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Nagolder Tagblatt ..Der Gesellschafters____ Freitag. 8. November 1929.
stadt zu besuchen. Herr'Mayer war mit der Prinzessin an einem Badeort zusammen und hat sie nun die Gelegenheit einer Süddeutschlandfahrt benützt, um ihm hier einen Besuch abzustatten.
Ulm, 7. Nov. Volksbegehren und Bankkonto. Der Deutsche Metallarbeiterverband hat auf der Gewerbebank sein Konto gekündigt, mit -er Begründung, -atz sich Direktor Dr. Schmidt in die Liste für das Volksbegehren eingetragen Hab«.
Vom bayerischen Allgäu, 7. Nov. Gräber aus dem Mittelalter. — Ertrunken. In Amendingen wurden beim Legen der Wasserleitung frühmittelalterliche Gräber entdeckt, die sehr gut erhalten sind. An der Freilegung weiterer Gräber wird unter Leitung Professors Dr. Miedet gearbeitet. Das Material der Gräber sind Sandsteinplatten. — Die SSjährige Taglöhnerin Ursula Resl von Prem stürzte in einem Schwächeanfall beim Ueberschreiten eines Stegs ins Wasser und ertrank. Die Tode war erst wenige Monate verheiratet.
Aus Stadt und Land
Nagold, den 8. November 1929.
Es gibt wirklich Menschen, die nicht glücklich sind, wenn sie sich nicht unglücklich fühlen.
Warum führt der Dauer links?
Das ist eine schwere Frage, die mir viel Kopfzerbrechen gemacht hat. Jeder Wagen, jedes Fuhrwerk, jeder Radfahrer mutz rechts fahren und damit ist ein geordneter Verkehr in der heutigen Zeit gewährleistet. Der Bauer aber fährt links, ob er Kies, Heu, Frucht, Streu oder eine andere Fracht geladen hat. Wer einmal abzählt, der wird erstaunt fein, wie wenig bäuerliche Wagen ihm begegnen, die nach der Vorschrift fahren. Damit gefährdet der Bauer den anderen Fahrer und sich selber. Denn er hört ein Hupen- oder Glockenzeichen wegen des Knorrens seines Fuhrwerks nicht leicht und verzögert, da er erst die Stratze überqueren und freigeben mutz, die Fahrt des anderen. So ein schöner, breitgeladener Heu- oder Streuwagen kann die ganze Stratze sperren. j
In manchen Gegenden hat man sich langsam auf die rechte Seite hinllbergewöhnt. In anderen aber fährt man grundsätzlich links und springt lieber vom Wagen ab, haut auf die Kühe ein, wenn man ausroeichen soll, und fährt unwirsch auf die andere Seite.
Ich habe mir oft die Frage vorgelegt: hat dieses Linksfahren auf der Landstraße, auf der man früher Herr war. einen tieferen Grund? Hat der Bauer ein stilles Recht auf die linke Seite, sind seine Vorfahren immer links gefahren, überblickt er die Stratze und sein Gespann bester von dort — oder ist es nur Gedankenlosigkeit, Beharren in einer Gewohnheit, unbewußte Abneigung gegen neue Fahrzeuge, die ihm die Landstraße streitig machen, „Fahrlastigkeit"? Ihm und dem anderen Fahrer wären jedesmal Zeit, Aerger und Gefahr erspart, wenn er von vornherein rechts fahren würde. Viele Unglücksfälle wurzeln in der Gepflogenheit des Linksfahrens. j
Darum bitte ich die Bauern in Deutschland — ich weiß ! nicht, ob es im Norden ebenso ist wie im Süden — im ! Namen aller Wagenfahrer, Radfahrer, Kraftfahrer, und, ganz bescheiden, aller Fußgänger: denkt auf der Land- > stratze an eure Mitfahrer, sie gehört allen, auch den ande- : ren Menschen; seid klug und fahrt rechts. Ludw. Finckh. ^
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Dienftnachrichten. ?
Das Kultministerium hat eine Fachlehrstelle für Haus- i Wirtschaft an der evang. Volksschule in Stuttgart der un- ! ständigen Hauswirtschastslehrerin Luise Hill er in Calw > übertragen. >
Von dem Bischof von Rottenburg ist die katholische s Pfarrstelle in Tannau Dekanat Tettnang dem Pfarrer > Schweiß in Llltzenhardt, Dekanat Horb verliehen worden.
Die Bewerber um die Pfarrei Pfalzgrafenweiler, Dekanat Freudenstadt, haben sich binnen 3 Wochen beim Ev. Oberttrchenrat zu melden.
Beerdigung des Steinhauermeisters Harr
Wieder öffneten sich die Friedhofspforten, um einem Erdenpilger Einlaß zu gewähren auf seinem letzten Gang. Steinhauermeister Gottlob Harr war, nachdem er noch am Montag Nachmittag auf dem Friedhof gearbeitet hatte, in der Nacht von Montag auf Dienstag ganz plötzlich, ohne jegliche Voranzeichen durch einen Herzschlag im Alter von erst 41 Jahren aus dem Leben geschieden. In Mötzingen geboren, verbrachte er seine Jugend in Nagold, arbeitete beruflich hier und in der Fremde, verheiratete sich im Jahre 1913, mutzte aber bereits am 4. Mobilmachungstag zur Fahne einrücken. Schon im Oktober gleichen Jahres wurde er schwer verletzt, sodatz er 1916 als Kriegsinvalide in die Heimat entlasten wurde. In der Blüte des Mannes- tumes und der Höhe der Lebenskraft hat er sterben müssen und mit seiner Frau, seinen 5 Kindern und seinen Anverwandten standen gestern eine große Trauerversammlung an dem offenen Grabe des beliebten und geschätzten Mitbürgers, den, in der Nachfolge eines verstorbenen Gemeinderatsmitgliedes, das Vertrauen der Bürgerschaft für 3 Jahre in den Eemeinderat berief. Stadtpfarrer Brecht sprach über die Worte Joh. 14, 27 (Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht). Die Beliebtheit und die Verdienste des Verstorbenen kamen in den zahlreichen Nachrufen und Kranzniederlegungen zum Ausdruck. So sprachen die Abordnungen des Radfahrerversins Nagold, des Neckar-Nagold-Bezirkes, des Radfahrer-Landesverbandes Württemberg u. des Reichsbundes der Kriegsbeschädigten. Die Standarten der Radfahrervereine Nagold, Walddorf, Eutingen, Egenhausen und Hochdorf senkten sich zum letzten Gruß über dem Grab ihres nimmermüden und verdienstvollen Vezirksvorsitzen- den. Die Feier war umrahmt mit den Trauerweisen der Turmbläser. Ruhe er in Frieden!
25j. Jubiläum des Vereins Nagoldtal-Stuttgart
Am 22. September feierte der Verein Nagoldtal Stuttgart sein 25jähriges Jubiläum in dem Saal des Eduard Pfeiffer-Hauses. — Für den musikalischen Teil des Programmes hatte der Musikverein der Postbeamten zugesagt und in liebenswürdiger Weise stellten sich einige Herrn des Gesangvereins „Ehrenfeld" zur Bestreitung der gesanglichen Darbietungen zur Verfügung. Beide Teile brachten schöne Weisen den Festteilnehmern zu Gehör. Von Fräulein Else Walz wurde der Festprolog vorgetragen.
In der Festrede, die Herr Vorstand Walz hielt, brachte er in, gut gewählten Worten des Vereins Gründung und seine Laufbahn durch sonnige und trübe Tage bis heute. Auch der im Kriege gefallenen Mitglieder des Vereins wurde in ehrender Weise gedacht. Als Gründer des Vereins sind zu erwähnen, die Herren: Franz Schm ollin- ger, Wilhelm Roggenbach, Christian Schweikle. In dem Eründungsjahr traten weitere 3 Herren ein: Richard Bauer, Wilhelm Single und Karl Walz. Den 6 Herren, die an diesem Tage auf eine 25jährige, treue Mitgliedschaft zurllckblicken konnten, wurde jedem ein Siegelring nebst Ehrenurkunde mit dem Vereinswappen überreicht und der 2. Vorstand, Herr Eutekunst, richtete warme Worte an die Jubilars. Herr Vorstand Walz dankte im Namen der Jubilars. Von vielen Nachbarvereinen wurden noch herzliche Worte mit Uebergabe von Geschenken zum Jubiläum gesprochen, vom Bezirksverein Balingen, Schwarzwälder Verein Eßlingen, Calwer Be- ^ zirksverein, Janitscharia und Schwarzwalldverein Feuerbach. Die Darbietungen des Mundharmonika-Klubs ! Schwarzwaldverein Feuerbach ernteten bei ihren Vorträ- s bezeichnen. Zum Schluß kämmen alle Tanzlustigen auf s gen beim Publikum großen Beifall. — Im ganzen aber ! mutz man das Fest als eine wohlgelungene Veranstaltung ^ ihre Rechnung. — Mit dem Gedanken, einen schönen Tag ^ erlebt zu haben, gingen Mitglieder und Gäste mit Fami- s lie in froher Stimmung nach Hause. >
Die Museumsgesellschaft !
wird am Samstag, den 23. November — so wurde gestern in einer Ausschutzfitzung beschlossen — in der Waldlust einen Familienabend mit Tanzunterhaltung inscenieren.
»vreneuzrrkyrvereln
wird geschrieben : Die Tracht ist längst zu Ende, die Völker sind gut enrgesuttert, Warmekissen (ja kein Heu od-r Oehmd) eingelegt, Fluglöcher verengt: alte Waben werden eingeschmolzen, im übrigen herrsche möglichste Ruhe IM und um den Bienenstand
Dagegen sollen die Imker des Bezirks Nagold am Sonntag, 1ü. Nov., nachm. 1.30 Uhr die Eauversammluna im Lindenhofsaal in Horb besuchen, bei der die Herren Lu pp und Rent schier Vorträge halten Die Vertrauensmänner der einzelnen Ortschaften fällten mindestens erscheinen. (Näheres siehe Bienenpflege vom November und heutige Anzeige). ^
Eiindringen, 7. Nov. Eugen Bürkle-Stuttgart Ehrenbürger. Wie Allerorts so fand auch hier die 40er u 50er- Feier statt im Easth. z.„Rötzle",die zahlreich auch von auswärts besucht, rvgr, darunter viele mit Familie aus der Residenz Stuttgart. Die Feier wurde eingeleitet durch ein Ständchen der hiesigen Musikkapelle, welches dem Altersgenossen der 50er, Eugen Bürkle, Stuttgart (z. neuen Hauptbahnhoswirtschaft) galt. Den Redere'igen eröffneteu Schultheiß Ni sch, und Herr Bürkle, welchem der Gemeinderat aus Anlatz seiner Zuwendungen das Ehrenbürgerrecht verlieh.
Calw, 7. Nov. Von der Landwirtschaftsschule. Die Landwirtschaftsschule Calw wurde am Montag, den 1. November ds. Js., mit 18 Schülern im oberen und 15 Schülern im unteren Kurs eröffnet. Von den 33 Schülern stammen 25 aus dem Oberamtsbezirk Calw und 8 aus dem Oberamtsbezirk Neuenbürg. Im Vorjahr war die Schule von 10 Schülern im oberen und 25 im unteren Kurs besucht.
Calmbach, 7. Nov. Beim Holzfällen verunglückt. Beim Holzfällen im Gemeindewald Calmbach verunglückte der Holzfäller Walter Zündel schwer. Er mutzte mit einem Schädelbruch ins Krankenhaus Neuenbürg eingeliefert werden. An seinem Aufkommen wird gezweifelt.
Freudenstadt, 7. Nov. Der Christbaumhandel beginnt Im Schwarzwald sind die ersten Christbaumaufkäufer eingetroffen. Es handelt sich natürlich nur um Aufkäufer für den Großhandel, die die Bäume im Walde kaufen. Diese müssen dann noch gefällt und abtransportiert werden. An Preisen hört man für die Bäume bis zu 3 Metern '1 F.. bis zu 2 Metern 60 Z und 1 Meter 30 Z. Bäume über 3 Meter werden mit 1.60 -A bezahlt. Dazu kommen natürlich noch die Hauerlöhne, Transportkosten, Risikoprämien und der Gewinn der Klein- und Großhändler. Auf keinem Gebiet herrscht übrigens ein so großes Angebot, verbunden mit einem so großen Risiko, wie gerade auf dem Gebiete des Christbaumhandels.
Mühlen a. N. AO. Horb, 7. Nov. Ungkücksfalie. Auf der Eutingersteige fuhr der Neckarmüller Josef Pfef - fer mit beladenem Wagen abwärts und kam zu Fall. Der Wagen ging über ihn hinweg, so daß Pfeffer schwere Verletzungen erlitt. — Im Sägwerk des Hermann Bürkle wurden dem Obersäger Ziegel mehrere Zehen abgeschnitten. Er mußte ins Krankenhaus nach Horb verbracht werden.
Aus aller Welt
Ein Vampyr der Sozialfürsorge. In raffinierter Weise hat der 28jährige kaufmännische Angestellte Christian Holtz in Berlin es verstanden, ein halbes Jahr lang auf Kosten der Erwerbslosenfürsorge ein herrliches Dasein zu feiern. Durch Fälschungen war erzu gleicher Zeitbei allen 26 Arbeitsämtern als erwerbslos angemeldet und bezog die Unter st ützung als Erwerbsloser, Der unverheiratete Mann war als verheiratet mit Kindern angemeldet und hat im ganzen von Oktober 1928 bis Mai 1929 6500 Mark erbeutet. Auf Polizeirevieren und Arbeitsämtern stahl er in unbewachten Augenblicken ganze Pakete abgestempelter Anmeldeformulare und Bescheinigungen, die für die Anträge zur Arbeitslosenunterstützung notwendig waren. Er hatte sogar die Dreistigkeit, bei einzelnen Arbeitsämtern mehrere Anträge zu stellen, und merkwürdigerweise wurde das nicht bemerkt. Das Schöffengericht Wedding sprach heute Holtz von der Anklage des Diebstahls frei, ver-
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(Fortsetzung 46)
Er überlegte eine Weile, dann meinte er mit schnarrender Stimme: „Gut, stellen Sie sich morgen früh um 6 Uhr hier ein".
Niemand war froher als ich. In der Fonda bekam ich für sieben paraguayische Pesos Kost und Quartier. Dieses bestand allerdings nur aus der blanken Diele eines Schuppens, und die Kost frühmorgens aus einer Taste dünnem Kaffee und einer Galleta, mittags aus Fleisch und Man- dioka, und abends aus Mandioka und Fleisch. Mehr konnte man ja auch für den Preis nicht gut verlangen. Hatte ich erst lohnende Arbeit gefunden, dann konnte ich mir in Form von Wurst und Brot, die ich in irgendeiner Boliche erstand, noch eine billige Nebenkost leisten, denn wenn ich hart arbeiten mutzte, kam ich mit der Kost in der Fonda nicht aus. Mit gutem Willen läßt sich alles machen, war mein Gedanke, als ich am nächsten Morgen zur Arbeitsstelle schritt.
Als ich dort ankam, schlief Herr Schlampe noch. Ich weckte ihn, und er lobt mich wegen meiner Pünktlichkeit, knurrte aber gleichzeitig, weil ich ihn so früh aus dem Schlaf störte, denn es lag eine nächtliche Bierfitzung bei Knobelbecher und Vereinsmeierei in der „Engelsburg" hinter ihm.
Ich sollt einen Brunnen graben. Zuerst allein. Konnte ich dann die Erde nicht mehr allein aus der Tiefe herausschaffen, so sollte mir ein Paraguayer dabei helfen.
„Und wieviel zahlen Sie mir täglich, Herr Schlampe?"
„Ich will erst einmal sehen, was Sie leisten. Ueber das Ohr werde ich Sie schon nicht hauen, im Gegenteil, Sie sollen gut verdienen. Wenn mir nicht daran gelegen wäre, einen Landsmann zu unterstützen, so würde ich den Vrun-
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nen noch nicht graben lassen, denn es hat wirklich keine Eile damit".
Das glaube ich ihm nun nicht, denn er mutzte sein Wasser von sehr weit herbeiholen, und wenn einer bauen will, so ist die Hauptsache, daß er dieses bequem zur Hand hat, weil er es zum Anmachen von Lehm und Mörtel und zum Befeuchten der Backsteine gebraucht.
Doch mochte er sich immerhin in der Rolle eines Menschenfreundes gefallen. Ich war bald an der Arbeit, lok- kerte die Erde mit der Spitzhacke in dem Kreis, den wir bezeichnet hatten, und warf sie mit dem Spaten heraus. Und obwohl es eine harte Arbeit war, so ging sie mir doch von der Hand, denn ich hatte von der Diamantengräberei her noch einige Erfahrung in der Erdarbeit.
Als es Abend wurde, stand ich schon so tief in dem Schacht, daß mein Kopf der Erdoberfläche gleichkam. Noch ein Tag, und ich mußte schon einen Gehilfen haben, der die Erde in einem Eimer hochzog.
Als das Abendläuten der Matriz die sechste Stunde verkündete, gedachte ich Feierabend zu machen, denn ich war schon gehörig müde. Gerade wollte ich Spaten und Hacke in einen Schuppen stellen, als Frau Schlampe, die schon durch ihr Aeutzeres ihrem Mann alle Ehre machte, wie eine Furie auf mich los fuhr.
„Misten Sie nicht, daß sie im Taglohn arbeiten?"
„Gewiß weiß ich das, aber es hat doch schon sechs geläutet".
„Sechs geläutet", äffte sie mir nach, „die Sonne ist noch lange nicht unter".
Ich grub nun weiter, bis es zu funkeln anfing und Herr Schlampe von seinen Geschäften zurückkam, die er auf der Stratze abwickelte, und von denen man in T allerlei munkelte.
Er sah sich meine Tagesleistung an, sagte aber kein anerkennendes Wort, obwohl ich gut für zwei gearbeitet hatte.
Nun wollte ich wissen, was er mir zu zahlen gedenke.
„Hm, hm", machti er, „hat das nicht Zeit?"
Doch ich ließ nicht locker. Da ich wie ein Bär schuften mußte, so wollte ich auch wissen, was ich dabei verdiente.
Er maß nun die Tiefe des Schachtes, die, obwohl er mich um das Maß bemogelte, schon fast zwei Meter betrug.
„Neue Besen fegen gut", meinte Herr Schlampe trinken.
Am liebsten hätte ich den Kerl in das Loch geschmissen, beherrschte mich jedoch.
Nach einigem Hin und Her sagte er schließlich: „Ich will Ihnen für den Anfang sieben Taler geben".
„Sieben Taler?" Mir blieb beinahe der Verstand stehen, denn meine Arbeit war wenigstens dreißig wert.
„Aber Herr Schlampe, ich zahle in der Herberge sieben Taler für Kost und Wohnung, und meine Arbeit ist doch das Fünffache wert!" .
„Das Fünffache?" kreischten Herr Schlampe und seine schlampige Hälfte, die sich ebenfalls zur Begutachtung meiner Arbeit eingefunden hatte, gleichzeitig, und seine flache Verbrecherstirn legte sich noch um einige Grade zurück.
Mich erfaßte ein Widerwillen vor diesen Menschen.
Nur das brennende Verlangen, mich durch redliche Arbeit wieder zu einer menschlichen Höhe emporzuschwingen, hielt mich davon ab, das würdige Paar einfach stehen zu lasten und meiner Wege zu gehen.
So bat und bettelte ich und erhob Vorstellungen, datz es doch nicht angehe, für einen Lohn zuarbeiten, der gerade hinreiche, um mein Leben zu fristen.
„Bedenken Sie aber doch, mein Lieber", schnarrte Herr Schlampe, „wenn Sie nun bei mir nicht in Arbeit standen, so müßten Sie jetzt, anstatt sieben Taler verdienen, täglich sieben Taler zusetzen, denn, wie Sie nnr selbst sagten, haben Sie ja schon überall vergeblich um Arbeit nachgefragt".
Ich wußte nicht, was ich auf diese verblüffende Unverschämtheit antworten sollte, und ärgerte mich darüber, datz ich dem Blutsauger in törichter Offenheit gestanden hatte, datz er sozusagen den Rettungshafen für mich bedeutete.
(Fortsetzung folgt.)