

Justiz-Insp. R. Fröhlich.

Bekanntmachungen der Amtsgerichte

Amtsgericht Calw Beschluß

In dem Verfahren auf Eröffnung des Kon­kursverfahrens über das Vermögen der

Firma Friedrich Schulz, Knopf- und Kammfabrik in Calw/Alzenberg wird der Antrag der Fa. G. Bauknecht GmbH., Elektrotechnische Fabriken in Stutt- gart-S, Heidenklinge 20 auf Eröffnung des Konkursverfahrens zugelaseon.

Gleichzeitig wird hiermit zur Sicherung der Vermögensmasse das Allgemeine Veräußerungsverbot an die Ge­meinschuldnerin erlassen. Der Gemein­schuldnerin wird daher hiermit jede Ver­äußerung, Verpfändung und Entfernung von Bestandteilen der Masse untersagt. Ferner wird die Durchführung oder Einlei­tung jeglicher gegen die Gemeinschuldnerin gerichteten Zwangsvollstreckung untersagt.

Diese Anordnungen gelten bis zur rechts­kräftigen Entscheidung über den Antrag der Gläubigerin. Firma Bauknecht GmbH, auf Konkurseröffnung (§ 192 ff., 106 Kon- kursordnung).

N 1/1950

Calw, den 11. März 1950.

Amtsgericht

Weber, Amtsgerichtsrat

Amtsgericht Calw Genossenschaftsregister.

Eintragung vom 27. 2. 1950:

Band V Nr. 86: Sozial-Gowerk für Handwer­ker von Calw und Umgebung, e.G.m.b.H. in Calw. Die Vertretungsbefugnis der Li­quidatoren ist beendet. Die Firma i^f er­loschen.

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Amtsgericht Neuenbürg

Die Namen der für das Jahr 1950 gewähl­ten Schöffen für das Schöffengericht Neuen­bürg, der Geschworenen für das Schwur­gericht Tübingen und Schöffen für die Strafkammer des Landgerichts Tübingen aus dem Amtsgerichtsbezirk Neuenbürg sind in der Zeit vom 20. März 1950 bis 2. April 1950 an der Gerichtstafel angeschlagen.

Herausgeber: Kreisverband Calw. Verwaltung: Calw, Badstrafle 24.

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