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Nr. 240

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Kmls- unä Knzeigeblall für äen vberamlsbezirk calw

Di ensta g, den 14. Oktober 1930

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verantwort!. Schriftleitung: Frieckrich Hans Scheele Druck unä Verlag äer A. Oelschläger'schen Buchäruckerei

Jahrgang 103

Die Eröffnung des Reichstages

Ein wenig rühmlicher Auftakt Straßentumulte im Herzen der Reichshauptstadt

---- Berit«, 14. Okt. Der Reichstag ist gestern zu seiner ersten Sitzung zusammengetreten. Die Tribünen waren über­füllt,' der Platz vor dem Reichstagsgebäude glich trotz bei durch die Polizei vorgenommenen Absperrungen einem Heerlager. Die Nationalsozialisten marschierten in einer Stärke von über hundert Mann im Braunhemd mit weißer Hakenkreuzbinde am Arm geschlossen in den Saal, unter Führung des thüringischen Ministers Frick, ein Schau­spiel, das von links her mit höhnischem Lachen ausgenom­men wurde. Von kommunistischer Seite versuchte Anrempe- lcien hatten nicht den gewünschten Erfolg, die erwarteten Skandalszencn blieben aus. Trotzdem nahm der ganze Akt der Neichstagskonstttuierung einen sehr wenig ernsten Ver­lauf und stellte in seiner theatralischen Wirkung keinen Auf­takt der N ichstagsarbeit dar, wie man ihn tm Hinblick auf den Ernst der Lage doch hätte erwarten dürfen. Nach dem Namensaufruf der Abgeordneten durch den Alterspräsiden­ten Herold wurde die Sitzung auf Mittwoch vertagt.

Verhandlungen über die Präsidentenwahl.

Da ein Acltestenrat in dem neugewählten Reichstag na­turgemäß bisher noch nicht bestellt werden konnte, versam­melte der seitherige Neichstagspräsident Löbe am Montag vormutag die Fraktionssührer um sich zu einer Besprechung über die Dispositionen der nächsten Tage. Man kam über­ein, nach der Konstituierung des Reichstages den Dienstag sitzungsfrci zu lassen, damit die Parteien Zeit für Verhand­lungen miteinander, namentlich über die Präsidenten­wahlen, gewinnen. Am Mittwoch um 15 Uhr sollen dann diese Wahlen vorgenommen werden.

Ferner wurde in Aussicht genommen, in der dann fol­genden Sitzung am Donnerstag eine Erklärung der Reichsregierung über ihr Programm cnt- gcgenzunehmen. Genauere Bestimmungen solle jedoch erst der neu zu bestellende Aeltestenrat treffen, der am Mittwoch zu seiner ersten Sitzung zusammentreten wird. Es ist anzu- nchmen, daß mit der Regierungserklärung auch die Bera­tung der Mißtrauensanträge, des Antrages auf Aufhebung der Notverordnungen des Reichspräsidenten und der An­träge zum Lloungplan verbunden werden wird. Unmittel­bar nach Entgegennahme der Regierungserklärung dürfte sich der Reichstag für Donnerstag vertagen. Für die große politische Aussprache würden dann der Freitag und Sams­tag zur Verfügung stehen.

Löbe oder Scholz?

Die Reichstagsfraktion der DVP. hat beschlossen, für den Fall, daß von mehreren Fraktionen dem Abg. Dr. Scholz das Amt des Neichstagspräsidenten angeboten werden sollte, einmütig für Dr. Scholz zu stimmen. Der Beschluß ist offen­bar dahin auszulcgen, daß die Volkspartei damit eine De­monstration an die Adresse des Reichskanzlers zu richten gedachte. Wenn außer dem Zentrum, der Bayer. Volkspartei und der Demokratischen Partei lStaatspartei) alle Parteien rechts vom Zentrum einschließlich sämtlicher Splittergruppen sür die Wahl von Scholz einträten, dann würde sich daraus eine knappe Mehrheit von rechn7risch 14 Stimmen gegenüber dem sozialdemokratischen Gegenkandidaten Löbe ergeben.

Tie nationalsozialistische Reichstagsfraktion hat erwogen, den Abgeordneten Straffer für das Amt des Präsidenten, und für den Fall, daß Straffer nicht gewählt werden sollte, den Abgeordneten Stöhr für das Amt des ersten Vizepräsi­denten in Vorschlag zu bringen. Fraktionssührer ist Abg. Tr. Frick.

Ein Vorstoß der Wirtschaftspartei.

Die Reichs.agssraktion der Wirtschaftspartei faßte den B schluß, den Justizminister Dr. Vredt aus der Neichsregie- rung znrückznziehen u.:d angesichts des Wahlausfalles eine Neubildung des Kabinetts zu verlangen. Der Entschluß unrde dem Reichskanzler in einem Schreiben, das von Trewiß unterzeichnet ist, mitgetcilt.

Amtlich wird hiezu mitgeteilt: Reichskanzler Dr. Brll- n i n g wurde von dem Beschluß der Wirtschaftspartei auf Zurückziehung des Ncichsjustizministcrs Professor Dr. Brcdt durch den Fraktionsführer, Abg. Drewitz, in Kennt­nis gesetzt, worauf er dem Reichspräsidenten sofort Bericht erstattete. Reichspräsident v. Hindenburg hat darauf in voller Ucbcreinstimmung mit dem Vorschläge des Reichs­kanzlers den Nelchsjustizministcr Professor Dr. Bredt er­sucht, trotz dieses Beschlusses seiner Partei im Ministeramte zu bleiben. Der Reichspräsident wies darauf hin, daß die gegenwärtige Ncichsregiermig nicht auf Grund von Frak- tionsbcsihlüffen von Neichstagsparteien zustande gekommen sei und Laß er der Reichspräsident daher auch nicht in der Lage sei, in der Zusammensetzung dieses Ncichskabinetts auf Grund solcher Beschlüsse Aenderungen eintreten zu lasen.

Neichsjnstizministcr Dr. Vredt erklärte sich darauf be- reit, dem Appell des Reichspräsidenten Folge zu leisten «nd

von der Einreichung eines Abschiedsgesuches abznsehe«.

Wie im Reichstag verlautet, wird die Fraktion -er Wirt­schaftspartei heute zu der durch die Nichteinreichung seines Abschiedsgesuches durch den Reichsjnstizminister Dr. Vredt geschaffenen Lage Stellung nehmen.

Eine ne«e Reichstagsfraktion.

Die Reichstagsgruppe des Christlich-Sozialen V o l k s d i en stes hat der Bildung einer Fraktion mit der Neichstagsgruppe der Konservativen Bolkspar- te n und den ihr angeschloffcnen Deutsch-Hannoveranern zn- gestimmt. Diese Fraktion führt den Namen: Fraktion des Christlich-Soziale» Volksdlenstes und der Konservative« Volkspartei. Zweck der Fraktionsbilbung ist die Erlangung von Ausschußsitzen und der sonstigen geschäftsordnungs- mäßigen Fraktionsrechte. Gemeinsame Fraktionssitzungen finden nicht statt. Die neue Fraktion zählt 21 Abgeord­nete.

Sozialdemokratischer Antrag auf Herabsetzung -er Diäten und Ministerbezüge.

Im Reichstag haben die Sozialdemokraten fol­genden Antrag eingebracht: 1. Die Diäten der Mitglieder des Reichstages werden mit sofortiger Wirkung um 20 v. H. herabgesetzt; 2. Die Reichsregierung wir- ersucht, dem Reichstag alsbald eine Vorlage auf dementsprechende Kür­zung der Bezüge des Reichspräsidenten, der Reichsministcr und der Ministerpensionen zu unterbreiten mit der Maß­gabe, baß die Pensionen den Betrag von 12 000 Mark jähr­lich nicht übersteigen dürfen.

Ausschreitungen im Zentrum Berlins

TU. Berlin, 14. Okt. Mährend der nengewählte Reichs­tag zu seiner ersten Sitzung znsammengetreten war, kam es im Zentrnm der Stadt, insbesondere in der Umgegend des Reichstages «nb in dem angrenzenden Tiergartenviertel z« erheblichen Zusammenstößen. Znm Teil waren es Kommu­nisten, z«m Teil Nationalsozialisten, die demonstrierten. Polizei z« Fuß und z« Pferde ging äußerst scharf mit Gummiknüppeln vor. Die Zusammenstöße zwischen Polizei und den Demonstranten, die immer mehr Zuzug bekamen, wnrden jedoch so erbittert, daß die Polizei schließlich den ge­samten Bereich des Tiergartens «-sperrte. Berittene Poli- zcipatronillen säuberte« die Seitenstraße» und verfolgte« die Demonstranten bis znm Potsdamer Platz.

Die Ausschreitungen im Zentrum Berlins haben sich vom Tiergarten ausgehend bis zum Spittelmarkt ausgedehnt. I« der Leipzigerstraße, der Hauptgeschäftsstraße Berlins, wurde« die Scheibe« fast sämtlicher Geschäfte eingcworfe». Es handelte sich um ein systematisches Steinbombardement gegen die Fensterscheiben von Warenhäusern und Geschäften mit jüdisch klingenden Namen. Die Täter müssen nach einem vorbereiteten Plan gearbeitet haben. Die Poli­zei hat bisher am Potsdamer Platz drei und in der Leip­ziger Straße 10 Personen festgenommen. Auf den Straßen vom Potsdamer Platz bis zum Dönhoffplatz herrschte ein ungeheurer Verkehr. Polizeiautos beherrschten den Fahr­damm. Berittene Polizei sprengte in die Menge bis auf die Bürgersteige, um Provokateure zu zerstreuen. In der übri­gen Stadt herrschte Ruhe. Gerüchte, wonach es zu Schieße­reien gekommen sei, bestätigen sich nicht.

Die Gauleitung der NSDAP. Berlin bezeich­net die Ausschreitungen als ein Werk kommunistischer Pro­vokation. Durch diese Delikte solle den seit Wochen in der Börsenpresse künstlich genährten Putschgerüchten um di« NSDAP, neue Nahrung zugeführt werden. Seit Tagen schon lägen der Gauleitung positive Beweise dafür vor, daß Angehörige der KPD. durch solche Putschversuche bei der Reichstags eröffnung das mächtige Anwachsen der NSDAP, vor der Öffentlichkeit mißkreditieren sollten.

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Die füddentsche« Staatspräsidenten billige« Brünings Programm.

Der bayerische Ministerpräsident Held, der württember- gische Staatspräsident Bolz und der badische Staatspräsi­dent Schmitt hatten in den letzten Tagen in Stuttgart eine Zusammenkunft im württ. Staatsministerium, an der auch sämtliche württ. Minister und die Finanzreferenten der drei Länder teilnahmen. Dabei haben die süddeutschen Län­der zu dem Sanicrungsprogramm der Reichsregierung Stel­lung genommen. Bei der parteimäßigen Einstellung -er Staatspräsidenten war von vornherein eine Opposition ge­gen das Programm des Zentrumskanzlers Brüning nicht zu erwarten. Bedenken, die da und dort gegen einzelne Punkte zu Tage traten, wurden als sekundär angesehen un­behandelt. Sie führten zu keiner negativen Gesamtkritik des Programms. Man hat sich vielmehr entschlossen, diese Fra­gen positiv zu wenden und in Form freundschaftlicher Rat­schläge in einem gemeinsamen Brief an die Reichsregierung

Tages-Spiegel

Der Reichstag ist gestern zu seiner ersten konstituierenden Sitzung zusammcngetreten; die befürchteten Skandal­szene« bliebe« aus. Die Präsidentenwahl findet am Mitt­woch statt.

Die Wirtschaftspaktes hat de« Reichsjnstizminister Dr. Bredt anfgesordert, aus der Reichsregierung anszntrete» un­verlangt Neubildung des Kabinetts.

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Reichsjnstizminister Dr. Bredt hat sich entschlossen, entgegen den Forderungen feiner Partei ans Drängen des Reichs­präsidenten «nd des Reichskanzlers hin sein Ministerium beiznbchalte».

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In Berlin kam es a-m Montag nachmittag am Potsdamer Platz «nd in der Leipziger Straße z« schweren Ausschrei­tungen.

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Der Reichsrat beschäftigte sich gestern mit dem Gesetzentwurf über die Schuldentilgung, durch welchen die Ermächtigung für den bereits abgeschlossene« Ueberbrttcknngskredit er­teilt wird.

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Der Europäische Ausschuß, der in Verfolg deS französischen Pan-Enropa-Planes von der Völkerbnndsversa.-nnrlnng im September eingesetzt wurde, ist znm IS. Jannar ein- Vernfe«.

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I« Brasilien ist die Hanptsta-i des Staates Santa Katha­rina, FlorianopoliS, von de» Aufständische« erobert worden.

nach Berlin zu schicken. Besonders wichtig war dabet die Frage, ob die Reichsregierung jetzt ein M o r a t o r i u m bet den Reparattonsgläubigern erwirken soll. Dieser Gedanke wurde namentlich von dem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held vertreten. Ihm ist der württ. Kultminister Dr. Bazille sehr nachdrücklich mit dem Argument entgcgcn- getreten, baß ein solches Gesuch jetzt zwecklos sei, so lange Deutschland in seinem eigenen Reichshaushalt nicht Ord­nung und größte Sparsamkeit üurchgeführt Habe.

Der Lohnstreit

in der Berliner Metallindustrie

Kein Eingreifen des Neichsarbeitsministers.

TU. Berlin, 14. Okt. Wie die Tclegraphen-Union von zuständiger Seite erfährt, ist entgegen anders lautenden Meldungen eia Eingreifen des Neichsarbeitsministers in den LoHnkonflikt der Berliner Metallindustrie gegenwärtig nicht geplant.

In Kreisen des Deutschen Mctallarbeiterverbanües er­wartet man, - eine große Mehrheit der Arbeiterschaft den Schiedsspruch ablehnen und den Streik beschließen wird. Der Verba«- rechnet damit, -atz der Streik, von dem 140 000 Arbeiter betroffen werde«, bereits morgen mittag beginnen wird. Nach dem bisher bekannten Abstimmnngs-Teilergeb» «iS in den Metallbetrieben ist die satzungsmäßige Dreivier­telmehrheit für de« Streik erzielt worden.

Verwaltungsralstagung der B. I. Z.

TU. Basel, 14. Okt. Der Verwaltungsrat der Inter­nationalen Zahlungsbank hat am Montag seine vierte Sit­zung abgehalten. Ueber die Verhandlungen wird die Oesfcnt- lichkeit in einem Communiquö unterrichtet. Es heißt darin zum Schluß, die Vorlage und Besprechung der drei Monats­ausweise der Bank für das letzte Vierteljahr lJuli-Septem- ber) gab Anlaß, mit der Leitung der Bank die Grund­lagen der Anleihepolitik, eine der wichtigsten. Auf­gaben der Bank, eingehend zu erörtern. Der Forderung der Zusammenarbeit der Zentralbanken in Währungs- und Fi­nanzfragen widmete der Verwaltungsrat auch diesmal seine besondere Aufmerksamkeit. Die Bankleitung erhielt den Auf­trag, für die Zentralbanken die Anleihefragen in weiteren Erörterungen in Arbeit zu nehmen. Ferner wurde die Abteilung für Zusammenarbeit der Zentralbanken beauf­tragt, -ie heute besonders wichtige und aktuelle Frage der Devisendisposttionen genau zu studieren. Gerade auf diesem Gebiet will die BIZ. als Regulator auftreten.

Tornado in Südfrankreich

TU. Paris, 14. Okt. Nach Meldungen aus Lyon ist das Jsöre-Tal von einem verheerenden Wirbelsturm heimg sucht worden, der bei einer Dauer von drei Minute« Schäden im Betrage von etwa 111 Milk. Franks« verursacht hat. Mauer« stürzten ein, Dächer wurden abgetragen und die elektrische» Fernleitungen vollkommen zerstört. In einem Dorfe stürzt« der Kirchturm ein.