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Nagolder TagblattDer Gesellschafter"

Freitag. 9. Mai 1930

gen am 3. und 4. Juli in der Stuttgarter Liederhalle, einen Begrüßungsabend und die Versammlung der Verbandsreoi- soren und Verbandsbeamten vor. Als Abschluß der Tagung ist ein Ausflug nach Friedrichshafen und Lindau geplant.

Vom Tage. Am Mittwoch morgen wurde ein Arbeiter beim Neckarkanalbau verschüttet. Mit schweren Verletzun­gen mußte er ins Spital übergeführt werden

Ankerlürkheim. 8. Mai. Arbeiterentlassungen bei Daimler. Zu den Meldungen über Arbeiterent­lassungen bei Daimler wird von unterrichteter Seite mit­geteilt, daß bisher etwa 150 bis 200 Arbeiter entlassen worden seien. Der Antrag bei der Gewerbeaufsichtsbehörde auf Entlassung von 1000 Arbeitern sei lediglich vorsorglich gestellt. Ob es zu einer Entlassung in diesem Ausmaß komme, sei fraglich.

Ludwigsburg. 8. Mai. Karmeliterschwestern kn Württemberg. In Bad Hoheneck bei Ludwigs­burg haben sich K a r m ei i t e r s ch w e st e rn aus dem Mutterhaus Sittard in Holland niedergelassen. Sie beab­sichtigen, sich auch der Kinderfürsorge zu widmen und haben dafür Stuttgart ausersehen.

hellbraun, 8. Mai. Rücktritt von Geheimrat Dr. Man dry. Der Chefarzt des hiesigen Krankenhauses. Geh.-Rat Dr. Ma ndry, hat bei der Stadt.ein Gesuch um Zuruhesetzung, auf 1. Oktober wegen Erreichung der Alters­grenze eingereicht. Geh.-Rat Dr. Mandry, ein Bruder des verstorbenen Justizministers Dr. Mandry, wurde am 3. Ok­tober 1894 Spitalarzt. Dr. Mandry war auch ärztlicher Leiter der Freiwilligen Sanitätskolonne. Wie verlautet, be­absichtigt Dr. Mandry, nach seiner Zuruhesetzung seinen Wohnsitz nach Stuttgart zu verlegen

Schorndorf, 8. Mai. 685 Bewerbe. Um die Betriebs­leiterstelle des hiesigen städtischen Elektrizitätswerks haben sich nicht weniger als 685 Personen beworben. Davon sind 6 aus Schorndorf, 61 aus dem übrigen Württemberg und die große Masse von 618 aus den Nachbarländern. Der seitherige Inhaber dieses Postens ist vor einigen Wochen durch Unglücksfall aus dem Leben geschieden.

Deubach OA. Mergentheim, 8. Mai. Hagelwetter. Ein schweres Gewitter mit Hagel ging am Montag um 12 Uhr über unser Dorf nieder. Großen Schaden hat der Hagel an den Obstbäumen verursacht, ebenso wurden die zarten Gartengewächse stark zerschlagen. Die jungen Wein­bergstriebe wurden übel zugerichtet. Klee und Getreide haben ebenfalls sehr gelitten, doch läßt sich der Schaden noch nicht feststellen, da bei günstiger Witterung sich manches erholen kann. Auch in Unterbalbach wurde durch Hagel- kchlag Schaden verursacht.

Böblingen, 8. Mai. Ein Flugjubiläum. Der Leichtflugzeugbau Klemm wird am kommenden Samstag nachmittag den fünfzehntausendsten Flug mit seinem im Jahr 1923 gebauten Schulflugzeug Klemm 1.20 O608 ver­anstalten.

Ulm, 8 Mai. Auszeichnung. Anläßlich der Ein­weihung des Studienbaues am Deutschen Museum in München wurde Kommerzienrat Dr.-Ing. Karl Schwenk hier der Museumsrina in Gold verliehen

Liberach. 8. Mai. Denkmalsbeschmutzung. In letzter Nacht wurde das Wielandsdenkmal, das seit Jahr­zehnten an einem geschützten Platz am Theater steht, von Bubenhand beschmutzt. Nach dem Täter wird gefahndet.

Leutkirch, 8. Mai. Zündender Blitz. Das heftige Gewitter am Dienstag abend hat auch in Eichenberg, Gde. Berkheim, Brandschaden verursacht. Das landwirtschaftliche Anwesen des Joses Mancher wurde durch Blitzstrahl in kürzester Zeit ein Raub der Flammen. Außer dem Vieh konnte fast nichts gerettet werden. Der Geschädigte ist nur mäßig versichert.

Bonlanden OA. Leutkirch, 8. Mai. Bonlandcr SchwesterninBrasilien. Die Schwestern von Bon­landen haben vor einigen Monaten eine Schule und ein Hospital in Sobradinho in Südbrasilien übernommen. Sie besitzen Niederlassungen in Argentinien, Brasilien und in den Vereinigten Staaten.

«p. Aalen, 8. Mai. Zur Teilnahme an dem Evangeli­schen Volkstag, der am 22. Juni in Augsburg zur 400- jährigen Feier des Augsburger Bekenntnisses stattfinden soll, haben sich aus der Stadt Aalen 245 Besucher gemeldet. i

Aus Stadt und Land

Nagold, den 9. Mai 1930.

Immerfort bröckelt unser Leib ab, es sterben fortwährend Teile: ein Festhalten gibt es nicht, nur ein Neugebä­ren. Ich will lassen, was sterben will, vergessen, was gehen will, und sehen, daß ich Neues erringe, gestalte, erschaffe.

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! Zehn Gebote für den Muttertag.

! 1. Nimm der Mutter am Sonntag alle Arbeiten ab, !

damit sie einen Feiertag hat.

2. Stelle früh leuchtende Blumen auf den Tisch.

3. Schicke ihr, wenn du fern von ihr weilst, ein Zeichen >

des Gedenkens. s

4. Gehe zum Friedhof, wenn dort Deine Mutter liegt, s und schmücke das Grab mit den Blüten des Frühlings. !

5. Horche um in der Nachbarschaft, wo eine Mutter !

Not und Sorgen leidet, besuche sie und hilf ihr. s

6. Weißt Du eine Mutter im Krankenhause, im Sie- ! chenhaus, suche sie auf und mache ihr eine kleine Freude. ;

7. Sprich auch mit Deinen Freunden darüber, wie ihr > die Mutter am besten ehren und erfreuen könnt.

8. Sei auch im öffentlichen Leben gegen jede Frau Höf- ! lich und hilfsbereit als ob sie Deine Mutter wäre. !

9. Wirb jetzt und am Muttertage selbst für den Ge- !

danken und setze ihn in die Tat um. j

10. Nimm Dir fest vor, Deine Mutter und alle deut- ' schen Mütter auch in Zukunft stets zu achten, zu ehren und ^ zu unterstützen, immer und alle Tage wie am Mutter­tage. Sorge dafür, daß auch andere es tun. Dann wird der Muttertag ein Segen für das deutsche Volk werden!

Zum Tode des Stadtpflegers a. D. Lenz l

Ganz überraschend kam uns gestern früh die Nachricht von dem Tode unseres früheren Stadtpflegers Lenz. Nicht lange durfte er sich des wohlverdienten Ruhestandes er­freuen, nach einem arbeitsreichen schweren beruflichen Le­ben. Schon bald nach seiner Zuruhesetzung am 1. August ! 1929 machten sich Krankheitserscheinungen bemerkbar, die ! ihn nun zur ewigen Ruhe und Frieden eingehen ließen. ! Geboren am 28. August 1863 in Siegelsberg besuchte er ! die Lateinschule in Murrhardt, legte seine Lehrzeit auf dem Rathaus in Sulzbach ab, tat Eehilfendienste bei den Ortsvorstehern und Verwaltungsaktuaren in Spiegel- . berg, Fichtenberg, Fornsbach und Heimertingen und be­stand 1886 die Verwaltungsdienstprüfung. Nach vorüber­gehender Betätigung auf den Schultheißenämtern in Spaichingen und Dürrmenz-Mühlacker wurde er am 8. Dezember 1886 zum Assistenten beim Stadtschultheißenamt Nagold gewählt. Diesem Posten stand er bis 1892 vor. Da­neben war er Kassier dr'Bezirkskrankenkasse Nagold (bis zum Jahre 1913 und später wieder als Stellvertreter des zum Heeresdienst einberusenen Verwalters der Allgemei- i nen Ortskrankenkasse vom 1. August 1914 bis 1. Januar 1919). Vom 1. April 1896 an war er im Hauptamt Stadt­pfleger und zugleich von 1897 bis 1915 Verwaltungsak­tuar in Sulz und Walddorf. Besonders als Stadtpfleger waren ihm große Arbeitslasten auferlegt, die wohl wäh­rend der Inflationszeit ihren Höhepunkt fanden, einer Zeit, die an Arbeitskraft und Willen, Zuverlässigkeit und Können die höchsten Anforderungen stellte. Aber auch im übrigen öffentlichen Leben trat der Verstorbene hervor. So war er 21 Jahre lang aktives Mitglied des Lieder­kranzes, darunter eine Reihe von Jahren Schriftführer, ! Vizevorstand und Vorstand, 23 Jahre amtete er als Auf- j sitchsratsmitglied (Kontrolleur) bezw. Vorstandsmitglied s der Gewerbebank Nagold. Ferner war er einige Jahren !

Ausschußmitglied des Landesverbandes württ. Eemeinde- rechner. 1909 gründete er den Bezirksverein der Ee- meinderechner und war auch dessen Vorstand. Wer diesen Lebensgang betrachtet, der weiß, daß zur Erfül­lung all dieser Pflichten eine ungeheure Vielseitigkeit ge­hörte, die der Verstorbene seiner anerzogenen Arbeitsfreu­digkeit und Ausdauer verdankte. Mit der gebeugten Fa­milie, die mit ihm viel Schönes erleben durfte, aber ihm auch manch Schweres tragen half und die mit inniger Liebe an ihrem Gatten und Vater hing, steht die ganze Gemeinde und auch der Bezirk Nagold trauernd an der Bahre eines Mannes, dem treues Gedenken über das Grab ein wohlerworbenes und unwiderrufliches Recht ge­worden ist.

Hunde wüten im Schafpferch

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag gerieten 2 Wolfshunde Nagolder Bürger beim Kalkwerk Rau- ser in den Schafpferch des Schäfers Schill aus Nagold Dort wüteten die beiden Tiere, die sich scheinbar schon seit Tagen regelmäßig draußen Herumgetrieben hatten, ganz furchtbar. 3 Schafe blieben tot am Platz liegen und 7 mußten notgeschlachtet werden. Eine ganze Anzahl wei­terer Tiere wurden stark verbissen, doch hofft der Schäfer, sie durchbringen zu können. Die Hunde hatten den Tieren teilweise die Wolle samt der Haut regelrecht vom Körper heruntergerissen, Hunderte von Bietern weit fand man Wolle umhergestreut. Bei der Herumzerrerei der Schafe wurden auch die Kleefelder und Saatäcker zum Teil bös zugerichtet. Als der Schäfer morgens zu seinem Pferch kam, um ihn abzuschlagen, fand er ihn leer. Die übrigen Schafe, es waren ca. 100 Stück, mußte er in der ganzer: Gegend, sogar im Walde zusammensuchen. Die Hundebe- siger sind, soviel wir hören, durch die Haftpflicht, gegen den ihnen zur Last fallenden Schaden versichert. Dies mag von neuem für die Hundebesitzer eine Warnung sein und sie sollten ihren bissigen Köter entsprechend der poli­zeilichen Vorschrift einen Maulkorb anlegen oder sie aber an der Kette lassen.

Landesverband Württ. Kleip» und Obstbrenncr

Am kommenden Sonntag, 11. ds. M., nachm. 1 Uhr, findet im HotelLindenhof" in Horb eine Brennerver­sammlung für. die Bezirke: Horb, Nagold, Rottenburg und Sulz statt, in welcher Herr Pr. Dr. Rüdiger aus Hohenheim überWirtschaftliche und steuerliche Brenne­reifragen" einen Vortrag halten wird.

Garrweiler, 7. Mai. Der KraftfahrklubNagoldtal" im Allg. Deutschen Automobilklub (A.D.A.C.) versammelte sich gestern abend bei Mitglied Schleeh zumHirsch". Vorstand, Rechtsanwalt R e n z-Nagold^ hielt dabei seinen angekündigten Vortrag über die Haftung des Fahrzeug­halters u. Kraftfahrers. Der ausführliche, äußerst inter­essante Vortrag behandelte Fragen, die für jeden Fahrer und Fahrzeugbesitzer lebenswichtig sind. .Freudiger Bei­fall aller Anwesenden, die recht zahlreich' erschienen wa­ren, war der Dank der Hörer. Anschließend folgte noch ein gemütliches Zusammensein.

Herrenberg, 8. Mai. Entschließung zur Ober­amt s a u ft e i l u n g. In seiner letzten Sitzung nahm der Gemeinderat gegen das Gutachten des Reichssparkommissars, besonders was die Neueinteilung der Oberämter anlangt, Stellung. Der Gemeinderat ist einmütig der Ueberzsugung, daß eine Neueinteilung für den wirtschaftlich und landschaft­lich so geschlossenen Bezirk von den schwersten Erschütterun­gen begleitet sein würde. Die Entschließung wird dem Staats­ministerium zugeleitet werden.

Rottenburg, 8. Mai. Grabmal für Bischof D r. Keppler. Ein monumentales Grabmonument für den verstorbenen Bischof Dr. Keppler wird derzeit in der Sül- chenkirche aufgestellt

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Letzte

Die Federst

Berlin, 8. Mai. Federführung bei ) des Innern zugefal nährung und Land sei, wird amtlicher? Reichsministerium federführende Mini wirtschatfliche Hilfe ckrbeitung des Reil Landwirtschaft entz der Geschäftsverteil menfassung der der seit Jahren in der nern, während die landwirtschaftlichen der Hand des Reiö Landwirtschaft lieg: ligten Ministerien.

Weiterführung

Berlin, 9. Mai. chen Besprechungen auf seinen Moskau Aufträge zur Weit gen, deren Schwerg diese Verhandlunge nächsten Tagen auf

Annahme d Weimar, 9. Ma mittag die Steuerg haussteuer, die Erh Hebung der Berufs? stenbeitrag (Köpfst« Finanzausgleichs Stimmen der Regi Solizaldemokraten, Abgeordneten ange sich der nationalst Stimme.

Neuer Haftpr Berlin, 9. Mai. Falle Sklarek, der stattfand, endete m Zustandes. Der Ha! aufrecht erhalten, t Sklarek aber wird, Auslandes unter A der Haft verschont.

Vertagu Berlin, 9. Mai. Professor Lazarus Zeit vertagt worde

Deutscher Si Prag, 9. Mai. ! am kommenden Sc auf der Strecke Ki sich heute ein llnfa mann, Inhaber de Training mit sein« daß er einen Becke schenkels und schwei unglückte ist nach l nen Verletzungen > erlangt zu haben.

Die Hitze in de

Ncuyork hatte am ' 81.6 Grad Celsius, reich,- vier Fälle ve

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(Fortsetzung 33)

..Widerstand im Blut ertränken .

Infolge des unerhörten Vorfalles vor dem Rathause begaben sich die Beigeordneten Dr. Niesten und Dr. Dahm erneut zum Kreisdelegierten. Sie protestierten nicht nur gegen die Roheit und die Gewalttätigkeit der Rheinlandtruppen", sondern verlangten erneut entschie­den ihre Entfernung aus dem Rathaus und das Einzie­hen der Separatistenfahne. Nach mehrstündigen Ver­handlungen erreichten die beiden Herren die Zusicherung (wohl gemerkt, nur die Zusicherung), daß die Rathaus­wache derRheinlandtruppen"vermindert" werde; hin­sichtlich der Flaggenfrage offenbarte der Kreisdelegierte eine Meinung, die eigentümerlicherweise ganz im Gegen­satz zu seiner sonst gezeigten Haltung stand. Er, der sich in der Verherrlichung des Trikolorenkults in der Regel nicht genug tun konnte, hielt die Fahne auf dem Rathaus für ein Symbol von ganz untergeordneter Bedeutung, für eine Bagatelle, an der man die Wiederaufnahme der Arbeit nicht scheitern lasten dürfe. In das kühle, verbindliche Lä­cheln lugt plump und derb der Pferdefuß; denn als Dr. Niesten frug, ob die Separatistenfahne, wenn der Kreis­delegierte ihr selbst keine Bedeutung zumeste, von deut­schen Beamten heruntergeholt werden dürfe, wehrte er mit beiden Händen:Nein, nein, um Gottes willen nicht! Neue Schwierigkeiten könnten sich ergeben, und die sind tunlichst zu vermeiden!"

Sehr komisch: Auf einmal war das nicht mehr eine Bagatelle.

Inzwischen hatte der Beamtenausschuß zusammen mit den Frartionsführern des Stadtverordnetenkollegiums getagt und war zu der Auffassung gekommen, die Arbeit nn Rathaus wieder aufzunehmen, ohne eine etwaige sepa-

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ratistische Einmischung zu beachten. Dieser kluge Beschluß vermied, daß sich die Separatisten an die Verwaltungsge­schäfte heranmachten und gab außerdem Gewähr, daß die korrekte Versorgung der Bevölkerung gewahrt blieb.

Draußen auf den Straßen war es nicht ruhig geblie­ben. Ueberall bildeten sich Gruppen erregter Menschen. Prügeleien mit Separatisten gab es an allen Ecken und Kanten. Französische Kavallerie fegte im vollen Galopp dazwischen, Marokkaner hieben mit Gewehrkolben drein, Schüsse krachten, Gendarmerie warf Deutsche ins Gefäng­nis, und die Bevölkerung blieb ohnmächtig mit ihren lee­ren Fäusten. Beigeordneter Bienhold, der dem Kreisdele­gierten die durch den Separatismus und seine Verbrüde­rung mit den Franzosen hervorgerufenen unhaltbaren Zustände schilderte und ihm erklärte, daß die Erregung der Bevölkerung bis zur Siedehitze gestiegen sei, erhielt die kaltschnäuzige Antwort:Jeder Widerstand ist nutz­los; er wird im Blute ertränkt!"

3mgroßen Hauptquartier"

Koblenz besaß in jenen Tagen den zweifelhaften Ruf, neben dervorläufigen Regierung" auch dieoberste Hee­resleitung" dieses verwegenen Janhagels in seinen Mauern zu sehen. Die ganze Plage war im Schloß ein- aenistet, das ständig eine dichte, schwerbewaffnete Posten­kette bewachte. Kein Deutscher hatte Gelegenheit, sich das Schloß einmal näher anzusehen, deshalb ist' es uns nicht möglich, aus eigener Anschauung eine Schilderung über den Zustand des Schlosses während der Schreckensherr­schaft der Separatisten zu geben. Um aber diese Lücke in der Betrachtung des ganzen Separatistenzaubers auszu­füllen, schenken wir gerne der Darstellung eines französi­schen Beamten Glauben, der als Mitglied der Jnteralli- ^ irrten Rheinlandkommission bei derneuen Regierung"

und derObersten Heeresleitung" ungehindert ein- und ausgehen konnte. Dieser Beamte, ein Elsässer namens Redelsperger, dem schließlich das ekelhafte Doppelspiel der Rheinlandkommission zuwider war und der seinen Dienst quittierte, schrieb in seinen höchst lesenswerten Erinnerun­genBesetzes Land" über den inneren Betrieb im Schloß: Es sah übel aus im Innern des ehemaligen kurfürstli­chen Residenzschlosses, welches einst so stolze Zeiten gesehen und manches gekrönte Haupt beherbergt hatte in Tagen der Ordnung, des Glanzes, der Herrlichkeit. Die Böden starrten von Schmutz. Beschmiert waren Wände und Fen­ster. Vom Treppengeländer hatte man Teile abgerissen, die Füllungen eingetreten.

Manche Türen hingen schief in den Angeln und an ver­schiedenen anderen war das Schloß abgesprengt, waren die Füllungen eingetreten. Geleerte Konservenbüchsen französischer Provenienz, Papierfetzen, Lumpen und Holzstücke lagen durcheinander in den Korridoren und Zimmern. Viele Fenster hatte man mit Stacheldraht be­wehrt. Die Luft im ganzen Gebäude war entsetzlich. Es roch nach Heringen, Benzin und Karbol. Neben dem Ein­gang zum obersten Korridor stand schußbereit ein Ma­schinengewehr. In diesem Stockwerk hatte die Regierung der Rheinischen Republik in den nach dem Rhein gelege­nen Räumen ihre Arbeitsstätte aufgeschlagen. Es schwirrte von Stimmen , von Kommandoworten und Flüchen. Ordonnanzen eilten hin und wider und Wa­chen standen zu Dutzenden allenthalben umher. Das Schloß zu Koblenz war zum Heerlager eines zusammen­gewürfelten wüsten Abenteurerhaufens geworden Es war eine Verbrecherstation, wie man sie selbst in den betrll- bendsten Zeiten der Geschichte des Rheinlandes nicht ge­kannt hatte. Wenn in diesem Schloß vor rund hundert­dreißig Jahren der ins Rheinland eingefallene Fran­zose gehaust, so waren es jetzt Frankreichs erbärmliche Handlanger, die von ihm Besitz ergriffen hatten und seine Räume durch ihre allem Recht und allen Gesetzen hohnsprechende Anwesenheit entweihten".

So sah es also zwischen den vier Wänden aus, hin­ter denenStaatskabinett" undOberste Heeresleitung" hausten. Uebrigens istnoch bemerkenswert, daß die Fran- > zosen den Separatisten den NamenOberste Heereslei- i tung" gestatteten, während nach dem Versailler Vertrag s eine solche Einrichtung für Deutschland verboten war.

I (Fortsetzung folgt.)

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