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Politik

Donnerstag, 23. Januar 1969

Mehr Druck auf die Länder

Bonn (NWZ). Die Bundesregierung will auf die LänderDruck ausüben damit die Hochschulreform schneller vorangetrieben wird. Das ist das Ergebnis einer Kabinettsbe­sprechung über die Situation an den deut­schen Hochschulen und über die Demonstra­tionen und Ausschreitungen der letzten Zeit. Der stellvertretende Regierungssprecher Ah- lers erklärte gestern, die Minister hätten darüber beraten, wie die Öffentlichkeit bes­ser vor den Aktionen einer kleinen radika­len Gruppe unter den Studenten geschützt werden könne. Ende des Monats werde Bun­deskanzler Kiesinger mit den Ministerpräsi­denten der Länder über die Hochschulre­form sprechen. Ahlers sagte auf eine ent­sprechende Frage, es bleibe dem diplomati­schen Geschick Kiesingers überlassen, in welcher Form er die Bundesländerunter Druck setzen werde.

Hassel setzt Lastenausgleich für Zonenflüehtlinge durch

Bonn (NWZ). Nach jahrelangem Tauzie­hen ist es Bundesvertriebenenminister von Hassel jetzt gelungen, das Bundeskabinett für seinen Plan eines Lastenausgleichs für Zonenflüchtlinge zu gewinnen. 2,6 Milliar­den DM sollten als Ausgleich für Vermö­gensschäden der Flüchtlinge bereitgestellt werden. Allerdings wird, anders als bei den Vertriebenen aus den Ostgebieten, nicht je­der Schaden berücksichtigt. Eine Entschädi­gung wird nur gezahlt, wenn die Existenz­grundlage verloren gegangen ist, und auch dann wird die Entschädigung auf höchstens 50 000 DM begrenzt. Außerdem wird die Auszahlung auf eine lange Zeit verteilt. Sie wird sich wenigstens bis 1980 erstrecken.

Redezeit im Landtag beschränkt

Stuttgart (dpa). Zur Straffung der Parla­mentsarbeit haben sich alle Fraktionen des Landtages für die zweite Lesung des Staats­haushaltsplans 1969 auf eine Redezeit-Be­schränkung geeinigt. Bereits heute bei der Beratung des Kultusetats wird das neue Verfahren angewandt: Pro Fraktion steht in der Generalaussprache eine Redezeit von einer Stunde zur Verfügung, wobei es den Fraktionen überlassen bleibt, ob sie dabei nur einen oder mehrere Redner einsetzen wollen. Reden zu geschlossenen Kapitel­gruppen wie Hochschulkapitel und Kunst­pflege dürfen je Abgeordneten zehn Minu­ten nicht überschreiten. Für die Einzelkapi­tel und für die Begründung von Anträgen ist die Redezeit auf fünf Minuten begrenzt.

In Bonn rechnet man mit Gerstenmaiers Rücktritt

Entscheidung dürfte nach heutigen Fraktionsberatungen fallen Von unserer Bonner Redaktion

Bonn. Nach endlosen Beratungen hat sich gestern im Bonner Bundeshaus der Ein­druck verstärkt, daß Bundestagspräsident Gerstenmaier von seinem Amt zurücktreten wird. Voraussichtlich wird dieser Schritt aber von einer Erklärung der Fraktionen be­gleitet sein, in der ihm bescheinigt wird, daß er sich keine rechtliche Entgleisung habe zuschulden kommen lassen. Die Entscheidung wird nach neuen Beratungen erwartet, zu denen heute die drei Fraktionen des Bundestags zusammentreten.

Wie an den vorangegangenen Tagen blieb auch gestern derFall Gerstenmaier das Hauptgesprächsthema im Bundeshaus. Von den Morgenstunden an standen die Ab­geordneten unter dem Eindruck der wach­senden Zahl der Zeitungsartikel, in denen Gerstenmaiers Rücktritt gefordert oder an­

Wenn Gerstenmaier in Pension geht...

werden ihm voraussichtlich monatlich ausgezahlt:

1. Bundestagspension 5400 DM

2. Pension als außerordentlicher Pro­fessor 2623 DM.

Gesamtpension also 8023 DM monat­lich.

gekündigt wurde. Die Spannung wuchs, als um 15 Uhr Gerstenmaier und die Vorsitzen­den der drei Bundestagsfraktionen, Barzel (CDU), Schmidt (SPD) und Mischnick (FDP) zusammentrafen. Die Besprechung dauerte etwas mehr als zwei Stunden. Daß eine ge­wisse Übereinstimmung erzielt worden war, ging allein aus der Tatsache hervor, daß alle drei Fraktionen wörtlich übereinstimmende Verlautbarungen veröffentlichten.

Darin hieß, es, daß überdie Fragen, die mit Vorwürfen gegen den Bundestagspräsi­denten Zusammenhängen, gesprochen wor­den sei.Die Fragen wurden beantwortet und erörtert. Die Vorsitzenden werden ihren Fraktionen berichten. Über den Inhalt der Unterredung wahrten alle Beteiligten Schweigen. Barzel unterrichtete aber am Abend noch den sogenannten Elferrat seiner Fraktion, dem führende Abgeordnete ange­hören. Danach war zu hören, daß es Ger­stenmaier in der Hauptsache gelungen sei,

Isang Yun kann begnadigt werden

Südkorea ließ bereits zwei aus der Bundesrepublik Entführte frei

Tokio (dpa). Der südkoreanische Kom­ponist Isang Yun kann jetzt begnadigt wer­den, nachdem er gleichzeitig mit zwei an­deren aus der Bundesrepublik entführten und in Seoul verurteilten Südkoreanern

Von dem Hochdruckgebiet über Rußland reicht ein Hochdruckrücken über die Alpen nach Südwesten. Er wird vorübergehend durch eine Störung abgeschwächt, die über die Ost­see nach Osten wandert, sich in Süddeutschland aber nur wenig auswirkt und auch keinen wesentlichen Wechsel der Luftmassen mit sich bringt. Da sich die Hochdruckzone später von Westen her wieder kräftigt, hält das ruhige und im wesentlichen störungsfreie Wetter wei­ter an.

Donnerstag überwiegend wolkig, aber kein wesentlicher Niederschlag. Schwache Luftbewe­gung aus Süd bis Südwest, ln den Hochlagen mild. In den Niederungen dunstig und Mittags­temperaturen nur teilweise über fünf Grad. Freitag weiterhin verhältnismäßig mild und störungsfrei. (Mitgeteilt vom Wetteramt Stutt­gart.)

die Berufung gegen sein Urteil zurückgezo­gen hat.

Das am 5. Dezember gegen den Komponi­sten ausgesprochene, Urteil ist damit rechts^ kräftig und er kann nun in den Genuß eines Gnadenaktes des Staatspräsidenten kom­men. , Auf. diesem . Wege, waren schon am Dienstagabend zwei ehemals in der Bundes­republik ansässige Südkoreaner aus der Haft entlassen worden.

Die beiden bereits Entlassenen sind der Student Lim Sok-hun und der Bergarbeiter Park Song-ok. Sie wurden, wie es hieß, aus Gesundheitsgründen freigelassen. In Haft befinden sich gegenwärtig noch Ysang Yun, der Bergarbeiter Kim Song-chil, der Gieße- ner Student Choe Chong-gil sie zogen ihre Berufungen zurück und der 40 Jahre alte ehemalige Assistent von der Universität Frankfurt Chung Kyu-myung. Der Assistent will, wie es heißt, seine Berufung aufrechter­halten. Es wird angenommen, daß er ent­sprechend beraten wurde, weil eine Begna­digung in seinem Falle er wurde zum Tode verurteilt zu schwierig sein würde. Wenn er in einem neuen Verfahren eine mil­dere Strafe erhielte, würde ein Gnadenakt einfacher sein.

seine Gesprächspartner davon zu überzeu­gen, daß bei seinem Wiedergutmachungsver­fahren kein rechtswidriges Verhalten vor­liegt. Auf der anderen Seite dürfte ihm vor­gehalten worden sein, daß es hier nicht al­lein um eine Frage des Rechts, sondern auch um eine Frage des politischen Stils gehe.

Bei den heutigen Beratungen der Fraktio­nen dürften die Tatsache eine wesentliche Rolle spielen, daß viele Abgeordnete von ih­ren Wählern bedrängt werden, für eine Ablösung Gerstenmaiers zu sorgen. Offen­bar ist dadurch besonders in der CDU/CSU in den letzten Tagen die Sorge gewachsen, eine weitere Rückenstärkung für Gersten­maier könnte sich angesichts der nahenden Bundestagswahl für die Partei schädlich auswirken. Aus ähnlichen Motiven scheint auch die SPD nicht mehr dazu zu neigen, Gerstenmaier zu decken, nachdem die FDP sich zum offenen Angriff auf den Bundes­tagspräsidenten entschlossen hat. (Siehe auch Leitartikel).

EINER DER MUTMASSLICHEN TÄTER, die an dem Überfall auf das Munitionslager der Bundeswehr bei Lebach beteiligt waren. Die Zeichnung wurde von der Polizei nach Aussagen des schwerverletzten Gefreiten Reinhard Schulz angefertigt. Der Täter wird alsblonder Typ bezeichnet. Sein Alter wird zwischen 20 und 25 Jahren angegeben. Er soll etwa 1,70 bis 1,78 Meter groß und mittelblond sein und einen Oberlippenbart tragen. (dpa-Bild)

300 Spuren keine neuen Erkenntnisse

In Lebach fehlen seit dem Überfall drei Gewehre, zwei Pistolen und Munition

Hamburg (dpa). Das Bundeskabinett hat gestern im Zusammenhang mit dem Über­fall auf das Bundeswehr-Munitionslager in Lebach (Saarland) das Verteidigungsministe­rium gebeten, für eine Verbesserung und für die strikte Einhaltung der Wachvorschriften zu sorgen. Der stellvertretende Regierungs­sprecher Conrad Ahlers teilte vor der Presse außerdem mit, der bisherige Stand der Un­tersuchungen lasse Zweifel daran zu, daß im Fall Lebach die Wach Vorschriften streng eingehalten worden seien. Das Bundeskabi­nett hat sich mit dem Stand der Untersu­chungen beschäftigt. Einzelheiten teilte Ah­lers nicht mit.

Die Sonderkommission zur Aufklärung des Verbrechens hat bisher annähernd 300 Spuren und Hinweise aus der Bevölkerung verfolgt, aber noch keine neuen Erkenntnis­se gewonnen. Ständig gehen neue Hinweise

Kurz gestreift

Eine abhörsichere Telefonleitung zwischen dem Bundesjustizministerium und der Bundes­anwaltschaft in Karlsruhe soll demnächst installiert werden.

Bundespräsident Lübke wird vom 24. Januar bis zum 2. Februar in Berlin sein und vor allem die Veranstaltungen der Grünen Woche besuchen.

Bundesaußenminister Brandt will sich im Schwarzwald auf der Bühler Höhe von seiner Rippenfellentzündung erholen.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Schütz hat seinen für heute und morgen ge­planten Besuch von Wien abgesagt, um bei dem erwarteten Angriff der CDU im Abgeordneten­haus gegen seine Gesamtpolitik zugegen zu sein.

Mit der Anfechtung der Bundestagswahl droht die NPD für den Fall, daß sie durch die Kündigung des Mietvertrags für die Stadthalle in Bayreuth in ihren Wahlvorbereitungen be­einträchtigt werde.

Alexander Dubcek, der tschechische KP-Chef, ist leicht erkrankt und befindet sich in Bratis­lava (Preßburg).

Gestorben ist in Lüttich im Alter von 55 Jah­ren der stellvertretende belgische Ministerprä­sident Joseph Merlot.

ein. Ein Sprecher der Sonderkommission sagte, gestern nachmittag:Es gibt jetzt nach allen Städten im Bundesgebiet Spuren, warm oder kalt oder lauwarm.

Der saarländische Landtag gedachte der Todesopfer des Überfalls, für die heute eine Trauerfeier in Lebach gehalten wird. Der Zustand der beiden verletzten Soldaten war unverändert ernst.

Bundesverteidigungsminister Schröder teilte mit, der Verteidigungsausschuß des Bundestages werde heute über den Vorfall unterrichtet werden. Nach Angaben des Mi­nisters sind aus dem Munitionsdepot drei Ge­wehre und zwei Pistolen der Wache sowie 1000 Schuß Gewehrmunition entwendet worden. Die Wache sei zum letztenmal ge­gen drei Uhr morgens durch den Offizier vom Dienst telefonisch kontrolliert worden. Der überlebende Gefreite Schulz hat nach Auskunft Schröders berichtet, er sei beim Betreten des Wachgebäudes zur Ablösung von einem Mann mit einem Messer angefal­len worden. Er habe ihn durch Fußtritte ab­gewehrt. Daraufhin habe ein zweiter Täter auf ihn geschossen. Der Gefreite konnte sich verletzt unter ein abgestelltes Auto schlep­pen. Er hörte Schüsse im Wachgebäude. ..

Rosenberg wirft Bevölkerung politisches Desinteresse vor

Köln (dpa). Der DGB-Vorsitzende Ludwig Rosenberg hat gestern der Mehrheit der Be­völkerung in der Bundesrepublik einenbe­ängstigenden Tiefstand in bezug auf Inter­esse, Kenntnis und Verpflichtungsbewußt­sein auf dem Gebiet der. Politik vorgewor­fen. In der in Köln erscheinenden DGB-Wo- chenzeitungWelt der Arbeit schrieb der DGB-Vorsitzende, die meisten Bürger seien so unpolitisch, daß sie sich tatsächlich keine Gedanken über die gesellschaftspolitischen Folgen einer sich verändernden Welt mach­ten. Jeder, der davon auch nur spreche, wer­de alsAnarchist oderRevoluzzer ver­ketzert, weil er auf eine Masse treffe, die politisch zu denken nicht gewohnt sei und in ihrer Ruhe nicht gestört werden wolle.

Krisenzeichen in Prag

Die Prager Studenten waren schon seit langem gewillt, den 21. Januar alsTag der Erinnerung zu begehen und der tschecho­slowakischen Bevölkerung erneut zu sagen, wie sehr der eigene Weg zu einem sozialen Humanismus durch denPanzerkommunis­mus der Sowjets gefährdet sei. Nun sind gar Fanale gesetzt worden durch die Selbst­verbrennung des Jan Palach, die wohl auch an Johannes Hus erinnern sollte, an den tschechischen Nationalheiden, der in Kon­stanz auf dem Scheiterhaufen den Flammen­tod erleiden mußte.

Die Studenten der Prager Karlsuniversität wissen um die zunehmende Spaltung in der Regierung und in der Kommunistischen Par­tei. Die Saat der Sowjets wächst langsam, aber sie wächst. Die Studenten schrieben daher nach Palachs Freitod:

Wir klagen die politische Führung der Tschechoslowakei an, weil sie im Namen des sogenannten politischen Realismus durch ihren Kleinmut und dusch den Verrat an den zuvor verkündeten Idealen das Volk in diese Situation gebracht hat. Wir befürch­ten, daß unter diesen Bedingungen die Hoff­nung darauf, irgendwann in der Zukunft eine gemeinsame Sprache mit dieser Führung zu sprechen, definitiv schwindet.

Das slowakische KP-OrganPravda hält diesen Studenten und allen Ungeduldigen entgegen:

Unsere führenden Vertreter haben ihren ehrlichen Wunsch bewiesen, die Nach-Janu- ar-Politik fortzuführen, die ihre ersten Resul­tate gebracht hat, und sie bereiten weitere Maßnahmen vor. Laßt uns ihnen nicht Ulti­maten stellen, denn gespannte Situationen öffnen den Weg für Menschen, die für ein bürokratisches Regime sind, und wir wollen nicht Leute in der Führung haben, denen wir nicht vertrauen können.

Diese beiden Erklärungen verdeutlichen, in welch schwieriger Lage sich die Regie­rung in Prag befindet, ln fast verzweifelten Appellen an die Bevölkerung wird offen da­von gesprochen, daß jeder Akt von Unbe­sonnenheit dazu führen könnte, daßeine andere Macht die Regierung dieses Landes übernehmen könnte. Die Journalisten in der CSSR erinnern in diesem Zusammenhang unverblümt an die Zehntausende junger Un­garn, die nach dem Aufstand im Jahre 1956 spurlos in der Sowjetunion verschwanden.

Immer wieder wird in der UdSSR die Verantwortlichkeit der Sowjetunion für die Irrtümer in einem anderen sozialistischen Land betont. Tschechoslowakische Politiker glauben Anhaltspunkte dafür zu haben, daß die Sowjets nur auf einen Anlaß warten, die gesamte Führung in Prag und Bratislava (Preßburg) zu entmachten und eine sowjeti­sche Militärbürokratie an ihre Stelle zu set­zen. Die spektakulären Selbstverbrennungen sind für Moskau gewiß höchst unangenehm aber die imperialistische Sowjetpolitik wird davon in keiner Weise berührt. -sen

Siudentenimport

Bewegte Klage wird in Bayerns CSU ge­führt: Mari hat dort ausgerechnet, daß dfe' blau-weißen Universitäten summa summarum pro Semester einenStudentenimport von 8 250 landesfremden Studierbeflissenen zu verzeichnen haben. Es kommen nämlich (je­denfalls in dem zur Zählung ausgewählten Mustersemester) 13173 Studenten aus nicht­bayerischen Bundesländern an die bajuwari- schen Universitäten zum Studium, während nur 4923 bayerische Studiosi in fremden Bundesländern sich weiterbilden.

Dadurch gehen dem bayerischen Staat und Steuerzahler, so wurde in München er­rechnet, in einem Jahr 65,8 Millionen DM verloren. Dem soll nunmehr abgeholfen wer­den, indem man den Töchtern und Söhnen des Landes vor denZugroasten bevor­zugt Platz an Bayerns Alma matern ver­schaffen will. Studenten gingen schon im­mer gern an ferne Universitäten. Und diese wußten die Ehre ihres guten Rufs zu schät­zen: Die Blau-Weißen offenbar nicht. Ho.

FEUILLETON:

Ballade vom Eulenspiegel

Ein Stück von Günther Weisenborn im Stadttheater Pforzheim

In der Provinz nur provinzielles Theater? Nein, schon lange nicht mehr! Eine neuerli­che Rechtfertigung dieser Antwort liefert das Stadttheater in Pforzheim, wo der neue Intendant, der vorher in Esslingen als Ober­spielleiter tätige Peter H. Stöhr, mit einigen Aufführungen bereits überörtliche Beachtung erzielen konnte. Wir erinnern an die deut­sche Erstaufführung vonKönigsmord der Tschechen Rejnus und Rene. Jetzt steht ein Stück auf dem Spielplan, das vor 20 Jahren uraufgeführt worden ist: Günther Weisen- bomsBallade vom Eulenspiegel, vom Fe- derle und von der dicken Pompanne mit Prolog und Chören nach alten Schwänken.

Die Inszenierung von Reinhard Zobel (als Gast) inklusive der musikalischen Einrich­tung von Gerald Williams nach der Bühnen­musik von Alfons Nowacki gelang so farbig und temperamentvoll, war von so guten schauspielerischen Leistungen getragen, daß man bekennen muß: dieses Werk steht zu Unrecht im Schatten Brechts. Überdies ver­folgt es konsequent das Motto des Pforzhei- mer SpielplansDas Verhältnis der Macht zur Gesellschaft.

Die zehn Jahre früher entstandeneMut­ter Courage hat zwar Pate gestanden, doch enthält die Ballade der Bauernkriege so viel kraftvolle Gestalten, so viel Eigenart, daß sie neben der Chronik aus dem 30jährigen Krieg durchaus bestehen kann. Sie hat über­dies dem Brechtschen Werk ein wesentliches Motiv voraus: das der reinen, innigen Liebe zwischen Eulenspiegel und dem Federle. Da-

iiiiHiiiiiitiiiiiiiiiiiiiiiitiiiiiiiiiimiiiiiimiiiiiiiiiiiiiininiiiiiiiiiiiiiiii

Plagiat

Franz Lehar wurde einst in einem Pla­giatprozeß zwischen dem Komponisten A. und dem Komponisten B. als Sachverständi­ger hinzugezogen. Als man dem Meister das fragliche Opus, dessen Urheberschaft beide Gegner mit gleicher Leidenschaftlichkeit verfochten, vorzuspielen begann, winkte er schon nach wenigen Takten ab:Offen- bach!" (GP)

durch wird dem Lehrtheater, das Weisen- bom im Stile einer mittelalterlichen Morali­tät, also einer Abart des Mysterienspiels, aufzieht, die Monotonie genommen.

Schillernder Mittelpunkt die Figur des Eulenspiegels. Er heckt seine Schalksnarre­teien nicht nur aus, um das Publikum zu be­lustigen, sondern um die Mächtigen hinters Licht zu führen und den Unterdrückten bei­zustehen; ein wesentlich anders gearteter Vet­ter des Till Eulenspiegel aus Mölln. Weisen- boms Eulenspiegel ist ein geschickter Agita­tor. Unter der Narrenkappe stecken ihm die revolutionären Gedanken eines Florian Gey­er, dem er sich nahe weiß im Kampf gegen die deutsche Zwietracht.

Trotz seiner eindeutigen politischen Partei­nahme für die Sache der Bauern bleibt Eulenspiegel aber seiner Rolle als Schalk und reiner Tor, der er im Grunde seines Herzens ist, treu. Ein in seiner Liebe zu Fe­derle unser Mitgefühl erregender Mensch! (Wer lacht, versteht mehr vom Weinen).

Zur Eröffnung des Ausstellungsjahres zeigt die Stadt Esslingen im Landolinshof eine Auswahl von Werken des 1930 in Nickischsehacht geborenen, in Sindelfingen lebenden Malers und Grafikers Otto Gorzol- ka. Sie vermittelt die vielschichtige Entwick­lung des vor allem bei Heinrich Wildemann an der Stuttgarter Akademie ausgebildeten Künstlers im Verlauf von 15 Jahren, eine drängende, etwas dicht gehängte Fülle von Arbeiten, die hohes Interesse der Besucher beanspruchen können.

Da ist unter den expressiven Bildern eine vor allem in Rot-, Gelb- und Schwarzakkor­den gemalteLandschaftliche Komposition, ein öl von 1963, zu dessen starker Stim­mung die Sätze aus dem Einführungsvortrag

Dieses Menschliche, die fast einem Rigo- letto verwandte Tragik auch sichtbar ge­macht zu haben, war der Verdienst der Pforzheimer Aufführung, die in saftigen Landsknecht- und Hurengelagen, in der Brutalität des Truchseß, der Verzweiflung und Tölpelhaftigkeit der Bauern, in aphoris- menhafter Narretei und in balladesken Lie- besszenen die ganze Spannweite der Hand­lung auszukosten wußte.

Herausragende Darsteller innerhalb eines gut abgestimmten Ensembles: der sprachlich und mimisch außerordentlich gelenkige Eulenspiegel des Manfred G. Herrmann, die von der Konkubine zur einfachen Bauern­tochter sich wandelnde Heta Mentscheff als Federle, der skrupellose Truchseß des Peter H. Stöhr und der Dummschussel des Chri­stian Ebel (früher ebenfalls Esslingen).

Die Inszenierung macht die Frage, ob ein Stück über den Bauernkrieg in einer Zeit der Subventionspolitik für die Landwirt­schaft überhaupt noch diskutabel sei, gegen­standslos; denn sie hat Allgemeingültiges überall da aufgedeckt, wo es nicht bloß um die Unterdrückung von Bauern des Jahres 1525, sondern von Menschen aller Jahrhun­derte geht, wo der Truchseß in uns und überall sich regt, um erneut Unrecht zu be­gehen. do-

von Kurt Leonhard ebenso wie zu mancher weniger auf Impuls als auf formaler Kon­struktion aufgebauten, ganz ungegenständli­chen Malerei passen:Ich bin sonst kein großer Freund der Erklärung aus regionalen Voraussetzungen. Aber hier drängt sich das Oberschlesische auf, unabweisbar. Technik und Erde, ein düsterer, von Kohlenstaub, Maschinen und Arbeit bestimmter Land­schaftsraum, eine später durch Zäune und Verhaue verwehrte, entrückte Heimat, dazu Romantik, Schwermut, religiöser Emst. Kohle, Feuer der Hochöfen, Schnee, harter Winter. Der verdüsterte Himmel eines Koh­len-, Eis- und Feuerlandes.

Leonhard unterstrich neben der Schule Wildemanns auch gewisse Einflüsse von

Adolf Hoelzel und Ida Kerkovius. Das be­stätigt sich besonders etwa in einigen phan­tasievollen Pastellen aus den Jahren 1954 und 1955. Dynamische, auf Rot oder auf Blau entwickelte öle, Tuschzeichnungen und Aquarelle, in wuchtigem Schwarz oder dann in lichten, leuchtenden Farben, sprechen ebenso für den Künstler wie die träum- und zeichenhaften, an fernöstliche Gedankenwelt erinnernden Radierungen (soMagisches Geheimnis,Kleines Gedicht, der Zehner­zyklusGedichte ohne Wort).

Da sind große Gegensätze, aber nicht Dis­krepanzen festzustellen. Gorzolkas ganzes Schaffen hat sich in der Zweipoligkeit, in der Dialektik von Gefühlhaftem und Ge­danklichem, spontanem Impuls und forma­ler Durchdringung, von Realistischem und Surrealistischem ausgebreitet. Kontrolliert und in Einklang gebracht wird das durch die technische und handwerkliche Disziplin eines gründlichen, an sich emsig arbeitenden Grüblers, der für die Welt offen ist, aber kritisch offen, zwischen Humor und Skepsis in die Zukunft schaut.

So können gerade die Zeichnungen, Aqua­relle und Lithographien der letzten Jahre besonders aus dieser Spannung heraus ver­standen werden. Gab es früher Titel, die sich etwa an die Architektur hielten, so herrschen in jüngster Zeit solche mit techni­schen, philosophischen, soziologischen An­spielungen und Assoziationen vor. Wir lesen da z. B.Meilensteine der Zukunft und be­schäftigen uns schließlich vor allem mit dem großen ZyklusIdole und Dämonen, der in bibliophiler Ausstattung in Kassette erschie­nen ist und über 60 Blätter, farbige und schwarzweiße, umfaßt. Dazu ist eine Reihe von Tuschzeichnungen ausgestellt.

Die Ausstellung ist bis zum 11. Februar geöffnet. -es

Der italienische Schriftsteller Giovanni Comissoistin Treviso bei Venedig im Alter von 73 Jahren gestorben. Er hinterläßt ein reiches erzählendes Werk. Sein BuchMein Landhaus gilt als Mei­sterwerk der gehobenen Memoirenliteratur des Landes.

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Am 23. Januar vor 25 Jahren starb in selbst­gewählter Einsamkeit auf seinem Landsitz bei Oslo der norwegische Maler Edvard Munch. Wir haben anläßlich einer Ausstellung in Mün­chen erst kürzlich Leben und Werk dieses Künstlers gewürdigt. Unser Bild zeigt eines der berühmtesten Werke MunchsDer Schrei 1893. (Foto: np)

Toller" auch im Fernsehen

Nach der Uraufführung im Stuttgarter Staatstheater am 9. November vergangenen Jahres und einer zweiten Fassung am 4. Ja­nuar in Köln wird Tankred Dorsts neues BühnenstückToller nun in einer dritten Inszenierung am 21. April im Deutschen Fernsehen gezeigt. Tankred Dorst hat mit dem Regisseur Peter Zadek und dem Büh­nenbildner Wilfried Minks eine spezielle Femsehfassung unter dem TitelRotmord hergestellt. Die Produktion ging schon im Sommer letzten Jahres beim WDR in Köln in die Ateliers. Erfahrungen und Ergebnisse dieser Inszenierung hatten Rückwirkungen auf die endgültige Bühnenfassung des Stücks gehabt.

Welfoffen und kritisch

Arbeiten von Otto Gorzolka im Esslinger Landolinshof