Freitag, 3. Januar 1969
Sportrundschau
Seite 7
Start zur 1. DFB-Hauptpokalrunde
Einige Bundesligisten stehen vor hohen Hürden
VfB Stuttgart trifft morgen im Neckarstadion auf den FC Köln / Die ehrgeizigen Zweit-Ligisten haben diesmal alle Platzvorteil
Mit teilweise recht attraktiven Begegnungen startet am Wochenende die erste Pokalhauptrunde des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). In 13 der 16 Begegnungen soll bereits am Samstag der Sieger ermittelt werden, die drei anderen folgen am Samstag. Die 18 Bundesliga-Vereine, von denen acht bei Regionalliga-Mannschaften antreten müssen und zehn unter sich spielen, haben es besonders schwer. Es wäre kein Wunder, wenn neun bis zehn von ihnen bereits jetzt auf der Strecke bleiben würden.
In den fünf Begegnungen, in denen die erste deutsche Fußballklasse unter sich ist, kann die erste Pokalrunde zu reizvollen Revanche-Begegnungen führen. So wird Borussia Mönchengladbach alles daran setzen, um im Heimspiel gegen Hertha BSC Berlin die 0:1-Heimnieder- lage im Punktspiel am 26. Oktober vergessen zu lassen. Die Berliner haben allerdings auswärts längst alle Hemmungen abgestreift und dürften ein sehr ernst zu nehmender Gegner der Westdeutschen sein. Mit 6:1 gewann der VfB Stuttgart sein Punktspiel gegen den 1. FC Köln. Der Titelverteidiger Köln, der auf Weber verzichten muß, möchte gern im Stuttgarter Neckar-Stadion diesen Ausrutscher vom 31. Oktober ungeschehen machen, doch bleibt es bei der Heimstärke des VfB zweifelhaft, ob den Kölnern das gelingt. Bayern München, ohne Gerd Müller, spielte im Punktspiel bei den Offenbacher Kickers 0:0. In München werden die Bayern ganz anders auftrumpfen, so daß die in den bisherigen Punktspielen auswärts nur Niederlagen kassierenden Offenbacher nicht als Favorit an die Isar kommen. Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund maßen sich in dieser Saison schon einmal im Waldstadion. Das damals erzielte 1:1 entsprach dem Leistungsstand beider Mannschaften, der sich in der Zwischenzeit kaum geändert haben dürfte. Zum erstenmal ohne den tödlich verunglückten Jürgen Moll stellt sich Eintracht Braunschweig einem Gegner aus der Bundesliga, München 60. Die Braunschweiger wollen trotz des Handicaps ihren Prekärerfolg, den sie im Punktspiel in München errangen, auch vor heimischem Anhang wiederholen.
Die Regionalli^-Vereine, die mit Bundqsli- gaklubs gepaart wurden, besitzen den Vorteil des eigenen Platzes. So wird Werder Bremen (ob Höttges noch begnadigt wird, ist gegenwärtig zweifelhaft) bei Rotweiß Essen gewiß nicht als Favorit erscheinen und könnte dort ebenso eine Niederlage hinnehmen müssen wie der MSV Duisburg beim Südwest-Regionalliga- Verein SV Alsenborn. Die Alsenborner besitzen allerdings nicht mehr die Spielstärke des Vorjahres. Alemannia Aachen muß schon' alle Kräfte mobilisieren, um in Regensburg bei Jahn bestehen zu können. Die Regensburger haben eine großartige Serie hinter sich, verloren daheim kein Punktspiel und kassierten lediglich ein Gegentor in bisher acht Spielen. Das sollte die Aachener warnen. Bis auf den letzten Platz dürfte das Stadion in Oberhausen besetzt sein, wenn Schalke 04 bei den Rotweißen erscheint. Oberhausen gehört nach wie vor zur Spitzengruppe der Regionalliga West und ließ sich daheim in dieser Saison noch von keinem Gegner bezwingen. Trainer Rudi Gutendorf könnte mit den Knappen möglicherweise geschlagen vom Platz gehen. Auch für den 1.
FC Kaiserslautern scheint die Aufgabe in Freiburg beim dortigen FC sehr schwer zu sein, denn die „Bobbele“ hinterließen erst bei ihrem letzten 3:1 über die Stuttgarter Kickers einen guten Eindruck.
Keine Stolpersteine sollten Hannover 96 bei Wackre 04 Berlin, der 1. FC Nürnberg bei, Eintracht Trier und der Hamburger SV beim VfL Wolfsburg vorfinden. Schweinfurt könnte sich bei Arminia Hannover behaupten, Wormatia Worms müßte über Preußen Münster erfolgreich bleiben und für den einzigen Amateur, den TSV Langenhorn, ist wahrscheinlich der Tabellenletzte der Regionalliga Nord, Sperber Hamburg, doch ein zu schwerer Gegner.
DFB-Pokal, 1. Hauptrunde
Borussia Mönchengladbach — Hertha BSC VfB Stuttgart — 1. FC Köln Bayern München — Kickers Offenbach Eintracht Frankfurt — Borussia Dortmund Eintracht Braunschweig — München 60 Rotweiß Essen — Werder Bremen Wacker 04 Berlin — Hannover 96 Eintracht Trier — 1. FC Nürnberg SV Alsenborn — MSV Duisburg Jahn Regensburg — Alemannia Aachen Arminia Hannover — FC Schweinfurt 05 Wormatia Worms — Preußen Münster Freiburger FC — 1. FC Kaisersl. (alle Sa)
VfL Wolfsburg — Hamburger SV Rotweiß Oberhausen — Schalke 04 TSV Langenhorn/Hamburg — Sperber Hamburg (alle So)
Kommt es zu Spielausfällen?
Starke Schnee- und Regenfälle und plötzlich eintretender Wärmeeinbruch haben die komplette Abwicklung der ersten DFB-Pokalhauptrunde ernsthaft in Frage gestellt. Vor allem in Braunschweig, Stuttgart, München und Hamburg befinden sich die Plätze in kaum bespielbarem Zustand.
Hof gegen Rüsselsheim Favorit Regionalliga Süd Sonntag, 17.15 Uhr Bayern Hof — Opel Rüsselsheim Im letzten Vorrundenspiel der Regionalliga Süd gilt der gastgebende Meister Bayern Hof am Sonntag als klarer Favorit gegen Opel Rüsselsheim. Wenn sich die mit vier Minuspunkten hinter dem Spitzenquartett liegenden Hofer erneut Hoffnungen auf einen der beiden ersten Tabellenplätze machen wollen, dürfen sie vor allem zu Hause keine Punkte mehr abgeben.
Italien besiegte Mexiko 3:2
Zehn Tage nach dem torlosen Unentschieden gegen Deutschland mußte Mexikos Fußball-
Neun Kuriositäten aus der Welt des Sports
Sehr viel Ruhe und Konzentration bewies der chilenische Billardspieler Manuel Ram- bla, der in einem Kaffee- und Billardhaus trainierte, als plötzlich ein schwer bewaffneter Mann hereinstürmte und von der Kassiererin alles Geld forderte. Mit seiner Pistole hielt er die Gäste und Billardspieler in Schach. Rambla tat so, als hebe er die Arme und stieß dann mit seinem Queue blitzschnell zu. Er traf dabei so geschickt und wuchtig die Hand des Geldräubers, daß dieser die Waffe fallen ließ und überwältigt werden konnte.
In einer Zeitung in Rio de Janeiro erschien eine Anzeige mit folgendem Text: „Unerschrok- kener mann, in Jiu-Jitsu ausgebildet, erfahren im Umgang mit Wasserwerfern, geübt im Pistolenschießen, Boxer, Nahkämpfer, kräftig, nicht von auffallendem Äußeren, ohne nahe Familienangehörige, per sofort gesucht. Tierbändiger bevorzugt. Zuschriften per Eilboten an den Verband der brasilianischen Fußball- Schiedsrichter.“ Tags darauf dementierte der Schiedsrichter-Verband diese Anzeige. ..
Laufen, laufen, laufen! Das ist die Parole des 17jährigen englischen Sportenthusiasten Alan Jenkins, der sich allen Ernstes in den Kopf gesetzt hat, die 273 Stationen d^!r Londoner U-Bahn in Rekordzeit abzulaufen. Trainiert für diesen spleenigen Lauf hat er bei der Metro von Paris. Dort lief Jenkins die 270 Stationen in 11 Stunden und 13 Minuten. Die Londoner U-Bahn ist streckenmäßig allerdings länger als die von Paris.
Verschiedene interessante Dispute konnte man bei einem internationalen Schachturnier in Bamberg verfolgen, wo man sich mit der allgemein etwas schwächeren Spielstärke der Damen befaßte. Der russische Großmeister Paul Keres meinte: „Einen Grund sehe ich darin, daß die Damen mitunter 5 Stunden lang stillsitzen müssen.“ Der holländische Große- meister Hein Donner efgänzte: „Noch schwieriger ist es für sie wahrscheinlich, während dieser Zeit auch nicht sprechen zu dürfen!“
Einen verrückten Rekord, vielleicht den verrücktesten des Jahres, stellte ein Student aus Finnland auf: Er saß 36 Stunden absolut unbeweglich auf einem Stuhl. Kommentierte Finnlands Läuferidol Paavo Nurmi: „Jetzt ist mir klar, warum Finnland keine großen Läufer mehr hat.“
Selbst mit größtem Lärm kann sich der amerikanische Stabhochspringer Bob Seagren vollständig konzentieren. Man überprüfte ihn sogar und stellte fest, daß er nicht einmal auf Schüsse reagiert. Meinte einer der Sprinter zu ihm: „Hast Du ein Glück, Springer und nicht Sprinter zu sein, Du würdest im Startblock glatt Wurzeln schlagen!“
Tolle Rekorde gibt es beim Golfspiel. Den wohl einzigartigsten stellte der amerikanische Farmer Jim Thorm auf, der mit dem 4,2 cm großen Hartgummiball auf folgende „Abschüsse“ verweisen kann: Er erlegte zwei Feldhasen, drei wilde Kaninchen, einen Fasan, sogar einen Hamster, 13 Hühner und eine Katze.
Einen Dieb fing Italiens 400-m-Läuferin Dal- ma Savorelli. Als sie gerade den Zug besteigen wollte, um zu einem Wettkampf zu fahren, bemerkte sie, wie ein Dieb mit ihrem Koffer das Weite suchte. Sie startete, holte den Übeltäter schon nach 80 Metern ein und brachte ihn gekonnt zu Fall. Die Polizei erschien, und bevor sich die Handschellen um seine Gelenke schlossen, verlangte er von Dalma noch ein Autogramm, das er auch prompt erhielt.
Recht originell war der komischste „Weltrekord“ des Jahres, den die beiden englischen Studenten Sutherland und Farrell aufstellten, als sie zwei volle Whiskyfässer von London nach dem 669 km entfernten Baith rollten. Bei der alten Weltrekordmarke (650 km) erwartete sie ein festliches Komitee. Als eine „scheußliche Barbarei gegen den edlen Tropfen“ be- zeichneten die Whisky-Liebhaber die große „sportliche Leistung.“
DER NORWEGER WIRKOLA war nach seinem Erfolg auf der großen Olympiaschanze in Garmisch-Partenkirchen von einer dichten Schar von Autogrammsammlern umlagert und gab sich alle Mühe, die Wünsche seiner Verehrer zu erfüllen.
(AP-Photofax)
Nationalmannschaft eine etwas überraschende 2:3-(l:0-)Niederlage gegen Italien einstecken. Vor über 90 000 Zuschauern waren die Mexikaner zwar meistens klar tonangebend, zeigten sich aber einmal mehr als zu schußschwach. Die italienische Mannschaft begnügte sich mit schnellen Gegenstößen und hatte damit vollen Erfolg. Riva (57. und 89. Minute) und Anastasi (61.) schossen die Tore der Italiener. Borja (44.) und Gonzales (70.) waren für Mexiko erfolgreich.
Trainer Roth zum SSV Reutlingen
Der Fußball-Regionalligaverein TSV 1847 Schwaben Augsburg und Trainer Werner Roth haben sich „in gutem Einvernehmen“ getrennt. Roth ist am Donnerstag an den Verein herangetreten und hat selbst um die vorzeitige Lösung des bis zum Ende der Saison befristeten Vertrags gebeten. Roth hat eine überraschende Berufung des SSV Reutlingen angenommen, der bislang von Richard Schneider betreut wurde.
21 Verletzte im Ibrox-Park
Das gewöhnlich von wüsten Prügeleien und Ausschreitungen begleitete Lokalderby zwischen den Glasgow Rangers und Celtic (1:0) verlief am Donnerstag im Ibrox-Park ungewöhnlich friedlich. Die Polizei nahm nur ein paar Krakeeler fest. Als sich die Massen den Ausgängen zuschoben, bekamen die Sanitäter doch noch Arbeit. Ein Geländer einer Treppe gab unter dem Druck der heimwärtsstrebenden Fans nach und zahlreiche Menschen stürzten in die Tiefe. 21 mußten in Krankenhäuser gebracht werden. — Das spielentscheidende Tor schoß der Rangers-Kapitän John Greig, der in der 59. Minute nach Handspiel den Elfmeter verwandelte.
Deutschland wurde Vierter
Im letzten Spiel zur Eishockey-Junioreneuropameisterschaft in Garmisch-Partenkirchen zeigte Deutschland die schwächste Leistung seiner fünf Begegnungen um den Titel. Im Olympiastadion gab es gegen Polen eine 3:4 (2:,0 1:2, 0:2)-Niederlage. Die Polen kamen dagegen zu ihrem ersten Erfolg, steigen aber dennoch in die B-Gruppe ab. In ihrem letzten Spiel bezwang Schweden den Nachwuchs von Finnland mit 8:3. Vor dem entscheidenden Match zwischen der bisher ungeschlagenen UdSSR (8:0 Punkte) und Titelverteidiger CSSR (6:2) liegt Schweden damit auf dem zweiten Tabellenplatz (8:2).
Peter Stähle auf Platz 6
Die besten Querfeldein-Rennfahrer im Radsport sind zweifellos die Gebrüder de Vlae- minck aus Belgien. Einen Tag nach dem Erfolg des Profi-Weltmeisters Eric in Freiburg gewann der Weltbeste bei den Amateuren, Roger de Vlaeminck in Muntelier (Schweiz) ein Rennen über 20 km in 58:48 Minuten vor dem Weltmeisterschaftszweiten Peter Frischknecht (Schweiz), der 17 Sekunden zurücklag. Peter Stähle aus Magstadt belegte mit 1:59 Minuten Rückstand den sechsten Rang.
Schwerer Sturz von Sigi Renz
In der dritten Nacht des Kölner Sechstagerennens erlitt der Münchener Sigi Renz bei einem Sturz, in den auch der Schweizer Louis Pfenninger verwickelt war, eine schmerzhafte Handverletzung, die sich bei der Röntgendiagnose als ein Anriß im rechten Handknöchel erwies. Der Rennfahrer bekam in der Kölner Universitätsklinik eine Gipsmanschette angelegt.
Dieses Kopfballduell im Spiel Mexiko — Italien (das die Italiener 3:2 gewannen) entschied Italiens Verteidiger Rosato gegen Galindo Sanchez im Azteken-Stadion von Mexiko-Stadt für sich. (Foto-AP)
Spitzenreiter Neuaubing In Brötzingen
Gibt der Mattenvorteil beim Ringkampf Schorndorf — Köllerbach den Ausschlag?
Die Tabellenführer der Ringer-Bundesliga, KSV Witten und ESV Neuaubing, stehen am Wochenende vor unterschiedlich schweren Aufgaben. In der Gruppe Süd gastiert der ESV Neuaubing beim Tabellenletzten SV Brötzingen, der bisher noch keinen Punkt gewinnen konnte und auch diesmal an einer Niederlage nicht vorbeikommen sollte. Der AV Freiburg- St. Georgen sollte durch einen Sieg auf eigener Matte gegen Nendingen seinen zweiten Tabellenplatz behaupten. Im Kampf der beiden punktgleichen ASV Schorndorf und Titelverteidiger KSV Köllerbach könnte der Mattenvorteil für die Schomdorfer den Ausschlag geben.
In der Gruppe West steht der Tabellenführer KSV Witten gegen die „Dietrich-Staffel“ VfK Schifferstadt vor einem schweren Kampf. Die Wittener können sich in dieser Begegnung keinen Seitensprung erlauben, denn das würde nach der Niederlage in Aschaffenburg die Tabellenführung kosten. Der SV Aschaffenburg- Damm und der ASV Mainz, die punktgleich den zweiten und dritten Tabellenplatz einnehmen, sollten auch in Efferen bzw. in Neu-Isenburg zu Erfolgen kommen.
Ringer-Bundesliga, Gruppe Süd SV Brötzingen — ESV Neuaubing ASV Schorndorf — KSV Köllerbach SV Hallbergmoos — ASV Tuttlingen AV Freiburg-St. Georgen — ASV Nendingen
Ringer-Bundesliga, Gruppe West KSV Neu-Isenburg — ASV Mainz 88 KSV Efferen — SV Aschaffenburg-Damm KSV Witten — VfK Schifferstadt ■
Heros Dortmund — KSC Friesenheim
Gewichtheber-Endkämpfe ausgesetzt
Die Ereignisse bei den letzten Punktekämpfen der Bundesligagruppe Süd der Gewichtheber haben zu den ersten Konsequenzen geführt. Otto Schumann, der Sportwart des Deutschen Athleten-Bundes, gab bekannt: „Die für den 11. und 25. Januar angesetzten End
kämpfe um die deutsche Mannschaftsmeisterschaft im Gewichtheben werden so lange abgesetzt, bis die Angelegenheit durch die Rechtsinstanzen des DAB entschieden ist.“ Der TSG Mutterstadt aus Ludwigshafen wurden in der ersten Rechtsinstanz alle Punkte wegen der Teilnahme des Olympiateilnehmers Dieter Rauscher (früher Phönix Kassel) und von Günther Rörsch (früher SG Bornheim) aberkannt. Am letzten Dezember-Wochenende des vorigen Jahres erwarben sich die Pfälzer nach ihrem Rekordsieg mit 2742,5 kg über den Exmeister VfL Neckarau die Endkampf-Berechtigung. Aus der Gruppe Nord qualifizierte sich Her- mannia Braunschweig. Eine Bestrafung der TSG Mutterstadt wegen juristischer Formfehler würden den DAB zu einer Neuansetzung der Schlußrunden zwingen.
Die 18jährige Kerry Dyer gehört zur australischen Turnerinnen - National - Mannschaft. Hier setzt sie am Strand von Perth (wo jetzt Badesaison ist), zu einem Überschlag rückwärts an. (Foto: AP)
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Carl Kaufmann für getrennte Weltrekorde
„Viele sind verdammt dazu, den Weltrekorden ewig nachzulaufen“ / Mexiko schaffte ungleiche Rekordbedingungen
(NWZ). An einem Augusttag 1960 galt im Olympiastadion von Rom Brust vor Kopf. Zeitgleich waren der farbige Amerikaner Oatis Davis und der Karlsruher Carl Kaufmann, in New York geboren, nach 44,9 Sekunden ins Ziel gestürzt. Aber Kaufmann, der sich mit einem verzweifelten Sprung nach vorn aufs Zielband geworfen hatte, wurde durch Zielrichterentscheid auf den zweiten Rang gesetzt. Davis, der mit der Brust den weißen Streifen zuerst berührt hatte, war der Sieger. Acht Jahre später stand er vor dem Kursaal in Baden-Baden und gab Autogramme. Bei der Sportlerproklamation saß er ganz vorne. Viele kannten ihn, wenige kannten ihn nicht, interviewt wurde er kaum. Der laufende Sänger (singende Läufer) von einst ist jetzt u. a. Sportlehrer und Trainer des DLV. Im gleichen Atemzug kann er auf eine zehnjährige künstlerische Tätigkeit zurückblicken. Jetzt ist er 32 Jahre alt und unterrichtet 30 Stunden wöch- tentlich im Hauptfach Sport an einer Mittelschule. In Baden-Baden stieß ihm der Kellner versehentlich das heiße Tablett mit Fleisch gegen den Kopf, dann lachte Kaufmann verstohlen, um rasch zu essen, denn: „Ich muß gleich weg, zu einer Feier meines Vereins Karlsruher SC, die ich mithalf zu arrangieren.“ So ist er noch heute gefragt und viel unterwegs. Wenn er von seiner künstlerischen Tätigkeit spricht, dann tut er es im Bewußtsein, fünf Jahre, also zehn Semester, an der Musikakademie studiert und das Institut mit dem Abschlußexamen verlassen zu haben.
Nicht traurig
Er galt einst als der schöne deutsche Mann der deutschen Leichtathletik. Die 44,9 Sekunden hingen ihm wie ein Schnuller um den Hals. Die deutsche Sportöffentlichkeit durfte daran nach Belieben nuckeln, denn dieser Weltrekord galt als Fabelzeit, als das non plus ultra, Kaufmann hatte einen bewegten künstlerischen Anfang hinter sich. Der mißglückte Schallplattenstart mit „Amor läuft mit“ juckt ihn nicht, denn er hatte einen falschen Mana
ger.
Blume als Giftpflanze
Der Song sollte ein Marathonläufer sein, doch ihm ging bald die Luft aus. Bilder mit Stars und Sternchen wie Elke Sommer (Slogan: „Er elkte nur einen Sommer“) und Tina Louise brachten keine umwälzenden Verkaufserfolge der Platte. Die Europameisterschaften 1962 gingen für ihn dahin, denn auf der feuchten Freilichtbühne zu Koblenz am Rhein hatte er sich in der „Blume von Hawai“ ein schweres Ischiasleiden zugezogen. Die Blume ward zur Giftpflanze. Stimmt es ihn vielleicht weniger traurig als eher nachdenklich, wenn er plötzlich nicht mehr der umschwärmte Star ist, dem Frauen Hustensaft schickten und Hausschlüssel in die Hand drückten? Kaufmann lächelt weise: „Nein, es wäre sogar zuviel gesagt, man müsse sich damit abfinden, denn dann würde man zugeben, daß man doch der Vergangenheit nachtrauem würde. Es kommt viel
mehr darauf an, wie man sieh zum Leben stellt. Und irgendwann gibt es eine körperliche Grenze, die jedem gesetzt ist.“
Will etwas erreichen
Ein geheimer Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Er hatte sich, als wir vor einigen Jahren uns in Ebersbach erstmals begegneten, manchmal gefragt, warum der Deutsche Leichtathletik-Verband nicht auch auf seine Erfahrungen zurückgegriffen hatte. Zweifellos hatte es ihm der DLV vor acht Jahren verübelt, daß die Publicity mit dem mißglückten Schlagerstart nach hinten losgegangen war. Aber der Rohrkrepierer wurde inzwischen beiderseits verschmerzt. Kaufmann trainiert (ehrenamtlich) die deutschen 400-m-Läuferinnen. Zu den Europameisterschaften 1970 will er erstmals eine annehmbare so sagt er, 4x400-m-Staffel zusammenhaben. Die 4x400 m werden in 18 Monaten bei den Titelkämpfen erstmals gelaufen. Zeit und Mühe scheut er nicht: „Es ist ja einfach, sich in gemachte Betten zu legen.“ Er hofft, bis zum Tag X „ein gewisses Niveau“ zu erreichen. Mehr sei für den Anfang nicht zu erwarten. Es wird vielleicht nicht einmal für München 1972 reichen. Er weiß selbst genau, wie hart und steinig der Weg zur Weltklasse ist: „Wir müssen uns auf Jahre einrichten.“ Das ist kein Pessimismus oder ein Persilschein für eventuelle Mißerfolge, es ist die Summe der Erfahrungen, die bei ihm nach einer langen Karriere unter dem Strich steht.
Es kann schlimm werden
Der Weltrekord über 400 m ist von dem farbigen Olympiasieger Lee Evans (USA) auf 43,8 Sekunden gedrückt worden. Was sagt der ehemalige Weltrekordinhaber zu dieser Fabelzeit? Kaufmann: „Ich halte die 44,5 Sekunden von Tommie Smith für wertvoller. Die neuen Weltrekorde, die darunter liegen, müssen mit ganz anderen Augen betrachtet werden: Entweder wurde mit Bürstenschuhen gelaufen oder auf Tartanbahnen oder eben in Höhenlage, die durch ihre Besonderheiten Mittel- und Langstreckler benachteiligen, aber gewisse Disziplinen wie Sprintstrecken und Sprungkonkurrenzen Vorteile verschaffen.“
Carl Kaufmann wird ernst, als er sagte: „Ich bin für eine Trennung der in Flach- und Höhenlagen erzielten Weltrekorde, weil die Umstände völlig andere sind. Und noch aus einem anderen Grund spreche ich mich dafür aus, denn es werden in den nächsten Jahren noch bessere Sportler kommen und doch nie die Möglichkeit haben, unter diesen Umständen die Weltrekorde anzugreifen. Sie sind verdammt dazu, diesen Rekorden ewig' hinterherzulaufen, obwohl sie mindestens ebenso gut sind wie es die Weltrekordhalter waren. Das kann sich sehr deprimierend auswirken. Früher war doch ein Mann, der nahe an die 8,40- m-Grenze kam wer. Wenn heute 8,50 oder 8,60 m erreicht werden, dann stehen immer noch unangreifbar die 8,90 m von Bob Beamon da.“
Meßgerät reichte nicht aus
Als Robert Beaman (22) die 8,90 m gesprungen war, drückte er seine deutschen Spikes an die Lippen, küßte erst sie und dann die rostfarbene Tartanbahn. Das Meßgerät reichte für seine Weite nicht aus. Ein ausziehbares Handmaßband mußte herhalten. In 33 Jahren war dieser Weltrekord nur um 22 Zentimeter verbessert worden (auf 8,35 m). Bostons Känge- ruh-Sprung gilt als der extremste unter ungewöhnlichen Leistungen. Was Carl Kaufmann ansprach, war das: Mexiko bot Voraussetzungen, die so ungleich wie Jets und Segelflugzeuge waren. Ruderer, Schwimmer und Langstreckenläufer waren wegen Sauerstoffmangel Erstickungsanfällen nahe. Dagegen fanden Bahnfahrer, Springer und Sprinter beste Voraussetzungen vor, wie sie sonst nirgendwo in der Welt zu finden sind. Der in 2000 m Höhe geringere Luftwiderstand unterstützte die Sprinter wie vergleichsweise ein Rückenwind von 1,5 und 2 Meter pro Sekunde. In der Ebene wird ein 400-m-Läufer bestenfalls auf einer Geraden unterstützt, denn auf der Gegenbahn muß er garantiert gegen den Wind anlaufen. In Mexiko wirkte sich dagegen die Höhe so aus, als habe ein Läufer um die ganze Bahn Rückenwind. Zusammen mit dem Höheneffekt summiert sich zulässiger Wind (bis zu 2 Meter pro Sekunde) im Rücken der Athleten zu einem Sturm.