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Nagolder TagblattDer Gesellschafter"

Montag, 15. Dezember Igtzg

tung einer regelrechten Empörung eingenommen. Da die Militär- und die Zioilbehörden, sowie die Gendarmerie und die Karabinieris den Anschluß an die Bewegung ab­lehnten, kam es zu einem Zusammen st, worauf der Bürgermeister mit der Gendarmerie und den Karabinieris sich nach der Kaserne der letzteren zurückziehen mußte. Die Aufständischen bemächtigten sich der Lastkraftwagen und der Automobile, die sie fanden, und marschierten am Nachmit­tag nach der Provinzhauptstadt Huesca. Sie wurden je­doch von Kräften, die den Engpaß von Ayerbe (ungefähr 25 Km. nordwestlich Huescas) besetzt hatten, in ihrem Vor­marsch aufgehalten. Die Regierung hat sofort die erforder­lichen Maßnahmen ergriffen. Der Aufstandsversuch bleibt örtlich beschränkt, überall in Spanien herrscht Ruhe. Die Regierung ist entschlossen, die Schuldigen unbarmherzig zu bestrafen. Die Meuterer besteh«, aus 1500 Mann Infan­

terie, Jägern und Artillerie. Das Infanterieregiment M Huesca soll zu ihnen übergegangen sein. Der General und der Bischof von Iaca wurden von den Aufständischen als Geiseln verhaftet. Ein Hauptmann der Gendarmerie und ein Oberleutnant der Zolltruppen wurden in Huesca er­schossen. Die Verbindungen mit Saragossa sind unterbro­chen. Man befürchtet ähnliche Unternehmungen in Bilbao, Viktoria und Burgos. In republikanischen Kreisen rechnet man mit dem Generalstreik in ganz Spanien. Die bekannten- Führer der Linksparteien sind aus Madrid verschwunden.

Nach einer Meldung des PariserMatin" aus Bordeaux soll sich die Zivilbevölkerung von Iaca der aufständischen Garnison angeschlossen haben. Die Regierung hoffe, die Aufstandsbewegung innerhalb von 48 Stunden Niederschla­gen zu können. Sie habe Truppen aus Saragossa, Huesca und selbst aus Madrid nach Iaca abkommandiert.

Aus Stadt und Land

Nagold, den 15. Dezember 1930.

Armut und Krankheit als Dauerzustand werden an Hoffnungslosigkeit nur noch von erloschener Liebe über­troffen.

Weihnachten entgegen

Knapp zwei Wochen nur noch und auf dem Kalender stehtChristfest" und von manchen Lippen wird es kom­men:Schon wieder ein Jahr vergangen". Weihnachten, es ist das Fest, das uns den Dezember freundlich macht, das uns die Rebelfetzen, die durch die Täler schleichen, übersehen, das uns die Freuden der anderen Monate ver­gessen läßt. Frühlingsjubel, Sommerfreuden, Erntezau- bre und so vieles andere müssen wir entbehren, aber da­für wird der Lichterglanz des Alltags Grau überstrahlen. Da wird es uns nicht stören, wenn vielleicht für den De­zember nicht zunfgemäße Regenschauer wie gestern anstatt Schneeflocken herniederrauschen, im Herzen von groß und klein, in jedem Stüblein wird das Licht der Weihnachts­zeit strahlen.

Der silberne Sonntag, eine schöne Bezeichnung aus der Zeit, als noch klingendes Silber leichter denn heute aus dem Geldbeutel rollte, brachte uns diesem Fest ein gutes Stück näher. Trotz des in vergangener Woche vorausgegangenen Marktes war das Geschäftsleben sehr rege und die Ladeninhaber bekommen wieder etwas neuen Mut. So mancher, der sich auf äußerstes Spa­ren eingestellt hatte, kann doch dem verführerischen Locken der Schaufenster nicht so ganz widerstehen, der bunte Tand, das Zweckmäßige und der Prunkt lockt gar zu sehr. Noch eine Woche und dann noch drei Tage der stillen Ad­ventszeit, die uns vorbereiten will auf das Fest der Liebe und auf das neue Jahr, dann wird das Christkind läuten und mit seinem Zauber die ganze Erde umfassen.

Den Reigen der Weihnachtsfeiern eröffnete gestern mit einer schlichten Veranstaltung der Sport». Nagold durch seine Jugendweihnacht. Viele erwartungsvolle Kinder mit noch zahlreicheren Erwachsenen füllten um die 5. Abendstunde den Traubensaal. Der derzeitige geschäfts­führende Vorstand des Vereins, Herr Obersekretär Boh­lin ge r, begrüßte nach einigen, unseres Erachtens nach allerdings recht wenig weihnachtlichen Eröffnungsmärschen und dem gemeinsamen LiedStille Nacht, heilige Nacht", den Abend und betonte, daß sie sich auch im Notjahr 1930 es sich nehmen lasten wollten, eine Weihnachtsfeier zu veranstalten. Nicht aus selbstsüchtigen Gründen, sondern um der Jugend eine Freude zu machen, hätten sie sich der Mühe der Gestaltung einer solchen Feier unterzogen. Zi^ gleich sprach er die Bitte aus, daß alle diejenigen, die sich in den Dienst zum Wohle der Jugend stellen wollten, sich als Deutsche verpflichtet fühlen müßten, den Leibesübun­gen treibenden Vereinen nach ihren Kräften beizustehen.

Die eigentliche Begrüßung sprach Herr Stadtpfarrer Brecht. Er führte uns in das selige Kinderland zur Weihnachtszeit. Es müßte unser aller Bestreben sein, in Weihnachten den Kindern das Fest der Freude zu geben, das nachklingen müßte ein ganzes Leben lang. Aber er sprach auch von Weihnachten, dem Fest der Christenheit und unseres deutschen Vaterlandes, das uns mahnte deutsch zu sein und einzutreten in den Kampf gegen das Dunkle, Böse und für das Licht und Gute. Freiübungen der Schüler, ein niedliches WeihnachtsstückWeihnachts­konzert im Zwergenheim" gaben dem Abend den Rahmen einer festlichen Veranstaltung, für die insbesondere die beiden SVN-Mitglieder Kehle und Kern zeichne­ten. Lobend erwähnt sollen auch die kleinen Theaterspie­ler sein, die ihre Sache ganz trefflich mimten und sicher­lich sowohl als Sänger wie als Dirigent einen guten Nachwuchs für unsere Gesangvereine bilden werden. Eine der Schwere der Zeit entsprechende bescheidene Bescherung der Schüler und weitere musikalische Vorträge des Musik­kollegs beschlosten den Abend, der besonders für die Kleinen eine Weihnachtsvorfreude schönster Art war und ein Erlebnis dieses Jahres bleiben wird solange bis wieder etwas Neues sie in den Bann schlägt.

Filmvorführungen im Löwen und Seminar und eine kommunistische Propaganda-Versammlung, um die vorher ein geheimnisvolles Tamtam geschlagen wurde, standen im übrigen auf dem Programm des Wochenendes.

Gemeinschaft der Freunde

Auf die morgen Dienstag, abends 8 Uhr im Wald­hornsaal stattfindende Versammlung der E. d. F. wird noch einmal aufmerksam gemacht. Es wird wohl jeder­mann interessieren, Näheres über dieLage bei der E. d. F." zu erfahren.

Lohnzahlungen und Ausschüttungen anläßlich des Meih- nachksfeskes. Von zuständiger Seite wird mitgeteilt: Der Reichsarbeitsminister hat bereits die Arbeitgeber aufgefor­dert, die Lohnzahlungen und Ausschüttungen anläßlich des Meihnachtsfestes möglichst schon vor dem 24. Dezember vorzunehmen. Auch die württ. Arbeitgeber werden gebeten, diesem Ersuchen zu entsprechen. Außerdem wäre es zu be­grüßen, wenn mit Rücksicht auf den früheren Ladenschluß am Heiligen Abend die Weihnachtseinkäufo rechtzeitig getätigt würden.

Geistliche Abendmufik

Jselshausen, 15. Dez. Der gestrige Sonntag brachte un­serer Gemeinde eine seltene Feier. Der Kirchenchor bot aus dem in der letzten Zeit Erarbeiteten eine geistliche Abendmusik u. unser gefülltes Dorfkirchlein zeigte, daß man es hier zu schätzen weiß, wenn mit eigenen Kräften etwas Derartiges zustande kommt. Das Gebotene stellte einen Gang durchs Kirchenjahr im geistlichen Lied dar. In den frisch und lebendig vorgetragenen gemischten Chören, in Einzelliedern ebenfalls von Kräften der Gemeinde gesungen und in einem Schülerchor kam zum Ausdruck, was das Christenherz an seinen hohen Festtagen und im Gang des Jahres bewegt. Die Orgelbegleitung hatte in dankenswerter Weise Herr Hauptlehrer Vahlinger, Nagold, übernommen. Dankbar lauschte die Gemeinde den verschiedenen Darbietungen, aus denen man viel Fleiß u. viel treue, hingebende Arbeit des Chors und seines Lei­ters, des Herrn Hauptlehrer Wolf, herausfühlte. So war denn auch der äußere Ertrag der Veranstaltung zugunsten unserer Neuen Kirchenbeleuchtung ein sehr erfreulicher. Der Abend hat gezeigt, was mit einfachen Mitteln auch in kleinen Verhältnissen erreicht werden kann, wenn Leute da sind, die sich hergeben zum Dienst an der Gemeinde. Wir möchten wünschen, daß es nicht die letzte Veranstal­tung dieser Art gewesen sei.

Dies und jenes aus Aliensteig

Statt dem erwarten Schnee fiel bei uns bei niederer Temperatur wieder Regen, sodatz am Samstag morgen der Verkehr durch ein gefährliches Glatteis stark behindert war. Zweifellos trug der anhaltende Regen einen gros­sen Teil Schuld daran, daß derSilberne Sonntag" hier ruhig verlief. Der Besuch von auswärts ließ zu wünschen übrig und auch viele hiesige Kauflustige hielt das Wetter bei allerhand Festvorbereitungen zu Hause, sodaß die ge­öffneten Geschäftshäuser einen nur mäßigen Verkehr ver­zeichnen konnten. Der Sportverein begann mit der 2. Runde der Verbandsspiele und kämpfte hier gegen Pfalz­grafenweiler (1. Mannschaft 3:3, 2. Mannschaft 3:4 für Altensteig). Die starke und eifrig tätige Ortsgruppe ' der N. S. D. A. P. hielt ImGrünen Baum" eine von j vaterländischem Geist beherrschte Weihnachtsfeier ab. Im j Mittelpunkt der gut besuchtenVeranstaltung stand eine Er- i zählung des Pg. v. Iagow aus seiner DienstzeitWeih- ! nachten im Unterseeboot", die gleich der ganzen Feier ,

einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. Der Werbe­abend der Reichsrundfunkgesellschaft war von hier und auswärts sehr gut besucht und da die Besucher von den vielseitigen Darbietungen äußerst befriedigt waren, wird der Erfolg für die Veranstalter nicht ausbleiben.

Calw, 14. Dez. Der Bezirksrat hat der Stadtgemeinde Calw zur Pflasterung der Bischofstraße 4000 Mark bewil­ligt und den Beitrag für die höheren Schulen auf 7000 -tt erhöht. Um für jugendliche Arbeitslose eine in der Woche 16-stündige Pflichtarbeit gegen geringen Stunden­lohn einzuführen, soll der Friedhof durch den Erwerb eines 10 Ar großen Parzellenteils, bei dem der Stadt ein Rückkaufsrecht zusteht, erweitert werden. Der Rückkauf ko­stet 750 Mark. Eine in den letzten Wochen eingeführte Einrichtung hat sich sehr gut bewährt. Die Bereitschaft zu helfen, insbesondere der Not in den Familien Arbeits­loser zu steuern, hat dazu geführt, daß seitens der Stadt­pfarrämter und des Frauenkranzes eine Flickstube einge­richtet wurde, in der hilfsbedürftigen Müttern von sach­kundiger Seite unentgeltlich Anleitung gegeben wird im Jnstandsetzen von Kleidern und Wäsche. Es haben sich frei­willige Kräfte bereit finden lassen, dieses Hilfswerk zu unterstützen; außerdem wirkt eine Nähfrau mit, die für ihre Arbeit von kirchlicher Seite belohnt wird. Das Lokal wird von der Stadt gestellt. Die Beteiligung der Mütter ist über Erwarten groß.

Langenbrand OA. Neuenbürg, 14. Dez. Tragischer Tod. Kabinettmeister a. D. Friedrich Bott war Dienstag nachmittag mit Ausbesserungsarbeiten am HausGemein­schaft der Stunde" beschäftigt. Der 58 I. a. Mann wurde in der Eriche des Donnerstags blutüberströmt tot aus dw Abortgrube gezogen und ein doppelter Schädelbruch fcst- gestellt. Wie sich der Sturz zugetragen bat und was die Ursache war, vermag bis heute niemand festzustellsn

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Auflösung einer nationalsozialistischen Versammlung in Dortmund.

Dortmund, 15. Dez. Eine nationalsozialistische Ver­sammlung in Dortmund-Mengede wurde auf Grund des Republikschutzgesetzes von der politischen Polizei aufgelöst, weil sich der Versammlungsleiter Hamacher-Oberhausen in seiner Rede beleidigende Aeußerungen gegen die preuß. Staatsregierung und insbesondere gegen Minister Hirt- siefer hatte zu Schulden kommen lassen. Zu Zwischenfällen ist es nicht gekommen.

Ein Auto in den Rhein gestürzt. Heldenhafte Net- tungstat des Fahrers.

Berlin, 15. Dez. Nach einer Meldung der Montagspost aus Frankfurt a. M. raste Samstag abend ein Auto, das von Iffezheim nach Baden-Baden unterwegs war, in dem dichten Nebel in den Rhein. Der Wagen versank sofort auf dem 6 Meter tiefen Grund des Stroms. Dem Chauf­feur gelang es mit übermenschlichen Kräften unter dem Wasser die Scheiben einzuschlage» und die beiden Insassen des Autos, zwei Damen, aus dem Wageninnern zu be­freien und lebend an die Oberfläche zu bringen.

Die Aufstandsbewegung in Java unterdrückt.

Paris, 15. Dez. Die Aufstandsbewegung in Java ist,

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Stoib zum Tode verurteitt

Tübingen, 12. Dez. Schwurgericht. Ein überaus trauriger j Fall kam heute vormittag vor die Geschworenen. Der 27 Jahre

wandten, sie habe es abends gesucht, aber nicht gefunden, als sie heimkam, war es aber da, es sei anscheinend darüber sehr

alte ledige Goldarbeiter Max Adolf Staib von Brötzingen, s aufgeregt gewesen, daß sie nicht daheim gewesen sei, als es war angeklagt, sein unehelich geborenes 3 Jahre altes Töchter- j kam. Um ?48 Uhr habe sie es gebadet; als es etwa 2 Stunden

chen durch Gift getötet zu haben.

Aus der Verhandlung ergab sich das Folgende: Am 1. Ok­tober begab sich Staib von Brötzingen aus nach Birkenfeld, wo sein Kind bei der Großmutter untergebracht war und führte die Tat aus, indem er dem Kind Gift verabreichte, an dessen Fol­gen es nach kurzer Zeit starb. Staib gab an, er habe im Sinne gehabt, die Mutter des Kindes zu heiraten, doch habe es sich vorerst zerschlagen. Einleitend hält Staib einen langen und fließenden Vortrag über allerlei nebensächliche Dinge, die nur in losem Zusammenhang mit der Tat stehen, bis er endlich auf

im Bett gelegen sei, habe es sich erbrochen, Durchfall bekommen und sei sehr unruhig geworden, ohne aber über besondere Schmerzen zu klagen, als sie es gefragt habe, wo tut's denn weh, habe es an den Bauch gelangt. Als morgens Dr. Keller gekommen sei, habe er gleich gesehen, daß es gefehlt sei und habe eine Einspritzung gemacht, um halb 9 Uhr vormittags sei das Kind dann gestorben.

Die Gemeindeschwester in Birkenfeld-gab auch an, das Kind sei im August zweimal erkrankt, beidemal habe es erbrochen, sei unruhig gewesen, Angstgefühl gehabt und sei ganz apathisch

^ ! gewesen. Man habe es, da es sowieso nervös gewesen sei, mehr

ihre Vorgeschichte eingrng. Seme Braut sei rm Frühjahr 1928 > ^ erregt als ernstlich krank gehalten. Von diesen Erkrankun­gen habe es sich aber nicht wieder erholt, es habe ein sehr

nach Amerika. Am 27. November 1927 habe er das Kind an erkannt und 25 Mark monatlich Unterhalt bezahlt. Das Kind wurde bei der Großmutter in Birkenfeld aufgezogen. Seine Braut habe gesagt, sie wolle nach Amerika um die Aussteuer zu verdienen und dann wieder zurückkomiyen, um ihn zu heira­ten. Ein Bekannter habe ihm im Jahr 1929 von Amerika ge­schrieben, er habe mit ihr Verkehr gehabt. Er habe deshalb Selbstmordgedanken gehabt und 2V Gramm Arsenik sich besorgt, das er im Taubenschlag aufbewahrt habe. Er hat in Pralinen das Gift getan und dem Kind gegeben, nachdem er vorher mit ihm gespielt hatte. Staib habe seit Juli 1929 mit dem Ge­danken gespielt das Kind zu beseitigen. Die ganze Sache mit seiner ehemaligen Braut habe immer auf ihn gedrückt, des­halb sei er auf den Mordgedanken gekommen. Früher gab er an, er habe gedacht, bei Kindern werde eine chemische Unter­suchung wegen der Todesursache nicht so genau genommen. Er habe die Sache überhaupt nicht so ernst genommen. Er habe sich schon bei seiner Megfahrt von zu Haus vorgenommen, die Tat auszufllhren, und gedacht, die Pralinen zerbreche ich und tue dann das Arsenik hinein. Er hat, auch die Pralinen gegessen, die er bei sich hatte, aber natürlich keine vergiftete. Er wollte

schlechtes, gelbliches Aussehen bekommen, habe hohle Augen gehabt und habe einen leidenden Eindruck gemacht. Staib sei nach dem Tode des Kindes gekommen und habe aeweint und gesagt:So ein nettes Kind!" Bei seiner ersten Ver­nehmung durch den Landjäger habe er geäußert, jetzt sa­gen die Leute auch noch, ich habe mein Kind vergiftet.

Oberamtsarzt Medizinalrat Dr. Lang- Calw hatte die Leichenöffnung am 6. Okt. vorgenommen als der Verdacht einer Vergiftung vorlag. Seine Ausführungen gingen dahin, daß zunächst keine Anzeichen Vorlagen, die auf Vergiftung hät­ten schließen lassen, sondern es schien ein schwerer Magen- und Darmkatarrh Vorgelegen zu haben. Das Kind wurde deshalb beerdigt. Es verdichtete sich aber immer mehr der Verdacht, daß doch ein Verbrechen angenommen werden müsse, und so wurde die Leiche wieder ausgegraben und die inneren Teile nach Stuttgart zur chemischen Untersuchung geschickt. Dort wurde einwandfrei auch festgestellt, daß tatsächlich eine Arsenikvergif­tung vorliege, es wurden 9,93 Gr. Arsenik gefunden, die voll­auf genügen den Tod des Kindes herbeizusühren, es hätten schon 9,91 Er. dazu genügt, die Dosis war also mehr als nötig

damit den Beweis erbringen, daß er unschuldig sei. Nachdem j p« erwachsenen Personen 'genügen 9,96 Er., um sie zu

er dem Kind 2 vergiftete Pralinen gegeben hatte, spielte er noch den liebenden Vater und gab ihm 5 Pfg. zu einem Pfeif­chen.

Die Vernehmung des Angeklagten nahm viel Zeit in An­spruch, da er entgegen seinem in der Voruntersuchung abgeleg­ten Geständnis versuchte, sich durch allerdings sehr unglaubhafte Angaben aus der sich selber gelegten Schlinge zu entwinden.

Frau Fix, die Großmutter, gab u. a. an, das Kind sei, nach­dem es von seinem Vater die 5 -Z bekommen habe, zu Ver-

Kein Haus

ohne denGesellschafter"!

ten. Es stehe also absolut fest, daß das Kind an Arsenikvergif­tung gestorben sei. Es dürfte ferner angenommen werden, daß es sich bei den beiden Erkrankungen imAugust ebenfalls um Arsenvergiftungen gehandelt habe, denn die Krankheitser- scheinung'en seien nach dem, was. wie von den Zeugen bekun­det worden sei, die gleichen gewesen. Unmöglich sei es nicht, daß dem Kind damals auch Arsenik gegeben worden sei. Ein absolut sicherer Anhaltspunkt liege aber dafür nicht vor.

Unter der Wucht der Tatsachen war es für die Verteidigung, die in der Hand von Rechtsanwalt Hayum II lag aussichtlos das Schicksal vom Angeklagten abzuwenden, oder nur auch zu mildern, es nahm seinen Lauf wie er erwartet werden mußte.

So ruhig sich der Angeklagte während der ganzen Verhand­lung zeigte, ebenso gelassen nahm er das Todesurteil an. Vor irgendwelchen Reuegefühlen ließ er auch nicht mit einem ein­zigen Wort etwas verspüren. Ein trostloses Bild menschlicher Verdorbenheit.