Seite 2 — Nr. ISll
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Donnerstag, 15. August 182g.
den. Für die fünf großen Mächte berechnet Norton folgende Ausgaben für die Auswärtigen Aemter. wobei er von den Gesomtaufwendungen die Anfälle an Gebühren 'abzieht, die bei diesen Aemtern eingehen, so daß die reinen Skaatsans- gaben erscheinen: England Gesamtsumme 10 607 730, Ge- bührenanfülle 3 536 070, reine Kosten 7 071 660, Frankreich Gesamtsumme 9 335190, Gebührenanfälle 5 576 1U6, reine Kosten 3 578 995, Deutschland Gesamtsumme 16 126 975, Gebührenanfälle 936 925, reine Kosten 15 190 050, Italien Gesamtsumme 6 879 605, Gebührenanfälle 3 200 000, reine Kosten 3 679 605, Amerika Gesamtsumme 11002 048, Gcbührenanfälle 8 758 483, reine Kosten 2 243 565.
Die Zusammenstellung läßt erkennen, daß Deutschland die größten Aufwendungen für sein Auswärtiges Amt macht und dabei die geringsten Gebühren bezieht, während Amerika fast die gesamten Auslagen für sein Staatsdepartement aus Gebühren zu bestreiten mag.
Neueste Nachrichten
Die Verminderung der Srisenunterstühung
Berlin. 14. August. Der Rückgang der Krisenunterstützungsempfänger in der zweiten Julihälfte um 53 000 erklärt sich aus verschiedenen Gründen, di« ausschließlich auf die Neuordnung der Unterstützungsberechtigten zurückzuführen ist. Nach dieser Neuordnung, die Mitte Juni in Kraft getreten ist, sind ausgeschlossen von dem Empfang der Unterstützung alle Arbeitnehmer unter 21 Jahren, ferner alle Arbeitnehmer unter 40 Jahren, wenn sie bis zu 39 Wochen Unterstützung erhalten haben, und sämtliche Arbeitnehmer, die über 52 Wochen bereits im Genuß der Unterstützung gewesen sind. Eine Milderung kann jedoch insofern eintreten, als das Reichsarbeitsministerium gesetzlich ermächtigt ist, besondere Notstandsbezirke und besonders not- leidende Berufe zu berücksichtigen. In diesem Fall kann die Unterstützung weiter gezahlt werden. Dies geschieht zum Beispiel in dem Aachener Gebiet und in Stettin. Ueber weitere Wünsche, die den amtlichen Stellen zugegangen sind, ist im Augenblick noch keine Entscheidung getroffen worden.
Die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger in der Arbeitslosenunterstützung hat sich von 720000 auf 710 000, also nur um rund 1,5 o. H. verringert.
Lin Kundgebung Potsdamer Schüler
Potsdam, 14. August. Vor dem Geschäftshaus des sozialdemokratischen „Volksblatts" sammelten sich heute nachmittag nach Schulschluß etwa 400 Schüler an, brachten „Nieder"-Rufe aus und lärmten mit den Klingeln ihrer Fahrräder. Als Anlaß ihrer Kundgebung nahmen sie einen Artikel des Blatts über die Verfassungsseiern der Schulen aus dem Luftschisfhafen, in dem gesagt war, höhere Schüler, insbesondere die Gymnasiasten vom Viktoriagymnasium, hätten sich sehr schlecht benommen und die Republik durch ihr Verhalten verächtlich gemacht. Als die Polizei und das Ueberfallkommando erschienen, verlangten die Schüler die Beseitigung de' im Schaufenster aushängenden Artikels. Da dies abgelebnt wurde, lärmten die Schüler weiter und der Straßenbahnverkehr wurde nahezu unterbunden. Erst nach einiger Zeit stellte die Polizei die Ordnung auf der Straße wieder her.
Eine merkwürdige Freilassung
Der französische Zweck erreicht
Mainz, 14. August. Vor etwa drei Vierteljahren waren mehrere französische Fabrik- und andere Spione von deutschen Behörden entlarvt und festgenommen worden, darunter mehrere Angestellte eines großen chemischen Konzerns. Die Angelegenheit war den Franzosen höchst peinlich, uird um einen „Ausgleich" zu schaffen, ließ di« französische Besatzungsbehörde neun Beamte und Arbeiter der Reichsvermögensverwaltung in Mainz und Koblenz verhaften unter der ungeheuerlichen Beschuldigung, sie hätten Einbrüche in
französischen Offizierswohnungen verübt und wichtige Akten gestohlen. Die Verhafteten befinden sich s e i t a ch t M o n a- ten im Untersuchungsgefängnis, ohne daß ihnen eine Schuld hätte nachgewiesen werden können. Mehrere von ihnen haben infolge der langen Haft und der rücksichtslos geführten „Untersuchung" Nervenzusammenbrüche erlitten. Nun ist zwischen den zuständigen deutschen und französischen Behörden nach mehrwöchigen Verhandlungen die Vereinbarung getroffen worden, daß die französischen Spione freigelassen werden sollen, wogegen die Franzosen auch jene neun Beschuldigten srei- geben. Sie sind heute morgen in aller Stille aus dem französischen Untersuchungsgefängnis entlassen worden.
Meuterei an Bord eines französischen Kreuzers
Paris, 14. August. Die kommunistische „Humanite" meldet gerüchtweise, an Bord des Kreuzers „Waldeck- Rousseau" habe ein Teil der Bemannung wegen übermäßigen Dienstes und schlechter Verpflegung gemeutert. An Bord seien 19 Mann an einer ansteckenden Krankheit gestorben. Im ganzen sollen aber 32 Todesfälle zu verzeichnen sein, die restlichen 13 seien also wohl bei und wegen der Meuterei erschossen worden.
Geplänkel an der mandschurischen Grenze?
Moskau, 14. August. Durch die Sowjetageniur wird verbreitet, russische Weißgardisten und Chinesen hätten an verschiedenen Stellen angriffsweise die Grenze überschritten, seien aber zurückgeschlagen worden.
Aus Tokio meldet Reuter, Sowjetkavalleristen haben das chinesische Dorf Jurainow am Argunfluß geplündert und fünf Bewohner in den Fluß geworfen. — Wegen des von den russischen Arbeitern und Angestellten der Ostbahn ins Werk gesetzten Generalstreiks sind in der Mandschurei einige Bergwerke ersoffen. Die mandschurische Regierung hat daher weitere 16 russische Angestellte verhaften lassen.
Der kürzlich zum Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte in Ostsibirien ernannte General Blücher soll nach chinesischer Behauptung dieselbe Person sein wie General Galenz, der ein Hauptberater des chinesischen Heers in den Jahren 1926 und 1927 war und der dann nach Moskau zurückkehrte, als die Nationalisten die Beziehungen zu Moskau abbrachen.
Württemberg
Stuttgart, 15. August 1929.
ep. Deutschlandfahrt englischer Geistlicher. Mit dem Ha- pagdampfer Neuyork traf am Dienstag eine Abordnung von 18 führenden Geistlichen der englischen Kirche in Hamburg- Cuxhasen ein. Diese Deutschlandsahrt erfolgt aus Einladung der deutschen Gruppe des Weltbunds für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen, und soll den englischen Theologen einen Einblick in die deutschen Kirchenverhältnisse vermitteln. Gleichzeitig ist sie eine Erwiderung auf die Studienreise deutscher Theologen nach England, die auf Einladung der englischen Kirchen bereits im vergangenen Jahr unternommen wurde.
Schwerverbrecher in Karlsruhe festgenommen. In der Nacht zum Mittwoch gelang es der Polizei in Karlsruhe in einer Wirtschaft der Altstadt, zwei Diebe aus Stuttgart festzunebmen, die von der Stuttgarter Kriminalpolizei wegen Diebstahls von Banknoten und Schmucksachen im Wert von 100 000 Mark gesucht werden. Es bandelt sich um einen ledigen, 28 Jahre alten Homöovathen und einen gleichaltrigen ledigen Kaufmann. Auf der Fahrt nach der Wache versuchte der eine der Festgenommenen, zwei goldene Ilhren aus dem Wagen zu werfen, woran er aber gehindert wurde. Bei der Durchsuchung wurde außer dm, beiden Uhren eine mit Brillanten besetzte Brosche und be: dem anderen Verbrecher 180 Mark Bargeld jedenfalls der Erlös des bereits abgesetzten Diebesguts, gefunden.
Standardisierung von Weizen und Roggen. In diesem wird die Standardisierung auf Weizen und Roggen ausgedehnt. Um Unterlagen für das Beurteilungsschema bei der Durchführung der Standardisierung zu bekommen bittet die Wurtt. Landwirtschaftskammer um baldige Einsendung von Proben von Weizen. Roggen und Gerste dies- zahriger Ernte im Gewicht von 1 Kilogramm. Die Unter- suchung der Proben erfolgt kostenlos.
wieder 300 neue Wohnungen. Die Gemeinnützige Gesellschaft für Angestelltenheime hat in Cannstatt an der Taubenheimstraße gegenüber der alten Artilleriekaserne ein grö- ßeres Areal erworben. Auf diesem Gelände sollen, wie die Südd. Zeitung hört, im ganzen 300 Wohnungen für Angestellte erstellt werden. Für diese Wohnungen kann sich jeder Angestellte, der reichsversichert ist, vormerken lassen. Diese 300 Wohnungen werden sich auf Drei-, Vier- und Fünfzimmerwohnungen verteilen.
Zusammenlegung der Taubstummenanstalten. Wie verlautet, ist die Zusammenlegung der Württ. Staatlichen Taubstummenanstalten geplant. An Stelle der zurzeit in Bönnigheim, Nürtingen und Gmünd befindlichen soll eine Anstalt erstehen. We das Institut errichtet werden soll, ist n :ch nicht bestimmt. Mannigfache Bestrebungen geben bahn, Bönnigheim unter Ausbau der bestehenden Einrichtungen beizubehalten. Der Senat der Universität Tillm- gen hat ein Gesuch eingereicht, die Anstalt dorthin zu verlegen.
Gewährung von Gekränken und Speisen an das Eisen- bahnpersonal. Die Hauptverwaltung der deutschen Reichsbahngefellschaft hat nähere Bestimmungen erlassen über die Gewährung von Getränken und Speisen bei außergewöhnlicher, die Ausübung des Dienstes erschwerender Hitze und Kälte. Für die kostenlose Abgabe von Getränken im Sommer (Kaffee, Tee oder Mineralwasser) ist Voraussetzung 23 Grad Celsius im Schatten um 10 Uhr, im Winter (Kaffee. Tee oder dicke Suppen) eine Kälte von 10 Grad Celsius oder naßkalte Witterung. Bei der kostenlosen Abgabe von Speisen kommen in Betracht ein einfaches warmes Essen oder belegte Brote, daneben die oben erwähnten Getränke (ohne Suppen). Wer vom Personal an diesen Einrichtungen teilnehmen darf, ist im einzelnen bestimmt. . ,
Todesfall. Im Marienhospital starb im Alter von 52 Jahren Dr. phil. et theol. Zeller, Pfarrer in Hausen ob Urspring OA. Blaubeuren. Der Verstorbene war von 1904 bis 1910 Repetent in Tübingen, war Ehrendoktor der Theologie und ein eifriger Priester. Er wollte sich im Marienhospital einer Operation unterziehen lassen.
Sindelfingen OA. Böblingen, 14. August. Tödlich verunglückt. Fabrikant Edwin Kister (Schwiegersohn des Fabrikanten Wilh. Dinkelacker) ist in seinem Ferienaufenthalt wenige Stunden vor seiner Abreise tödlich verunglückt. Ueber die Begleitumstände des Unglücks liegen nähere Nachrichten noch nicht vor.
Sindelfingen OA. Böblingen, 14. Aug. Gefährlicher Trank. Der Sohn eines hiesigen Bäckermeisters trank aus einem Gefäß, das sonst zur Mostaufbewahrung diente, einen Schluck Lauge. Er wurde in bedenklichem Zustand in das hiesige Krankenhaus verbracht. Schon früher mußte ein hiesiger Bäckermeister durch eine solche Verwechslung sein Leben lassen.
Biktenfeld OA. Waiblingen, 14. August. Schicksals- gleichheit. Kürzlich sind hier zwei im 58. Lebensjahr stehende Männer zu Grabe getragen worden: Christian Beeh und Wilhelm Beeh. Beide waren nah miteinander verwandt. In Erinnerung ist hier noch, daß seinerzeit bei ihrer gemeinsamen Taufe ihre Namen vom Pfarrer verwecheslt wurden. Nach Beendigung der Schule wandten sich beide der Landwirtschaft zu, in der sie sich, besonders im Obstbau, große Verdienste erworben haben. Im vorigen Jahr wurden beide Männer gleichzeitig magenkrank. Wilhelm Beeh starb in der Nacht vom Samstag auf Sonntag und Christian Beeh am Sonntagmorgen. Man hat sie beide in einem gemeinsamen Grab beerdigt.
(Nachdruck verboten).
(Fortsetzung 65)
„Vater, von wem ist das Bild?" Rita und Ernst standen vor dem breiten Eoldrahmen, der ein in Oel gemaltes Kinderköpfchen umschloß. Man schwankte in der Vermutung, ob es ein Knabe oder ein Mädchen sei. Dunkles Telock fiel auf die Schultern und um die Helle Stirn. Der Mund lag halb geöffnet, als wolle er gleich den großen, samtdunklen Augen M dem Beschauer sprechen. „So müßte Max ausgesehen haben in diesem Alter!" sagte Rita und sah dabei an dem General vorüber, immer nach dem Bilde hin. Dann tat sie einen verstohlenen Blick zu ihm hinüber. Er war sehr blaß geworden und strich hastig ein kleines Insekt weg, das über den Eoldrahmen kroch.
„Vater, von wem ist das Bild?" frug Gerda, die nun auch auf dasselbe aufmerksam geworden war.
„Von einem Freunde — ja von einem Freunde!" sagte er und machte sich angelegentlich mit Trudes Jungen zu schaffen.
Rita nannte den Namen eines bekannten Malers, der ab und zu ein Bild für die Familie schickte oder bei besonders festlichen Gelegenheiten überbrachte. „Ist es von ihm, Vater?"
„Ja, Rita!"
Die schöne Frau stand so, daß der General nicht umhin konnte, sie anzusehen. Dabei gewahrte er wieder das Lächeln um ihren Mund, wie einstmals im Spiegel. „Du glaubst mir nicht?" Er wählte, ohne sich zu erinnern, die gleichen Worte wie an jenem Abend und sie mit voller Absicht die von ihr gebrauchten
„Vater, wie sollte ich! — Wenn du sagst, es ist so, dann bin ich überzeugt, daß du die Wahrheit sprichst".
Er suchte in ihren Augen und fand nichts, das ihm Aufklärung gab. Nein, sie wußte nichts. Sie konnte nichts wissen. Wie sollte sie auch?
„Genau solch ein Bild habe ich von Max!" sagte Trude und beugte sich nahe darüber.
Die Wangen des Generals röteten sich dunkel. Er nahm es gleich darauf rasch in sich. „Ich will es in mein Zimmer hängen", sagte er und verließ den Raum.
Eiesbert war verärgert. „Wenn man gewußt hätte, daß Vater an solchen Sachen Freude hat, dann hätte man ihm ja auch ein Gemälde schenken können". Gerda hatte gar nicht auf ihn gehört. Nur um Ritas Mund lag ein Lächeln.
Während der General noch auf seinem Zimmer weilte, brachte die Post ein Paket. Ein steifes Rechteck in festem Packpapier verschnürt. „Von Max!"
Karls Gesicht bekam einen zufriedenen Ausdruck. „Na, endlich!" sagte er und wog das verschnürte Ding in den Händen. „Einer mußte doch endlich einmal nachgeben. Trag das Paket dem Großpapa hinauf, Lore-Lies.
Rita streckte ihre Hände danach aus. „Würdest du erlauben, Karl, daß ich es tue?"
„Natürlich! — Das Mädel bleibt ohnedies lieber bei den Kindern."
Lena sah, wie er sie mit den Augen verfolgte, bis sich die Tür hinter ihr geschloffen hatte, aber es keimte kein häßliches Gefühl in ihr hoch. Die Schwägerin hatte sich sehr zu ihren Gunsten verändert. Bei ihrer Ankunft trat sie Hand in Hand mit ihrem Manne über die Schwelle, und wenn die Blicke der Gatten sich trafen, waren sie immer freundlich gut. Ritas Augen waren auch nie mehr kühl überlegen. Man sah endlich einmal die Seele in ihnen leuchten.
„Darf ich kommen, Vater!" Rita hatte geklopft und keine Antwort erhalten. Sie steckte den Kopf durch die Türe und sah den General über das Bild geneigt, das auf dem Tische lag. „Vater"!
Er fuhr rasch empor und strich sich über die Augen, als sei er von einem Insekt belästigt worden.
„Du hast solche Freude an dem Bild!" Rita konnte es nun erst so ganz mit Muße betrachten. „Es ist auch entzückend! Wenn Lore-Lies und Max ein Kind hätten, müßte es genau so aussehen wie dieses hier. Die Nase!
— sieh doch einmal, Vater — hast du das schon bemerkt
— genau wie bei Max, und dieser eigensinnige Schwung über den Augen. Wenn Max ganz stille saß — was ja sehr selten vorkam —", schob sie lächeln ein, „hatte er ganz denselben Ausdruck. Nur der Mund — der ist von Lore- Lies! — Ist es nicht ewig schade um diese beiden Menschen!"
„Es ist nichts mehr daran zu ändern". Der General nahm das Bild vom Tische und lehnte es mit der gemalten Seite gegen die Wand. „Von wem ist das hier, Rita?" Er zeigte auf das Paket.
„Von Max!" Sie hatte absichtlich keinerlei Umschweife gemacht. „Darf ich sehen, was es enthält?"
Der General mußte es öffnen, denn Rita schien nicht geneigt zu sein, das Feld zu räumen, ehe ihr Wunsch erfüllt war. Sie lehnte sich behaglich in einen der Stühle zurecht.
Es war alles handgeschrieben, was das Paket enthielt. Lauter Blätter mit Noten, von denen jede einzelne ein Muster an Feinheit war. Ungeheure Mühe mußte das gekostet haben. Es war Max Ebrachs Oper, die im Spätherbst aufgeführt werden sollte. Rita sah, wie der Schwiegervater nach einer Zeile suchte. Sie half ihm zwischen den Blättern Nachschau halten, aber es war nichts zu finden. Nur das Titelblatt trug die Widmung:
„Dem General von Ebrach zum siebzigsten Geburtstage in Verehrung und Ergebenheit gewimet von-
Max von Ebrach".
Rita hatte das Gefühl, daß der' Schwiegervater mit sich allein sein wollte, aber das durfte nicht sein. Jetzt, sofort mußte alles wieder ins Gleis kommen — oder es war nie mehr gut zu machen. „Willst du Max nicht ein Telegramm schicken, Vater?"
„Weshalb?"
„Nun, ich dachte nur, du wolltest ihm danken! — Man dankt ja auch einem Fremden für seine Wünsche und mehr würde er sicher auch nicht erwarten".
„Das hat noch Zeit!" — Er sah Ritas Blick auf sich gerichtet. Es war eigen, wie schwankend er immer darunter wurde, ganz gegen seinen Willen setzte er hinzu: „Wenn du meinst, kann es auch gleich sein".
„Ernst und ich würden es noch zur Bahn bringen". Sie nahm einen Zettel Papier, der nebenan auf seinem Schreibtisch lag. „Wenn du diktieren wolltest, Vater —
Er hatte die Hand auf den Tisch gestützt und suchte nach Worten. Ritas Blick lag wie zufällig auf dem Bilde das gegen die Wand gelehnt war. Da nahm der seine auch den Weg dorthin. Was ihm noch nie in den Sinn gekommen war, daß der bemitleidenswertere Teil der in die Brüche gegangenen Ehe zurzeit sein Sohn war, der losgelöst von allem, was ihm Halt geboten hatte, sich trotzdem wieder Hochrang, das kam ihm jetzt zum Bewußtsein. Dazu die Worte der greisen Dorfbacherin: „Har alles seine Zeit. Das Zürnen und das Eutsein. Man mutz auch wieder vergeben können. Wäre schlecht bestellt um uns sündige Menschen, wenn der Herrgott kein Verzeihen hätte." — Und er war alt! — Siebzig Jahre heute! — Allzu lange würde seine Lebensuhr wohl nicht mehr hämmern. — „Schreib, Rita!" ,
Ihre Hand lag auf dem Blatt und fieberte lercht.
(Fortsetzung folgt).