Seite 2 — Nr. 166
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter«
Donnerstag, 18. Juli 1929.
fische Gesandte werde demnächst nach Moskau abreisen, um die Verhandlungen zu führen. Es müsse darauf hin- gewiesen werden, daß die Sowjetbeamlen in der Nordmandschurei unter Bruch des russisch-chinesischen Abkommcnr- von 1924 durch Agenten versucht haben, eine kommunistische Republik in China zu errichten. Die Regierung in Nanking sei gezwungen gewesen, gegen die kommunistische Wühlarbeit vorzugehen und Haussuchungen im sowjetrussischen Generalkonsulat in Chardin oorzunehmen. Sie verlange, daß die in Rußland verhafteten Chinesen freigelassen und die in Rußland wohnenden chinesischen Staatsangehörigen gleichberechtigt mit anderen Ausländern behandelt werden.
Die „Jswestija" meldet, die Sowjetregierung sei von der chinesischen Note nicht befriedigt: sie erwarte sofort eine befriedigende Note auf das Ultimatum vom 13. Juli und halte ihre darin ausgesprochenen Drohungen aufrecht. Die chinesische Antwort sei nur ein Verschleppungsmanöver.
Aus London wird berichtet, die Regierung in Nanking habe Japan den Abschluß eines chinesisch-japanischen Freundschaftsvertrags vorgeschlagen.
Württemberg
Stuttgart. 17. Juli.
Verfasiungsfeler. Don zuständiger Seite wird mitgeteilt: Die Württ. Staatsregierung und die Stadtverwaltung Stuttgart werden am Sonntag, den 11. August 1929 vormittag 11 Uhr in der Stadthalle eine Verfassungsfeier veranstalten. Die Festrede hat der Reichstagsabgeordnete H o f- m a n n - Ludwigshafen (Soz.) übernommen. Die Festrede wird von Vorträgen des philharmonischen Orchesters. Ge- sangsvortägen der Männerchöre des Gaus Stuttgart des Schwäbischen Sängerbundes und des Arbeitersängerbundes Bezirk Stuttgart umrahmt sein. Der Eintritt zu der Feier ist frei. Am Nachmittag wird die Stadtverwaltung Stuttgart ein Kinderfest veranstalten.
Skullga-.l. 17. Iuli. Lehrberechtigung. Dem Assistenten am mineralogischen Institut der Universität Tübingen Dr. Ernst Baier ist die Lehrberechtigung für Mineralogie und Peirographie an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen erteilt worden.
Zur Hochschulfrage. Der Vorstand der Stuttgarter Studentenschaft tritt in einer öffentlichen Erklärung dafür ein. daß das Weißenhofgelände alsbald auf seine Bebaufähigkeit für den Neubau der Technischen Hochschule untersucht und daß gegebenenfalls der Vau in kürzester Zeit in Angriff genominen werde. — Wenn nur die Kosten von 28 Millionen nicht wären!
Dom Tage. Ein Hamburger Zimmermann, der nachmittags mit zwei Kameraden bei Gaisbuig badete, aber des Schwimmens nicht recht kundig war. ries, als er mitten im Fluß sich befand, um Hilfe. Gleich daruus sank er unter. Ein Versuch, ihn zu retten, war veraebliäi.
Ein gefährlicher Einbrecher stand gestern in der Person des 41 Iahre allen Kaufmanns IaroSlaw Zahradnik von Prag vor dem erweiterten Schöffengericht in Stuttgart. Der Angeklagte kam nach einem sehr bewegten Vorleben nach Stuttgart, wo er 8 Einbrüche ausführte, nachdem er in anderen größeren Städten unzählige gleiche Strastaten verübt hatte. Insgesamt fielen ihm in Stuttgart für 16 000 Mark Juwelen und Schmucksachen in die Hände. Trotzdem der Angeklagte mit 128 Monaten Zuchthaus und Kerker vorbestraft ist, war er in einer norddeutschen Stadt als ..Bankdirektor" tätig. Das Gericht erkannte auf eine Zuchthausstrafe von 6 Iahren. sowie 10 Iabren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. Der Staatsanwalt hatte neun Jahre Zuchthaus beantragt. Mit diesem Urteil wird es noch nicht sein Bewenden haben, denn der Angeklagte wird auch noch von anderen Staatsanwaltschaften gesucht.
8 o dtädl 5.5 Cttdl 3 10 ü kr - 70 si.k87i.
Nachdruck verboten.
(Fortsetzung 42)
„Willst du dich legen?" fragte er entgegenkommend. „Ich bleibe diese Nacht noch bei Ernst, da ich morgen zu reisen gedenke".
„Es bleibt dir selbstverständlich unbenommen", sprach sie höflich. „Aber ich denke, das Zimmer hat Raum für uns beide".
So blieben sie: die Frau an die Kante des Bettes gekauert, der General aus einem Stuhl sitzend, durchwachten sie die Nacht. Erst als der Vater sich anschickte, von seinem Sohn Abschied zu nehmen, verließ Rita für eine kurze Spanne Zeit das Zimmer.
Der alte Ebrach neigte sich über seinen Lieblingssohn. „Wenn du willst, daß ich Schritte zur Scheidung für dich tue . . "
Zwei abgemagerte Hände umklammerten seinen Arm. „Wünscht sie es?"
„Nein! — Sie will bei dir bleiben".
Ein Aufatmen ging durch den hageren Körper. Dann sank er mit einem Lächeln und einem Seufzer der Befriedigung zurück.
Rita ließ es sich nicht nehmen, den Schwiegervater zur Bahn zu begleiten. Zuerst fiel kein Wort zwischen ihnen, dann bezwang sich der General zu reden. Schließlich tat er ja alles nicht um dieser Frau, sondern um seines Sohnes willen. Aber ihre Ablehnung war heute so schroff, wie sie gestern gewesen war. Sie benötigte keinerlei Unterstützung. „Du weißt, welcher Art meine Nebenbeschäftigung ist, und daß sie uns für alle Fälle vor Not sichert. Wenn es trotzdem nicht reichen sollte, kann ich ja noch Arbeit anderer Art dazunehmen".
„Ich möchte dich aber bitten, mir dann davon Mitteilung zu machen". — Es kam keine Antwort. — „Jedenfalls muß Ernst in irgendein Sanatorium zur Erholung. Ich habe an Brückenau gedacht und dann im Winter an den Gardasee oder nach Lugano", sagte Ebrach und forschte in ihrem Gesicht.
Sie ging sofort darauf ein. „Ich habe ein Zimmer im Schwarzwald für ihn bestellt. — Er hat Vorliebe für diese Gegend. Im Herbst ist er bereits für Sorrent angemeldet. Ich habe auch in Capari gefragt, ob etwas frei ist. Wir haben früher immer dort den Herbst verbracht. — Es hat ihm gut gefallen".
ep Dahl. Bei der am letzten Sonntag im Metallarbeiterheim in Stuttgart abgehaltenen Landesversammlung des württ. Landesverbands des Bunds religiöser Sozialisten wurde Stadtpfarrer Dr. Schenkel- Zuffenhausen zum ersten Vorsitzenden gewählt.
Die Verwalkungskosten in der Sozialversicherung. Die Verwaltungskosten der reichsgesetzlichen Krankenkassen erreichen im Jahr 1927 insgesamt 91,1 Mill. RM., das sind 4,8 RM. auf ein Mitglied oder 7,2 Prozent der Gesamtausgaben. Hiervon entfallen 73.2 Millionen RM. auf die persönlichen Verwaltungskosten. Die Verwaltungskoste" der Ersatzkassen betrugen 13,2 Millionen RM. oder 11.69 RM. je Mitglied, das sind 11,8 Prozent der Ausgaben. Die Verwaltungskosten bei den Trägern der Unfallversicherung betrugen im Jahr 1927 insgesamt fast 43 Millionen Mark, das sind fast 10 Prozent der Gesamtausgaben. Hiervon entfielen fast 27 Mill. RM. auf Verwaltungskosten gewöhnlicher Art, das sind 8.4 Prozent der Ausgaben. Bei der Invalidenversicherung betrugen die Verwaltungskosten im Jahr 1927 43,4 Mill. RM., das sind rund 5 Prozent der Beitragseinnahmen, hierunter befinden sich 26,4 Millionen RM. persönliche Verwaltungskosten.
Aus dem Lande
Ludwigsburg. 17. Juli. AusderDeutschenVolks- Partei. Am 11. dieses Monats fand hier ein Abschied für den Leiter der Landesgeschäftsstelle der Deutschen Volkspartei Generalsekretär Dr. Maerz im Seegerschen Weingärtchen statt. Dr. Maerz wird sich in Bietigheim niederlassen. In seiner Tätigkeit bei der Landesgeschäftsstelle wird er durch Herrn Rösch, seitheriger Schriftleiter beim Haller Tagblatt, abgelöst.
Lausten a. N., 17. Juli. Beginn der Getreideernte. Die Getreideernte hat hier begonnen. Bereits wurde der erste Roggen eingeführt. So ziemlich gleichzeitig mit dem Roggen kann auf unseren Sandböden auch die Gerste geschnitten werden. Das Fruchtfeld steht im allgemeinen sehr schön, nur zeigt sich bei Roggen, Gerste und auch bei Hafer ziemlich Lagerfrucht, wodurch die Erntearbeiten erschwert werden.
Llrchheim u. T.. 17. Juli. Amtsversammlung. Unter Vorsitz von Landrat Mosthaf fand am 12. Juli eine Amtsoersammlung statt. Der Bau einer Straße von Weiler nach Ebersbach wurde endgültig beschlossen, nachdem die Veitragsverhandlungen abgeschlossen find. Für 1930 wurde ein Straßenunterhaltungsplan mit einem sachlichen Aufwand von 234 000 RM. aufgestellt. Von der Oberamtssparkasse werden für verbilligte Baudarlehen in diesem Jahr 250 000 RM. bereitgestellt: der bisher von der Amtskörperschaft geleistete Zinszuschuß muß wegfallen. Der Errichtung einer Zweigstelle der Oberamtssparkasse in Weilheim stimmte die Amtsversammlung zu. Die Anträge des Bezirksrats zu der Frage der Erweiterung oder Verlegung des Bezirkskrankenhauses liegen noch nicht vor, da ein wichtiges Gutachten noch aussteht. Der Hauptvoranschlag ergibt 80 000 RM. Einnahmen und 747 000 RM. Ausgaben. Auf Restmittel können 25 000 RM. übernommen werden, 30 000 RM. werden mit Rücksicht auf die in diesem Jahr außerordentlich hohen Aufwendungen auf die Straßen, die den Jahresdurchschnitt der kommenden Jahre nicht unerheblich übersteigen, gedeckt werden, der Rest mit 612 000 RM. ist durch Umlage aufzubringen.
Urach, 17. Juli. Heimatwoche. Am Donnerstag, 25. Juli, findet wieder das historische Schäferlauffest mit seinen verschiedenen Veranstaltungen, wie großem Festzug, Wettläufen, Trachtenschau, Aufführung des Theaterstücks „D'Schäferlies" von Hans Reyhing und großem Feuerwerk, statt. Das Fest erhält eine besondere Bedeutung dadurch, daß mit ihm eine Uracher Heimatwoche verbunden ist, die vom 21. bis 28. Juli dauert.
„Hast du auch —"
Sie unterbrach ihn mit einem Zusammenziehen ihrer dunklen Brauen. „Ja, ich habe alles bereits berechnet. — Er wird nichts entbehren".
„Begleitest du ihn?"
Sie maß ihn verwundert. „Du weißt, daß das nicht geht".
„Er wird sich langweilen!"
Ein leichter Spott machte ihre Lippen zu schmalen Strichen. „Ich dachte, du würdest deinen Sohn besser kennen. — Er hat sich noch nie gelangweilt".
Der General nickte. Sie hatte recht. Menschen wie Ernst, deren Inneres so reich war, brauchten keinen äußeren Anstoß, um die Länge der Zeit nicht zu empfinden. Sie schöpften immer wieder aus sich selbst neues Erleben. „Und was wirst du unterdes tun?"
Sie schickte ihm denselben verwunderten Blick wie vorher entgegen. „Ich habe dich doch nicht im unklaren darüber gelassen, was ich zu tun gedenke".
„Wirst du ihm davon Mitteilung machen?"
„Nein!"
„Weißt du, ob er es billigt?"
„Er würde es nicht billigen.-Was soll ich ihn
also damit quälen?"
„Solltest du eines Schutzes bedürfen-" sagte er
und sah sie dabei fragend an.
Einen Augenblick schwieg sie, dann drückte sie die Zähne in die Lippen, was sie immer tat, wenn sie im Begriff war, einen Entschluß zu fasten. „Würdest du mir diesen Schutz angedeihen lasten, Vater?"
Er stutzte. — Was führte sie im Schilde, daß sie ihn Vater nannte? — Das stimmte nicht zu ihrem sonstigen Innenleben. Sie war kühl wie die Master, die von den Bergen kamen und die sich selbst im heißesten Sommer nicht erwärmten. Er wollte sich keine Falle stellen lasten. „Ich werde es selbstverständlich tun", sagte er fest. „Du bist die Frau meines Sohnes und hast als solche darauf Anspruch."
Sie lächelte kaum merklich. „Dann ziehe zu mir, während Ernst fort ist".
„Rita!"-Er griff nach ihrer Hand. „Ich wollte
dich nicht um alles in der Welt kränken", versicherte er hastig, als ihr Gesicht ein fahles Grau annahm. „Es kam mir völlig unerwartet".
Das Blut in ihren Wangen kehrte zurück. „Dann brauche ich also meine Bitte nur zu wiederholen".
„Du mußt mir Zeit lasten, zu überlegen".
„Ja!-Ernst fährt in vierzehn Tagen.-Ist
es dir bis dorthin möglich, mir mitzuteilen, wie du entschlossen hast?"
«avensvurg. 17. Juli. Rutensest. Die alte Reichs- stadt im Schussental feiert vom 21.—23. Juli ihr Kinderfest. Sonntags, den 21 . Juli, wird das Märchen Schneewittchen im Konzerthaus aufgeführt. Der Montag, der 22. Juli, wird den Mittelpunkt des Festes bilden. Im Festzug der 3000 Schüler werden getreue Bilder aus der Geschichte der Stadt wechseln mit farbenfrohen Märchengruppen. Der Rutendienstag widerhallt morgens das Rutentheater und bringt nachmittags das Adlerschießen der Armbrustschützen.
Friedrichshofen, 17. Juli. Heichenbergung. Ge- borgen wurde gestern Nachmittag die Leiche des kleinen Bruno Sonntag. Ein Segelbootfahrer bemerkte sie etwa 100 Meter östlich des Knabenbads auf dem Grund des Sees in nicht sehr großer Tiefe. Das Kind ist vermutlich einem Herzschlag erlegen.
Lindau. 17. Juli. Das Strandbad. Das in der Reutiner Seebucht gelegene neue Lindauer Strandbad, die größte und schönste Anlage dieser Art am ganzen Bodensee. von der Stadt mit einem Aufwand von über 300 000 Mvrk erbaut, ist am letzten Sonntag in Betrieb genommen worden.
ep Kleineislingen. 17. Juli. BezirksfestdesEvan- gelischen Volksbunds. Am letzten Sonntag veranstaltete der Evang. Volksbund einen Bezirkstag in Kleineislingen. Im Gottesdienst hielt Pfarrer Fischer-Schlierbach die Predigt. Bei der anschließenden gut besuchten Der- sammlung begrüßte der Bezirksoorsitzende Stadtpfarrer Rippmann - Göppingen die Anwesenden. Im Mittelpunkt stand ein Vortrag von A. Springer-Ludwigs- burg, Geschäftsführer des Evang. Volksbunds, der das Thema „Ist Amerika unser Schicksalsland?" behandelte. Der Redner, der aus eigener Anschauung die amerikanischen Verhältnisse kennen gelernt hat, wies darauf hin, daß im amerikanischen sozialen und wirtschaftlichen Leben bereits schwere Probleme sich bemerkbar machen, daß aber der Amerikaner gebunden durch seinen Wohlfahrtsglauben nicht imstande sei, rechtzeitig dem Kommenden entgegenzutrelen. Die Schlußansprache hielt Pfarrer Da u r - Kleineislingen. Ein Mär- chenspiel: „Das verlorene Lachen" von einer Mädchengrupp« hübsch dargestellt, Gesänge des Kleineislinger Kirchenchors und einer Göppinger Singschar verschönten den anregenden Bezirkstag.
Unterkirchberg OA. Laupheim, 17. Juli. Doppeljubi - läum. Die 25jährige Amtstätigkeit von Schultheiß Slaude n r a u s und die 25jährige Tätigkeit von Oberlehrer Fisch e r in der hiesigen Gemeinde wurden kirchlich und weltlich unter reger Anteilnahme der Bevölkerung gefeiert.
Untereisesheim OA. Heilbronn, 17. Juli. Tödlichverunglückt. Der Elektromonteur Albert Steinrück von Untereisesheim, 31 Jahre alt, ist gestern im hiesigen. Salzwerk, wo er beschäftigt war, tödlich verunglückt. Er wollte in der Steinsalzmühle eine Leitung Nachsehen, die sonst unter einer Spannung von 1500 Volt liegt. Steinrück hatte zuvor die Leitung abgestellt, aber offenbar scheint dies nicht ganz gelungen zu sein, so daß noch ein geringer Teil Strom in der Leitung vorhanden war, der genügte, um den Tod Stein- rücks herbeizuführen.
Rkainhardl OA. Hall, 17. Juli. Einbruchsdieb- st a h l. Vergangene Nacht wurde in die Genossenschaftsmolkerei eingebrochen. Die Einbrecher erbeuteten etwa 500 RM. und 40 Pfund Butter.
Aulendors, .17. Juli. Gemeiner Diebstahl. Eine hochbetagte Frau aus Ebersbach war bei ihrer Tochter in Aulendorf zu Besuch. Ihr GeN im Betrag von 230 Matt ^ hatte sie in der Handtasche mitgenommen. Auf dem Heimweg erschrak die Frau an dem Hupensignal eines Autos und sprang rasch zur Seite. Dabei muß sie ihre Handtasche verloren haben, was sie aber erst bemerkte, als sie schon einige hundert Meter weitergegangen war. Die Frau kehrte um und fand ihre Tasche wieder, das Geld daraus war jedsch verschwunden.
„Ich werde dir schreiben".
Fünf Minuten später starte Rita den Rauchwolken nach, die der Schnellzug, der eben aus der Halle fuhr, zurückließ. Sie fühlte den Kuß des Schwiegervaters auf den Wangen. Dem alten Mann hatte es wahrscheinlich eine große Ueberwindung gekostet, ihr diese verwandschaftliche Zärtlichkeit zu erweisen. Sie wußte heute schon, daß er kommen würde. Nicht ihretwegen, — — das war nur selbstverständlich, nur um Ernsts willen, damit kein , Schatten auf seine Ehre fiel, solange er fort war. :
Sie hatte sich nicht verrechnet. ^
An dem Tage, an welchem ihr Mann nach dem ^ Schwarzwald fuhr, brachte ihr der Abendzug den Gene- ! ral. Sie empfing ihn mit einem Strauß dunkler Rosen, als er aus dem Wagen stieg. Er neigte sich ritterlich über ihre Finger. Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre beiden Hände und küßte ihn auf den Mund.
„Ich danke dir, daß du gekommen bist".
Dieser Willkommengruß war schuld daran, daß der General sich die erste Nacht, die er im Hause seines Sohnes weilte, nicht zurechtfand.
„Wenn ich Sie bitten dürfte, Gnädigste, den Hut noch etwas weiter nach rechts zu setzen — ich habe — ich glaube — ich meine nämlich, so ist es hübscher!"
„Ach wirklich?" — Rita sah mit einem spöttisch schiffest Seitenblick auf den kleinen Mann herunter, der wie ein Kreisel um ihre Schlankheit tanzte. „Ich finde" -7 sagte sie und gab dem Hut noch extra einen Nuck nach links, „daß er gerade so, wie ich ihn aus habe, am vorteilhaftesten ist."
„Wenn Gnädigste meinen?"-
„Ja, ich meine!"
Sie hörte, wie der Geschäftsmann seufzte. Mit einem gemütlich in die Länge gedehnten Seitenblick streifte sie seine Gestalt und reckte die ihre, daß er ihr kaum bis an die Schulter reichte, als er wieder zu ihr aufsah und eme weiche schieferblaue Seide gegen ihre Wangen hielt. „Jarnos, Gnädigste! — Einfach göttlich — eigens für Sre ausgedacht, diese Nuance — dazu werden wir Strumpfe in ähnlichem Ton nehmen".
Sie sah über die Schulter nach ihm zurück. „Wir werden schwarze Seidenstrümpfe dazu nehmen, — Herr Erun- feld!"
„Zu diesem Schieferblau?"
„Zu diesem Schieferblau!" .
Ihre Augensterne zu einem schmalen Spalt vereng!, sah sie ihn an. — Er tupfte mit dem Taschentuch aufgeregt über die Stirne, auf der wirklicher Schweiß lag, als wäre er auf einer gefährlichen Hochtour begriffen.
Fortsetzung folgt.