Donnerstag, 8. Mai 1939
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Nr. 107
Gegründet 1827
Freitag, den 9. Mai 193V
Fernsprecher Nr. 29
104. Jahrgang
Die Besteuerung der öffentlichen Betriebe
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Hielchssistanzminister Dr. MMenhauer hat dem Reichsrat den Entwurf eines Gesetzes über Erhebungen zur Prüfung der Frage der Besterung der öfs e ntlichs n Be - t r i e b e zugehen lassen. Nach diesem Gesetzentwurf sind die Behörden von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Vorstände von Betrieben mit ei>gener Persönlichkeit des öffentlichen Rechts und die Vorstände von Unternehmungen, deren Erträge ausschließlich Körperschaften des öffentlichen .Rechts zufließen, verpflichtet, den vom Reichssinanz- minister beauftragten Behörden auf Verlangen über die finanziellen und sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der ihnen unterstellten Betriebe Auskunft zu erteilen. Aeußerstenfalls ist Buch- und Betriebsprüfung zulässig.
Dieser Gesetzentwurf knüpft au eine Entschließung des
Reichstags an, die bei der Häushältberatung im Vorjahr gefaßt worden ist und in der die Reichsregierung ersucht wird, die Frage der Besteuerung der öffentlichen Betriebe zu prüfen. Die Notwendigkeit der Besteuerung der öffentlichen Betriebe wird u. a. damit begründet, daß es recht und billig sei, daß auch diese Betriebe wie die privaten, zur Steuer herangezogen uvd nicht einseitig durch Steuerfreiheit begünstigt werden, wodurch sie den Privatbetrieben um so leichter Konkurrenz machen können. Andererseits können aus der Besteuerung der öffentlichen Betriebe sehr erhebliche Beträge gewonnen werden, die es ermöglichen würden, andere, drückende Lasten zu senken. Die Schätzungen schwanken zwischen 100 und 400 Millionen Mark. Der Entwurf wurde heute von den Reichsratsausschüssen beraten.
lagerspiegel
Neueste Nachrichten
Drei neue Botschafter gefordert
Berlin, 8. Mai. Im Haushaltplan des Auwärtigen Amts wird die Umwandlung der gegenwärtigen deutschen Gesandtschaften» in den sogenannten ABC-Staatem Argentinien, Brasilien und Chile, wieder angefordert. Der Reichstag hat die Forderung im vorigen Jahr wegen der Mehrkosten abgelehnt: jetzt glaubt die Reichsregierung, die Forderung durchsetzen zu können.
Bekanntlich sollen die deutschen Bolschafterposten in London (Sthamer) und Rom (Frhr. v. Neurath), sowie der Gesandtenposten in Oslo neu besetzt werden.
Parteiführerbesprechung beim Reichskanzler
Berlin, 8. Mai. Heute mittag, hatte Reichskanzler Brüning eine Besprechung mit den Führern der in der Regierung vertretenen Parteien. Der Reichskanzler ersuchte die Abgeordneten, an ihrem Teil mitzuwirken, daß die Beratung des Haushaltplans im Ausschuß mit möglichster Beschleunigung zu Ende geführt werden. Zugleich machte er Mitteilung über den Inhalt des Ost- Programms der Regierung.
Verfolgung des Islam in Rußland
Warschau, 8. Mai. Die „Gazeta Polska" meldet aus Moskau, das Oberhaupt der Mohammedaner in Moskau, Riza Eddin, der zugleich stellvertretender Präsident des Obersten Rats in Mekka ist, sei verhaftet und ihm jede Verbindung mit Mekka untersagt worden, weil er sich geweigert habe, eine Erklärung zu unterschreiben,daß die mohammedanische Religion in Sowjet-Rußland nicht verfolgt werde.
Der württ. Bauernbund und das Gutachten des Reichssparkommissars
Zu dem Gutachten des Reichssparkommissars schreibt der i „Schwäbische Landmann", die Bundesschrift des württem- ! belgischen Bauern- und Weingärtnerbundes: „Wir vom ! Bauernbund gehören zu den ersten, die bereit sind, zu spa- ! ren und zu vereinfachen. Die voraeschlagene Zentralisation ! der Bezirksverwaltungs- und Gerichtsbehörden bringt jedoch sicherlich keine Ersparnis. Wir halten es nämlich nicht für ein Ersparnis, wenn der Staat für sich eine Million erspart und die Gemeinden und die Bürger haben auf der anderen Seite diese Million wieder aus ihrer Tasche zu zahlen. Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen. Wir waren seither Gegner einer zwangsweisen, übereilten und unzweckmäßigen Reform. Wir möchten unsere Oberamtsstädte, als den geschichtlich und wirtschaftlich gewordenen Mittelpunkt unserer Bezirke erhalten wissen. Wo Aenderungen nützlich und zweckmäßig sind, überlege man alles recht sorgfältig! Es ist ja nicht notwendig, alles unberührt und beim alten zu lassen, aber die Erfahrung hat von jeher gelehrt, daß alle Neuerungen mehr Geld als bisher kosten. Wir empfehlen der Regierung und dem Landtag größte Vorsicht. Was wir haben, kennen wir. Was wir bei Durchführung der Ratschläge des Reichssparkommissars bekommen würden, ist außerordentlich zweifelhakt.
I. Tagung des Bunds Evangelischer Frauen- veretne Württembergs
Ep. Stuttgart, 8. Mai. Am Dienstag begann unter zahl- reicher Beteiligung aus dem ganzen Land die erste öffentliche Tagung des Bunds Evangelischer Frauenvereine Württembergs unter dem Vorsitz von Frau Dr. M. Kraut Der Bund hat sich im Notjahr 1923 gebildet; in ihm sind die bestehenden Frauenverbände zusammengeschlossen zu gegenseitiger Fühlung, zweckmäßiger Verteilung der Aufgaben, einheitlicher Vertretung nach außen und geschlossener Stoß- kraft für die Aufgaben in Volk und Kirche. Er umfaßt jetzt 20 Verbände mit 120 000 Frauen und stellt so ein wichtiges
Stück evangelischer Frauenbewegung dar. Der erste Haupl- vortrag von Frau M. M a i s ch-Stuttgart galt dem Wesen der evangelischen Frauenbewegung, die sich scharf von der Frauenemanzi^ation unterscheidet. Sie ringt nicht nur um die notwendigen Rechtsgrundlagen für das Wirken der Frau, sondern darüber hinaus um die volle Auswirkung echten Frauentums auf alle Lebensäußerungen der Gesamtheit. Sodann sprachen Frl. Lic. Dr. Lydia Schmid und Frl. Else Gmelin über den Weg der Jugend zur evangelischen Frauenbewegung. Beide betonten, daß sowohl die evangelische Frauenbewegung als die evangelische Jugendbewegung aus einem gemeinsamen Boden stehen, da sie beide durch die alleinige Abhängigkeit von Gott in die Freiheit des Dienstes gestellt sind. Am Mittwoch fand die Mitgliederver- sammlung statt. Aus dem Rechenschaftsbericht ist hervorzuheben die Uebernahme der Mitarbeit bei der Frauenstunde im Rundfunk, die Gründung 1>er evang. Eheberatungsstelle in Stuttgart die Werbung für das auf dem Reichenberg geschaffene Landheim für Gefährdete und die Mitarbeit bei der Ausstellung für Ernährung und Körperpflege. Mit einem Zusammensein auf der Villa Berg fand die Tagung ihren schönen Ausklana.
Skuttgark. 8. Mal.
Ehrung. Anläßlich des 50jährigen Bestehens der Akademie des Bauwesens in Berlin wurde u a. Professor Schmitthenner in Stuttgart zum Mitglied der Akademie ernannt.
Todesfall. Im Alter von 74 Jahren ist hier Kaufmann Richard Hecker gestorben. Er war ein Sohn des jung verstorbenen Amtmanns Hecker. Seine Mutter war das bekannte „Lutste", die Lieblingstochter des unsterblichen schwäbischen Sängers Friedrich Silcher. Von der Mutter hatte der nun Verstorbene das liebenswürdige freundliche Wesen, vom Vater die strenge Rechtlichkeit geerbt.
Forstliche Prüfungen. Bei der in der Zeit vom 10. bis 26. April 1930 in Freiburg vorgenommenen forstlichen Vorprüfung sind 12 Prüflinge für befähigt erkannt und mit einem Zeugnis über die Anwartschaft für den württember- gischen Staatsforstdienst versehen worden. Bei der in der Zeit vom 10. bis 26. April 1930 in Freiburg vorgenom- m?nen forstlichen Fachprüfung sind 13 Prüflinge für befähigt erkannt und zu Forstreferendaren bestellt worden.
Von der Tschechen Hochschule. Der Staatspräsident hat die Stelle eines außerordentlichen Professors für Baustoffkunde und Baustoffprüfung an der Bauingenieurabteilüng der Technischen Hochschule dem Oberingenieur Professor Graf daselbst übertragen.
Der tzaushallsausschuß des Reichstags hak den Haushall der Reichswehr bewilligt. Auf sozialdemokratischen Antrag wurden vorder ersten Rate von 800 000 Mark für den Reubau eines Dienslgebäudes für das Wehrkreiskommando in Münster i. W. 600 000 Mark gestrichen. Ferner wurden Entschließungen der Deutschnalionalen und der Bayerischen Volksvarlei angenommen, die sich gegen die Verlegung von Garnisonen und von einzelnen Truppenteilen richten. Reichswehrminister Grüner erklärte, daß er den Ersah für da» gänzlich veraltete Schifssmaterial der deutschen Flotte für unbedingt notwendig halte und daß er daher entschieden für den Lau der Panzerkreuzers 8 (Erfah für das ausgefchaltek« Linienschiff „Preußen") eintreten müsse.
Im haushallsausfchuß des Reichstags wurde die erste Vaurake für das Panzerschiff 6 (2,9 Mill. Mark) abgelehnk. Dagegen stimmten die Sozialdemokraten, Demokraten, Kam- ! munisten und zwei Zenlrumsabgeordnele. Der Stimme enk- ; hielten sich die Bayerische Volksparlei und ein Ienlrums- abgeordneter. Für die erste Rate stimmten die übrigen Fraktionen und ein Zentrumsabgeordneter.
Die Einladung zur Länderkonferenz in Berlin ist für 30. oder 31. Mai vorgesehen. Die Konferenz dürfte sich wohl auch mit den hannoverschen Wünschen betr. Schaffung einer Gemeinschaft Hannover-Niedersachsen auf Grund des Ar- tikels 18 der Reichsversassung (Zusammenschluß verschie- dener Reichstelle durch Volksabstimmung) zu befassen haben.
Zur Pressereferentin im Reichsministerium für die besetzten Gebiete wurde Josephine Blech ernannt.
Die deutschen Linienschiffe „Hannover" und „Schleswig- Holstein" sind am Donnerstag vormittag im Hasen Phaleron (Athen) eingekroffen. Der griechische Marineminister gibt am Freitag an Bord des griechischen Kreuzers «Amerofs- eln Essen zu Ehren der deutschen Offiziere. Am Samstag veranstaltet die deutsche Kolonie ein Slrandfest.
Der Völkerbundsausschuß für Vorbereitung einer Abrüstungskonferenz ist — auf 3. November d. I. einberufeu. Die Sache hat Zeit.
Die englisch-ägyptischen Verhandlungen sind abgebrochen worden. Die ägyptischen Bevollmächtigten erklärten nach Schluß der Sitzung, es sei unmöglich, durch einen Federstrich aus ihre Rechte am Sudan zu verzichten.
Stuttgart. 8. Mai. Aus der Deutschen Volkspa rtri. Präsident a. D. Dr. Balz, Vorsitzender der Stuttgarter Ortsgruppe der Deutschen Volkspartei, hat in einer gestern abgehaltenen Mitgliederversammlung aus Altersrückstchten sein Amt als Vorsitzender niedergelegt.
In einer Parteiversammlung trat Präs. Bälz für die Aufhebung von Oberämtern ein.
Württ. Landestheater. Am Freitag, den 6. Juni findet voraussichtlich die Erstaufführung der Oper „Leben des Orest" von Ernst K. Krenek, dem bekannten Komponisten des „Jonny spielt auf", statt. An den beiden Pfingstfeier- tagen, Sonntag, den 8. und Montag, den 9. Juni finden wieder zwei Wiederholungen von Richard Wagners „Parsi- sal" statt. Für den 24. Mai ist die Erstaufführung von Ar»
nolt Bronnens „ÄAchael Kohlhaas" vorgesehen, einer Dramatisierung der berühmten Novelle von Heinrich von Kleist.
Deutscher landwirtschastlicher Genossenschafkstag. Auf Einladung des Württ. Landesverbands landwirtschaftlicher Genossenschaften wird der „Reichsoerband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften — Raiffeisen — e. V." seine diesjährige Tagung vom 2. bis 4. Juli inStuttgart abhalten. Die Tagesordnung sieht zwei Hauvtoerlammlun»
Mißglückter Staatsstreich in Spanien
Madrid, 8. Mai. Cs wird gemeldet, die Generale M a k« tinezAnido in Madrid (ehemaliger Innenminister und dem Diktator Primo de Rivera) und Barrera (ehemaliger Gei^ralkapitän in Barcelona) hätten sich zusammengetan, um mit Hilfe eines Teils des Militärs eine neue Diktatur aufzurichten, da die schwächliche und unentschlossene Regierung des jetzigen Ministerpräsidenten General Bero»nguer nicht imstande sei, der schwierigen Lage Herr zu werden. Amtlich werden diese Berichte für übertrieben erklärt. Berenguer sei rechtzeitig benachrichtigt worden und habe die Ueberwachung der Generale angeordnet. Die Liberalen erklärten sich gegen eine Diktatur.
In verschiedenen Universiäten des Landes haben sich die Unruhen fortgesetzt. Die Regierung beabsichtigt, die Universitäten bis zur Abhaltung der Prüfungen zu schließen. Als Agitatoren wurden ausländische Kommunisten festgestellt.
Kulturkampf auf Malta
Rom, 8. Mai. Auf der Insel Malta, der wichtigen Besitzung Englands im Mittelmeer, ist ein Sprachen- und Kulturkampf entbrannt. Ein Teil der Bevölkerung besteht aus Italienern, der größere Teil ist eine Mischung ocu
'Kleinasiaten und Arabern. Die Italiener kämpfen unte? Führung des Klerus, besonders des Bischofs, schon lange gegen die englischeHerrschaft an, die übrige Bevölkerung hält mehr zu England, das ihnen erhebliche Handelsvorteile bietet. Nun stehen Neuwahlen bevor. Der englische Zivilgouverneur, Lord Strickland, hat bei der Regierung in London eine Verschiebung der Wahlen duvchgesetzt und er wird auf nationalistischer Seite beschuldigt, daß er die Verfassung aufhebe., und die Diktatur errichten wolle. Der erste Bischof hat denjenigen, die englandfreundliche Kandidaten wählen, den Ausschluß von den Sakramenten angedroht. Darauf lieh Lord Strickland in allen Orten Plakate anschlagen: Ob die Malteser eine -Regierung wollen, die ihre Interessen schütze oder eine solche, die der Sklave Italiens sei? Der Bischof mißbrauche in mittelalterlicher Rückständigkeit seine geistliche Macht und wolle den italienisch beeinflußten Papst zum Herrn von Malta machen. Bischof Bonzo hielt an Studenten, die aus Italien zurück- kchrten, eine Ansprache un? erklärte, die Stunde sei gekommen, um den Feind der Religion und des Vaterlands, den Lord Strickland, zu bekämpfen. Die Bedeutung dieses Streits geht weit über die Grenzen der kleinen Insel hinaus.