Samstag, 4. Januar 1969

Zum Zeitgeschehen

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Gehenkt und erschossen

Freisler machte kurzen Prozeß

Über 11000 Menschen wurden vomVolksgerichtshof" zum Tode verurteilt / Wo auch RehseRecht" sprach

Laß alle Hoffnung fahren, riet der Uniformierte dem 40jährigen Elektroinstallateur Karl Steglich aus Dresden, als er ihn am 15. November 1943 in Fesseln in den pompös ausgestatteten großen Plenarsaal des Volksgerichtshofes in Berlin, Bellevuestraße 15, führte. Der bis dahin unbescholtene Mann wurde dann auch zwei Stunden später als Defätist und Wehrkraftzersetzer zum Tode verurteilt, weil er vor Arbeitskollegen sich kritisch über die Lage geäußert hatte. Er ist einer von Tausenden, die schon ver­loren waren, noch ehe das Urteil verkündet wurde. Das höchste Gericht im Dritten Reich ist jetzt wieder in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt, nachdem Hans-Joa­chim Rhese (67), ehemaliger Beisitzer am Volksgerichtshof, in einer zweiten Schwurge­richtsverhandlung freigesprochen wurde.

Das Tribunal der Nazis existierte seit 1. August 1934. Die vor ihm behandelten Fälle waren geheim. Für alle dort tätigen Juristen galt als oberstes Gesetz: Linientreue. Die Richter in den roten Roben verwandelten sich unter Hitler in bereitwillige Mordgehil­fen. Beweis: Von 1930 bis 1932 wurden in Deutschland acht Todesurteile vollstreckt. Von 1934 bis 1939 stieg die Zahl der Hinge­richteten auf 534. 11366 Menschen starben von 1940 bis 1944 durch die Hand des Hen­kers, auf dem Richtblock, unter der Guilloti­ne oder wurden erschossen. Die meisten von ihnen hat Roland Freisler auf dem Gewis­sen, der berüchtigte Präsident des Volksge­richtshofes.

Der Anwalt des Teufels, der das Urteil immer schon vorher im Kopf hatte, witterte seine Chance, als die Geschwister Hans und Sophie Scholl am 18. Februar 1943 vom Ge­länder des zweiten Stockwerks in der Münchner Universität Flugblätter mit Anti- Hitler-Parolen in'den Lichthof warfen.

48 Stunden später reiste Roland Freisler aus Berlin an, las am Abend noch die Akten und eröffnete am anderen Morgen die Ver­handlung. Hans Scholl wagte zaghaft wäh­rend der Verhandlung, die einer Farce glich, einen Einwand und wurde angefahren:Sie sind es gar nicht wert, daß Sie unter unse­rem Reichskanzler leben . . . Sie unver­schämter Lümmel. Nach dreistündigem To­ben (Ich werde Ihnen schon noch zeigen, wer hier den Ton angibt) und theatralischen Monologen befand Freisler beide für schul­dig. Sie wurden hingerichtet.

Joseph Goebbels, Minister für Propagan­da, lieferte dem Mörder mit der Bieder­mannsmaske die Rechtfertigung für seine Rachejustiz. Goebbels 1942:Im Krieg ist

Noch aber ist es nicht so weit, obwohl man sich bemüht, möglichst schnell zu be­friedigenden Lösungen zu kommen. Dabei stellt sich das Problem der Leistungsminde­rung, die durch die Schalldämpfung eintre- ten könnte. Die Starfighter sind tempera­mentvolle Hochleistungsflugzeuge, die man nicht so leicht wie Verkehrsmaschinen auf Reisegeschwindigkeiten im Kammerton bringen kann. Dennoch tut die Luftwaffe al­les, um die Lärmbelästigung in tragbaren Grenzen zu halten.

Im Entwurf für dasGesetz zum Schutz gegen Fluglärm, das der Ausschuß für das Gesundheitswesen federführend bearbeitet, ist weitgehend auch auf den militärischen Flugbetrieb abgehoben. Der Verteidigungs­ausschuß hat sich mit der Vorlage bereits befaßt und beantragt, die für weitere Dämp­fungsmaßnahmen erforderlichen Mittel in Höhe von 117 Millionen DM nicht aus dem Verteidigungsetat zu nehmen, sondern zu­sätzlich zu bewilligen. Weitere 32 Millionen DM für den Lärmschutz an Verkehrsflughä­fen sind notwendig, um die Schutzmaßnah­men einheitlich steuern zu können.

nicht so sehr vom Gesetz auszugehen, son­dern von dem Entschluß, der Mann muß weg. Der Rechtsverdreher seit 1925,wich­tiges Glied in der völkischen Gemeinschaft und Parteigenosse, ließ sich so etwas nicht zweimal sagen. Seine größte Stunde, die gleichzeitig für die Nation eine der, beschä­mendsten war, schlug, als die Männer des 20. Juli Generäle, Aristokraten, Gewerk­schaftler und gläubige Christen die sich gegen den Führer verschworen hatten, als Angeklagte vor ihm standen. Er entfachte eine wahre Schimpfkanonade in diesem Schauprozeß.

Ich habe, sagte Peter Graf York von Wartenburg, der als einer der ersten Freis- lers fanatischem Wüten ausgeliefert war, ich habe bereits in meiner Vernehmung an­gegeben, daß ich mit der Entwicklung, die die nationalsozialistische Weltanschauung genommen hatte ...,

... nicht einverstanden war, fiel der Prä­sident des Volksgerichtshofes ihm ins Wort. Sie haben, um es konkret zu sagen, erklärt: In der Judenfrage paßte Ihnen die Juden­ausrottung nicht und auch die nationalsozia­listische Auffassung vom Recht verwarfen Sie.

Ich habe das vielfache Hin und Her in der Einstellung den Polen gegenüber prak­tisch erlebt, warb Graf Schwerin, als er er­klärte, warum er in den Kreis der Männer des Widerstandes getreten war.

Und das Hin und Her war, was Sie dem Nationalsozialismus zur Last legten! schrie Freisler rot vor Wut ihm ins Gesicht,

Ich dachte an die vielen Morde, Graf Schwerin weiter.

Morde? heulte Freisler auf.

Ja Morde! wiederholte Graf Schwerin fest,die im In- und Ausland ...

Die Luftwaffe hat bisher mehr für die Lärmbekämpfung getan als mancher große Verkehrsflugplatz. So wurden die Gemein­den Oberbolheim/Nörvenich, Rehbach/ Pferdsfeld, Langenwinkel/Lahr ganz umge­siedelt. Teilumsiedlungen gab es für Nach­barn der Flugplätze Neuburg, Gütersloh, Je­ver, Wittmundhafen, Söllingen, Eggbeck und Geilenkirchen. Ein Teil dieser Basen wird von den alliierten Luftwaffen benutzt.

Mehr als 90 Prozent der fliegerischen Grundausbildung der Flugzeugführer wer­den in den USA absolviert. Für die Schieß­ausbildung (Bordwaffen und Raketen) steht die Basis Decimomannu auf Sardinien zur Verfügung. Diese Maßnahmen entlasten den schmalen deutschen Luftraum ganz erheb­lich. Außerdem haben sich die Alliierten den Weisungen des Führungstabes der Luftwaffe angeschlossen und 11 000 Meter als Mindest­flughöhe für Überschallflüge akzeptiert. Das gilt auch für die Einhaltung der Mindest­flughöhen bei Tiefflügen. Sie liegen bei 240 Metern für Starfighter und 150 Metern für die G-91. (PL)

Sie sind ein schäbiger Lump! brüllte Freisler.Zerbrechen Sie unter Ihrer Ge­meinheit? Ja oder nein? Zerbrechen Sie dar­unter?

Herr Präsident, begehrte Graf Schwerin auf.

Ja oder nein? hallte Freislers Gebrüll durch den Raum.Geben Sie eine klare Antwort!

Sehen Sie ein, daß Sie schuldig sind, wetterte der Blutrichter gegen Graf von Moltke.Nein, sagte der kalt.

Sehen Sie, geiferte Freisler mit diaboli­scher Logik,wenn Sie immer noch nicht er­kennen, daß Sie gefehlt haben, dann wird eben klar, daß Sie anders denken und damit sich selbst aus der kämpfenden Volksge­meinschaft ausgeschlossen haben.

Die dumpfe Hitze im Saal war schier un­erträglich, als General von Witzleben, mit beiden Händen die Hose festhaltend, eine Bemerkung machen wollte. Der Präsident des Volksgerichtshofes schnellte von seinem Stuhl hoch und noch ehe der Militär ein Wort herausgebracht hatte, wurde er mit Ausdrücken bombardiert wie:Sie Häufchen Elend, Sie schäbiger Hund, Sie Schwein, Sie Esel, Sie sind ja die personifizierte Lüge! Dazwischen richtete er Ergebenheitsadressen an den Führer (Der wird Sie ja im Film se­hen und hören).

Dr. Joseph Wirmer, ehemaliger Sekretär des Reichskanzlers Brüning, kam anschlie­ßend an die Reihe. Der Angeklagte trat ganz nahe an den Richtertisch heran und schleu­derte Freisler den Satz entgegen:Wenn ich hänge, habe nicht ich die Angst, sondern Sie.

Nun schäumte der Volksgerichtshof-Präsi­dent über vor Zorn:Bald werden Sie in der Hölle sein ..., brüllte er den tiefreligiösen Rechtsanwalt an.

Es wird mir ein Vergnügen sein, wenn Sie bald nachkommen, Herr Präsident, er­widerte Wirmer ungerührt, machte auf dem Absatz kehrt und ging aufrecht auf seinen Platz zurück.

Auch andere Angeklagte ließen sich von der Demagogie desSchreibtischmörders nicht einschüchtern. Erich Fellgiebel, Chef der Nachrichtentruppen, rief Freisler zu: Beeilen Sie sich mit dem Aufhängen, Herr Präsident, sonst hängen Sie eher als wir.

Auch Generalmajor Stieff nahm kein Blatt vor den Mund, als er Hitler charakte­risierte:Ich konnte nicht mehr mit anse- hen, wie dieser Mann mit seinem Starrsinn wie ein Amokläufer sein eigenes Werk zer­bricht. Wir verteidigen Kirkenes und Kreta und werden Königsberg verlieren.

Freisler:Pfui Teufel!

Dann rügte ihn der Präsident, weil er den Generalquartiermeister Wagner nicht bela­sten wollte:Sie haben diesen Mitver- brecher nicht entlarvt, weil Sie auf diesem Gebiet wie ein Homosexueller abartig sind.

Roland Freisler, der den ganzen Schaupro­zeß möglichst ohne Komplikationen über die Bühne bringen wollte, verurteilte die mei­sten -Angeklagten nach kurzer Beratung zum Tode. Viele von ihnen wurden an den Flei­scherhaken in Plötzensee aufgehängt.

Freisler kam am 3. Februar 1945 um. Er hatte gerade wieder einmal einen Menschen wegenSabotage am Endsieg des deutschen Volkes dem Exekutionskommando über­stellt, sich anschließend eine Zigarette ange­zündet, als die Warnsirenen heulten. Sekun­den später entluden die alliierten Bomber ihre tödliche Last. Ein Stabsarzt der Luft­waffe wurde, als alles in Flammen stand, in die Bellevuestraße gerufen, wo man gerade Schwerverletzte aus den Trümmern barg. Man sagte ihm, einer der Verletzten sei Freisler. Der Mediziner verweigerte die Hil­fe mit der Begründung, wo menschliche Ge­rechtigkeit versage, müsse Gott Gericht hal­ten. Freisler habe vor zwei Tagen seinen Bruder dem Henker ausgeliefert. Sprachs und kümmerte sich um die anderen Opfer.

Klaus Antes

Lärmschutzgesetz Starfighter sollen flüstern

Schalldämpfungsringe am Triebwerk /117 Mill. DM für Schutz gegen Fluglärm

Die Starfighter der deutschen Luftwaffe werden das Flüstern lernen: Versuche mit einem neuen Schalldämpfungsring am Triebwerk sollen den Heulton der Überschall­maschinen so drosseln, daß man die rasanten Flugzeuge möglichst nur noch als flie­gendeNormalverbraucher mit dem üblichen Geräuschpegel registrieren kann.

Kanadas Premierminister Pierre Elliot Trudeau, 49 Jahre alt, ist einer der begehrte­sten Junggesellen des Landes. Neulich meinte er, es sei ein bißchen schade, daß er noch ledig durch das Schaltjahr gekommen sei, aber 1969 wolle er die Initiative er­greifen. Die Initiative scheint auf diesem Foto zu sein: Es ist die 24jährige Jennifer Rac, Tochter des kanadischen Botschafters in Mexiko und außerdem in Trudeaus Amt beschäftigt. Wie schon öfters in den letzten Monaten sah man sie jetzt wieder gemein­sam auf einer Party. (Foto: AP)

iiiiiiiiitiiiiiiiiiiimiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiitiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiifiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiHiiiimifniitiiiiiuiiiiiiiiiiiiitiiiiiiiiiiiiiiifiiiiiii

Krieg und Putsche

Afrika kam nicht zur Ruhe

Der afrikanische Kontinent kam auch 1968 noch immer nicht zur Ruhe. Die Bilanz der letzten zwölf Monate in Afrika zählt auf der positiven Seite die Beendigung der Feindse­ligkeiten zwischen Somalia und seinen bei­den Nachbarn Äthiopien und Kenia. Zwar führen vereinzelte somalische Partisanen­gruppen im nördlichen Grenzgebiet von Ke­nia auf eigene Faust noch immer einen Kleinkrieg gegen die nichtsomalische Bevöl­kerung und die kenianische Armee. Auf po­litischer Ebene jedoch herrscht zwischen den Hauptstädten Mogadischu und Nairobi be­stes Einvernehmen.

Auf der negativen Seite der Bilanz stehen drei neue Militärputsche: In Sierra Leone, wo die jungen Offiziere im April ihre Vor­gesetzten aus dem Sattel hoben und schließ­lich den Weg zurück zur Zivilherrschaft un­ter Ministerpräsident Stevens öffneten. Im Kongo-Brazzaville wurde nach langen Un­ruhen Präsident Massemba-Debat von der Armee Anfang November gestürzt, und in Mali fand die über achtjährige Herrschaft

Weltraum-Tabellenstahd

Die bisherigen Errungenschaften der bei­den großen Weltraummächte lassen sich wie folgt zusammenfassen:

USA UdSSR

Bemannte Raumflüge 16 10

davon zum Mond (Umlauf) 1

Flüge mit 2 Astronauten 10 1

Flüge mit 3 Astronauten 2 , 1

Astronauten im Weltraum 32 13

Aussteigemanöver im Raum 9 1

Dauer der Außenaufenthalte 12 Std. 20 Min. Anlegemanöver im Raum 9 2

unbemannt

Weltraum-Flugstunden,, bemannt 3215 629

Weiche Mondlandungen, unbemannt 1

Planeten-Landungen, unbemannt 1

des Präsidenten Keita in der zweiten No­vemberhälfte durch einen Aufstand junger Offiziere ein abruptes Ende.

Am schwersten aber wiegt der nigeriani­sche Bürgerkrieg, der sich nun schon seit fast achtzehn Monaten hinschleppt, ohne daß ein Ende abzusehen ist. Bemühungen um eine friedliche Beilegung des Konfliktes in Niamey (Niger), in Kampala (Uganda) und in Addis Abeba (Äthiopien) führten zu keinem Erfolg, da Biafra trotz unübersehba­rer Menschenverluste nicht bereit ist, auf seine Sezession zu verzichten. Vermittlungs­versuche der Organisation für Afrikanische Einheit (OAS) sowie der britischen Regie-

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Einen Vogel haben

Nicht recht bei Verstand sein.

Das WortVogel kann eine vom Volksmund nicht mehr verstandene Umdeutung des aus dem Jiddischen kommenden rotwelschen Ausdrucks sein:du haißtn weokal =Du bist ein ganz Verdrehter. Nach anderen Auslegungen gilt im Volksglauben das Nisten ^von Tieren im Kopf (Bei dir piepts wohl!) als Zeichen von Beses­senheit oder Geistesgestörtheit.

(Copyright Cosmospress Genf)

rung und privater Kreise haben eher zu einer Verhärtung der Fronten geführt.

Seine letzten Hoffnungen scheint der Staatschef von Biafra, Oberst Ojukwu, auf die Unruhen in der westlichen Region zu setzen, wo unzufriedene Steuerzahler in den letzten Wochen und Tagen mit Polizei und Armee zusammenstießen und nach inoffi­ziellen Schätzungen etwa vierzig Demon­stranten ihr Leben verloren. Doch ist die Bundesregierung in Lagos wie eh und je fest entschlossen, dieRebellion zu unter­drücken, und wenn es am Konferenztisch nicht möglich ist, so durch einen militäri­schen Sieg. F. Lüdecke

OHNE MOND

Roman von Mary Stewart

Deutsche Rechter Marion von Schröder Verlag, Hamburg Presserechtet G. Schäfer, Hamburg

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Er und Alexandros waren nicht, wie Colin es vermutet hatte, Diebe, sondern seit eini­gen Jahren Partner als Hehler gewesen, wo­bei Tony den Verbindungsmann gespielt hatte. Stratos, der ein anständiges, einträgli­ches kleines Restaurant in der Frith Street besessen hatte, hatte einen unverdächtigen Schlupfwinkel bieten können, und ihn und Alexandros hatte offenbar nichts anderes verbunden als eine Freundschaft zwischen Landsleuten. Selbst für diese Freundschaft gab es eine völlig natürliche Erklärung, denn auch Alexandros war Kreter, aus An- oghia gebürtig, dem Dorf, das im Gebirge jenseits der zerstörten byzanthinischen Kir­che lag. So war alles eine Zeitlang gut ge­gangen, bis zu der großen Raubaffäre im Camford House.

Aber Stratos hatte sich mit dem Instinkt des guten Geschäftsmanns im richtigen Au­genblick aus der Sache herauszuhalten ge­wußt, und schon lange vor dem Raub im Camford House hatte er still und heimlich sein Restaurant verkauft, unter dem Vor­wand, daß er sich mit seinem Geld in sein Heimatdorf zurückziehen wollte, Alexand­ros, der darin nichts weiter sah, als daß eine äußerst lukrative Partnerschaft gerade in dem Augenblick, da sie am meisten ein­brachte, in die Binsen ging, widersetzte sich heftig Stratos Vorhaben. Es kam zu lebhaf­ten Auseinandersetzungen und schließlich am Vorabend von Stratos Abreise zu einem heftigen Streit, in dem Alexandros Drohun­gen äußerte, die er höchtswahrscheinlich gar nicht auszuführen beabsichtigte. Das Unver­meidliche geschah. Man geriet sich in die Haare, und Messer wurden gezogen und

Alexandros schleppte man in eine Gasse mindestens zwei Meilen von der Frith Street entfernt und ließ ihn dort liegen, weil man glaubte, er sei tot, während Stratos und Tony am gleichen Abend, als sei nichts pas­siert, nach Athen flogen, und das konnte nicht den geringsten Verdacht erwecken, denn sie hatten den Flug schon mindestens sechs Wochen zuvor gebucht.

Alexandros, der sich in einem Londoner Krankenhaus langsam wieder erholte, hielt den Mund. Möglicherweise sah er jetzt, da sich ein großes Geschrei wegen des Ver­schwindens der Camford-Juwelen erhob, ein, daß Stratos recht daran getan hatte, zu verschwinden. Das Schlimmste war nur, Stratos hatte die ganze Beute mitgenommen.

Sobald er wieder gesund und sicher war, daß die Polizei die Messerstecherei in Lam- beth noch nicht mit dem Raub im Camford House in Zusammenhang gebracht hatte, zog sich Alexandros seinerseits bewaffnet in sein Heimatland zurück.

Wenn man ja sagen könnte, daß Dumm­heit mit einem Mord bestraft zu werden verdiene, dann sah es so aus, als ob Alex­andros bekommen hatte, was er verdiente. Stratos und Tony empfingen ihn ver­ständlicherweise mit einer gewissen Vor­sicht, aber man begrub die Streitaxt, und es folgte eine Versöhnungsszene, die durch So­fias und Josefs Anwesenheit noch glaubhaf­ter wurde. Stratos würde, wenn die Zeit ge­kommen war, die Beute teilen und die drei Männer würden dann jeder seinen eigenen Weg gehen. Aber bis dahin war es für alle drei nur vernünftig, ein unauffälliges Leben siu führen, bis man nämlich die Juwelen auf

diese oder jene Art allmählich verkaufen konnte. Nachdem man das vereinbart hatte, geleiteten alle (Tony hatte ihnen ein festli­ches Mahl nach Soho-Art aufgetischt) Alex­andros zu seinem Dorf. Aber auf dem Wege dahin war es zu einer Auseinandersetzung über den Verkauf der Juwelen gekommen, die fast sofort zu einem heftigen Streit aus­geartet war, und da hatte Alexandros nach seinem Revolver gegriffen ...

Es ist sogar wahrscheinlich, daß Alexand­ros nicht ganz so blöde oder vertrauensselig war, wie die Geschichte ihn erscheinen ließ. Stratos schwor und schwor immer wieder, er habe nie daran gedacht, ihn zu ermorden. Es war Josef, der Alexandros getötet, Josef, der auf Mark geschossen und der aus eigener Initiative und ohne daß Stratos ihn dazu gezwungen hätte, sich auf den Weg gemacht hatte, um sich davon zu überzeugen, daß Mark tot war. Was Colin betraf, den man in einem Augenblick der Panik und Verwir­rung verschleppt hatte, so schwor Stratos, er selber habe den Befehl gegeben, ihn laufen zu lassen und das könne, sagte er, und niemand bezweifelte es, seine Schwester be­zeugen.

Und schließlich der Überfall auf mich ... Nun, was hätte man anderes erwarten kön­nen? Er war hinausgefahren, wie er das oft tat, um sich zu vergewissern, daß seine Beu­te noch dort war, war einem Mädchen be­gegnet, das er verdächtigt hatte, mit Josefs geheimnisvollem Verschwinden in Zusam­menhang zu stehen, und das gerade dabei war, nach seinen Körben zu tauchen. Er hat­te nur getan, was jeder andere an seiner Stelle getan hätte und darin, das merkte man deutlich, stimmten alle mit ihm überein und hatte jedenfalls mich nur erschrecken und nicht töten wollen.

Aber dies alles kam erst am nächsten Morgen heraus. Jetzt, Nachdem wir alles be­richtet hatten und alles zu einem Ganzen zusammengefügt, sorgsam abgewogen und schließlich als ausreichende Erklärung ange­nommen worden war, kam jemand aus dem

Hotel herüber und brachte Kaffee und Glä­ser voll Wasser für alle. Als es zu dämmern begann, hatten sich die Gemüter beruhigt und man gab sich ganz der Freude hin, die größte Sensation seit der Landung in der Souda-Bucht erlebt zu haben.

Ich saß schläfrig neben Mark, der den Arm um mich gelegt hatte, und obwohl die Wunde an meinem Schenkel schmerzhaft puckerte, fühlte ich mich geborgen. Die Luft in der Kajüte war grau von Rauch, und die Wände vibrierten von der erregten Unter­haltung und dem Klirren der Gläser, wenn Fäuste heftig auf den kleinen Tisch schlu­gen. Ich hatte es längst aufgegeben, zu ver­suchen, der Flut der griechischen Worte zu folgen. Überlaß das Mark, dachte ich müde. Überlaß das alles Mark. Meine Rolle war ausgespielt, sollte er allein mit dem übrigen fertig werden! Dann könnten wir bald alle in See stechen und das, was uns von unseren Ferien noch blieb, genießen ...

Plötzlich fiel mir etwas Entsetzliches ein. Ich richtete mich jäh auf und schob Marks Arm von meiner Schulter.

Mark! Mark, wachen Sie auf! Wir haben ja Frances ganz vergessen!

Er blinzelte mich an.Du lieber Gott. Ja, ich habe sie ganz vergessen. Sie muß noch in der Bucht sein.

Natürlich. Sie sitzt dort auf einem Felsen mit einem verstauchten Knöchel. Ich meine, ihr Knöchel ist verstaucht. Ach, wie haben wir sie nur vergessen können? Zweimal habe ich an sie gedacht, aber dann ...

Regen Sie sich nicht auf, sagte Mark freundlich.Ihr ist nichts zugestoßen. Ob Sie es nun glauben oder nicht, erst vor kaum anderthalb Stunden haben wir Sie an Bord genommen. Wenn wir jetzt sofort zurück­fahren ...

Das ist es nicht! Sie wird sich fragen, was passiert ist. Sie wird halb wahnsinnig vor Angst sein.

Sie nicht, sagte er heiter.Sie hat gese­hen, wie wir Sie aus dem Wasser fischten. Sie rief um Hilfe, als Sie im Wasser waren

und Stratos Sie verfolgte. Und ihr Geschrei hat uns erst darauf aufmerksam gemacht, und ebenso kam es uns nicht geheuer vor, daß sein Lichtboot so merkwürdig nah an jener Stelle war, an der wir uns verabredet hatten. Als wir nahe genug herangefahren waren, gab es zu viel zu tun, und da habe ich sie einfach vergessen. Ach, und sie hat einen Stein nach Stratos geworfen.

Wirklich? Wie tapfer! Hat sie ihn getrof­fen?

Haben Sie es schon einmal erlebt, daß eine Frau etwas trifft? Etwas, auf das sie zielt, meine ich. Sie hat mich getroffen.

Er erhob sich, erklärte den Männern auf griechisch, daß eine andere Engländerin ge­rettet werden müse, sie befinde sich ein Stück weiter westwärts an der Küste, und daß er ihnen sein Wort gäbe, daß wir wiederkämen, aber wir mußten sofort dort­hin und sie holen. Sofort erhoben sich alle Männer.

Ich wurde aus dem Stimmengewirr in kretischem Griechisch nicht klug. Aber als kurz darauf der Kajik in die Bucht hinaus­fuhr, wurde er von so vielen Booten beglei­tet wie ein Ozeanriese bei der Einfahrt nach Southampton. Sie wären lieber alle auf der Stelle gestorben, als dort zu bleiben. Jene Lichtboote, die einen Motor besaßen, hatten uns eingeholt, und die anderen schaukelten tapfer in unserem Kielwasser. Hinter uns fuhren die größere ,Agia Barbare* und die unschuldige ,Eros. Es war eine feierliche Prozession.

Nur Frances, die einsam auf dem Felsen saß und ihren verstauchten Knöchel mas­sierte, müssen wir ein prächtiger Anblick gewesen sein, ein Schar erleuchteter Boote, die um die Landzunge herumgefahren ka­men und deren gelbe Lampen sich von der zunehmenden Dämmerung abhoben.

Unser Kajik fuhr an der Spitze und glitt an dem Felsengrat entlang. Colin machte mit dem Bootshaken fest. Mark rief ihr hei­ter etwas zu. (Schluß folgt)