Herr Landrat Wagner hat hierbei in vorbildlicher Weise und mit sicherem Takt alle Schwierigkeiten gemeistert Er hat seinen Beamten das volle Vertrauen geschenkt und ihnen eine Selbständigkeit gewährt, wie sie bis dahin auf den Ämtern nicht üblich gewesen war. Er hat aber gleichzeitig sich zu jedem Zeitpunkt als der verantwortliche Leiter der staatlichen Bezirksverwaltung und der Kreisverbandsverwaltung gefühlt und es verstanden, die Übersicht zu behalten. Er hat in gewissem Umfange Arbeitsweisen der freien Wirtschaft eingeführt, die schneller als staatliche Behörden auf die Bedürfnisse des Publikums einzugehen gewöhnt ist. Es war für ihn immer oberstes Gesetz, allen, die zu ihm kamen, einen praktischen Rat zu erteilen und wirksame Hilfe zu leisten bzw. durch die Beamten des Amts angedeihen zu lassen. ,
Mit zu den schwierigsten Gebieten der Verwaltung nach dem Kriege gehörte der Verkehr mit der Besatzungsmaeht. Durch sein liberales und weltoffenes Wesen gelang es ihm, das Vertrauen der Besatzungsmacht zu erwerben. Dies nicht zuletzt war für den Kreis von großer Bedeutung. Es darf angenommen werden, daß dem Kreis Calw auf diese Weise viele Schwierigkeiten erspart geblieben sind.
Es würde zu weit führen, im Rahmen dieser Zeilen auf die einzelnen Gebiete seiner Wirksamkeit einzugehen. Es soll nur erinnert werden an die großen Verkehrsund Versorgungsprobleme, an den Wiederaufbau der kriegsbeschädigten Gemeinden, an die Kulturpflege und die Förderung des Fremdenverkehrs. Auf allen diesen Gebieten hat Herr Landrat Wagner sich während seiner Amtszeit betätigt und erfolgreich versucht, der aus dem Geleise geratenen Dinge wieder Herr zu werden. Dies war manchmal auch schon deshalb schwer, weil er es bei den Gemeinden mit sehr viel unerfahrenen, erstmals tätigen Bürgermeistern zu tun hatte. Aber puch hier gelang es ihm, das Vertrauen aller zu erwerben und es mag als besonderes Zeichen für sein Verhältnis zu Bürgermeistern und Mitarbeitern überhaupt gelten, daß er an die Bürgermeister, die bei der letzten Wahl nicht wieder gewählt wurden, ein herzliches persönliches Dankschreiben für die Zusammenarbeit richtete.
Es ist ein Zeichen unserer heutigen demokratischen Freiheit, daß an bestehenden Zuständen kritisiert werden darf. Manchmal wird etwas gesagt, was besser schon zu einem anderen Zeitpunkt gesagt worden wäre. Dies gilt gerade auch von einem Problem, das in unserem Kreis immer wieder auftritt, von dem Problem der Ausweisung. Es muß aber betont werden, daß bei allen heute noch bestehenden, mehr oder weniger ernstlichen Bestrebungen, Teile des Kreises auszukreisen, es Herrn Landrat Wagner gelungen ist, den Großkreis Calw über die Notjahre und über die Jahre, in denen die Problematik des Großkreises, z. B. in verkehrstechnischer Hinsicht, am stärksten war, sicher hinwegzuleiten.
Es darf weiter gesagt werden, daß Herr Landrat Wagner erfolgreich bemüht war, demokratische Methoden in maßvoller und vernünftiger Weise auf der unteren Verwaltungsstufe anzuwenden. Bevölkerung und Mitarbeiter haben gesehen, daß sie mit allem zu ihm kommen können und daß er für die allgemeinen Probleme wie auch für die Nöte des Einzelnen volles und warmes Verständnis hatte.
Und noch ein anderes verdient hervorgehoben zu werden. Herr Landrat Wagner; der schon lange die Absicht hatte, sobald die Verhältnisse konsolidiert seien, von seinem Amt zurückzutreten, hat einen Schritt getan, der in Deutschland bisher nicht allzu häufig war. Er hat, ohne je daran zu denken, an dem ihm lieb gewordenen Amt zu kleben, den Schritt in das Leben eines Bürgers von sich aus getan, als er den Zeitpunkt für gekommen er
achtete, nun die Verwaltungsgeschäfte wieder einem erfahrenen Fachmann zu überlassen.
Zusammenfassend dürfen wir bei dieser Gelegenheit feststellen, er war zu seiner Zeit der rechte Mann am rechten Platz. Es begleiten Landrat Wagner bei seinem Abschied die Wünsche der Bevölkerung und seiner Mitarbeiter und wir hoffen, daß er auch weiterhin den Fragen der Allgemeinheit volles Interesse entgegenbringt und bei deren Lösung als ein Bürger, der nunmehr die Dinge von beiden Seiten kennt, mitwirkt N.
Bekanntmachung der Kreiswahlvorsehlägc für die Wahl zum ersten Bundestag am 14. August 1949
Für den Wahlkreis II, umfassend die Landkreise Calw, Freudenstadt und Horb, sind folgende KreiswahlvorSchläge rechtzeitig eingereicht und vom Kreiswahlausschuß zugelassen worden:
1. Schüler, Fritz Calw, Hindenburgstr. 9, Schuhmachermeister u. Landtagsabgeordneter — Christlich-Demokratische Union (CDU) —.
2. Schmitt, Nikolaus, Freudenstadt, Bahn- hofstr. 45, Gewerkschaftsleiter und Landtagsabgeordneter — Sozialdemokratische Partei — (SPD) —
3. Schieferer, Hermann, Alpirsbach, Burghalde, Fabrikant und Landtagsabgeordneter — Demokratische Volkspartei (DVP) —.
4. Link, Georg, Freudenstadt, Stöffler- straße 1, Gipser — Kommunistische Partei (KPD) —.
Die Stimmabgabe für einen dieser Bewerber gilt zugleich als Stimmabgabe für den Landesergänzungsvorschlag seiner Partei.
Die Stimmzettel werden durch den Kreiswahlleiter amtlich beschafft und in den Wahlräumen bereitgelegt.
Horb am Neckar, 30. Juli 1949.
Der Kreiswahlleiter des Wahlkreises II: Landrat Schneider.
Anordnung
über die Bewirtschaftung von Ölsaaten vom 1. Juli 1949
Auf Grund des § 36 der Verordnung über die öffentliche Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 27. 8. 1939 (RGBl. I S. 1521) wird angeordnet:
§ 1
Andienungspflicht
(1) Sämtliche Ölsaaten inländischer Erzeugung unterliegen der Bewirtschaftung und sind vom Erzeuger einem zugelassenen Aufkäufer, einer zugelassenen Erfassungsstelle oder einer zur Verarbeitung auf eigene Rechnung zugelassenen Ölmühle anzudienen. Dem Erzeuger ist es verboten, Ölsaaten anderweitig abzugeben oder sonst in Verkehr zu bringen und selbst oder durch andere Nichtberechtigte schlagen zu lassen. Der Gebrauch von Kleinpressen ist verboten.
(2) Als Saatgut bestimmte Ölsaaten sind von der Andrenungspflieht nach Absatz 1 ausgenommen. Über Saatgut darf nur nach Maßgabe der hierfür besonders erlassenen Vorschriften verfügt werden.
§ 2
Verarbeitungsverbot
(1) Die Verarbeitung von Ölsaaten aller Art ist in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August 1949 verboten.
(2) Bei Nichteinhaltung des Verarbeitungsverbotes können die Einrichtungen der Betriebe geschlossen werden.
§ 3
Ölsaatenübernahme
(1) Die zugelassenen Ölmühlen, Aufkäufer und Erfassungsstellen sind verpflichtet, die ihnen vom Erzeuger angedienten Ölsaaten gegen Ausstellung einer Ablieferungsbescheinigung abzunehmen.
(2) Die Aufkäufer und Erfassungsstellen haben die übernommenen Ölsaaten einer zur Verarbeitung auf eigene Rechnung zugelassenen Handelsölmühle anzudienen.
(3) Ölmühlen, Aufkäufern und Erfassungsstellen ist es verboten, Ölsaaten außerhalb der durch diese Anordnung getroffenen Regelung aufzukaufen.
(4) Trocknungsanstalten können ohne besondere Genehmigung Ölsaaten für zugelassene Ölmühlen, Aufkäufer und Erfassungsstellen auf Lager nehmen und im Lohn trocknen. Für die Zuleitung der Ölsaaten an eine Trocknungsanstalt ist der frachtgünstigste Weg zu wählen.
§ 4
Sorgfaltspflicht
(1) Wer Ölsaaten für eigene oder fremde Rechnung in Gewahrsam hat, ist verpflichtet, mit der fachmännischen Sorgfalt eines ordentlichen Bauern, Kaufmanns, Frachtführers oder Lagerhalters dafür zu sorgen, daß sich die Beschaffenheit der Ware nicht verschlechtert Falls diese Gefahren drohen, sind unverzüglich alle Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, sie zu beseitigen.
§ 5
Preise
(1) Die Vorschriften über Erzeugerpreise bleiben unberührt. Sie gehen von einem Wassergehalt von 12,5 v. H. bei Raps/Rübsen von 9 v. H. bei Mohn aus.
(2) Ist der Wassergehalt höher oder niedriger als die in Absatz 1 genannten Hundertsätze, so ändern sich die Preise nach Maßgabe der in den geltenden Vorschriften festgesetzten Bedingungen.
§ 6
Freimengen
(1) Jedem Anbauer von Raps/Rübsen und Mohn werden 15 kg, jedem Anbauer von Senfsaaten, Sonnenblumenkernen und Leindotter 25 kg Ölsaaten je Kopf seines Haushaltes zur Verarbeitung in einer zugelassenen Ölmühle ohne Anrechnung auf die Fettration freigegehen
(2) Die Ölmühlen sind verpflichtet, über die angelieferten Freimengen eine Ablieferungsbescheinigung auszustellen.
(3) Die Rüoklieiferung in öl beträgt bei Raps/Rübsen und Mohn 33 v H., bei Senfsaaten, Sonnenblumenkernen und Leindotter 18 v. H. der angelieferten Ölsaaten.
§ 7
Sondervorschriften
(1) Leinsaat, die nicht im eigenen Betrieb verwendet wird, ist ebenfalls einem Aufkäufer einer Erfassungsstelle (Flachsröste) oder einer zur Verarbeitung auf eigene Rechnung zugelassenen Ölmühle anzudienen. Ölprämienscheine werden hierfür nicht mehr ausgegeben.
§ 8
(1) Die Ölmühlen müssen sämtliche Ölsaaten und das hieraus gewonnene Öl nach den vom Landwirtsohaftsministerium herausgegebenen Anweisungen lagern, verteilen, be- und verarbeiten.
§ 9
Außerkrafttreten früherer Anordnungen
Mit dem Inkrafttreten dieser Anordnungen treten außer Kraft:
1. die Anordnung über die Bewirtschaftung
von Ölsaaten vom 1. Juli 1948;
2. die von anderen Stellen erlassenen Anordnungen, soweit sie dieser entgegenstehen.