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Nagolder TagblattTer Gesellschaster'

Samstag, 21. Dezember 1828

Darlehen für Nolstandsarbeiken. Das Landesarbeitsamt Südwestdeutschland hat für Notstandsarbeitdn in Groß- Stuttgart ein Darlehen von 74 400 «st zu 5 o. H. zugesagc.

Sommunistenkundgebung im Rathaus. Räumung der Tribüne. Die Kommunisten hatten in der gestrigen Sitzung des Gemeinderates ihren schon in zwei vorangegangenen Sitzungen abgelehnten Antrag auf Gewährung einer außer­ordentlichen Weihnachtsbeihilfe für Arbeits­lose wiederholt. Bürgermeister Dr. Ludwig wies auf die bereits bewilligten Herbst- und Weih­nachtsbeihilfen hin und stellte fest, daß Stuttgart mit seiner Arbeitslosenunterstützung so ziemlich an der Spitze aller Großstädte stehe. Als die übrigen Fraktionen sich gegen den Antrag aussprachen, riefen von der Tribüne des Rathaussitzungssaales mehrere jugendliche Kommunisten Schimpfworts in den Saal hinab, worauf der Borsitzende nach zweimaliger Verwarnung die Tribüne räumen ließ. Das ist das erstemal seit dem Bau des Rathauses (1905), daß die Räumung der Tribüne nötig wurde.

Die Arbeitslosen führten in ihrem Aufzug zum Rarhaus einen Tannenbaum mit, an dem einige vertrocknete Heringe hingen, dahinter einen Sarg. Gegen das Mitführen des Sargs wurde von der Polizei eingeschritten, aber der Sarg wurde zertrümmert, bevor er in die Hände der Polizei fiel.

Der beleidigende Pfennig. Im November war ein Auto­mobilist mit einer Ungebührstrafe von 10 RM durch das Oberamt Geislingen bestraft worden, weil er eine Geld­strafe im Betrag von 11 RM durch Uebersendung einer Schachts mit 1 und 2-Pfennig-Kupferstücken beglichen hatte. Das Ministerium des Innern hat auf die Beschwerde des Autobesitzers geantwortet, daß dar Oberamt Geislingen da­von ausgehen durfte, daß es ihm bei der Einsendung der Pfennigstücke nur um eine Belästigung und Verhöhnung dkr Behörde zu tun war. Das Oberamt habe ihn deshalb mit Recht in eine Ungebührstrafe genommen.

Oberndorf a. R.. 20. Dez. Hundetreue. Ein Hunde­züchter von Beffendorf verkaufte eine edle deutsche Schäfer- Hündin nach Lauterbach bei Schramberg. Von dort wurde sie drei Wochen später nach Lahr in Baden Weiterverkaufs und mit der Bahn dorthin befördert. Dort wurde das Tier noch einmal verkauft und entlief seinem Herrn nach sechs Wochen an einem Donnerstag. Schon am Freitag morgen war der scharfsinnige Hund bei seinem alten Herrn in 3ef- fendorf. Der Lahrer Besitzer scheute den Weg nicht, mit dein Rad nach Beffendorf zu fahren und seinen ihm lieb ge­wordenen Hund abzuholen.

Vom bayerischen Allgäu, 20. Dez. Racheakt. Ver­kehrs st örungen. Der ledige frühere Wärter Geiß­le r in Memmingen stieg in der Nacht in das Gehege seines früheren Dienstherrn, des Majors Petersen, Besitzer einer Silberfuchsfarm, holte sich zwei Silberfüchse, tötete sie und warf sie über den Zaun. Infolge der starken Schneefälle im Allgäu haben die Züge beträchtliche Verspätungen, teil­weise bis zu zwei Stunden. Das Postauto von Kempten nach Reute konnte die Fahrt wegen des hohen Schnees nicht antreten, ein ihm entgegengesandtes Postauto von Kempten konnte nur bis Bodelsberg durchkommen.

Tettnang, 20. Dez. Ungetreuer Po st beamte r. Unregelmäßigkeiten sind am Schalter des hiesigen Postamts vorgekommen. Eingezahlte Beträge auf Postanweisungen und Zählkarten wurden nicht weitergeleitet und durch spä­tere Einzahlungen gedeckt. Bei einer Revision durch den Postamtsvorstand kamen diese Schiebungen zutage und nach der Nachprüfung durch einen Vertreter der benachrichtigten Oberpostdirektion wurde der betreffende Beamte, Postsekre­tär Sch m i d aus Herrlingen, seines Dienstes enthoben. Ein bisher festgestellter Fehlbetrag von 1000 «st ist erseU worden.

Aus Stadt und Land

Nagold, den 21. Dezember 1929.

Arbeit! Köstlichste der Gaben! Laß Gott danken, daß wir Dich haben; machst alles vergessen: Zeit, Sorgen und Not. Das Erz aus dem Boden geschasst! Her alle Geisteskraft! Und keinen Tag vergafft! So wird Brot.

Wilhelm Zondors.

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Brüderlichkeit

Zum 4. Advent

Oekonomische und politische Programme sind zeitlich. Sie ändern sich mit den Menschen und den Verhältnissen, mit der Rasse und dem Klima. Sie werden darum aber nicht mit weniger Leidenschaftlichkeit verflochten. Sie kämp­fen für ihr« Programme und nehmen für diesen Kampf in Anspruch, daß es ein Kampf für die Wahrheit ist. Es ist gut, sich immer wieder darüber klar zu werden, daß alle diese Programme nur Wahrheiten der Zeit Md-

Es gibt «in Programm, das ist überökonomisch und überpolitisch, das ist zeitlos. Darum hat es zu allen Zeiten viele Menschen bis zur Lebenshingabe angefaßt und ist doch zu allen Zeiten immer nur von ganz wenigen ver­standen worden: das ist die göttliche Botschaft von der Liebe und der Brüderlichkeit. Ihr Licht ist Heller als die Sonne und sie durchdringt alle Finsternis. Darum hat Weihnachten trotz der vergangenen Jahrhun- derte.immer noch seine alte Bedeutung auch in einem Le- den, das so stark von Zwietracht, Konkurrenzneid und Klas­sengegensatz beherrfcht ist wie die heutige.

Immer ist diese Botschaft getrübt worden, wo man ste von dem ablösen wollte, der sie uns brachte, wo man sie mit dem engen Rahmen eines politischen oder ökono­mischen menschlichen Programms gleichsetzen wollte. Aber es geht nicht und wird nie gehen; immer ist wieder ein böses Zerrbild aus der Botschaft der Brüderlichkeit ge- worden, wo man sie ohne ihn verkündigen wollte. Für ihre Reinerhaltung braucht man die zeitlose Gestalt dessen, der sie verkündigte und vorgelebt hat. Ilnter seinem stetigen Einfluß aber erkennt man immer deutlicher, daß eine Besse- rung der menschlichen Verhältnisse nicht erreicht werden kann, es sei denn, derschöpferische Einfluß göttlicher Liebe wird in sie eingeführt". .

Wird das deutsche Volk in der kommenden Wechnachts- zeit diese göttliche Botschaft wieder mit. aufgeschlossenem, unvoreingenommenem Herzen vernehmen? Die Botschaft, daß die Besserung des Lebens nicht durch eine Steigerung des Besitzes, des Umsatzes und der Dividenden, des Pro- fits und des Ruhms liegt, sondern in der klaren, sozialen Auswirkung des Glaubens an die F leischwer* düng der göttlichen Liebe, die wirklich arm und reich, hoch und nieder umspannt und nur scheidet zwischen den Menschen, die guten oder widerstrebenden Willens sind. tt.

Freiheit!

Haft do Frieden? Hast du Freiheit? Hast du «rot? Hast du Arbeit? Und wenn du es hast: wie lange noch?

Bald neun Zehntel aller Deutschen schuften für Fremde.

Der Feindbund sagk: das geschieht euch recht, denn ihr seid am Krieg schuld!

Eine kurze Frage cm dich, Landsmann! Ob du Sozial­demokrat oder Nationalsozialist, Demokrat oder Deutsch- national, Zentrumsmann oder Kommunist oder sonstwas^ bist, ist gleichgültig. Du bist Deutscher. Also:

Bist du etwa schuld am Krieg? Nein?

Dann sag's doch! Sonst mußt du büßen.

Du kannst es jetzt am 22. Dezember beim Volksentscheid sagen, indem du das .3a' für das Freiheiksgesetz ankreuzest. Was steht in dem Freiheitsgesetz?

Erstens:

Das Anerkenntnis, daß wir am Krieg schuld sind, wird gestrichen.

Zweitens:

Wir bezahlen keine neuen Tribute, die auf dieser Schuldlüge beruhen.

Drittens:

Ein Minister, der sie uns trotzdem aufhalst. macht sich fortan strafbar.

Wenn dir dieses Gesetz nicht paßt, wenn du mehr Steuern zahlen und wiederum erhöhte Abgaben auf Tabak, auf Bier, auf Streichhölzer, auf Gas. auf Fahrkarten und auf Licht willst, so kreuze am 22. Dezember das .Nein' an. Und wenn du gor nichts willst, dann bleibe zu Hause!

Willst du aber die Freiheit, dann stimme am Goldenen Sonntag in deinem Wahllokal mit «Ja' für das Freiheits- geseh.

Das ist das wertvollste Weihnachtsgeschenk, das du dir und den Deinen machen kannst!

Landesausschuß Württemberg für den Volksentscheid.

Abgestimmt wird in Nagold am Sonntag, den 22. Dez. von morgens 9 Uhr bis abends 6 Uhr in geheimer Ab­stimmung im Rathaussaal.

Dom Rathaus

Gemeinderatssitzuug vom 18. Dezember 1929.

Anwesend: Der Vorsitzende und sämtliche Gemeinderäte.

Im Beisein von Dekan Otto und Stadtpfarrer Wetzel fand zunächst eine Sitzung der Ortsfürsnrgebehörde statt, in der die übliche Weihnachtsgabenverteilung vorgenommen und eine Aufnahme als Spitalinsasse in den städt. Spital geneh­migt wurde. In der cmschließenven Gemeinderatssitzung wurde mitgeteilt: Ein Beschluß des Bezirksrats über die Bei­tragsleistung zu einem neuen Bodenbelag der Landwirt- schaftsschule und über die Regelung der Stellvertretung für den Ortsbautechniker, Stadtdaumeisler Benz, in Krankheils­und Erholungsurlaubszeiten durch Oberamtsbaumeister Schlei­cher. Von der Zentralkaffe zur Förderung des Feuerlöschwesens ist zur Erweiterung der Feuermelde- «. Alarmanlage und zur Anschaffung von Rauchmasken em Beitrag von 217 Kik verwilligt worden. Einige Angelegenheiten, den Wald be­treffend, wurden erledigt, darunter die unentgeltliche Abgabe von Pflanzen an die eoang. Kirchengemeinde und einiger Christ­bäume an das Bezirkskrankenhaus. Der Schuldienerin Frau Kemmler wird für die Heizung und Reinigung des neuen Lehrerzimmers der Realschule mit Lateinabteilung eine monat­liche Zulage von 5 Ks verwilligt. Kenntnis genommen wird von dem Kassenbericht der Stadtpflege vom Nov. ds. Js. Darnach ist der laufende Kredit bei der Oberamtssparkasse und Gewerbebank mit über SO 000 «A in Anspruch genommen. Die Steuern gehen sehr langsam ein. Bon rd. 280000 «1L sind auf 1. Dez. erst 01000 «K bezahlt, obwohl »/. der Steuern verfallen ist. Um den Lieserungsverpflichtungen gegenüber Staat und Amtskörperschaft und auch den sonstigen Verpflich­tungen Nachkommen zu können, wird beschlossen, den lausenden Kredit bei Bank und Sparkasse vorübergehend von je 15000 «^k auf 50000 «^l zu erhöhen.

Festsetzung der Ortslöhne: Das Oberversicherungsamt beabsichtigt, die Orrslöhne für das Jahr 1930 und 193 t neu festzusetzen, und zwar wie bisher nach 3 Lohngruppen. Die Lohngruppe 1 ist künftig nur noch als Spitzengruppe für Siutt- gart und einige wenige andere Gemeinden gedacht. Bisher war der Bezirk Nagold in Lohngruppe 3, dagegen oer ganze Be­zirk Calw in 2. Die Aeußerung des Gemeinderats geht dahin, Nagold in die Lohngruppe 2 einzuweisen. In dieser soll künf­tig der Ortslohn betragen: für Versicherte über 2l Jahre männl. 4.50 «1t, weibliche 3.20 »lit. Für Versicherte von 16 bis 21 Jahren männl. 3.50 «1t, weibl. 2.50 «1t. Für Versi­cherte unter 16 Jahren männl. 2.20 «1t, weibl. 1.50 «^k. Der

«mm»«!»

Unsere Beilagen enthalten:

Politische Wochenschau

Die Wandlung, Der Deutsche von gestern, heute und morgen

150 Tahre Pserdekräfte Stille Nacht, Gedicht Wintersonnenwende und Weihnacht Uhrpantofseln, Skizze Mettensau

Verschneites Glück, Skizze Vom Weihnachtskarpsen Meeresgrauen, Skizze Meah sche'marum

Die Natur in der Nacht von Bethlehem Meah sche'marim Schatzkästlein des Wissens.

Hiezu der Roman:Gestalten der Grenzen".

Gestalten der Grenze, Roman.

j Ortslohn hat hauptsächlich Bedeutung für die Bemessung der landwirtsch. Unsallrenten und die Invaliden Versicherungssachen.

Wahl der Mitglieder des Nachlaßgerichts und der örtl. Inventurbehörde. Auf die nächsten 3 Jahre hat der Gemeinderat die bisherigen Mitglieder wiedergewädlt. Dem Nachlaßgericht gehören an außer dem Orisoorsteher Gemeinde- rar Kläger und als Stellvertreter die Gemeinderäts Häuß- ler, Stikel, Strenger, Weirbrecht und Hezer und der Jnventurbehörde ohne den Ortsvorsteber, der darauf verzichtet hat, dieselben Mitglieder und Slellvenreler.

Kreuzertalbachkorrektion. Baurak Groß jo Hann be­richtet über den Gang der Arbeiten und über die Führung des Schlußstücks vom Durchlaß bis zum Löwen. Ursprünglich war vorgesehen, besonders mit Rücksicht auf die Beschaffung einer Möglichkeit der Entwässerung der Gebäude der Herrenberger­straße, den Kanal in der Herrenbergerstraße zu führen. Das Abwasseramt hat aber anläßlich der Neubearbeitung des Ka nalisationsplans für das ganze Stadtgebiet überzeugend dcn- yelan, daß eine Verbindung der häuslichen Abwasser nnl dem Bachwasier jedenfalls dann nicht mehr möglich märe, wenn etwa in späterer Zeit eine zentrale Kläranlage nötig würde. In solchem Fall müßte in der Herrenbergerstroße, ebenso wie in allen anderen Straßen, ein besonderer Abwafferkanal geführt werden. Eb ist deshalb richtiger, den Kreuzerialbachkanal mehr dem natürlichen Lauf des BacheS zu folgen, zumal der Herreu- bergeistraßekanal auf 31 300««, der Kanal hinter der Schneps' schen Fabrik, zwischen Schwane und Bäcker Tränker hindurch auf 30 500 ««, (hier ist der Untergrund für die Bauarbeilen voraussichtlich schwierig, ebenso die Fundamente oer Nachbar­gebäude in dem engen Raum schwer zu stützen) und der Ka­nal durch den Schnepsstche» Ausfüllplatz östlich der Schwane in die Herrenbergerslraße aut 2X500 «« zu stehen kommt. Nachdem die beteiligten Grundstückseigentümer der Füaruna des Kanals durch das Weilbrechl'sche und Hesp.ler'sche Grundstück über den Schnepf'ichen Lagerplatz und den Schwanenmirt Wolber'sche» Garten zugestumnl haben uns der Stadt hiedurch keine besonderen Kosten entstehen, wird nach eingehender Beratung beschlossen, diese Kanaltraze zu wählen. Mit den Bauarbeiten soll als NolsiandZnrdeii im neuen Jahr fortgefahren werden, wenn die Witteiungsverbältmsse es erlau­ben. Es ivird noch milgeteilt, daß die Reichsbahn gegen den Anschluß des Kanals beim Eisenbahndurchlaß nichts >-n,zuwen­den hat, daß sie aber einer Ueberdeckuna des Kanals unmittel­bar im Anschluß an den Durchlaß mit Rücksicht auf die Sicher heit des Durchlaßaemäuers wcht zustimmen körne.

Uebcr die künftige Führung der Querstraße von der Herreubergerstraße, ob in Verlängerung der Leonhardftraße ober der Hohestraße, also mit Einmündung im elfteren Falle unmittelbar unter dem Durchlaß und im letzteren Falle unter dem Weilbrechtsche» Anw>se», hat die Orlsvauplanderatungs- stelle des Innenministeriums ein eingehendes Gutachten abge­geben. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte kommt sie aus sicherheitsvoliznliche», städtebaulichen und finanziellen Gründen zu dem Ergebnis, daß die Straße, die nicht Verkekrsstraß', sondern mehr Wohnstraße werden soll, unterhalb des Weitbieckst- schen Anwesens zu führen sei. Dieser Auffassung stimmen au^h alle sonst gehörten Sachverständigen, insbesondere die Straßen- vertreter der Min.Abt. für den Skr ßen- und Wasserbau zst. Unmittelbar unterhalb eines unübersichtlichen Durchlasses sollesi keine Straßen mit starker Kurve abzweigen, wenn es anders gemacht werden kann. Der G.Rat stimmt schließlich dem Gut­achten der Beratungsstelle zu. Eine ortsbauplanmäßige Durch führung des Straßenzugs kommt bei dem Mangel an Mitteln derzeit nicht in Frage. Dagegen muß in Betracht gezogen werden, daß das Aushubmaterial des^kreuzerlalbachs für die Sradt unentgeltlich zur Anfüllung der künftigen Straße ver­wendet werden könnte. Wenn der Grunderwecb möglich ist, so soll wenigstens die Straßenanfüllung erfolgen.

Zum Schluß der vierstündigen Sitzung wurden noch Te- kceturen, Schätzungen und kleinere unbedeutende Gegenstände erledigt.

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Sitzung des Frauenortsschnlrats vom 20. Dezbr.

Die Sitzung des Ortsschulrats der Frauenarbeitsschule galt der Verabschiedung der Leiterin dieser Schule, Frl. Oberlehrerin Klara Mayer, welche infolge Krankheit in den Ruhestand getreten ist. Der Vorsitzende, Stadtschultheiß Maier, führte dabei etwa folgen­des aus:

Am 1. Januar 1894 kam Frl. Mayer nach Nagold, um die Ende 1893 von den bürgerlichen Kollegien nach wiederholten Be­ratungen und Beschlußfassungen neu errichtete Frauenarbeitschule zur Fortbildung der schulentlassenen Mädchen in Handarbeit, Ma> schinennähen, Kleidernähen. Zeichnen usw. ins Leben zu rufen, in Stadt und Bezirk einzusühren und ihren Ruf zu festigen. Der jungen, damals 22jähr. Lehrerin war keine kleine Aufgabe gestellt, aber sie hat diese Aufgabe mit großer Energie und Tatkraft angesaßt und schon nach einem Jahr war der Andrang zu dieser neuen Schule so groß und zwar aus Stadt und Bezirk, daß eine 2. hauptamtliche Lehrerin angestellt werden mußte. Auch dieses. Stelle wurde zu einer Dauereinrichtung wie wir ja heute jeststellen können. Immer wieder durfte Frl Mayer den Erfolg ihrer unermüdlichen zielbewußten Arbeit sehen. Freilich ging es. wie überall im Leben, oft nicht so glatt ab und es waren manchmal auch Krisen und Tiefstände zu überwinden. Besonders schwierig war die Zeit der Kriegs- und In­flation »fahre, der ständige Wechsel der Lokale wegen der Einrichtung der Lazarette, der Mangel an Stoffen und an sonstigen Lehr- und Lernmitteln, die Umgestaltung nach dem Kriege, und hie Anpassung an die neuen Formen nnd überhaupt an die. neue Zeit. Aber auch Höhepunkte hat Frl. Mayer und mit ihr die ganze Anstalt in dem 36jähr. Bestehen erleben dürfen. Dies gilt besonders für den Um­zug im Jahr 1912 aus den bisher ungenügenden Räumen in die modernen Räume der neuen Gewerbeschule, das gewaltige Aufblühen der Schule nach dem Kriege und den ununterbrochenen Erfolg da durch, daß die Lehrerinnen es verstanden haben, die Schule und Lehrtätigkeit dem praktischen Leben anzupassen. In manchen Zeit­läuften, besonders in der Zeit nach dem Kriege hatten die Lehrerin­nen sich so stark einzusetzen, daß es über ihre Kräfte ging. In vie­len Kursen waren die Klaffen überfüllt, es kam hinzu, daß sie frei­willig noch die Nähabende übernahmen und auch sonst bereitwillig einspraugen, wo es nötig mar. Dabei möchte ich nicht unerwähnt lassen, die große Arbeit, di« sich Frl. Mayer während des Kriegs durch die Uebernahme der Wäscheabteilung des Roten Kreuzes und deren Verbindung mit der Frauenarbeitsschule auferlegt hat.

Mit hoher Befriedigung darf Frl. Mayer auf ihre Lebensarbeit, aus eine 36jährige, ununterbrochene, gesegnete Tätigkeit an der Schule zurückblicken. Wie viel Schülerinnen in Stadt und Bezirk hat ste herangebildet und für den Hausfrauen-, Lehr- oder anderen Beruf vorbereitet! Wir sind gewiß, daß ihre Schülerinnen für ihre Mühe und ihre Arbeit Dank wissen. Ihre Behörde, die Ministerialabteilung für die Fachschulen, hat den Vorsitzenden beauftragt, Frl. Mayer beim Scheiden aus der Schule besonderen Dank und Anerkennung auszusprechen. Aber ganz besonders dankte der Vorsitzende namens und im Auftrag des Gemeinderats und des Ortsschulrats der Frauenarbeitsschule heute am Abschluß ihrer Lebensarbeit für die Schule, für alles, was sie für Schule und Schülerinnen war und un­getan hatte. Möge die Gesundheit von Frl. Mayer sich weiter bessern und möge ihr ein gesegneter Lebensabend beschieden sein. Das wünsche« wir alle von ganzem Herzen.

Frl. Drautz als stello. Leiterin der Schule dankte Frl. Mayer > vom Standpunkt der Schule aus insbesondere für das harmonische Zusammenarbeiten mit den freundlichsten Wünschen für die Zukunft.

I Frl. Oberlehrerin Mayer erwiderte mit herzlichen DankeSworten. Ein kurzes Zusammensein im Kaffee Gauß beschloß die Abschiedsfeier.