Amtsblatt für d*tt Rrefs Cato
BEKANNTMACHUNGEN DES LANDRATSAMTES UND DER BEHÖRDEN
Calw Freitag, 30. Dezember 1949 Nr. 53
Rückblick auf die Verwaltungsarbeit des Kreises Calw im Jahre 1949
Der Jahreswechsel gibt Gelegenheit, einen Rückblick auf die Ergebnisse der Verwaltungsarbeit im Kreise zu werfen. Es ist nicht möglich, in diesen Zeilen auch nur annähernd alles zu erwähnen, was geschehen ist. Wir müssen uns darauf beschränken, die wichtigsten Fragen zu streifen.
An der Spitze der zu lösenden Aufgaben stand jdie Flüchtlingsfrage Im Rahmen der Umsiedlungsaktion wurden aus den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und' Bayern 1600 Ausgewiesene in den Kreis neu aufgenommen. Hinzugerechnet werden müssen noch etwa 200 sogen, illegale Grenzgänger, so daß wir heute im Kreis neben 4220 Evakuierten 5931 Ausgewiesene aufzuweisen haben. Daß es nicht nur darauf ankommt, die Flüchtlinge unterzubringen, sondern vor allem darauf, ihnen Arbeit zu verschaffen, wurde im Kreis stets betont. Sicherlich konnte dies nicht immer erreicht werden und zahlreiche unserer Neubürger haben noch nicht die notwendige Existenzgrundlage gefunden. Trotzdem darf gesagt werden, daß es den verantwortlichen Stellen, voran den Bürgermeistern und dem Umsiedlungsamt, gelungen ist, mit dieser schwierigen Aufgabe fertig zu werden.
1 Im Zusammenhang damit stand das Problem der Wohnraumbeschaffung. Schon im Januar ds. Js. wurde in einer Kreistagssitzung die Errichtung der Kreisbaugenos- sensehaft beraten, die gerade auch im Hinblick auf die Unterbringung der Ausgewiesenen von großer Wichtigkeit erschien. Aus verschiedenen Gründen, besonders weil zu diesem Zeitpunkt die Entwicklung der Baukosten noch nicht zu übersehen war, kam es aber erst- im Herbst dieses Jahres zur Gründung der Kreis - Baugenossenschaft. Diese hat inzwischen ihre Tätigkeit und Werbung in allen Gemeinden des Kreises aufgenommen. Es kann mit Freude verzeichnet werden, daß fast alle Gemeinden der Kreisbaugenossenschaft beigetreten oder hierzu bereit sind, und daß auch der Widerhall bei der Bevölkerung groß ist
Der im Dezember 1948 neugewählte Kreistag trat im Jahre 1949 v ; er Mal zusammen. In seiner ersten Sitzung am 28. L 49 wurden die ebenfalls neugewählten Bürgermeister vereidigt und verpflichtet. Die Sitzungen des Kreistags, der je einmal in Nagold und Neuenbürg tagte, spiegelten wider, welche Fragen den Kreis und seine Bevölkerung bedrängten. Alle diese Dinge kamen zur Sprache. Fltichtlingsfrage, Kreisbaugenossenschaft, Wildschaden, Straßenverbesserung, Unterhaltung der Krankenhäuser, Förderung des Fremdenverkehrs, Besetzung des Landratspostens, Ausweisung und vieles andere wurde behandelt.
Zwei Haushaltspläne mußten genehmigt — der eine für den DM-Zeitraum 48, der andere für das Haushaltsjahr 49 —, 2 Kreisverbandsumlagen — von einer Million für
48 und 1,3 Millionen für das Haushaltsjahr
49 — mußten beschlossen werden. Die Ak- tuariatsbezirke wurden von 11 auf 5 hauptamtliche und 2 nebenamtliche verringert. Eine Reihe von Eingaben an die Staatsregierung und Landtag, wie z. B zum Flußbaugesetz, zur Freigabe der Jagden, Berücksichtigung des Fremdenverkehrs bei der Flüchtlingszuweisung, Fortsetzung und Steigerung der Bauflnanzierung u. a. wurde eingebracht.
Stark ausgewirkt haben sich im Kreis die
vom Staat gewährten Baukostenzuschüsse. Auf den Kreis entfiel ein Kontingent von 1,7 Millionen, teils unverzinslicher, teils verzinslicher Darlehen.
Die Baukostenzuschüsse wurden mit Ausnahme der kriegsgeschädigten Gemeinden Stammheim und Deckenpfronn, für die vom Staat das Kontingent festgesetzt wurde, vom Kreisrat als Yerteilerausschuß verteilt. Die kriegsgeschädigten Gemeinden, wie Haiterbach und Feldrennacli, wurden entsprechend berücksichtigt, Leider war es nicht möglich, alle gestellten Anträge zu genehmigen, doch ist mit Sicherheit anzunehmen, daß das nächste Jahr Gelegenheit geben wird, die Aktion fortzusetzen.
Seit Mai ds. Js. werden in 62 Gemeinden 12 595 Schüler in der Schulspeisung versorgt. Die erforderlichen Mittel hierfür aufzubringen, verlangt von den Gemeinden nicht unerhebliche Opfer.
Die Trockenheit des Sommers brachte es mit sich, daß viele Waldbrände den Bestand unserer Wälder bedrohten. Insgesamt wurden im Kreis 24 Waldbrände gezählt, denen 26 Gebäudebrände — darunter 11 Großbrände — gegenüberstehen
Im Oktober erstand die Gemeinde Altensteigdorf wieder als selbständige Gemeinde. Den hartnäckigen Bemühungen der Bevölkerung dieser Gemeinde, aus dem Gemeindeverband der Stadt Altensteig ausgegliedert zu werden, war -es gelungen, Landtag und
Verwaltungsstellen zu überzeugen. Dm Kreisrat und Kreistag hatten die Ausgemeindung ebenfalls befürwortet.
Auf dem Gebiet dei Wirtschaftsverwaltung brachte das Jahr eine Verringerung des Verwaltungsapparates mit sich. Die Wirtschaftsämter haben seit August aufgehört zu bestehen, und die Kreisernährungsämter sind im Abbau begriffen.
Auf der anderen Seite erstand im Soforthilfeamt eine neue Dienststelle. Wie zu erwarten war, war die Arbeit dieses Amtes außerordentlich umfangreich. Trotz der kurzen Anlaufzeit wurden noch vor Weihnachten insgesamt 844 Anträge auf Unterhaltshilfe und 300 Anträge auf Haushalts- hilfc erledigt. Dabei wurden für Unterhaltshilfe 81 800 DM, für Hausratshilfe 51 650 DM ausgegeben. Die Hausratshilfe entfiel ausschließlich auf Ausgewiesene, bei der Unterhaltshilfe wurde ein beträchtlicher Teil auch Sachgescliädigten und Währungsgeschädigten zugewiesen.
Das neue Jagdgesetz brachte das Kreis- jagdamt, das, beim Landratsamt eingerichtet, die jagdlichen Belange wahrzunehmen hat. Fast ein Drittel der Jagden im Kreis wurde von der Besatzungsmacht freigegeben, so daß eine Anzahl von Gemeinden ihre Jagden wieder verpachten kann.
Die wichtigste personelle Veränderung brachte für die Verwaltung der Wechsel des Landrats. Am 31. 7. 49 schied Landrat
An die Bevölkerung des Kreises Calw!
Aus Anlaß des Jahreswechsels wünsche ich den Einwohnern des Kreises für das Neue Jahr alles Gute.
Schwere Aufgaben liegen auch im kommenden Jahr vor uns. Gemeinsame Anstrengungen werden notwendig sein, sie zu meistern. Wie im vergangenen Jahre wird es auch 1950 eine der vordringlichsten Aufgaben sein, den Flüchtlingen im Kreis Arbeit und Unterkommen zu verschaffen. Es ist zu hoffen, daß die Tätigkeit der Kreisbaugenossenschaft, unterstützt durch Eigeninitiative und staatliche Hilfe , einen Teil der Wohnraumnot beheben wird. Auch die notwendige Verbesserung der Straßen soll im kommenden Jahr laufend fortgeführt werden. Die Krankenhäuser auf dem heutigen Stand zu halten, wird sich der Kreisverband besonders bemühen. Ob andere wichtige Aufgaben, wie die Errichtung eines Altersheimes und die Erweiterung der Landwirtschaftsschule ihrer Lösung zugeführt werden können, wird weitgehend von der Entwicklung der finanziellen Verhältnisse ab hängen.
Ein Gegenstand besonderer Sorge ist mir die Verbesserung der Lebensbedingungen der Kriegs- und Währungsopfer, der Kriegshinterbliebenen und der nicht mehr arbeitsfähigen Menschen. Ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wird mir ein besonderes Anliegen sein.
Die Bevölkerung des Kreises Calw lebt von der Industrie, von der Landwirtschaft, vom Handwerk und nicht zuletzt vom Fremdenverkehr. Alle diese Wirtschaftszweige zu fördern werden meine Mitarbeiter und ich immer bemüht sein.
Wir wollen gemeinsam an die uns im Jahr 1950 gestellten Aufgaben, von denen ich vorstehend die wichtigsten aufzuzeigen versucht habe, Herangehen. Möge es uns gelingen, sie wenigstens teilweise zu meistern, in ehrlichem Bemühen und Streben unserem sehnlichsten Ziel, dem Frieden nach innen und außen für das deutsche Volk einen erheblichen Schritt näherzukommen.
GEISSLER, Landrat
K.