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Mit den illustrierten Beilage» .Feierstunden' .Unsere Heimat', .Die Mode >om Tage'.
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jedem Werktage. — Verbreitetste Zeitung im O.-A.-Bezirk Nagold. — Schriftleitung. Druck und Verlag o. E. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold
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Nr. 108
Gegründet 1837
Donnerstag, den 8. Mai 1930
Fernsprecher Nr. 2S 104. IahkgaNg
Weltgeschichte in Indien
England war für die „Demokratie" in den Krieg gezogen. Im Namen der Demokratie hatte es indische Truppen, Gurkhas und Sikhs gegen unsere Feldgrauen angesetzt. Demokratie war aber auch das Losungswort, das die indischen Truppen in die Heimat Mitnahmen. Demokratie, „Selbstverwaltung" sollte das Geschenk des geretteten Englands sein.
Es kam anders. Aman Ullah, Afghanistans König, der Torwärter am Khaiber-Paß, hatte April 1919 seine Unabhängigkeit England gegenüber erklärt. Eine verblüffende Lag.- Hatte man nicht eben unter dem Vorwand „Zion" von Palästina Besitz ergriffen, um die Landbrücke nach Indien in die Hand zu bekommen?
Hatte man nicht Sondergefandtschaften nach Persien geschickt, um den Weg über Bagdad hinaus zu sichern? Dieser Aman Ullah am anderen Ende der Brücke verdarb das Spiel! Man versteht daß nun von „Selbstverwaltung" in Indien keine Rede mehr sein konnte. Versteht aber auch, daß Aman Ullah spätestens in dem Augenblick entfernt werden mußte, in dem seine Pläne eines um Persien vergrößerten großafghanischen Reichs festere Gestalt gewannen.
Die Enttäuschung Indiens entlud, sich folgerichtig in einer Kette von Unruhen. Im Gebiet von Lahors flammte der Aufstand auf, Amritsar geriet in die Hand der Rebellen, die Nationalbank wurde beraubt und der englische General Dyer schoß im April 1919 — wenige Tage nach der Unabhängigkeitserklärung Aman Ullahs — 1500 unbewaffnete Inder krumm und klein; allein die Zahl der Toten betrug 450. Für ganz Indien war nun klar, in welcher Tonart das „dankbare" England über Selbstverwaltung mit sich reden lassen würde.
Die Lehre, die England erteilt hatte, war — um kein anderes Wert zu gebrauchen — derb. Und ihre Auswirkung war entsprechend nachhaltig und umfassend. Gandhi, den die Engländer schon bei verschiedenen Anlässen als eine peinliche politische Begabung kennengelernt hatten, baute auf die Erfahrungen von Amritsar seine neue Taktik auf, die Taktik der „Non-cooperation" (Nicht-Mitarbeit), die Taktik des gewaltlosen, passiven Widerstands. Man hat über diese Taktik gelächelt. Man hat gespottet über Gandhi, der mit seinem kleinen indischen Webstuhl umherzog und für die nationalindifche Hausweberei Stimmung machte. Auf den indischen Baumwollbörsen hat man nicht gelächelt und d' m den Kontoren von Manchester und Birmingham hat mau ehrlich geflucht.
Denn hinter dieser einfachen Hausweberei stand der sehr ernste B o y k o t t e n g lif ch e r Waren, der in den letzten zehn Jahren Millionen-Schäden angerichtet hat. Der Europäer, der über den Hauswebstuhl, der über die Gewinnung einiger Kilogramm ungenießbaren Meer-Salzes seinen Spott ausgoß, verkennt das psychologische Ziel, verkennt den Symbolcharakter dieser Hebungen. Er begeht hier denselben Irrtum, den ein Fremder begehen würde, der das Christentum als die Religion charakterisierte, in der man zwei rechtwinklig aufeinandergenagelte Balken — das Kreuz — anbetet! Diese Uebungen Gandhis sind offenbar mehr als „Drill und Erziehung", sie sind Einübung der Masse n s e e l e, sie sind eine national und religiös untermauerte Erziehung zum wachsenden Widerstand.
Tatsache ist jedenfalls, daß die „Grade" des gewaltlosen Widerstands wuchsen. Von der selbstgewebten einfachen Baumwollkleidung über die no ch symbolisch gemeinte Gewinnung einiger Kilogramm ungenießbaren Salzes schritt man zur Niederlegung der Lsmter in den Gemeindeverwaltungen und zur Aufforderung der Steuerverweigerung. Diese beiden Mißnahmen, die aus dem begrifflichen Boden der „Nicht-Mitarbeit" gewachsen sind, stellen sehr erhebliche, sehr aktive politische Kampsmaßnahmen dar, wohl geeignet, der englischen Verwaltung nicht nur Schwierigkeiten zu bereiten, sondern sie in Unordnung zu bringen. Gerade das letztere scheint durch zahlreiche Aemterniederlegungen erstaunlich gut gelungen zu fein.
Gandhi ist also verhaftet. Ob die moralische Lage, in der sie erfolgte, für die englische Verwaltung besonders günstig ist, läßt sich von hier aus nicht beurteilen. Nicht beurteilen kann man auch die Zweckmäßigkeit der Maßnahme. Das sind aber schließlich alles englische Sorgen, Sorgen des Tags, die am Ablauf des Stücks Weltgeschichte, das in Indien abrollt, nicht viel ändern. Man darf aber, ohne es erst noch beweisen zu müssen, ruhig der Meinung sein, daß die indische Bewegung keine Führerfrage mehr ist; es ist sogar denkbar, daß sie ohne Gandhi energischer zum Ziel strebt, als mit ihm.
Der Engländer pflegt auf die Größe des indischen Landes, auf. die Buntheit seiner völkischen, religiösen und sozialen Gliederung zu verweisen; diese Gegensätze schlössen eine einheitliche nationale Bewegung in Indien aus — der Engländer dürfte hinzusetzen, daß seine Verwaltung nichts unterläßt, diese Gegensätze zu schüren. Gewiß, diese Verbältnisse sind scheinbar unveränderliche Stützen der englischen Indienherrschaft. Aber sind sie wirklich unveränderlich? Trotz gelegentlicher Zusammenstöße zwischen Mohammedanern und
iMo-us, dis, wie Gandhi behauptet, meist von englischen Agenten hervorgsrufen sein sollen, ist eine Milderuua des religiösen Gegensatzes im Gang. Beide Lager haben begriffen, daß ihre religiösen Streitereien nur den Engländern nützen. Seit zehn und mehr Jahren steht auf den Tagesordnungen der allindischen Kalifatskongrefse die Forderung oes a l l i s l a m i s ch e n B u n d s, der von Indien bis nach Kleinasien und Palästina reichen soll.. Diese panislamische Selbständigkeitsbewegung scheint bereits einen hohen geistigen und politischen Stand erreicht zu haben; es sollte- den Engländern schwer fallen, neueReligionskriege anzuzetteln, wie sie bisher ein Pfeiler ihrer Herrschaft waren. Weiter ist in den groß-m Städten ein massenhaftes Industrie- Proletariat herangewachsen, das sich um die alte indische Zerrissenheit nicht mehr kümmert, das mit dem Nationalismus ein Stück Weg gemeinsam gehen wird, soweit es nicht von vornherein der Werbung Moskaus verfällt. Bedenkt man noch, daß in Indien eine beispiellose Landflucht Platz gegriffen hat, eine fortschreitende Ansammlung der Bevölkerung in den Städten, die so zu Zentren der Politik werden, daß weiterhin eine ständig wachsende städtische Bildungsschicht in das Lager des nationalen Radikalismus abschwimmt, dann wird man feststellen müssen, daß die Voraussetzungen der englischen Herrschaft jn Indien heute andere sind als zur Jahrhundertwende. Die indische Bewegung stellt,sich demnach dar als Bestandteil jener großen Selbständigkeitsbewegung, die alle Völker Asiens vor.-der Küste des Stillen Weltmeers bis zur Küste des Mittelländischen Meers ergriffen hat. Tempo und Rhythmus dieser Bewegung können wir chcht abschätzen, wir sehen nur das Ziel.
Und hier ist der Punkt, an dem England gerne an Deutschlands „Kultursolidarität" erinnert. Der Deutsche, sagen sie, dürfe nie vergessen, daß es hier um die „Vorherr« schast der weißen Rasse" gehe. Die Befreiung Indiens sei das Signal für eine allgemeine Jnmarschsetzung der Massen Asiens gegen die weiße Kultur. Indiens Waren, Asiens Wa
ren wurden die Weit überschwemmen, mit einem Worte „Völker Europas, wahrt eure heiligsten Güter!" Die Engländer hätten doch vor Versailles an diese Möglichkeit denken sollen! Damals waren ihre Knock-out-Politiker versessen, aus Deutschland den Pariastaat Europas zu machen. Man ließ uns leben, damit wir fronen! Woher soll da die deutsche Begeisterung für Englands Interessen in Indien kommen? Auch dang, wenn man die ganze Frage ohne Empfindsamkeit betrachtet, wird man eine Vorfrage klären müssen, ehe man die englischen Wünsche prüft, die Vorfrage: ist denn diese Beweguna der Küstenvölker von Kairo—Haifa nach Kanton und Schanghai überhmtpt aufzuhalten? Wir sind überzeugt, sie istnicht aufzuhalten. Und weil wir dieser Ueberzeugung sind, gibt es hier für vfis keine andere Politik als die, die schweren Verluste, die uris Versailles in Europa bereitet hat, auf dem asiatischen Gebiet möglichst auszugleichen. Das deutsche Hemd liegt uns näher als der englisch« Mantel.
Die Unruhen in Indien
London, 7. Mai. In ganz Indien wurde der Trauertag wegen der Verhaftung Gandhis eingehalten. In Kalkutta und besonders in Delhi kam es aus diesem Anlaß zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei. Es gab zahlreiche Lote und Verwundete. Gandhi schrieb an den britischen Btzekönig, er lehne die Verantwortung für die Gewalttaten ab; Gewalt könne nur durch reine Nichtgewalt beseitigt werdrn.
Die Inder in O st - und Südafrika, auch die m o« hammedanischen. feierten den 6. Mai als Trauertag.
Eine Wartung aus Indien an die französische Geschäftswelt
Bei der Handelskammer in Roubaix (Frankreich) ist ein Telegramm aus Delhi eingegangen, bei der Lieferung von Stoffen und Webwaren nach Indien sei größteVorsich t zu beobachten, da die Waren infolge des Boykotts der
Auskünfte des Rekchswehrministers
Berlin, 7. Mai. Der Haushaltausschuß des Reichstags trat gestern in die Beratung des Haushalts des Reichswehrministeriums ein. Die Sozialdemokraten brachten einen Antrag ein, an den Forderungen für Gefechts- und Geländeschießübungen, Waffen, Munition, Heeresgerät, Pionierwesen, Befestigungen, Nachrichtenwesen usw. erhebliche Kürzungen vorzunehmen.
Reichswehrminister Grönc- r erklärte: Das Ministerium ist mit äußerster Einschränkung vorgegangen in gemeinsamer Arbeit mit dem Reichsfinanzminister und dem Reichssparkommissar. Der vorliegende Haushalt hat die Billigung der vorigen Regierung gefunden. Die Ausgaben fürBauten werden sich nicht vermeiden lassen, denn unseren Soldaten, die zwölf Jahre in den Kasernen leben, können -wir nicht mehr Wohnungszustände zumuten, wie sie die alten Kasernen boten. Die Zusammenlegung und Verlegung von Garnisonen macl t der Heeresverwaltung manche Sorge. Viele der alten Exerzierplätze sind für die moderne Reichswehr absolut unbrauchbar geworden. Was die politischen Zersetzungsbestrebungen betrifft, so möchte ich kein.» Zweirei darüber lassen, daß ich rücksichtslos allen Versuchen, den Gehorsam in der Reichswehr zu untergraben, entgegen- treten werde. Den Zwang zur Beförderung eines bestimmten Hundertsatzes der Mannschaften mußte ich absolut ablehnen. Dagegen sind wir eifrig bestrebt, durch Herausheben fähiger, begabter Menschen aus den. Mannschaften dem Offizierskorps irisches Mut zuzuführen. Für den Ofiizierersatz ist keine Protektion" entscheidend. Die Klagen über „unmenschliche Behandlung" der Soldaten sind nicht begründet. Die Herbstmanöver werden wir
beibehalten müssen, um in der Truppenführung auf de- Höhe zu bleiben. Bei der Beschaffung von Waffen uni» Munition wäre Sparsamkeit schlecht angebracht.
Den Abgg. Schöpf! in und Dr. Köhler stimme ich zu, daß es „unhonorig" wäre, wenn ein Reichswehrofsiziev nach seiner Verabschiedung einer „staatsfeindlichen" Partei beiträte. Solche -Fälle sind nicht vorgekommen. Auf Offiziere des alten Heers habe ich keinen Einfluß. Ich habe aber den Wunsch, daß zwischen dem Offizierrorps des neuen und dem des alten Heers die innigsten kameradschaftlichen Verbindungen bestehen. Freilich werden die Offiziers der alten Armee bei mir den schärfsten Widerstand finden, wenn irgendwo etwas vorkommt, was wir nicht dulden dürfey bei den Offizieren der neuen Wehrmacht. Aber solche Fälle sind eigentlich so gut wie ganz verschwunden. Um auch äußerlich diese Verbindung zum Ausdruck zu bringen, werde ich für die nächsten Herb st Manöver auch ein« Anzahl Offiziere des alten Heers einladen. Wir werden dazu auch ÄHeordnete und Vertreter der Presse einladen, um eine weitere Entgiftung der Atmosphäre herbeizuführen, die jetzt noch manchmal das Verhältnis zwischen Volk und Wehrmacht stöU., Um eine einseitige politische Pressebeeinflussung der Offiziere und Mannschaften zu verhindern. Haber, wir angeordnet, daß die Presseberichte mit den Auszügen aus der Presse aller Parteirichtungen in den Kameradschaftsheimen ausgelegt werden. Der Andrang zur Reichswehr ist nach wie vor sehr stark. Nach der Ausscheidung der gesundheitlich Untauglichen betrug das Ver- bältnis der Angenommenen zu den' Bewerbern bei den Mannschaften 1:9, bei den Offizieren 2:8. Die Preisprüfung wird sehr gewissenhaft vorgenommen. Die Preisprüfungsstelle habe ich selbst an mich gezogen. ^ ..._ ^
Die deutschfeindliche Saarregierung
Saarbrücken, 7. Mai. In der gestrigen Versammlung des saarländischen Landrats (eine Art Landtag) wurden Klagen oorgebracht, daß die französisch-völkerbündliche Saarregierung planmäßig deutsche Arbeiter vom Saargebiet fernhalten rnter dem Varwand, es gebe im Saargebiet selbst genug. Landjäger werden von Betrieb zu Betrieb geschickt, die feststellen sollen, ob in diesen Betrieben „Ausländer" d. h. D-ritsche aus dem übrigen Reich beschäftigt seien. Die Unternehmer erhalten dann die Aufforderung, sie sofort zu entlassen. Dafür zieht aber die Saarregierung eine Menge wirklicher Ausländer. Franzosen, Italiener, Belgier und Polen ins Land, und sie geht so weit, daß sie, wenn ein polnischer Handwerker wegen der fehlenden Vorbildung die Erlaubnis zur Lehrlings^ Haltung nicht bekommt, dem Polen die Erlaubnis von sich aus erteilt. Unter „Ausländer" versteht die Saarregierung
vveryaupt nur Reichsdeutsche. Dem Direktor eines größeren Unternehmens bei Saarbrücken wurde die Aufenthaltserlaubnis verweigert, wenn er nicht einer französischen Mamsell einen bevorzugten Posten in seinem Betrieb übertrage. Der Stadt Saarbrücken wurde untersagt, bei einer Bauzuschußordnung die saarländischen Arbeiter zu
bevorzugen, weil sich die lothringischen Handwerker dadurch benachterlkA fühlen würden. Die Saarregierung fahre auch, wie Äbg. Schmelzer besonders hervorhob, fort, durch schärfsten Druck, Entlassung usw., die Kinder der saarländischen Bergleute in die französischen Schulen hineinzuzwingen. Auf eine Anfrage des Landesrats, wann der vertragswidrige „Bahnschutz", d. h. die Besatzung des Saarlands auf Grund des Neuen Plans zurückgezogen werde, gab die Saarregierung die kurze Antwort, diese Frage werde vielleicht im Juni erörtert.