Samstag, 4. Januar 1969
Aus aller Welt
Den 83. Urlauber mußte die Kripo holen
Trotzdem soll weiterhin Haftverschonung gewährt werden / Wochenendurlaub geplant
Berlin (AP). Die Berliner Justizverwaltung will nicht die übrigen Insassen der Berliner Strafanstalten für das Verhalten eines schwarzen Schafes unter 83 Weihnachtsurlaubern auf Ehrenwort büßen lassen. Dieser 83. Weihnachtsurlauber konnte erst gestern nach fast einwöchiger Fahndung von der Kriminalpolizei wieder gefaßt werden.
Wie ein Sprecher der Justizbehörden nach der Festnahme des „vergeßlichen“ Urlaubers mitteilte, besteht die feste Absicht, künftig auch zu anderen Festen als Weihnachten für eine gewisse Anzahl Strafgefangener Haftverschonung zu gewähren, möglicherweise schon zu Ostern.
Da der zu Weihnachten in Berlin erstmalig verfügte „Urlaub von der Zelle“ nach den Worten des Sprechers der Justizverwaltung trotz des kleinen Schönheitsfehlers „schließlich als ein Erfolg“ anzusehen ist, beabsichtigen die Behörden sogar, in absehbarer Zeit geeigneten Häftlingen Wochenendurlaub in ihren Familien zu gewähren, was als vorweggenommener Teil der Strafvollzugsreform zu werten sei.
Für den Häftling, der seinen Urlaub über Gebühr ausdehnte, wird sein Verhalten allerdings weniger angenehme Folgen haben. Seinen Platz in der Außenstelle Düppel, deren Insassen zahlreiche Vergünstigungen genießen, muß er wieder mit einer Zelle in der alten Strafanstalt Tegel vertauschen. Außerdem könnte sich seine Urlaubsüberschreitung nachteilig auf ein Gnadengesuch auswirken, das er vor Weihnachten gestellt hat.
Haftbefehl gegen Amateurboxer
Essen (AP). Gegen den 32 Jahre alten ehemaligen Amateurboxer Siegfried Kümmel wurde in Essen Haftbefehl wegen Verdachts
auf Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge erlassen. Nach Darstellung der Essener Polizei hatte Kümmel am 30. Dezember 1968 den 66 Jahre alten Bilderrahmer Heinrich Frohne, bei dem er seit fünf Wochen in Untermiete wohnte, im Verlaufe einer Auseinandersetzung so schwer verletzt, daß Frohne diesen Verletzungen erlag. Nach Aussagen von Nachbarn, die bereits am Nachmittag verdächtige Geräusche in der Wohnung Frohnes und Kümmels gehört haben wollen, ist es zwischen den beiden Männern zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen. Bei seiner Festnahme hatte Kümmel Kratzwunden am Hals, jedoch verweigerte er jede Aussage über ein mögliches Motiv.
Streit um Bußgelder
Hannover (AP). Zwischen dem niedersächsischen Finanzminister und den Kommunen des Landes ist ein Streit darüber ausgebrochen, wer die Einnahmen aus den gebührenpflichtigen Verwarnungen und Bußgeldbescheiden im Straßenverkehr in seine Tasche streifen darf. Wie das Finanzministerium Hannover gestern mitteilte, müssen die eingenommenen Gelder bis zur Klärung dieser Frage vorerst auf Sperrkonten verbucht werden.
Da seit dem 1. Januar dieses Jahres die Ordnungsbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte für gebührenpflichtige Verwarnungen und Bußgeldbescheide einzugsberechtigt sind, beanspruchen die Kommunen die Gelder als Entschädigung für den Verwaltungsaufwand und zur Finanzierung von Verkehrseinrichtungen für sich. Das Finanzministerium hingegen möchte die Gelder, die voraussichtlich in die Millionen gehen, gerne in der Landeskasse sehen, um die Deckungslücke im Etat zu verringern.
Stacheldraht auf der Skipiste
Habgieriges Brüderpaar verlangte 12 000 Franken für Wiese / Schönste Abfahrt gesperrt
St. Gallen (hl). Die beste Abfahrtspiste im Atzmännig-Skiparadies (Kt. St. Gallen) ist seit den Schneefällen der letzten Tage durch einen etwa 70 Meter langen Stacheldrahtverhau für die Skifahrer gesperrt. Aber nicht etwa die Behörden oder die Skilift- Gesellschaft Atzmännig AG haben dieses Hindernis im Schnee aufgestellt, sondern das Landwirte-Brüderpaar Johann (45) und Otti (43) Hürlimann aus Goldingen machen den Tausenden von Skitouristen aus dem In- und Ausland, vor allem aus dem süddeutschen Raum, den Wintersport in diesem Gebiet zu einem glatten Reinfall.
Weil die schönste Skipiste im Atzmännig- Skiparadies genau über ihre Wiese führt und sie mit der von der Skilift-Gesellschaft pro Saison bezahlten Benutzungsgebühr von 2800 Franken nicht mehr einverstanden sind, haben sie die Piste gesperrt. Vor Jahren verlangten sie noch 1500. Franken Skizoll pro Saison, dann schraubten sie die Forderung auf 2800 Franken.
Nachdem der Vertrag im April 1968 abgelaufen war, stellte das Brüderpaar die stolze Forderung auf, künftig 12 000 Franken zu erhalten. Würde die Gesellschaft dieser Forderung Rechnung tragen, würden sich die Gebühren für den Skilift in das Winterparadies wesentlich erhöhen und ihn somit unwirtschaftlich machen. Als der Geschäftsführer der Gesellschaft auf die Forderung von Johann und Otti Hürlimann nicht einging, schafften die Brüder starke Holzpfähle in
das Skigebiet und unterbrachen die Abfahrt, die gewöhnlich acht bis zehn Minuten dauert, mit einem Drahtverhau. Der Gesellschaft kommt allerdings ein neues Gesetz zu Hilfe, das besagt, daß der Gemeinderat die Beseitigung von Hindernissen verlangen kann, welche die Ausübung des Wintersports erschweren.
Doch die Brüder denken nicht daran, sich dem Gesetz zu beugen. Sie meinen nämlich: Von den paar Franken, die sie von der Gesellschaft erhalten, könnten sie nicht leben. Der Gemeinderat von St. Gallen-Kappel will sich mit der Maßnahme der habgierigen Brüder Hürlimann beschäftigen und die Entfernung des Drahtzaunes erwirken, weil Gefahr besteht, daß die Wintersportler eine freundlichere Gegend aufsuchen — und dort ihr Geld liegen lassen.
Wider die Sciinapswelle
Bern (dpa)v, Whisky, Cognac, Aquavit und auch 4ie : einljein)isehen „gebrannten Wässerchen“ sind in der Schweiz seit Jahresanfang um rund 50 Prozent teurer geworden. Die nach dem Zusammenbruch des Preiskartells für Alkoholika im vergangenen Jahr merklich angestiegene „Schnapswelle“ in der Schweiz wird als Begründung für den Bau dieses amtlichen Preisdamms angegeben, der der Volksgesundheit dienen soll. Der massive Steueraufschlag auf Spirituosen ist der zweite innerhalb von fünf Jahren.
Alpenstraßenbericht
München (AP/dpa). Die starken Schneefälle haben in weiten Teilen Bayerns und vor allem im Alpengebiet auch gestern angehalten. Nach Mitteilung des ADAC wurde in der Nacht der Arlberg geschlossen. Die Schneepflüge kamen nicht mehr durch, und die Straße schneite vollständig ein. Am Freitagvormittag wurde eine Auto-Bahnverladung zwischen St. Anton am Arlberg und Langen eingerichtet.
Ebenfalls geschlossen wurde die Hoch- Tannbergstraße in Vorarlberg. Die anhaltenden Schneefälle haben dazu geführt, daß gestern mittag auch die Achenseestraße geschlossen werden mußte. Über die Achenseestraße geht normalerweise ein Teil des Straßenverkehrs auf der Linie München — Bad Tölz — Innsbruck.
Der Lawinenwamdienst des bayerischen Innenministeriums hat am Freitagmittag erstmalig nicht nur die Skifahrer vor akuter Lawinen- und Schneebrettgefahr gewarnt, sondern auch die Autofahrer, die im Gebirge hangnahe Straßen befahren.
Der zusammenfassende Bericht des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs (ADAC): In Österreich sind gesperrt Silvretta, Großglockner, Warth-Lech. Mit Ketten befahrbar: Fempaß, Brenner, Pötschenhöhe, Zwie- s'elstein-Obergurgl, Innsbruck-Kühtai, Zufahrt Bad Gastein, Radstädter Tauern, Zir- lerberg. Mit Winterreifen befahrbar: Gerlos- spaß, Katschberg, Achenpaß, Reschenpaß, Flexenpaß.
In der Schweiz sind gesperrt: Albula, Flüela, Furka, Grimsel, Oberalp, St. Gotthard, Splügen, Susten, Umbrail. Mit Winterreifen befahrbar: Bernina, Großer St. Bernhard, Julierpaß, San Bernardino, Simplon, Unterengadin, Chur-Arosa, Klosters-Davos.
In Italien sind gesperrt: Jaufenpaß, Stilf- serjoch, Kleiner St. Bernhard, Gaviapaß, Timmelsjoch. Mit Ketten befahrbar: Compo- longo, Pordoijoch. Mit Winterreifen befahrbar: Tre Croci, Falzarego, Rollepaß, Karer- paß, Sellajoch, Grödnerjoch, Mendelpaß, Zufahrt Seiseralm.
Spielwaren in Flammen
München (AP). Ein Spielwarenlager einer Großhandlung ist in der Nacht zum Freitag in Gräfelfing bei München in Flammen aufgegangen. Nach Mitteilung der Polizei entstand ein Schaden in Höhe von etwa 300 000 Mark. Brandstiftung scheint nicht ausgeschlossen, denn bereits am 17. Dezember wütete in dem Lager ein Brand, bei dem der Schaden eine halbe Million Mark betragen hatte. Damals konnte die Brandursache nicht geklärt werden.
Herzkranker Junge starb
Houston: (AP/dpa). Der neunjährige Berliner Andreas Schumann, der im Episko- pal-Krankenhaus St. Lukas in der texani- schen Stadt Houston Heilung für sein schweres Herzleiden zu finden hoffte, ist in der Nacht zum Freitag nach einer zweistündigen Operation gestorben.
Wie erst jetzt bekannt wurde, hat der amerikanische Herzchirurg Dr. Denton A. Cooley den schwer herzkranken Jungen aus Westberlin operiert. Dem Neunjährigen, der an einem angeborenen Herzfehler litt, wurden ohne die Operation nur geringe Lebenschancen gegeben.
Brand auf
norwegischem Frachter
Hamburg (AP). Bei einem Brand im Hamburger Hafen ist gestern das Achterschiff des norwegischen Frachters „Lars Meling“ (5314 BRT) fast völlig zerstört worden. Wie die Feuerwehr in Hamburg mitteilte, brach der Brand aus noch ungeklärter Ursache auf einem der hinteren Decks aus und breitete sich schnell auf die darunterliegenden Decks aus. Drei von dem Feuer in ihren Kabinen eingeschlossenen Besatzungsmitglieder
konnten sich durch die Bullaugen retten und wurden von einem vorbeifahrenden Küstenmotorschiff aufgenommen. Die Feuerwehr mußte zum Teil die Decks des Schiffes auf- schlagen, um an die Brandnester heranzukommen. Am Nachmittag war das Feuer von drei Löschbooten unter Kontrolle gebracht worden. Der Frachter gehört der Reederei H. M. Wrangell aus Haugesund.
Priester-Befragung
Düsseldorf (dpa). Bis zum 17. Januar sollen 24 000 katholische Priester in der Bundesrepublik und Österreich eine Briefumfrage zum Zölibat beantworten, die jetzt die Arbeitsgemeinschaft von Priestergruppen in der Bundesrepublik und Österreich verschickte. Die angeschriebenen Geistlichen werden gebeten, ihre Stellungnahme zur Ehelosigkeit des Priesterstandes abzugeben. Die Priester sollen erklären, ob sie die Weihe von verheirateten Priestern befürworten und ob es ihrer Meinung nach neben dem zölibatären auch den verheirateten Priester geben dürfe. Wie ein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft von Priestergruppen auf Anfrage bestätigte, soll das Ergebnis der Umfrage der deutschen Bischofskonferenz zugeleitet werden.
Die Bundesregierung informiert
auf dem
richtigen
Getragen von dem Vertrauen der Bevölkerung hat die Regierung der großen Koalition auch im vergangenen Jahr erfolgreiche Arbeit geleistet.
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Wohlstand
Die Vollbeschäftigung ist wieder erreicht. Das Bruttosozialprodukt stieg um fast 7%. Die Preise sind stabil. Die D-Mark blieb eine der härtesten Währungen der Welt. Der Kohlen- * bergbau gesundet. Mit einem umfangreichen Agrarprogramm wird der Landwirtschaft geholfen.
Frieden
Die Politik der Verständigung und Aussöhnung mit den Nachbarn im Westen und auch im Osten wurde fortgesetzt. Neue Vereinbarungen weiten den innerdeutschen Handel aus und tragen dazu bei, die Gräben im geteilten Deutschland zu überwinden.
Sicherheit
Das gemeinsam Erreichte wurde nach innen und außen gesichert: der Arbeitsplatz durch Investitionen und wirksame Strukturverbesserungen, die Währung durch Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung und zur Preisstabilität, unsere Freiheit durch die Verteidigungspolitik und die Vorsorgegesetze für den Notfall.
Fortschritt
Weitreichende Reformen, die nötig sind, damit Bürger und Staat in der Welt von morgen bestehen können, wurden in Angriff*genommen: die Finanzreform, das Arbeitsforderungsgesetz, die Verkehrsreform, die Förderung der Wissenschaft, die Justizreform.
Die große Koalition bleibt nicht beim Erreichten stehen.
Sie wird im Jahre 1969 die begonnenen Reformen weiterführen und neue Aufgaben anpacken.
Die Richtung stimmt
Eine Anzeige des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung