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Nagolder TagblattDer Gesellschafter

Donnerstag, 22. August 1929.

Der Gesetzentwurf zur

Berlin, 21. August. Der Entwurf eines Gesetzes zur Aenderung des Gesetzes über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

Der Begriff Arbeitslosigkeit wird im Gesetz fest­gelegt. Es kann also nicht mehr Vorkommen, daß Per­sonen, die in Wirklichkeit keine Arbeitnehmer sind, Arbeits­losenunterstützung beziehen. Geringfügige Beschäftigungen sollen künftig nur dann versicherungspflichtig sein, wenn sie von Personen, die berufsmäßig überwiegend als Arbeitneh­mer tätig zu sein pflegen, berufsmäßig ausgeübt werden. Für unständig Beschäftigte sowie für H a u.s g e w e r b e r r ei­ben d e und Heimarbeiter sieht der Entwurf die Mög­lichkeit vor, daß Sondervorschriften erlassen wer­den. Die S p e r r f r i st e n, die bei unberechtigter Arbeits­verweigerung oder bei freiwilliger Aufgabe oder schuldhaf­tem Verlust der Arbeit verhängt werden, werden künftig nicht starr auf 4 Wochen festgesetzt sein, sondern der Ent­wurf gibt den durchführenden Stellen einen elastischen Rahmen von 28 Wochen.

Eine besondere Bestimmung sieht vor, daß die Arbeits­losenunterstützung von Amtswegen zu entziehen >st, wenn si chherausstellt, daß die Voraussetzungen zum Bezug in Wirklichkeit nicht Vorgelegen haben. Die Kontrolle wird verschärft. Der Arbeitslose, der Antrag auf Unter­stützung stellt, muß künftig angeben, in weicher versicherungs­pflichtigen Beschäftigung, und wie lange er in dieser seit Beginn der Anwartschaft stand. Andererseits werden die Arbeitgeber, die vorsätzlich oder fahrlässig unvollstän­dige Angaben über das Beschäfligungsverhältnis eines ihrer Arbeitnehmer oder über den Grund der Lösung des Be­schäftigungsverhältnisses machen, zum Schadenersatz verpfichtet, wenn die Reichsanstalt aus solchen falschen oder unvollständigen Bescheinigungen einen Schaden erleidet. Außerdem sind Strafen angedroht.

Die Wartezeit soll künftig nicht mehr allgemein 7 Lage betragen, sondern nach dem Familienstand gestaffelt sein, so daß Arbeitslose ohne zuschlagberech-

Württemberg

Stuttgart, 21. August.

krankheiksfkalistik. In der 32. Jahreswoche vom 4.10. August wurden in Württemberg von gemeingefährlichen und sonstigen übertragbaren Krankheiten amtlich gemeldet: Diphtherie 17 (tödlich); Genickstarre 2 (); Kindbett- fieber 2 (); Tuberkulose der Lunge und des Kehlkopfs so­wie anderer Organe 5 (27); Ruhr 1 Scharlach 33 (); Typhus 1 (); Paratyphus 9 (); Spinale Kinderläh­mung 1 ().

Besuche auf der Kläranlage der Stadt Stuttgart. Die Stuttgarter Kläranlage in Mühlhausen ist das Ziel vieler Besucher des In- und Auslandes. Im vergangenen Johr wurde sie von etwa 30 Besuchern außerdeutscher Staaten besichtigt. Die Anlage wird zurzeit ausgebaut.

Neue Lichtspielhäuser. Außer demKapitol-Kino", das mit 1600 Sitzplätzen neben dem Hindenburgbau in der Königstraße erstellt werden soll, ist jetzt auch von einem weiteren Lichtspielhaus-Neubau die Rede. Die Palast-Licht- spiel-A.-G., die sich im Marstall befindet, will gegenüber auf dem Gelände der Kronenbau-A.-G. ein neues Kino mit 2000 Sitzplätzen einrichten. Mit diesem Kino soll dann auch noch ein großes Restaurant verbunden sein, das 700 Per­sonen aufnehmen kann.

Ela Friedhofdieb. Am Samstag ist ein 27 Jahre alter Hilfsarbeiter festgenommen worden, der seit Ende Juli d. 3. quf Gräbern des Pragfriedhofes hier gegen 20 Gelddiebstähle begangen hat. ^r beobachtete jeweils wohlgedeckt hinter Sträuchern die Frauen, die die Gräber pflegten und dabei ihre Handtaschen ablegken und wartete ab, bis die Frauen, ohne ihre Handtaschen mlkzunehmen, am Brunnen Gietz- wasser holten. Während dieser kurzen Abwesenheit der Frauen hat er dann ihre Handtaschen ausgeplündert.

Oberndorf in Hohenzollern, 21. August. Totschlag, Auf einem Bauernhof in Heggelbach hatte zur Beendigung der Erbsenernte ein Landwirt seinen Arbeitern und Ar­beiterinnen ein Faß Bier anstechen lassen. Auch einige Gäste aus der Umgebung waren anwesend. Der Dienstkneckt Blickle, der auf einem Nachbarhof bedienttet war, befand sich auch auf dem Weg zu der lustigen Gesellschaft. Als man ihn jedoch bemerkte, schloffen einige die Türe ab. Blickle legte sich darauf in der Nähe nieder. Der Sohn des Gast­gebers brachte ihm dann durch die Hintertür doch ein Bier. Inzwischen hatten zwei bei der Zeche Beteiligte sich mit Prügeln bewaffnet, ein 28 I. a.. verheirateter Wagner und ein etwas jüngerer, lediger Friseur, und drangen auf den Ahnungslosen ein. Sie schlugen grundlos und blindlings auf ibn ein. noch ebe er sick nur erbeben konnte. Bewußtlos sank der Dienstknecht zu Boden und starb. Me beiden Täter sind verhaftet und ins Amtsgefängnis Hechingen eingeliefert worden.

Hall, 21. August. Milchschweine aufs Gewicht. Ein heiterer Handel spielte sich am letzten Schweinemarkt hier ab. Eine biedere Bäuerin brachte fünf Milchjäule auf den Markt. Ein Schweinehändler bot nach längerem Han­deln für die Tiere 200 Mark. Die Bäuerin wollte 210 Mark haben und sagte schließlich, als der Käufer nicht auf dreien Preis einging: jetzt geb ich's überhaupt nur noch aufs Ge­wicht her. Also gut, sagte der Käufer, was soll dann das Pfund kosten? Unter 1,40 Mark das Pfund geb ich's nicht her, war die Antwort. Verkauft! sagte der Schweinehändler. Beim Abwiegen stellte sich nur ein Gewicht von 99 Pfund für alle fünf Stück heraus. Macht also 138,60 Mark. Die bestürzte Frau erhielt dann noch ISO Mark statt der zuerst angebotenen 200 Mark.

Aalen. 21. August. Verkehrsvorschriften. Das hiesige Polizeiamt erläßt mit Zustimmung des Semeinde- rats verschiedene ortspolizeiliche Vorschriften zur Regelung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen. Die höchste Fahrgeschwin- ^ 9 »eit in der Houvtstraße wird auf 20 Kilometer festgesetzt, uaberholsn und Parken an unübersichtlichen und engen Wegstelten und das Zusammenstehen von Personen auf Fußwegen stud verboten Verschiedene Straßen sind für alle Fahrzeuge gesperrt.

^ Tübingen, 21. August. Eine Fünfundachtzig- jährige. Am Freitag begeht die in Hannover lebende und bier geborene Schriftstellerin Agnes Willms- Wildermuth ihren 85. Geburtstag.

Arbeitslofenverficherung

tigte Angehörige eine Wartezeit von 14 Tagen und solche mit ein, zwei oder drei Angehörigen eine Wartezeit von 7 Tagen, solche mit vier oder mehr Angehörigen eine Warte­zeit von drei Tagen zurückzulegen haben. Gegen die Um­gehung der Wartezeitvorschriften trifft der Entwurf Siche­rungen. Die Wartegelder und Ruhegehälter sollen in Zukunft auf die Arbeitslosenunter­stützung angerechnet werden, ebenso in einem ge­wissen Umfang auch die Renten der Sozialversicherung, da­gegen bleiben Versorgungsrenten von der Anrechnung frei. Die Beiträge zur Krankenversicherung der Arbeitslosen, die aus Mitteln der Reichsanstalt für Arbeits­vermittlung bestritten werden müssen, werden herabge­setzt.

Der Entwurf rechnet mit einer Durchschnittszif­fer o o n 1,1 M i l l i o n e n H a u p tu n t e r st ü tz un g s - empfängern. Diese bedeuten bei dem gegenwärtigen Rechtszustand einen Gesamtaufwand von 1119 Millionen Mark im Jahr. Diesem Aufwand stehen Beitragseinnah­men von nur etwa 840 Millionen Mark im Jahr gegen­über. Das ergibt einen jährlichen Fehlbetrag von 279 Mill. Mark.

Soweit eine Schätzung möglich ist, kommt der Entwurf mit allen Vorbehalten zu folgendem Ergebnis: Es werden voraussichtlich erspart werden durch Veränderung der Wartezeit 25 Mill. Mark, durch Anrechnung von Warte­geld und Ruhegehalt und Sozialrenten 16 Mill. Mark, durch Herabsetzung der Krankenkassenbeiträge 30 Mill. Mark, durch Aenderung der Sätze bei berufsüblicher Arbeitslosigkeit 21 Mill. Mark» zusammen 92 Mill. Mark: alles auf 1 Jahr berechnet. Dadurch vermindert sich also der Fehlbetrag von 279 auf 187 Mill. Mark. Zum Ausgleich sieht der Ent­wurf eine Erhöhung der Versicherungsbei­träge um Prozent vor, die zunächst bis 31. März 1931 eingeführt werden soll. Diese Erhöhung bedeutet eine Steigerung der Einnahmen um 140 Mill. Mark im Jahr.

Tübingen. 21. August. Von der Universität. Dr. jur. Eugen U l m e r, Privatdozent in Tübingen, wurde zum ordentlichen Professor in der Rechts- und wirtschaftswissen­schaftlichen Fakultät der Universität Rostock ernannt. Der aus Stuttgart gebürtige Rechtslehrer übernimmt in Rostock den Lehrstuhl für deutsches Recht.

Tailfingen OA. Balingen, 21. August. Wehe, wenn er losgelassen. Bei einer Ausfahrt am Sonntag pas­sierte einem der wütigsten Motorradfahrer des Talgangs, dem in Truchtelfingen beschäftigten Arbeiter Sch., dem in­folge seines üblichen schnellen Tempos bei fast allen Aus­fahrten ein Unfall zustößt, wieder ein neuer Zusammenstoß. Er fuhr in Frommern einem Pferd zwischen die Beine und verletzte dieses so schwer, daß es abgeschlachtet werden mußte. Di« Raserei wird teuer zu stehen kommen.

Heilbronn a. N., 21. August. Aufführung. Am Dienstag abend fand im Deutschordenshof die 25. Auffüh­rung des von der Heilbronner Spielschar gespielten Kleist- schenKäthchen von Heilbronn" bei bis auf den letzten P'cck ausverkauften Freilichttheater statt. Seit dem 30. Juni, dem Eröffnungstag der Heilbronner Käthchen-Festspiele, haben in 15 regelmäßigen, Samstag- und Sonntag - Abend - Auf­

führungen und in 10 Sondervorstellungen für geschlossene Organisationen rd. 27 500 Personen das Freilichttheater be­sucht. Man kann ziemlich sicher damit rechnen, daß der für die Käthchen-Festspiele gezeichnete Garantiefonds von 40 000 Mark nicht angegriffen zu werden braucht.

Vom Ries. 21. August. SchonwiedereinMord? Noch haben sich die Wogen der Erregung nicht geglättet, die die Ermordung eines jungen Dienstmädchens in Maihingen verursacht hat, und schon wieder kommt aus dem Ries, dies­mal aus Hohenaltheim, die Meldung von einem mutmaß­lichen Mord, dessen Opfer der Glaser und Landwirt Karl Ger st meier geworden ist. Der Mann wies neben ande- ren Verletzungen einen Schädelbruch auf. Seine eigenartige Lage unter dem Leiterwagen in der Scheuer und ander­weitige Verdachtsmomente führten zur Festnahme der erst 30jährigen Ehefrau des Getöteten und des verheirateten Tagarbeiters Friedrich Lang in Hohenaltheim. mit dem die Frau ein Verhältnis unterhielt.

Aus Stadt und Land

Nagold, den 22. August 1929. s

Will unsere Zeit mich bestreiten,

Ich lasse es ruhig geschehn. *

Ich komme aus anderen Zeiten

Und hoffe in andere zu gehn. Grillparzer.

Im August vor 50 Jahren 1878.

1. Einweihung des von Oberamtsbaumeister Bihler- Horb in Bollmaringen erstellten Schulhauses.

I. Die Jagdpächter des Herrenberger Stadtwaldes erlegen an einem Tag 3 kapitale Hirsche, darunter ein Zwölfen­der, im Wildbret annähernd 300 Pfund.

6. Mit allgemeiner Begeisterung wurde in Alpirsbach der Beschluß der hohen Abgeordneten Kammer vernommen, wonach die Eisenbahnlinie von Freudenstadt nach Schil- tach weitergeführt werden soll.

II. Ankunft des 1. Probezuges in Freudenstadt auf der neuerbauten Strecke Stuttgart-Freudenstadt.

23.Fritz Wucherer-Altensteig eröffnet bei der Post ein Eisenwaren-, Spezerei- und Farbwarengeschäft.

Im August vor 25 Jahren 1904.

1. In Mötzingen und llnterjettingen gehen schwere Ha- gelschläge nieder. Es wird an Getreide, Obst und Hop­fen ein Schaden von SO Prozent gemeldet.

2. Freiherr A. von K e ch l e r-Schwandorf, Oberstleut­nant z. D. und ritterschaftlicher Abgeordneter, hält mit seiner Gemahlin unter Böllerschüssen und lebhaften Hochrufen seinen Einzug in das festlich geschmückte Schloß.

4. In Jlsfeld bei Besigheim brennen von S60 Wohnhäu­sern 310 nieder.

7. Die Gebäude von Schüler, Müller und Nutz in Gültlingen werden durch Feuer zerstört.

5. Der bekannte württ. Theologe und Philosoph. Schrift­steller, Geh.-Rat Dr. von Sigwart, stirbt in Tübin­gen im Alter von 74 Jahren.

Bon der Nagolder Weberzunfl

(Nachdruck verboten).

Wo in den Städten Württembergs die Textilindustrie zu Hause ist, gehen deren Anfänge vielfach weit in die Vergangenheit zurück. Die Erzeugung der Rohstoffe in der nächsten Umgebung, der Anbau von Flachs und Hanf und eine ausgedehnte Schafhaltung gaben die Grundlage für eine gewerbsmäßige Verarbeitung der Webstoffe. Aus dem Gewerbebetrieb entwickelte sich dann der Großbetrieb überall da, wo Wasserkräfte das Triebwerk in Bewegung setzten. So ist es zu erklären, daß Städte wie Nagold, Calw, Reutlingen, Urach, Kirchheim, heute die Mittel­punkte der Webindustrie Württembergs sind.

In frühen Jahrhunderten schon wurden die Leistun­gen der württembergischen Weber auf allen Märkten gepriesen. Unter den Zünften nahm da­rum die Weberzunft eine hervorragende Stellung ein. Sowohl die Magistrate der Tuchmacher­städte als auch die Regierung brachten ihre Anerkennung und Wertschätzung dadurch zum Ausdruck, daß sie bei der Ausstellung von Zunftordnungen den Webern allerlei Begünstigungen zuteil werden ließen. Während anderen Zünften jährlich nur ein Zunfttag mit Spiel und Tanz erlaubt war, durften ihn die Weber zweimal und zwar zwei Tage hintereinander feiern. Außerdem bewilligte man ihnen bei ihrem monatlichen Zusammenkünften einen Tanz mit Pfeifen- und Saitenspiel. Dieser bevor­zugten Stellung waren sich die Zunftgenoffen auch be­wußt und trugen sie in Haltung und Kleidung zur Schau. Ein Weber ging nie entblößten Hauptes in der Stadt umher. Die Würde und das Ansehen des Standes verbo­ten es ihm, auf der Straße oder auf dem Markte zu essen. Für einen Weber geziemte es sich nicht, dem andern über das Maul zu fahren, den Vorgesetzten anzuschnarren, oder bei der Unterredung mit den Händen zu fechten. Ein ehr­barer Meister enthielt sich des Fluches und Schwörens, der Zoten und des Poffenreißens. Ein Webergeselle ging nie ohne Rock, Camisol und Halstuch in der Stadt umher und führte sich in allen Stücken fein sauber und ehrbar. So wollte es die Zunftordnung der Weber, und solange sie diese beachteten, ging es den Webern gut.

Als einst das Zunftwesen einsetzte, wurde zwischen Leineweber und Weber genau geschieden. Keiner durfte dem andernins Handwerk pfuschen". Die Zunftmitglie­der wachten darüber strenge. Verfehlungen brachten sie vor offener Lade vor. Der Zunftmeister erhob dann Klage bei der Hauptlade, die unsrer heutigen Handwerks­kammer entsprach. Für die Meister unter den Steige war ihr Sitz in Stuttgart, für die Nag old er in Tübin­gen. Was bei diesen Versammlungen beschlossen wurde, war für sämtliche Meister bindend, da alle Beschlüsse nur auf Hebung und Förderung des Handwerks abzielten. Meist waren es Verfehlungen der Mitglieder gegen die Zunftordnung, die auf der Hauptversammlung besprochen und gerügt wurden. Zunftgenoffen, die keine ordentliche Lehre mitgemacht, kein Meisterstück verfertigt hatten, die nie oder nur kurze Zeit in der Fremde gewesen, schädig­

ten mit ihren minderwertigen Waren nicht nur die Käu­fer, sondern auch das Ansehen der ganzen Zunft. Lag das Handwerk darnieder, so suchte man ihm durch neue Zunftordnungen aufzuhelfen, die von der Regierung auf­gestellt wurden. Daneben hatten aber die Weberstädte noch ihre eigenen Ordnungen und Sonderbe­stimmungen. Dies gilt namentlich von den Städten Nagold, Wildberg, Calw und Urach.

- In der Tuchmacherordnung vom Jahr 1724 wirdde­nen von Nagold erlaubt, neben flachen Tüchern (Futter) auch 6- und 7-bündig Tuch und Voy zu machen. Was 6-bündig ist, soll von guter flämischer Wolle gewo­ben und mit guten Farben gefärbt sein, Flache, d. h. Futtertücher, kann jeder Meister jährlich SO Stück machen, doch nicht geringer als aus dem 5. Bund gewoben und nicht gekardet oder zu Tuch gerichtet. Es darf nicht aufge­rieben und nicht für Tuch oder Boy ausgeschnitten sein. Mit solchem Nagolder Tuch soll sowohl den Handelsleu­ten als auch den Tuchmachern zu handeln dergestalt er­laubt sein, daß die Stoffe, die für Boy verkauft werden, wenigstens 5-bündig sind und sie zur Verhütung von Schleich und Betrug ordentlich geschaut und gesiegelt wer­den." Mit ihrem 7- und 8-bündigen Tuch dürfen die Na- golder auf den Märkten besondere Stände einnehmen. Ihnen reihen sich dann die an, die 6-bündiges Tuch ver­kaufen. An dritter Stelle folgen die Stände mit Futter­stoffen. Die von Wildberg gehören zu den bbiindigen, ob­wohl sie auch 7-bündige Wolle verschaffen können. Ebenso dürfen die von Haiterbach, Sulz, Dornstetten, Dornhan und Alpirsbach nach Wildberger Ordnung ge­mäß 7-bündiges Tuch Herstellen und durch Schau und Siegel als 7-bündig bezeichnen. Ihre 6-bündigen sollen, wenn sie gut sind, mit zwei, die schlechten mit einem Siegel versehen werden. (Die besten Stücke wurden mit drei Siegeln bedruckt).

Eine Zunft besonderer Art bildete die Calwer Zeugkompagnie. Sie war von der Regierung mit Sonder­rechten ausgestattet. Sie fertigte Stoffe, die sonst niemand Herstellen durfte. Die Tuchmacher des Nagoldtales waren gezwungen, ihre Stoffe bei der Calwer Gesellschaft färben zu lassen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren ihr sämtliche Zeugmacher in Stadt und Amt Nagold ausge­liefert. Die Meister mußten ihre Waren an die Kompag­nie verkaufen; den Preis aber setzten nicht die Lieferan­ten sondern der Käufer fest. Zudem nahm er von leoem Meister monatlich nur zwei Stücke an, obwohl in dieser Zeit 68 hätten geliefert werden können. Es war ein Glück für die armen, der Willkür ausgelieferten Weber, daß die Gesellschaft im Jahr 1797 aufgelöst wurde. Frei­lich werden es nur wenige gewesen sein, die in den ow rauf folgenden Zeiten der industriellen Entwicklung stm ihre Selbständigkeit haben erhalten können. Erhallen aber blieb die Webindustrie. Sie war im Nagoldtal ichon in alten Zeiten heimisch und ist es bis zum heutigen -Lag-