Fragen und Antworten zur Ernährungslage
Wie lange kann sich eigentlich ler Kreis Calw mit Brotgetreide selbst versorgen?
Antwort: Bei einem Rationssatz fon 300 Gramm täglich 2 Monate, bei einem Rationssatz von 200 Gramm täglich 3 Monate. Sie sehen, daß wir unter allen Umständen auf erhebliche Einfuhren in Getreide und Brotmehl aus den anderen Kreisen angewiesen sind, denn unser Kreis ist mit Wäldern bedeckt, hat verhältnismäßig wenig und teilweise auch sehr schlechten Ackerboden, der seit Jahren gar nicht oder nur ganz ungenügend gedüngt wurde.
Wieviel landwirtschaftliche Betriebe hat der Kreis Calw überhaupt?
Antwort: Der Kreis Calw hat 9400 landwirtschaftliche Betriebe, 14000 Arbeitskühe und 4000 Milchkühe, sodaß auf den einzelnen Betrieb knapp zwei Kühe entfallen. Daraus können Sie ersehen, daß wir im Gegensatz zu Obersehwaben nur kleine landwirtschaftliche Betriebe und eine dementsprechend schwache Produktion haben.
Dem Kreis fehlen zur Bestellung seiner Felder immer noch ca. 800 Pferde, landwirtschaftliche Maschinen und vor ailem Traktoren.
War es notwendig, die Brotherab- sctznng von einem Tag auf den anderen in einer für die Bevölkerung völlig unerwarteten Form anzukündigen und durchzuführen?
Antwort: Tch bedauere persönlich außerordentlich, daß diese Herabsetzung so plötzlich erfolgt ist, drei Tage, nachdem wir im Nachrichtenblatt die höheren Ausgabesätze für den Monat November veröffentlicht haben. Niemand wird in Zukunft mir und dem Kreisernährungsamt noch etwas glauben. Ich darf Sie aber versichern, daß das Kreisernährungsamt auf die Steuerung der Lebensmittelversorgung im Großen nicht den geringsten Einfluß hat, sondern die Anordnungen des Landesernährungsamtes durchführen muß. Es wäre zum mindesten notwendig gewesen der Bevölkerung gleichzeitig mitzuteilen, inwieweit man versucht, die Herabsetzung der Brotration kalorienmäßig wenigstens teilweise durch andere Zuweisungen auszugleichen.
Welche Möglichkeiten des Ausgleichs sind nach Ihrer Meinung vorhanden?
Antwort: Als wertvollster Ausgleich erscheint mir die Abgabe von 450 Gramm Zucker, welcher in diesen Tagen ausgegeben wird. Wir sind außerdem in der Lage, aus eigener Er
zeugung des Kreises in diesem Monat noch 250 Gramm Hafer-Nährmittel zu verteilen. Ich hätte es selbstverständlich für richtiger gehalten, wenn der
Zentralernährungsausschuß bei der Militärregierung sich dafür eingesetzt hätte, daß aus den Teigwarenreserven im Monat November noch eine Zuteilung an die Bevölkerung erfolgt wäre.
Muß also die ganze Schwere des Brotrationsabsclilages dann in Zukunft doch von der Bevölkerung getragen werden?
Antwort: Ich hoffe dies nicht. Wir haben jetzt sämtliche Hülsenfrüchte beschlagnahmt, die Erfassung ist im Gange. Ich hofte, daß wir ab Dezember auch Zuweisungen in Hülsenfrüchten machen können. Außerdem war es dem Kreisernährungsamt mit Hilfe des Herrn Gouverneurs und der Militärregierung möglich, noch gewisse Weihnachtsüberraschungen vorzubereiten. Weil es ein Weihnachtsgeschenk sein soll, will ich es vorher noch nicht verraten.
Man spricht davon, daß außer der Brotration auch die Butterration im November nicht in voller Höhe ausgegeben werden soll?
Antwort : Daran ist leider etwas Wahres. Ich habe Ihnen im Laufe unserer Unterhaltung bereits gesagt, daß wir 60% unserer Buttererzeugung abgeben müssen. Diese 60% drücken sich in einer festen Zahl aus, die zuerst geliefert werden muß. Was dann noch übrig bleibt, gehört uns Die jeweilige Butterration ist abhängig von den Schwankungen der Milchanlieferung. Die Milchanlieferung ihrerseits ist wieder durch die Erntearbeiten und durch die geringe Qualität des völlig verregneten Heues, durch den Mangel an Kraftfutter, Ölkuchen und Futterrüben erheblichen Schwankungen ausgesetzt. Hierzu kommt noch, daß in vielen Kreisen — wie beispielsweise im Kreis Calw — 80% der Kühe als Zugtiere und nicht als Milchkühe verwendet werden müssen, da uns noch viele Pferde, Traktoren und Treibstoff fehlen und die Kühe infolgedessen über Gebühr als Zugtiere verwendet werden müssen, mit dem Resultat, daß die Milchablieferung eine entsprechend geringe ist. Gerade weil die Fettzuweisung immer schwankend ist, habe ich es von jeh'er bedauert, daß in allen Verpflegungsplänen von 325 Gramm gesprochen wurde, die bis jetzt niemals eingehalten werden könnten, und daß wir uns mit den Resten dessen begnügen müssen. was uns nach der Ablieferung noch verbleibt. Tch hoffe, daß es möglich sein wird, nochmals eine kleinere Zuwei
sung geben zu können. Außerdem sollen wir noch — ich gebe Ihnen aber, nunmehr vorsichtig geworden, diese Mitteilung unverbindlich — 80 Gra'mm Öl bekommen.
Wie sicht es mit der Milchversorgung aus?
Antwort: Die Milchversorgung ist nicht nur bei uns, sondern in ganz Württemberg ein Sorgenkind. "Wie ich schon bemerkte, ist die Futtergrundlage schlecht. Kraftfutter und Ölkuchen fehlen gänzlich. Infolge des Fehlens von Most und infolge der im Verhältnis zu den bäuerlichen Produkten sehr hohen Preise des alkoholarmen Bieres und des teuren Sprudels sind die Bauern und ihre Hilfskräfte dazu übergegangen selbst mehr Milch zu trinken, als dies früher üblich war. Im Landesdurch schnitt wird die theoretische Milchmenge nur mit 75% erreicht. Der Kreis Calw liefert trotz seiner schwierigen geographischen Lage «nd trotz der vielen Arbeitskühe und der wenigen Milchkühe 79% ab. Es gibt natürlich Genfein- den, die 100% abliefern, es gibt andere, die ungenügend abliefern. Der Herr Gouverneur gibt sich die größte Mühe, die säumigen Gemeinden zur Ablieferung zu bringen Unsere Milch wird bekanntlich im Milchhof Pforzheim, an welchem die Bauern des nördlichen Schwarzwaldes mit 45% beteiligt sind, zu" Butter und Käse verarbeitet. Die Verwertung durch diese ganz moderne Anlage ist eine vollständige. Über die Gesamterzeugnisse verfügt das Landes- errtährungsamt im Benehmen mit dem Zentralernährungsausschuß zugunsten der französischen Zone Südwürttem.- bergs?
Wie steht es mit dem Käse?
Antwort: Von diesem wichtigen Artikel müssen wir ja 75% abliefern. Es ist zu hoffen, daß die seitherige Käseration auch weiterhin bleibt. Ich möchte nur wünschen, daß der sehr hohe Abliefcrungssatz im Interesse unserer notleidenden Normalverbraucher baldmöglichst ermäßigt wird. Diesbezügliche Vorstellungen sind inzwischen erhoben worden.
Wie steht es mit der Eierversorgung?
Antwort: Die Eierablieferung ist für Geflügelhalter ein Gegenstand ganz besonderen und berechtigten Mißvergnügens. denn die Methodg der Ablieferung ist absolut unsozial. An berechtigten Beschwerden hat es nicht gefehlt, und ich hoffe, daß man im nächsten Jahr hier eine Änderung eintreten läßt, wieder das Freihuhn einführt und über-