Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Dienstag, 2. Juli 1929.
Seite 3 — Nr. 152
Vom Reichsheer.
Im Laufe des 28. und 29. Juni traf zur Vornahme von Schieß- und Gefechtsübungen das 17. Infanterieregiment aus Braunschwem, Güttingen und Goslar auf dem Truppenübungsplatz Münsingen ein, wo sich zur Zeit auch das 13. (württ.) Infanterieregiment und die 2. (Badische) Abteilung des 5. Artillerieregimentes aus Ulm befinden. Bis zur Räumung des Alten Lagers durch die beiden letztgenannten Truppenteile wird das 17. Infanterieregiment in dem während des Krieges neu erbauten Lager in Feldstetten untergebracht. Das Regiment verbleibt bis Ende Juli auf dem ihm unbekannten Uebungs- platz.
Wetter im Juni.
Niederschlag 68.4 mm gefallen an 15 Tagen; Tage mit Gewitter 7, mit Nebel 3. Wärmemittel 15,4 Grad Celsius, Sommertage 8. Größte Wärme 28,9 Grad am 20.; tiefste Temperatur 2,4 Grad am 29. Gegenüber dem Juni des Vorjahrs sind es 2 Sommertage weniger, das Wärmenüttel dagegen ist etwas höher. Zu kühl war die letzte Dekade.
Etaa lich gc'chutzte würtlembergnche Markenbutter
Einführung der winkt. Buttermirke
Das Skaalsministerium hat die Mürtt LandwickschaZs-' Kammer in widerruflicher Weise ermächtigt, ein Marken- schuhzeichen (Württ. Buttermarke) auSzugeben. das mit dem württ. Staatswappen und mit dem Zusatz versehen ist «M ürtt. Markenbutter unter staatlich anerkannter Ueberwachung der Württ. Landwirtschaskskammer". Die Württ- Landwirtschaftskammer darf das Markenschutzzeichen nur für Butter württembergischer Molkereibetriebe ausgeben, die sie nach den dem Württ. Mirtschafksminifterium vorgelegten Bestimmungen als beste Marktware anerkannt hat.
Der Zweck der Einführung der Buttermarke ist die Förderung des Absatzes einer dauernd gleichartigen und in gleicher Aufmachung in den Betrieb gebrachten Butter bester Beschaffenheit. Die Geschäste werden durch dis bei der Württ. Landwirtschaskskammer in Stuttgart. Marienstraße 33, eingerichtete Milchwirtschaftliche Prüfungsstelle durchgeführt. Diese Stelle, kurz „Prüfungsstelle" genannt, wird zur Durchführung der technischen Beratungen. Untersuchungen. Kontrollen und Prüfungen von den milchwirtfchaftlichen Fackbeemksn des Staats (Württ. Zentralstelle für die Landwirtschaft und Lehr- und Forschungsanstalt in Mangen i. A.) und des Berbands Landw. Genossenschaften in Württemberg e. V. unterstützt. Dir Prufungsstelle hat in Sachen Buttermarke einen Beirat: dieser besteht aus dem Vorsitzenden und je einem Vertreter der Württ. Landwirtschaftskammer. des Verbands Landw. Genossenschaften in Württemberg, des Württ. Milchwirtschaftlichen Vereins und des-Verbands der Käsegroßhändler und -fabrikanten Bayerns und Württembergs, vertreten durch einen württ. Buttergroßhändler.
Alle in Württemberg gelegenen Genossenschafts- und Privatmolkereien werden zur Bewerbung um die Buttermarke zugelassen, soweit sie alle für die Herstellung erstklassiger Markenbutter vorgeschriebenen Voraussetzungen und sonstige, genau bezeichnet Verpflichtungen erfüllen. Ueber die Zulassung entscheidet der Beirat nach Anhörung der Prüfungsstelle.
H undelskammersitzung.
Vor einigen Tagen fand auf dem Rathaus zu Nagold eine öffentliche Sitzung der Handelskammer Calw statt. Der Vorsitzende, Herr Dir. Sannwald, Calw begrüßte die neu der Kammer zugewählten Mitglieder, die Herren Vaeßler, Freudenstadt, Graf, Dornstetten und Gau- t h i e r-Calmbach. Als die wichtigste und dringlichste Aufgabe der nächsten Zeit wurde die Reform des Gesetzes über Arbeitslosenversicherung besprochen. Die sich an den Bericht anschließende eingehende Aussprache führte zu dem Ergebnis, daß nicht der Grundgedanke des Gesetzes, sondern die Ungerechtigkeit, die in einzelnen Bestimmungen zu finden sei, beseitigt werden müsse. Wie aus unzähligen Beispielen nachzuweisen ist, bedroht das Gesetz in seiner jetzigen Fassung die Reichsfinanzen im höchsten Maß und untergräbt jede gesunde Arbeitsmoral. Wenn die Mißstände beseitigt würden, die sich insbesondere in der Saisonarbeiter — und der Bedürftigkeitsfrage gezeigt haben, könnte erreicht werden, daß sich die Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung felber trägt, was ja der Grundgedanke des Gesetzes auch ist.
Die zweite in der heutigen Notzeit so überaus wichtige Frage des Arbeisschutzgesetzes fand gleichfalls eine ausgiebige Erörterung. Wenn dieser Eesetzeentwurf tatsächlich zum Gesetz wird, kann es nicht ausbleiben, daß eine Reihe von wirtschaftlichen Betrieben lebensunfähig werden. Der Entwurf, der sich an das Washingtoner Abkommen von 1919 anschließt und dieses ratifizieren soll, würde eine unerträgliche Knebelung vieler Betriebe bedeuten, insbesondere die freiwillige Mehrheit unter Strafe stellen. Was das für unser tributpflichtiges Deutschland heißen will, liegt auf der Hand; es ist die Beseitigung dieses unheilvollen Grundgedankens des Gesetzes mit allen Mitteln zu erstreben.
Zur Frage der Volksschullehrerbildung äußerte sich die Kammer dahin, daß sie Stellung zu den Fachfragen nicht nehmen könne. Allerseits wurde aber eine gründliche Ausbildung des Schülers in den Elementarfaächern (Lesen, Schreiben, Rechnen, Deutsch) gewünscht. Angesichts der drückenden Finanzlage darf eine Neuordnung der Lehrerbildung keinesfalls zu einer Mehrbelastung der Wirtschaft führen.
Die Kammer sprach sich sodann dafür aus. daß die Fachschulen, soweit sie der Wirtschaft zugebören, sämtlich dem Wirtschaftsministerium, nicht dem Kultministe- rium unterstellt werden. Die Frage wurde in jüngster Zeit bei der Errichtung von Fachschulen im graphischen und im Holzgewerbe brennend. Ängestrebt müßte auch werden, daß die Gewerbeschulen dem Wirtschaftsministerium unterstellt werden. — In den letzten Tagen ist vom Wirtschaftsministerium entschieden worden, daß bei Fragen der Ausverkäufe nur die Handels- nicht auch die Handwerkskammern gutächtlich gehört werden sollen. Diese Entscheidung entspricht einer Forderung des Würt- tembergischen Industrie und Handelstags. Nach Erörterung interner und vertraulicher Angelegenheiten schloß nch ein Nundgang in der Stadt unter Führung von Herrn Stadtschultheiß Maier und eine Besichtigung der Vereinigten Deckenfabriken AE. in Jselshausen unter Führung von Herrn Direktor Sannwald an.
Die Gedächtnis- und Sonnwendfeier des Württ. Schwarzwaldvereins.
auf dem Fohrenbllhl bei Lauterback nabm am Samstag, den 22. Juni ds. Js. bei ordentlichem Wetter einen sehr eindrucksvollen und erhebenden Verlauf. Weit über tausend Teilnehmer aus Württemberg und Baden fanden sich beim Eedächtnishaus ein, um der alljährlichen Ehrung der Gefallenen des Württ. Schwarzwaldvereins anzuwohnen. Die Vorbereitungen wurden von der Ortsgruppe Trossingen mit tatkräftiger Unterstützung der Ortsgruppen Schramberg und Lauterbach getroffen. Die Gedächtnisfeier wurde mit einem Musikvorirag der Kurkapelle Lauterbach eröffnet. Nach dem gemeinsam gesungenen Lied „O Schwarzwald, Deine Berge" begrüßte Vermessungsrat Linkenheil die erschienenen Wanderfreunde und Gäste und gab der Hoffnung Ausdruck, in einem einzigen deutschen Schwarzwaldverein den Württ. und badischen Schwarzwaldverein bald vereinigt zu sehen. Oberforstrat Dr. Harsch, Stuttgart, als Vertreter des Württ. Schwarzwaldvereins und Eeheimrat Dr. Seith- Freiburg als Präsident des badischen Schwarzwaldver- eins überbrachten die Grüße der beiden Hauptvereine und gedachten in ernsten Worten der Gefallenen. Den Höhepunkt bedeutete die markante und von Liebe zur Heimat getragene Gedächtnisrede des Ratschreiber M a s ch k e- Trossingen. Seine gedankentiefen und ergreifenden Worte zum Gedenken an unsere gefallenen Helden, zur Wiedererstarkung deutscher Kraft und deutscher Sitte und sein Aufruf an die deutsche Jugend lösten spontanen und begeisterten Beifall aus.
Darauf erfolgte die Kranzniederlegung und das Lied „Ich hatt einen Kameraden". Mit dem Deutschlandlied flammte das Höhenfeuer u. das prächtige Feuerwerk auf. Nach Minuten stillen Gedenkens an die gefallenen Wanderfreunde begann die Sonnwendfeier, M u- sikvorträge der Kapelle Lauterbach sowie Eedicht- vorträge von Mitglieder der Jugendgruppen Sindelfin- gen und Rottweil wechselten einander ab; munteres Leben setzte auf den Höhen des Fohrenbllhl ein und lange wurde bei Musik und Gesang getagt. — Die Ortsgruppe Trossingen vom Württ. Schwarzwaldverein und die Ortsgruppe Wolfach vom badischen Schwarzwaldverein erhielten für stärkste Beteiligung an der Feier im Verhältnis zu ihrer Mitgliederzahl je ein schönes eingerahmtes Bild des Eedächtnishauses. Die Jugendgruppen Rottweil und Sindelfingen erhielten ebenfalls Preise in Form einer Anzahl Wanderkarten und Liederbüchern. Weitere Preise wurden noch den Ortsgruppen Schwenningen und Sulz überreicht. Zum Schluß rief der Jugendwart des Schwarzwaldvereins, Studienrat Zürn, der außerordentlich stark vertretenen Jugend ein herzliches Waldheil zu.
Hirsau, 1. Juli. Ausflug. Am Samstag nachm, machte der Männergesangverein Pforzheim unter zahlreicher Beteiligung einen Ausflug nach Hirsau, um in den Räumen und in dem bei Einbruch der Dunkelheit prächtig illuminierten Garten des Kurhotels einige vergnügte Stunden zu verbringen. Einen besonders schönen Anblick gewährten an diesem Abend auch das Jagdschloß, die Kirche und der Eulenturm, die zum erstenmal mit 5 großen elektrischen Scheinwerfern beleuchtet wurden. Prächtig ist der Anblick von der Nagoldbrücke aus, ebenso von den umliegenden Höhen und von den vorbeifahrenden Zügen aus gesehen. Diese Beleuchtung der historisch be- deutfamsten Bauten Hirsaus soll ständige Einrichtung werden. Um unsere Gäste auf bequeme Weise heimbeför- dern zu können, hat Kaufmann Adolf Walker einen neuen bequemen Omnibus mit über 20 Sitzplätzen in Betrieb gestellt, auch sonst steht derselbe wie auch noch einige kleinere Wagen anderer Besitzer jederzeit zu Fahrten in die Nähe und in die Ferne zur Verfügung. Regen Verkehr brachte der vergangene Sonntag. Leider wurden die
K l o st e r s p i e l e, die diesesmal besonders gut besucht waren und trotz der Verblendung des Finanzamtes am alten Platz abgehalten werden konnten, durch ein rasch heranziehendes Gewitter mit starken Regengüssen unliebsam gestört. Auch der am Samstag abend gegebene T o- tentanztag hatte zahlreiche Zuschauer angelockt.
Letzte Nachrichten
Das japanische Kabinett tritt zurück.
Tokio, 1. Juli Der Kaiser von Japan hat am Montag das Rücktrittsgesuch des Kabinetts Tanaka genehmigt und den Ministerpräsidenten Tanaka mit der weiteren Führung der Amtsgeschäfte betraut.
Tragisches Ende einer Hochzeitsfeier.
Berlin, 2. Juli. Am Montag ereignete sich auf der Chaussee von Riga nach Wenden ein schweres Automobilunglück. Ein Lastauto, das die Gäste einer ländlichen Hochzeit in ihr Heimatdorf zurückbringen sollte, fuhr unterwegs mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Kilometerstein und überschlug sich zweimal. Die Fahrgäste wurden sämtliche unter dem Wagen begraben. Sechs Personen wurden getötet, mährend 16 andere mit erheblichen Verletzungen ins Krankenhaus übergeführt werden mußten. Der Chauffeur, der nach dem Unglück geflüchtet war, konnte von der Polizei festgenommen werden.
Schweres Automobilunglück bei Ostende.
Brüssel, 1. Juli. Ein Lastkraftwagen, der aus Ostende 41 Touristen nach Tourcoing brachte, wurde von einem Automobil angefahren und in nächster Umgebung von Ostende in den Graben geworfen. Dreißig Personen wurden dabei verletzt, darunter 4 so schwer, daß an ihrem Aufkommen gezweifelt wird.
Feuer an Bord des Dampfers „Deutschland".
Newyork, 1. Juli. Als der Dampfer „Deutschland" im Newyorker Hafer von der Quarantärestation zum Pier fuhr, brach in der Küche der 1. Klaffe, wo ein Fettopf um- gefallcn war, Feuer aus. Da große Rauchwolken und zum Teil auch Flammen das C- und D-Deck hinauflohten, bemächtigte sich der Reisenden eine Panik. Um Ruhe zu schaffen und die Menschen abzulenken, befahl der Kapitän die Bordkapelle auch jetzt zu spielen. Dieses geschah und währenddessen konnte das Feuer schnell gelöscht werden. Am meisten Schaden wurde in den Räumen der 1. Klaffe, sowie auf den Fluren und in den Quartieren der Schiffsbesatzung angerichtet. Man schätzt den Schaden auf 10 000 Dollar; er scheint hauptsächlich durch die Löscharbeiten entstanden zu sein. Die Reisenden beruhigten sich sofort wieder, nachdem sie erkannt hatten, daß die Schiffsbesatzung in musterhafter Weise die Löscharbeiten vornahm. Allgemein wird im Hafen das Verhalten der deutschen Mannschaft gelobt. Das Feuer und seine Bekämpfung konnten von den anderen Schiffen genau beobachtet werden.
Weitere Flugzeugabstürze.
Am Montag nachmittag stürzte der bekannte französische Versuchsflieger P o l l o n bei dem Erproben eines Jagd-Eindeckers mit einem 500-PS.-Motor ab. Das Flugzeug befand sich in einer Höhe von etwa 500 Metern über dem Militärflugplatz von Villacoubley bei Paris, als die Tragflächen des Flugzeuges sich lösten und der Rumpf wie ein Pfeil zur Erde schoß. Die Leiche des unglücklichen Piloten wurde mehrere Meter von den Trümmern seines Flugzeuges entfernt geborgen. Sein Fallschirm hatte sich zu spät geöffnet.
Bei einem Absturz seines Flugzeugs aus niedriger Höhe auf dem Flugplatz Roosevelt Field wurde der Pilot Stultz schwer verletzt, seine beiden Begleiter wutden getötet. Stultz ist dadurch bekannt geworden, daß er im Juni 1928 mit Fräulein Earhart einen Ozeanflug ausführte.
Handel und Verkehr
Vereinigte Deckenfabriken Calw AE. In der von der Generalversammlung genehmigten Bilanz auf 31. Dezember 1928 sind als Aktiva genannt: Liegenschaften und Gebäude, Maschinen, Gerätschaften und Fuhrwesen nach Zugang und Abschreibungen 1082 241 <4l, Vorräte an Material, Halbfabrikaten um> Fabrikaten 1 874164 -4l, Beteiligungen 370 072 -4t, Kaffe und Postscheck 42 387 -4t, Scheck und Wechsel 115 042 -4t. Debitoren 1801669 -4t, zusammen 5 285 575 -4t. Die gleich hohen Passiva bestehen aus: Aktienkapital 3 005 000 -4t (davon 5000 -4t Vorzugsaktien), Reservefonds 300 500 -4t, Spezialreserve 150 000 -4t, Erneuerungsfonds 110 000 -4t, Delkredere 40 000 -4t, Rückstellung für Wgabe von gebundenem Besitz 21000 -4t, unerhobene Dividende pro 1923/27 800 -4t, Kreditoren 1 278 221 -4t, Gewinn 380 054 -4t. Die Gewinn- und Verlustrechnung auf denselben Tag schließt auf beiden Seiten mit 1599 206 -K ab. Dem Gewinn-Vortrag mit 39 489 -4t und dem Rohgewinn 1928 mit 1559 717 -4t auf der einen Seite ent-
Die heutige Nummer umfaßt K Seiten einschließlich der Beilagen „Haus-, Garten- und Landwirtschaft" und
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