Seite 3 — Nr. 304
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Dienstag, 39. Dezember 1930
Kaffee in diesem Gebäude einzurichten. Wie wir aber hörten, wurde vom Bezirksrat das Gesuch um die Erlangung einer Konzession in diesem Sinn mangels Bedürftigkeit abgelehnt. Da das Gebäude aber in seiner Einrichtung den Bedürfnissen eines Kasfeebetriebes entspricht, wäre es dem Erbauer zu gönnen, wenn er Erfolg hätte. Mehreremals, sogar auch in der Zeitung, ist im Laufe des Lahres die schlechte yiesige Etterstraße in Autlerkreisen kritisiert worden. Der wachsende Kraftwagenverkehr hat von der Gemeinde Opfer gefordert, die sich entschlossen hat mit Hilfe eines Staatsbeitrages die Straße in eine Autovertehrsstraße durch Bewalzung und Oberflächenbehandlung umzubauen. Dies ist nun geschehen und wir sind gespannt darauf, wie sich die Strage die unter Bauleitung des Straßen- und Wasserbauamtes Calw gebaut wurde, halten wird. Wir bezweifeln die Behauptung einer zwanzigjährigen Haltbarkeit, La der verhältnismäßig große Verkehr schon wieder kleine Schäden der Straße verursacht hat. — Zum erstenmal war unser Ort für einige Gäste eine ganz geraume Zeit Kurort. Diesen Leuten hat es recht gut gefallen und es ist gar nicht wegzuweisen, daß sich für unsere schön und vor allen Dingen hoch gelegenen Heimat ein neuer Erwerbszweig öffnet, der manchen eine Existenzmöglichkeit und Besserung ihrer Wirtschaft!. Verhältnisse bieten könnte. — Die Vereinsweihnachtsfeiern sind auch in unserer Gemeinde anläßlich der schweren Wirtschaft!. Verhältnisse sehr eingeschränkt worden. Nur der Gesangverein hat sich entschlossen, seine Kassenlage durch Veranstaltung einer Weihnachtsfeier zu bessern. Am 26. ds. Mts. wurde die Veranstaltung durchgeführt und am 28. d. Ms aus vielseitigen Wunsch wiederholt. — Allen Einwohnern aber zum Schluß des alten und zu Beginn des neuen Jahres herzl. Glückwunsch! Wir dürfen trotz allem Schweren nicht verzagt sein, denn auch unsere Heimat bietet gegenüber anderen Ortschaften noch Einnahme und Existenzmöglichkeiten, die für die Zukunft, wenn der Wille da ist, noch ausgewertet werden können F.W.
Herrenberg, 30. Dez. Hengstpatentierung für 1931. Unter Bezugnahme auf die Bekanntmachung der Zentralstelle für die Landwirtschaft vom 16. Dezember 1930 betr. die Patentierung von Privatzuchthengsten für das Jahr 1931 (Staatsanzeiger Nr. 300) wird noch besonders darauf hingewiesen, daß am Dienstag, den 13. Jan. 1931,, vorm. 8.15 Uhr in Herrenberg, beim Gasthof zur „Sonne" eine Patentierung von Hengsten stattfindet.
Calw, 30. Dez. Ein alter Forstmann. Durch Entschlies- sung des W. Finanzministeriums wird Förster Bohlin- ger in Bad Liebenzell zum Jahresschluß in den bleibenden Ruhestand versetzt. Damit scheidet ein Beamter vom alten Schrot und Korn nach 40jähriger innerhalb des Liebenzeller Forstbezirkes geleisteter Dienstzeit aus dem aktiven Staatsdienst. Dem bewährten und geachteten Beamten sprach das Forstamt Liebenzell seine volle Anerkennung und die besten Wünsche für den Ruhestand aus.
Aus aller Welt
Hundekyphus in Berlin. In Berlin herrscht seit einiger Zeit eine der gefährlichsten Hundekrankheiten, der sogenannte Hundetyphus, auch „Stuttgarter Seuche" genannt, die nach den Meldungen der Tierärzte bereits den Tod von einigen tausend Tieren verursacht hat. Die Seuche kann Menschen nicht gefährlich werden. Die Seuche ist um so schwerer zu bekämpfen, als die Ansteckung nicht von Hund zu Hund erfolgt. In den letzten Tagen ist infolge des Frost- wetters ein Abflauen der Seuche festzustellen. Bisher ist es der tierärztlichen Wissenschaft noch nicht gelungen, den Erreger dieser Krankheit einwandfrei festzustellen. Ihre An- znchen bestehen zunächst in Erbrechen und allgemeiner Mattigkeit der Tiere, später treten dann Geschwürbildungen
im Maul auf, mit denen ein fäulnisartiger Geruch verbunden ist.
Zwei Kinder durch Gas getötet. Als am Christfestabend die Ehefrau eines Bahnarbeiters in Mannheim von der Arbeit zurückkehrte, fand sie in der verschlossenen Küche ihre beiden Kinder im Alter von 4 und 7 Jahren tot vor. Me Kinder hatten vermutlich mit dem Gashahn gespielt und waren betäubt worden.
Raubüberfall auf eine Kölner Bank. Am Montag vormittag machten drei Burschen im Alter von etwa 18 bezrv. 25 Jahren einen Ueberfall aus die Depositenkasse der Deu t- schen Bank in der Dürener Straße in Köln-Lin- denthal. Einer blieb an der Eingangstür stehen, der zweite stellte sich in der Mitte des Vorraums auf, der dritte trat dicht an den Schalter heran und forderte den Kassierer und einen anwesenden Kunden auf, die Hände hochzuheben. Gleichzeitig richteten die Banditen ihre Pistolen auf den Kassierer und den Kunden. Der Bursche, der an den Saaltisch getreten war, sprang über diesen hinweg und entnahm dem Geldschrank etwa 15 000 Mark in neuen Zehnrentenmarkscheinen, außerdem Silbergelü im Betrag von 300 Mk. und für etwa 25 Mark Kupfergeld. Nach der Tat fuhren die Burschen in einer dunklen Sechsfitzerlimousine, vermutlich einem alten Adlerwagen mit gefälschten Kennzeichen in Richtung Köln davon.
Ankerschlagungen beim Bremer Hauptpostamt. Ein mittlerer Beamter des Hauptpostamts, der die Rentenstelle leitete, hat im Lauf der letzten Monate nach und nach etwa 30 000 Mark unterschlagen. Als die Veruntreuungen am Tage vor Weihnachten entdeckt wurden, beging der schuldige Beamte einen Selbstmordversuch, indem er sich die Puls-
Die alte Klage
Die vereisten „Todeskurven" Vaihingen—Böblingen
Wir lesen in der Süddeutschen Zeitung" folgende Anregung, die auch bei uns im Schwarzwald in den Kreisen der Autofahrer lebhafte Zustimmung finden wird.
lieber die Stratzenpflege im Winter haben wir uns in den letzten zwei Jahren wahrhaftig genügend unterhalten. Nicht über die Straßenverhältnisse in Stuttgart, sondern über die dauernd vereisten Aufallstraßen der Stadt, die zu berechtigten Beschwerden Anlaß gaben. Geradezu verhängnisvoll war die Vereisung der Straße zwischen Böblingen und Vaihingen. An frostigen Wintertagen verging kaum ein Tag, an dem nicht mehrere Automobile in den vereisten Kurven aus der Fahrbahn getragen wurden. Man hätte erwarten dürfen, daß nach den unzähligen Unglücksfällen in den „Todeskurven" jener Straße (hier verunglückte vor Jahresfrist Rechtsanwalt Huber von Nagold. D. Schr.) die Behörden Abhilfe schaffen wür, den. Wenigstens die Autofahrer haben dies erhofft.
Nun stehen wir aber wieder vor einem Winter, ohne daß bis heute etwas geschehen wäre. Es kann heute schon mit Sicherheit darauf gerechnet werden, daß auch Heuer wieder, wie alljährlich, eine große Anzahl von Kraftwagen infolge der Glätte der Straße verunglücken werden. Wahrscheinlich werden auch Heuer einige Tote und viele Verletzte zu beklagen fein. Wir richten deshalb an die Ministerial- abteilung für Straßenbau die Anfrage, ob sie gewillt ist, ihr Augenmerk auf diese „dunklen Punkte" des Verkehrs zu richten.
Bis jetzt haben zwar Proteste und Eingaben der Auto
mobilsportverbände nichts gefruchtet. Dieser Tage ereignete sich auf dieser Strecke bereits das erste Unglück in diesem Winter. Wenn wir auch zugeben müssen, daß im württem- bergischen Haushaltplan für eine individuelle Straßenpflege keine großen Mittel mehr vorhanden sein werden, so halten wir es aber trotzdem für möglich, daß die Behörden diese Mißstände beseitigen. Im benachbarten Bayern werden z. V. die Straßen bei Vereisung schon lange vor Tagesanbruch regelmäßig auf Hunderte von Kilometern in der Umgebung von München mit Sand bestreut. Die moderne Straßenpflege ist heute ohne Verwendung geeigneter Spezialmaschinen auch gar nicht mehr denkbar. Zum Bestreuen vereister Straßen, zum Nachdecken schwitzender Teerstraßen und zum Befanden neuer Asphaltstraßen werden immer häufiger Streumaschinen verwende, die Sand, Kies und Splitt gleichmäßig über die ganze Straßenfläche zu streuen gestatten. Eine solche Streumaschine ist als Anhängewagen gebaut, dessen Kasten das Streumaterial aus dem Zugwagen zugeschaufelt wird. Ein von der Achse des Anhängers durch eine Kette angetriebenes Knetwerk lok- kert das Streumaterial auf und führt es den sogenannten Rotoren zu, die es in horizontalen Fächern auf die Straße schleudern. Wir wissen zwar nicht, ob der Staat im Besitz einer solchen modernen Straßenstreumaschine ist: wir halten es aber für notwendig, daß er sich eine solche Maschine zulegt, denn die Kosten des Vestreuens der stark befahrenen Strecke Stuttgart-Tübingen während des ganzen Winters würden bestimmt hinter den Kosten eines einzigen Automobilunglücks bleiben.
adern ausschnitt. Er liegt mit schweren Verletzungen darnieder.
Tragischer Tod- Auf dem alten Bahnhof Derendorf in Düsseldorf wurde eine 21 Jahre alte Stütze, als sie auf dem Bahnsteig ihrem abreisenden Bräutigam einen Gruß zu- winkte, vom einführenden Schnellzug erfaßt und zermalmt.
Verzweiflungstat. In einem Hotel in dem Badeort Vrunshaupten haben sich der Bankagent der Mecklenburgischen Depositen- und Wechselbank, Adolf Becker und seine Frau wegen finanzieller Sorgen vergiftet.
Eisenbahndiebslahl. Dem auf einer Europareise befindlichen Dr. Franco aus Santiago (Chile) wurden auf der Reise von Ostende (Belgien) nach Köln von internationalen Taschendieben 53 200 Mk. in bar und eine Anzahl Traoel- lerschecks gestohlen.
Falschspiel in Monte Carlo. Ein aus Steinhübel bei Dresden gebürtiger Kutscher namens Jäger, der seit -r Zeit eine Kellerkneipe in Hamburg betreibt, wurde im Spielkasino in Monte Carlo beim Gebrauch von falschen 10-Franken-Spielmarken ertappt und verhaftet. Es sollen in seinem Besitz noch über 900 falsche Marken entdeckt worden sein, die er von einem Unbekannten in Hamburg als vermeintlich echt um 4000 Mark gekauft haben will.
Drei Tote bei einem Schiunglück. Im Gebiet der Säntis- gruppe (Appenzell) wurde eine Gesellschaft von sieben Schifahrern durch eine Lawine überrascht. Eine Dame und zwei Herren sind verschüttet, die andern vier Fahrer konnten sich herausarbeiten. Die drei Leichen wurden nach mehrstündiger Arbeit geborgen.
Deutscher Dampfer beschlagnahmt. Der Fischdampser 204 aus Hamburg wurde am zweiten Weihnachtstog von einem schwedischen Kanonenboot bei ungesetzlicher Fischerei überrascht. Der Dampfer wurde beschlagnahmt und in den schwedischen Hafen Helsingborg (Oeresund) eingebrachk.
Beschlagnahmter Alkohol. Amerikanische Küstenwachboote beschlagnhamten den britischen Motorschoner „Eleonor Joan", der Alkohol im Wert von 170 000 Dollar nach den Vereinigten Staaten einschmuggeln wollte. Die 11 Mann starke Besatzung wurde zur Aburteilung nach Neuyork gebracht.
Todesfall. Der langjährige Verleger der Freiburger Zeitung" in Freiburg i. Br. und Mitinhaber der Univerfi- tätsdruckerei Poppen und Ortmann, Mar Ortmann, ist im Alter von 63 Jahren auf einer Auslandsreise, die ihn nach Afrika führte, in Livingstone (Rhodesta) unerwartet verstorben. Ortmann war mich Vorstandsmitglied des Vereins Südwestdeutscher Zeitungsoerleger.
In London ist der britische Wirtschaftssührer Lord Alfred Me.ett im Alter von 62 Jahren gestorben. Er zählte zu den bedeutendsten Industriellen Englands. Er war deutsch-jüdischer Herkunft. Sein Vater Ludwig Mond war aus Darmstadt nach England ausgewandert und hatte mit einem andern Deutschen namens Brunner dort die chemische Fabrik Brunner, Mond u. Co. gegründet. 1927 gelang es Alfred Mond, die gesamte chemische Industrie Englands unter dem Namen Imperial Industries Ltd. zu- sammenzuschsteßen nach dem Vorbild der deutschen IG. Falbenindustrie, die er in scharfem Wettbewerb bekämpfte, wie er denn ein scharfer Deutschenfeind war. 1928 wurde Alfred Mond zum Lord Melchett und Mitglied des Oberhauses ernannt.
Reue Erdbeben in Argentinien. Im Bezirk Salta haben sich die Erdstöße wiederholt, doch ist nur wenig Schaden verursacht worden.
Die Opfer des Merapi. Die Gesamtzahl der bei dem Ausbruch des Merapi auf Java ums Leben Gekommenen wird nunmehr auf 1300 geschätzt. Diese Zahl umfaßt awh mehrere hundert Vermißte. Der Vulkan ist noch in Tätigkeit. Das umliegende Gebiet wurde vollständig geräumt.
Quecksilber im Menschenkörper. Das Quecksilber ist bekanntlich ein gesundheitsschädliches Metall. Besonders die Dämpfe sind wegen ihrer Giftigkeit gefürchtet. In der Quecksilberuntersuchungsstelle des Chemischen Instituts des Hauptgesundheitsamts in Berlin hat man jedoch kürzlich festgestellt, daß sich in allen unseren Nahrungsmitteln Quecksilber befindet. Wie Dr. Berinski in der Berliner Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege mitleitte. konnte das Metall selbst in Säuglingen und Neugeborenen nachgewiesen werden. Dieses natürlich vorkommende Quecksilber ist selbstverständlich nicht gesundheitsschädlich. Also können alle diejenigen Personen, die einmal Zahnamalgamfüllung erhalten haben und in deren Körper dann jenes flüssige Metall gefunden wurde, aus dieser neuen Entdeckung Beruhigung schöpfen. Das bei ihnen festgestellte Quecksilber stammt nicht vom Zahnarzt, sondern ist ihnen von der Natur verordnet.
Letzte Nachrichten
Schüsse auf ein Nationalsozialistenlokal in Berlin.
Berlin, 20. Dez. Auf ein Lokal in der Wiener Straße, in welchem sich Nationalsozialisten zu einer Weihnachtsveranstaltung zusammengefunden hatten, wurden gestern Abend von etwa 15—20 jugendlichen Burschen mehrere Schüsse abgegeben und auch Steine geworfen. Einer herbeigeeilten Polizeistreife gelang es, einen der Täter sest- zunehmen, während die übrigen flüchteten. Auf dem Transport des Verhafteten wurden die Beamten von einigen der Burschen verfolgt. Kurz vor dem Eintreffen auf dem Polizeirevier erhielt einer der Beamten einen Beckensteckschuß, der seine Ueberführung in das Staatskrankenhaus notwendig machte,
Radikale Bauernnot-Bewegung in Bayern.
Berlin» 30. Dez. In Südbayern, im Jnntal, im Chiemgau, im Mangfallgau und in den angrenzenden Gebieten ist eine neue, radikale Bauernbewegung unter Führung des Bauern Altenburger aus Henkwes entstanden, die dem „Lokalanzeiger", zufolge, bereits starken Anhang in kleinbäuerlichen Kreisen gefunden hat. Die Parole ist: „Die bisherige Standesorganisationen inmitten politischer Parteien haben versagt. Es kann nicht mehr so weitergehen. Wir greifen zur Selbsthilfe, um nicht Haus u. Hof zu verlieren". In Rosenheim, Alping und Miesbach fanden große Kundgebungen der neuen Bewegung statt. Zahlreiche Diskussionsredner traten für die neue Bewegung ein und erklärten, die Bauernbewegung wäre der Notschrei eines zu Tode getroffenen Standes. Komme keine Hilfe, dann sei der Zusammenbruch unaufhaltsam. Die Schutzzölle wären viel zu spät gekommen. Nur ein Abgeordneter der Bayerischen Volkspärtei stellte sich der Bewegung entgegen und sprach sich für die alten Organisationen aus.
Im selbstgebauten Segelflugzeug abgestürzt.
Berlin, 30. Dez. Der 20jährige Pilot Mätzke der Segelfliegergruppe Eisenach unternahm gestern, wie der Lokalanzeiger meldet, an den Hängen des Großen Hörselberges einenFlug mit einem selbstgebauten Flugzeugtyp, mit dem er bereits erfolgreiche Probeflüge ausgeführt hatte. Kurz nach dem Aufstieg stürzte er am Südhang des Berges aus beträchtlicher Höhe ab. Er wurde tot unter den Trümmern des Apparates hervorgezogen. Seine Eltern waren Zeugen des Absturzes.
Der Zustand des Marschalls Joffre.
Paris, 30. Dez. Um 21.45 Uhr französischer Zeit wurde bekanntgegeben, daß Marschall Joffre noch immer mit dem Tode ringt, daß die Atmung zeitweise aussetzt, während das Herz noch immer in Tätigkeit ist.
'' -MckWiiMgklkii
in ZrüKter /tusvvskl in 6er
kür ^Vieüerverkäuker ^ünsti^e kreise!