8. Dezember 1928.

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Nr. Z99 Gegründet 1827 Dienstag, den 10. Dezember 1029 Fernsprecher Nr. 2 g

103. Jahrgang

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Regierungserklärung erst am Donnerstag

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Das Reichskabinekt beriet am Montag in mehrstündiger Sitzung die im Reichstag abzugebende Erklärung und den Finanzreformplan.

Reichspräsident v. Hindenburg gab am Montag mittag zu Ehren des Nuntius Pacelli ein Abschiedsmahl, au dem der Reichskanzler, die Reichs- und preußischen Minister und andere Gäste teilnahmen. Die Mitglieder des Reichskabi- netts muhten die Sitzung betr. Beratung der Regierungs­erklärung unterbrechen.

Am Dienstag beginnt in Brüssel die Konferenz der juristischen Sachverständigen für die letzte Fassung des Poung-Plans.

Mit dem achten Transport von 712 Personen sind nun­mehr 4400 Flüchtlinge aus Rußland auf deutschem Boden angekommen. Am Mittwoch oder Donnerstag wird eine weitere Abteilung erwartet. 2m ganzen sollen etwa 7000 Personen zu erwarten sein.

Das Miardengeschenk an Polen

Die Ausführungen, die Vas Memorandum des Reich- bankpräsidenten Dr. Schacht über die finanzielle Bedeu­tung des geplanten Abkommens mit Polen macht, lassen noch eine nähere Klarstellung angezeigt erscheinen. In der Kritik des deutsch-polnischen Finanzabkommens war bisher der Wert des deutschen und preußischen Staatsvermögens, auf das ohne jede ernsthafte Gegenleistung verzichtet werden soll, auf zwei Milliarden Reichsmark, der Wert der deut­schen Privatforderungen an Polen mit 540 Millionen Mark angegeben worden. Daß diese Schätzung bereits mit äußer­ster Vorsicht ausgestellt worden ist, ergibt sich schon daraus, daß die berufenen amtlichen deutschen Stellen noch 1927 den Werk des an Polen gefallenen öffentlichen deutschen Eigen­tums auf drei Milliarden, den der deutschen Privatforde­rungen auf 1362 Millionen Reichsmark beziffert haben.

Die Ziffer von 540 Millionen bei dem letzteren Posten, oon dem inzwischen vor allem die Forderung Chorzow mit 85 Millionen in Abzug gekommen ist, umfaßt also nur die Ansprüche, die nach gründlichster Prüfung als Hieb­und stichfest betrachtet werden können; während die pol­nische Gegenforderung von 800 Millionen aufgelegter Schwindel ist, von dem bei ernsthafter Nachprüfung nur eine Summe übrigbleiben kann, die gegenüber den haltbaren deutschen Ansprüchen überhaupt nicht in Betracht kommt. Damit ist auch ohne weiteres das Urteil über die Versuche gesprochen, den Posten von 540 Millionen deutscher Privat- onsprüche jetzt, auf 240 oder gar nur 135 Millionen zu­sammenschrumpfen zu lassen!

Was aber die Forderungen aus deutschem Staats - vermögen anlangt, so hat der preußische Finanzminister Dr. Höpker-Aschoff am 25. November 1929 in seiner Finanzrede vor dem Staatsrat allein die von Preußen in den abgetretenen Gebieten verlorenen öffentlichen Werte mit 25 Milliarden angegeben; da der preußische Finanz­minister dem Reich gegenüber schwerlich auf dem Stand­punkt des Pferdehandels steht, so muß bei diesem Posten doch wohl auch heute noch die Gesamtzisfer von drei Mil­liarden ebenso vertretbar sein, wie sie es 1927 war.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht hat völlig recht, wenn er sagt, daß der Verzicht hinsichtlich der Privakansprüche die volle Entschädigung der liquidierten Deutschen durch das Reich zur Folge haben müßte. Denn das Recht der von Polen liquidierten Deutschen ausangemessene" Entschädi­gung beruht auf Artikel 297 des Diktats von Versailles, kann also durch keinen Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Polen irgendwie berührt werden. Wenn demnach Deutschland den polnischen Staat vertragsmäßig von dieser Entschädigungspflicht entlastet, dann nimmt es eben diese Verpflichtung, die so lange zu Recht besteht, als nicht etwa der Artikel 297 des Versailler Diktats durch Ueberein- kunft sämtlicher Signatarstaaten außer Kraft gesetzt ist, auf seine eigenen Schultern.

Was bisher in der Frage des deutschen Anspruchs ans Erstattung deutschen und preußischen Staatseigentums im Gesamtwert, von 3 Milliarden Mark geschehen ist, entzieht sich der öffentlichen Kenntnis. Nach Artikel 256 des Ver­sailler Diktats sind diese Werte der deutschen Regierung auf > Reparationskonto gutzubringen. Das bedeutet den klaren deutschen Anspruch darauf, daß Polen dem Reich entweder °das Kapital von 3 Milliarden oder die auf seiner Grundlage zu errechnenden Jahresleistungen also doch wohl min­destens 100 Millionen Mark jährlich auf die Dauer von mehreren Jahrzehnten zur Zahlung der Kriegstribute zur Verfügung stellt. Wenn Deutschland dem Doung-Plan auch noch dielen Verzicht zum Opfer bringt, so vermehrt sich natürlich entsprechend die finanzielle Belastung durch den neuen Tributplan und vermindert sich in gleicher Weise die Spanne zwischen diesem und dem Dawes-Plan.

Wann es Deutschland gelungen wäre, Polen zur Zah­lung ous diesem Posten zu nötigen, sei dahingestellt. Dem

Berlin, 9. Dez. Die Erklärung der Reichsregierung zur Denkschrift des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht soll, wie nunmehr gemeldet wird, nicht am Mittwoch, sondern am Donnerstag erfolgen, und die Abstimmung über den Vertrauensantrag der Regierung soll am Samstag stattfinden. Morgen wird Reichskanzler Müller eine Besprechung mit den Führern der Regierungs­fraktionen haben. Sämtliche Fraktionen werden vor der Entscheidung Sonderberatungen haben. Nach der Abgabe der Regierungserklärung wird sich der Reichstag kurz ver­tagen, damit die Fraktionen zu dem aus der Erklärung zu er­wartenden Finanzprogramm Stellung nehmen können.

Dse Industrie- und Handelskammer H a n n o v e r hat an

München, 9. Dez. Die Beceiligung bei den gestrigen Gerneindewahlen in Bayern betrug 80 v. H. und sie dürfte die Wahlbeteiligung von 1924 noch übertrefsen. Das hervor­stechende Merkmal dieser Wahlen wie bei allen Wahlen im Reich in den letzten Jahren ist das außerordentliche Anwachsen der Nationalsozialisten, die nach vorläufiger Zählung mindestens 62 Mandate neueroberl haben, während die zersplitterst-V ü r g e r l i ch e Mitte etwa 50 Mandate verloren hat., .Stark ist der Rückgang bei den Demokraten und der Deutschen Volks» Partei, die nirgends eigene Listen mehr aufstellten. Da­gegen hat die Re ichspartei desdeutsch enMittel- stands wesentlich zugenommen. Die Bayerische Volkspartei und der Bayerische Bauern- und Mittelstandsbund haben ihren Besch im großen und ganzen behauptet, ebenso die Sozialdemokraten und die Kommunisten. München, Augsburg und Negens- burg haben eine sichere bürgerliche Mehrheit. Im ganzen bedemen die Wahlen eine kleine Verschiebung nach rechts.

Der neue Münchener Stadtrat wird sich wie folgt Zusammeiisetzen: Sozialdemokraten 17 (16) Sitze, Deutsch­nationale Volkspartei 3 (6), Kommunisten 3 (2), Bayerische Volkspartei 12 (14), Nationalsozialisten 8 (4), Grund- und Hausbesitzer 2 (1), Freie bürgerliche Mitte 3 (4). Die aus Demokraten, Deutsche Volkspartei und Reichspartei des Deut­schen Mittelstandes gebildete Freie bürgerliche Mitte, die bei den Wahlen 1924 getrennt vorgegangen waren, hat da­nach trotz des Zusammenschlusses 1 Sitz verloren. Außerdem

pomstchen Staat aber einfach Milliarden zu scheu» k e n, wäre doch wohl schon unter dem rein finanziellen Ge­sichtspunkt, von dem hier allein gesprochen werden soll, eine überlebensgroße Michelei. Und was dann schließlich noch anEntlastung" durch den Poung-Plan herauskommt, ! kann sich r selbst ausmalen.n

Neueste Nachrichten

Aenderung der amerikanischen Einwonderungsbestimmungen

Washington, 9. Dez. Arbeitersekretär Davis, der zu­gleich Leiter der Einwanderungsbehörde ist, sagt in seinem Jahresbericht an den Kongreß: In Europa warten etwa zwei Millionen Menschen darauf, in die Vereinigten Staaten ein­gelassen zu werden. Die verstreuten Bestimmungen über die Einwanderung sollen in einem Gesetz zusammengefaßt und dabei Bestimmungen getroffen werden, die die Zula s s un g von gewissen Gruppen von Ausländern außerhalb der für die einzelnen Länder festgesetzten Quote genehmigen, wenn die Arbeitsverhältnisse in den Vereinigten Staaten die Zulassung von solchen besonders qualifizierten Menschen erfordern sollten. Das gegenwärtige Quoten­system entspreche zwar im allgemeinen durchaus den Inter­essen der Vereinigten Staaten, jedoch würde es sich empfeh­len, dem Einwanderungsamt für die erwähnten Fälle Befug­nisse zu geben, eine Sondererlaubnis zur Einreise zu erteilen. Für Angehörige von lateinamerikanischen Staaten verlangt Davis besondere liberale Bestimmungen und weit­gehende Zulassung von Saisonarbeitern aus Nachbar, stauten. Weiter erklärte er, daß im letzten Jahr rund 225 000 Ausländ« das amerikanische Bürgerrecht erworben haben.

Kein Rücktritt Tschiangkaischeks

Nanking, 9. Dez. Wie Reuter meldet, erklärte Präsident Tschiangkaischek, wenn er im gegenwärtigen Augen­blick zurücktretcn würde, so würde dies bedeuten, den Reak­tionären in die Hände zu arbeiten. Die Kommunisten und die Militaristen würden dann das Land in noch größeren

oen Reichsbclnkpräfidenten Dr. Schacht folgendes Tele­gramm gesandt:Das verantwortungsbewußte Eintreten Ihrer ganzen Person für das lebensvolle Interesse unseres Volks im entscheidungsschweren Augenblick ist von weitesten Kreisen der niedersächsischen Wirtschaft lebhaft und dankbar begrüßt worden. Möge Ihrem Vorgehe« voller Erfolg beschieden sein."

Abschiedsbesuch des Nuntius Pacelli

Berlin, 9. Dez. Der Herr Reichspräsident empfing hevt» vormittag den apostolischen Nuntius Pacelli, der seiM Abberusungsschreiben übergab. Die katholische Aktiva. Berlin veranstaltet morgen abend zu Ehren des scheidende« Nuntius einen großen Empfang im Festsaal der Staats-- oper. Nuntius Pacelli soll bekanntlich zum Kardinal ernannt werden.

Mo im Münchener Stadtvat neu der Gewerkschaftsring mit 1 Sitz und eine Bayerische Mittelstandspartei ebenfalls mit 1 Sitz.

In Nürnberg wurden gewählt 21 Sozialdemokraten, und 2 Kommunisten, denen 19 Bürgerliche und 8 Natio­nalsozialisten gegenüberstehen.

Die Landkagswahlxn in Thüringen

Weimar, 9. Dez. Die Wahl zum 5. Landtag von Thü­ringen lähi noch nicht übersehen, wie sich die Mehrheits­verhältnisse im kommenden Landtag gestalten werden. Die Nationalsozialisten werden jedenfalls einen ent­scheidenden Einfluß ausüben. Die Wahlbeteiligung war am stärksten in Ostthüringen, und zwar schlug Alten­burg ungefähr den Rekord mit 87 Proz.; dagegen betrug die Wahlbeteiligung in Weimar 76,4, in Gotha sogar nur 64 Proz.

Sundgebungsverbok im Saargebiek

Saarbrücken, 9. Dez. Der Vorsitzende der völkerbünd. lich-französischen Saarregierung, der Engländer Wilton» hat in einem Erlaß an die Landräte des Saargebiets ver­boten, daß die Gemeindevertretungen Entschließungen für dieRückkehrdesSaarlands zum Reich fassen. Bür­germeister, die gegen das Verbot handeln, sollen bestraft werden. Dieser famose Erlaß wird nicht verfehlen, die Liebe der Saarbevölkerung zur Saarregierung und zu s Frankreich zu verliefen.

Amerikanische Zerstörer nach China entsandt

Paris, 9. Dez. Nach demNeuyork Herald" hat der Oberbefehlshaber des amerikanischen Geschwaders in Ma­nila den Befehl gegeben, daß 6 Tvrpedobootszerstörer sofort mit größtmöglichster Geschwindigkeit nach China abgehen. Die Besatzung ist mit Munition, Schutzschilden und Gas- masken ausgerüstet.

Knappe Verkrauensabstimmuna

Paris, 9. Dez. In der Kammer kam es bei Beratung der Ausgaben für öffentliche Ausgaben zu einem Zusammenstoß Mischen Ministerpräsident Tardieu und dem Bericht­erstatter Abg. Beüouce (Soz.). Dieser verlangte 100 Mil­lionen Franken für die ersten Jnstandsetzungsarbeiten des Straßen- und Wegenetzes. Tardieu sprach vonpolitischen Hintergedanken" usw., worauf der Berichterstatter das Red- nerpult verließ. Erst nach der Erklärung des Ministerpräsi. denten, daß er den Berichterstatter nicht habe beleidigen wollen, wurde der Zwischenfall dadurch beigelegt, daß das betreffende Kapitel zurückgestellt wurde. Kurz darauf sah sich Tardieu genötigt, gegen einen Antrag Moutet (Soz.) auf Rückverweisung des Kapitels über die Besoldung der staatlich beschäftigten Straßenarbeiter an die Kommission die Ver. trauensfragezu stellen. Mit der knappen Mehrheit von 23 Stimmen (29b gegen 272) siegte die Regierung.

1930 Neuwahlen in Spanien

Madrid, 9. Dez. General Primo de Rioera hat dem König vorgeschlagen, im Februar 1930 Gemeindewahlen, im April Provinzwahlen und im Juni Wahlen zur all­gemeinen Volksvertretung abzuhalten und der im Januar zusammentretenden Nationalversammlung ein neues Wahlgesetz vorzulegen. Damit würde die Diktatur

etwa im Herbst nach siebenjähriger Dauer ihr Ende finden, gleichzeitig würde aber auch auf die von der Nationalver­sammlung ausgearbeitete neue Verfassung und auf d^ Volksabstimmung darüber verzichtet. Die Nationalver- samnllung soll höchstens darüber beraten, ob eine Aenderuna

Der Ruck nach rechts in Bayern u. Thüringen

Starke Erfolge der Nationalsozialisten und der Reichspartei des Deutschen Mittelstandes Rückgang bei der Demokratie und Deutschen Dolkspartei

Wirrwarr bringen. Er sei überzeugt, daß die Regierung Herrin der Lage sei.