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Nagolder TagblattDer Gesellschafter"

Das Mersch des SWS. Sängerbundes in Ulm

Alm, 30. 3unk.

Dom herrlichsten Sonnenschein begünstigt zeigt sich di« Feststadt in einem farbenprächtigen Bild. Dem Wetter ent­brechend ist auch die Stimmung bei den Sängern, die heute früh schon in großer Zahl mit der Bahn und mit Omni- bullen hier eingetroffen sind. Die Straßen sind mit Wimpeln, Fahnen und Gewinden reich geziert. Namentlich die Empfangspforken am Bahnhof und die schönen Anlagen am Münsterplatz repräsentieren sich wundervoll in ihrem sn- lchen Grün und den reizenden lebenden Blumen.

Me Ankunft der Sänger

In der Zeit von vormittags 11 Ahr bis 2 Ahr trafen schon 8 Extrazüge aus den verschiedenen Richtungen ein. die eine große Zahl Sänger nach brachten. Me Sänger marschierten unter den Klangen der Musikkapellen zum Münsterplatz, wo eine Rednertribüne errichtet ist. Hier wurden sie namens des Almer Sängergaues und der Stadt begrüßt und man hörte den deutschne und schwäbischen San- gergruß aus Hunderten von Kehlen immer wieder erschallen. Don hier aus suchten dann die Sänger ihre Quartiere auf. In der Zeit von nachmittags 2 Ahr bis abends 6 Ahr trafen weitere 8 Sonderzüge ein, so daß nun ein lebhafter Verkehr in der Stadt herrscht. Am 12, 1, 2 und 14 Ahr begannen an vier verschiedenen Stellen die Preisgesänge. die eine große Zuhörerschaft anlockken. Die Vereine bemühen sich, ihr Bestes zu geben und werden mit Beifall beehrt. Am 2 Ahr nachmittags traf das Bundesbanner aus Heidenheim ein, das am Bahnhof von den Almer Vereinen abgeholt und zum Rathaus begleitet wurde. Aus der Liste der ange­meldeten Ehrengäste heben wir folgende Namen heraus: Staatspräsident Dr. Bolz, Kultminister Dr. Bazille, Generalmusikdirektor Band, Dr. Bernhard, Hof- und Derichksadvokat. Wien, Ministerialrat Beutel. U!m-Skutt- ,art, Musikdirektor B i n d e r - Nürnberg, Börner. 2. "ersitzender der Vereinsmännerchöre» von St. Louis SA.), Bohnenberger-Quezallenango (Guatemala), Prof, u ck-Tübingen.

Das Preissinaen

Auch dieses Liederfest erbringt wieder den Beweis, daß das Preissingen zu seinen Höhepunkten gehört. Die vier Lokale, in denen es stattfindet, sind teilweise so stark be­seht, daß sie polizeilich gesperrt werden mußten. Die ge­sanglichen Leistungen stehen vielfach auf einer Höhe, die den Preisrichtern die Acöeik nicht leicht machen wird. Dagegen hätten die Sonderkonzerte, die eine Neuerscheinung bei den Schwäbischen Sängerfesten sind, besser besucht werden dürfen.

Einen Glanzpunkt im Programm des Liederfestes bildete der Begrüßungsabend unter Mitwirkung der vereinigten Männergesangvereine von Alm, etwa 1000 Sänger, eines Chors von etwa 600 Sängerinnen, eines Chors von 10O0

Kindern aus sämtlichen Schulanfialten Ulms, des Arbschen Knabenchors, der Kapelle des 3. Iägerbataillons und des Landestheaterorchesters-Stutkgart. Als Solistinnen betätig­ten sich Kammersängerin Anita Oberländer-Stuttgart und Anni Quistorp-Leipzig. An der Orgel war tätig der Kompo­nist Anton Zoller, Studienrat in Alm. Die gesangliche Leitung lag in den Händen des Gauchormeisters Oberlehrer Wilhelm Arb-Alm.

Aebergabe des Bundesbanners Mit einer Ansprache des Präsidenten des Schwäbischen Sängerbundes, Oberbürgermeister 3 aekle - Heidenheim fand die Aebergabe des Bundesbanners an die Stadt Ulm statt. Er wies ferner darauf hin, daß der Gau im Wachsen begriffen und das 50. Tausend aktiver Sänger im Bund überschritten sei. Der Bund ist nicht stecken geblie­ben in alten Formen und Aeberlieferungen. Er strebt zu neuen, schöneren Ufern. Hierauf übergab der Präsident das Skaufenbanner des Bundes an die Feststadt und wies darauf hin, daß eine in der Geschichte des Bundes noch nie erreichte Zahl von 260 Vereinen dem Werturteil des Preis­gerichtes sich stelle und um den Lorbeer des Meistergesanges ringe. Das Bundesbanner wurde dann an eine Fahnen- deputakion übergeben. Oberbürgermeister Dr. Schwamm­berger nahm das Staufenbanner in die Obhut der Stadt.

Der Sonntag Ein Ständchen für den Präsidenten Schon morgens um 147 Uhr brachten die Sänger der Ulmer Vereine dem Bundespräsidenten Oberbürgermeister Iaekle ein Ständchen dar. Leider hatte sich in der Nacht das Wetter gänzlich geändert. Am Samstag noch lächelte der Sonnenschein, am Sonntag der Himmel grau in grau und ein ausgiebiger Regen. Das hätte nicht kommen dür­fen. Aber die Sänger ließen es sich nicht nehmen, ihren Präsidenten zu ehren, der ihnen für diese Aufmerksamkeit mit herzlichen Worten dankte und sagte, daß die Bundes­leitung sehr wohl wisse, was sie am Ulmer Gau habe. Er schloß mit dem Wunsche um einen weiteren günstigen Ver­lauf des Festes.

Auf dem Weg zum Aestplah Trotz Regen strömten von Stunde zu Stunde am Sonn­tag morgen Tausende von Sängern dem Festplatz zu. Auf dem Bahnhof herrscht ungewöhnliches Leben. Ertrazug kommt um Extrazug und Massen von Menschen verlassen den Bahnhof, um in wohlgeordneten, geschlossenen Zügen zum Festplatz hinauszumarschieren.' Wenn es auch sehr naß ist von oben herunter, man merkt doch, daß die Sänger so viel Humor und Begeisterung haben, um in guter Stim­mung am Liederfeste teilzunehmen. Von 148 Uhr an ist auch der Preisgesang wieder im Gange.

Tonbildfilm im Wilhelmalheaker. DieDeutsche Ge­sellschaft für Ton und Bild e. V." (Degeto) gab dieser Tage im Wilhelmatheater vor geladenen Gästen der staatl. und städtischen Behörden, der Theater, des Rundfunks und des Films, der Kunst und Wissenschaft und der Presse eine erste Vorführung von Tonbild-Filmen. Generalkonsul Dr. Män­ner begrüßte die Erschienenen. Zweck und Ziel der Gesell­schaft sei die Förderung des Tonfilmes. Das Vorführungs­programm war auserwählt. Durch das gleichzeitige Hören und Sehen ist der Sprecher dem Zuhörer lebensnah und das Ganze erhält etwas Lebendiges Interessant war der Montage-BilmAus der Welt der Geräusche", in dem deut­lich zum Vorschein kommt, was auf diesem Gebiet, auf dem sich Geräusch und Bewegung vereint, schon erreicht wurde und welche Aussichten sich bieten. Nach Schluß der Ver­anstaltung begaben sich die Gäste in den Wilhelmagarten, der in geradezu märchenhafter Beleuchtung seine Schlösser und Seen zeigte.

Die Ausstellung für Ernährung und Körperpflege findet vom 5. bis 27. Oktober dieses Jahres in den Aus­stellungshallen aus dem Gewerbehallengelände statt. Das Kernstück der Ausstellung ist die etwa 100 Quadratmeter umfassende, auf dem neuesten Stand der Wissenschaft auf­gebaute Ernährungsausstellung des deutschen Hygiene- Museums Dresden.

Ausrüstung der Lokomokiven mit Verbandpäckchen. Alle im Streckendienst verwendete Lokomotiven sind nach einer An­ordnung der Hauptverwaltung der Reichsbahngesellschaft mit einem Verbandpäckchen in Blechbüchse auszurüsten. Nach je­der Benutzung muß der Lokomotivführer den Inhalt des Päck­chens sofort ergänzen lassen. Von der Ausrüstung der nur im Bahnhofsdienst tätigen Lokomotiven mit Verbandpäck­chen wird abgesehen.

Tödlich verunglückt. Am Freitag abend wollten zwei junge Leute in der Hackstraße auf einen Straßenbahn­zug der Linie 26 aufspringen. Derjenige, der zuerst auf den Wagen springen wollte, verfehlte das Trittbrett, stürzte und geriet unter den Anhängewagen. Mit schweren Verletzun­gen wurde der Verunglückte, ein Bäckergehilfe, unter dem Wagen hervorgezogen. Er starb, noch ehe das Sanitäts­auto zur Stelle war. "

Wannweil. OA. Reutlingen, 30. Juni. Schwerer Motorradunfall. Die 23jährige Frieda Thumm fuhr mit dem Fahrrad aus dem Fabrikhof von Schirm und Mittler, als im gleichen Augenblick ein hiesiger Motorrad­fahrer von Kirchentellinsfurt her kam und die Radfah- rerin von der Seite überrannte. Sie wurde mit aller Wucht auf ein Kieslager geschleudert und schwer verletzt. Der Motorradfahrer ließ die Verunglückte liegen und fuhr davon.

Montag, 1. Juli 1929.

Tübingen, 30. Juni. Erstochen wurde in der letzten Nacht der 22 Jahre alte ledige Hilfsarbeiter E. Mang Der bedauerliche Fall ist folgendermaßen verlaufen: in der Seelhausgasse war gegen 12 Uhr zwischen dem Hilfs­arbeiter Ferdinand Schramm und einem anderen jun­gen Burschen, welcher der Freund des Erstochenen war eine Rauferei ausgebrochen. Mang stand währenddem mit dem 21 Jahre alten Christian Schramm Bru­der des aben genannten Ferdinand Schramm abseits Plötzlich rief der Freund des Mang um Hälfe, Mang eilte sofort hinzu und versuchte die beiden Raufenden zu trennen. Während er sich bückte, erhielt er von Christian Schramm, der seinem Bruder Helsen wollte, mit einem Steckmesser einen Stich in den Rücken. Der schwer­verletzte Mang wurde sofort in die Chirurgische Klinik überführt, dort konnte aber nur noch sein Tod festgestellt werden, er war schon auf dem Transport dorthin ver­schieden.

Göppingen, 30. Juni. NachtaufführungimFrei- lichttheater. Das Göppinger Freilichttheater hakte mit seiner zweiten Nachkauffühcung einen vollen Erfolg. Die nächste Aufführung findet am Sonntag, 7. Juli, nachmittags ü Ahr statt.

Mergelstetten. OA. Heidenheim, 30. Juni. Lebens­müde. Abends sprang der 20 Jahre alte A. H. aus Mün­chen, der gegenwärtig als Weber bei der Firma Gebr. Zoeppritz beschäftigt ist, in den Kanal bei der Wirtschaft zum Schwanen. Zufällig bemerkten einige Mitglieder des Turnvereins den Vorgang. Rasch entschlossen holten sie den Lebensmüden. Es wurden sofort Wiederbelebungs­versuche angestellt. Der junge Mann bekam wiederholt epileptische Anfälle. In später Stunde wurde er ins Be­zirkskrankenhaus nach Heidenheim verbracht.

Alm, 30. Juni. Ein Jahr unschuldig im Zucht­haus. Am 26. Juni v. I. wurde der 54 I. alte Söldner Pankratius Kistenmaier von Roth AO. Laupheim we- gen vorsätzlicher Brandstiftung zu 1 Jahr Zuchthaus ver- urteilt. Es war ihm damals zur Last gelegt, er habe vor­sätzlich und in betrügerischer Absicht sein Wohnhaus, das gegen Feuersgefahr versichert war. in Brand gesetzt. Das Gebäude brannte in der Nacht auf 29. April ab. Der An­geklagte hat in der damaligen Verhandlung und auch im Lauf seines Aufenthalts im Zuchthaus immer wieder be­hauptet, daß er das Gebäude nicht in Brand gesteckt habe. Ein Hauptgrund zur Verurteilung war die Tatsache, daß der Angeklagte dem Landjäger gegenüber ein Geständnis abgelegt hat und genau beschrieben hatte, auf welche Art er den Brand gelegt hat. Als Sachverständiger war Dr. Kant von Tübingen, der den Angeklagten dort behandelte, gela­den. Er betonte, daß der Angeklagte ziemlich erheblich schwachsinnig und ziemlich leicht zu beinflussen sei. Der An- zeklagte sei vermindert zurechnungsfähig. Der Sachverstän­dige bezweifelt, ob dem ersten und einzigen Geständnis des Angeklagten Beweiswert zukommt. Es wurde schließlich vlgendes Urteil verkündigt: Das Urteil vom 26. Juli v. I. vird aufgehoben und der Angeklagte wird wegen Mangels sollen Beweises freigesprochen.

Bad Mergentheim. 30. Juni. Besuch des Reichs­kanzlers. Reichskanzler Müller wird zu Anfang der kommenden Woche zum Kurgebrauch hier eintrefsen und im Kurhaus Wohnung nehmen.

Aus Stadt und Land

Nagold, den 1. Juli 1929.

Wir sind dazu bestimmt, gleich den Bäumen des Waldes in tausendfacher Mannigfaltigkeit das Beson­dere unseres Wesens zu entfalten und zugleich mit den anderen zusammenzustehen und zusammen zu rauschen.

Dienstnachrichten.

Der Herr Staatspräsident hat dem Lehrer Hugo Elöck- ler an der Lehrerbildungsanstalt in Heilbronn eine Lehr­stelle an der evangelischen Volksschule in Schönaich OA. Böblingen unter gleichzeitiger Ernennung zum Rektor übertragen und den Oberlehrer Barth in Oberhausen OA. Reutlingen und den Hauptlehrer Joos in Eningen OA. Reutlingen ihrem Ansuchen entsprechend gegenseitig versetzt.

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(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung 29)

Cr schlich nach der Türe. Leise, vorsichtig, fürchtend, es möchte ein Brett der Diele knarren und sie wecken. Er hatte die Klinke bereits herabgedrückt, da ließ er sie wie­der in die Höhe gleiten. Er mußte sie noch einmal sehen! Dann sollte die Wette bei ihr wachen, heute und immer! Immer! Bis sie aus seinem Hause war.

Wie ein Dieb tastete er zu ihr hin, neigte sich über die Kiffen und horchte auf ihren Atem.

Wie hieß sie? Wohin ging sie, wenn sie ihn verließ?

Verließ? Ihm war, als gehörte sie bereits zu ihm, als hätte sie kein Recht mehr, ihn wieder allein zu lassen. Er hatte ja auch das Gold für sie geschöpft das Gold, das sie haben wollte, ohne daß er wußte, zu welchem Zweck, nur um ihr dienstbar zu sein.

Sein Gesicht wurde hart und schmal, als er auf sie nie­dersah. Sie wußte morgen nicht mehr, was diese Nacht ge­schehen war! Aber er! Aber er!

Was sollte er tun, um das zu vergessen, um ihre Kliffe nicht mehr zu fühlen, um den Druck ihrer Arme nicht mehr an seinem Leibe zu spüren. Er glaubte, jede Stelle seines Körpers bezeichnen zu können, wo einer ihrer Fin­ger geruht hatte.

Als neuerdings ein blauschwarzes Dunkeln durch den Raum kroch, floh er. Floh vor dem fremden Weibe und sich selbst, lief in den Garten, die weißen Wege entlang, den Hang hinunter. Eine Türe knirschte, draußen vor den Drahtvierecken des Zaunes gurgelte der Fluß.

Er streifte die Kleider ab. Der Mond hatte nicht ein­mal Zeit, seinen schlanken, sehnigen Körper zu umfchmei- cheln. Kopfüber warf er sich in die Flut, schwamm strom­aufwärts, um jede Muskel seines Körpers zu beschäftigen. Wie feine Nadeln rannten die Wellen gegen seinen Leib.

Vergessen wollte er! Nichts als vergessen!

Er tauchte unter. Die Wasser sollten seine Lippen von ihren Küssen reinwaschen, die sie ihm gegeben hatte, und

brannten doch, als er wieder an die Oberfläche kam, nur um so tieser und heißer. Auf dem Rücken liegend, ließ er sich stromabwärts treiben, an den schlafenden Häusern der kleinen Stadt vorüber. Die Wogen trugen seinen Körper, als führten sie eine elfenbeingeschnitzte Form mit sich. Die Brücke wölbte sich hoch über ihm. Der Fluß machte eine scharfe Krümmung. Da besann er sich, daß es Zeit zur Umkehr war.

Stromaufwärts bekam er endlich das Gefühl eines wohl­tuenden Müdeseins. Als er an seinem Garten ankam und ans Ufer stieg, taumelte er. So hatte ers gewollt. Nur das Hemd warf er über, dann schritt er nach dem Som- merhause, das ganz am äußersten Ende seines Besitzes lag.

Die Decke über sich geschlagen, lag er auf der harten Pritsche und schloß die Augen, ohne den erhofften Schlaf zu finden.

Wie stark der Holder duftete, der sich draußen gegen die Bretterwände lehnte! Der Geruch des Jasmins zog von der Einfahrt bis hierüber. Von den Wiesen, die den Garten begrenzten, kam der Atem frischen Heues.

Er hatte die Türe des Gartenhauses offen stehen. Draußen glitzerte der Kies wie ein flimmerndes Becken.

Schöpf mir das Gold, Heinz!"

Verfluchtes Gold!

Er fuhr auf und fiel wiederum zurück.

Ein Heimchen zirpte. Ueber ihm im Astwerk regte sich ein Vogelpaar. Leuchtkörper glitten funkelnd zu ihm in das Dunkel, tanzten an den Holzwänden hinauf und an ihm vorüber hinaus ins Freie. Alle Kreatur war zu zweien, zu dreien, zu Hunderten!

Er war allein!

Bleib bei mir!"

Seine Glieder wurden müde, der Schlaf lag wie eine weiche, kühle Hand über seinen Lidern. Er fühlte wiede­rum ihren Körper an dem seinen tastend. Jetzt, nach einer Stunde, konnte er noch jede Stelle bezeichnen, wo ihre Finger ihn berührt hatten. Er ließ die Arme von der Decke gleiten, kraft- und hilflos.

Es war alles umsonst ! Er konnte nicht vergessen!

Vom Hause her kam durch die Stille der Nacht ein Laut. Ein kurzes, trockenes Husten.

Das riß ihn auf! Er fuhr in seine Kleider horchte

nun kam es noch einmal. Er lief über den Rasen, setzte über den Kies, riß sich an einer Hecke die Wange blutig, sprang die wenigen Steinstufen hinauf und stand aber­mals vor ihrer Tür.

Drinnen blieb alles ruhig, kein Laut drang durch die Stille. Er hörte die schwere Standuhr des Eßzimmers tik- ken, dessen Türe offen stand, und zwischen hinein die Schläge seines eigenen Herzens. Gegen den geschnörkelten Schrank gelehnt, horchte er nach der Türe, hinter der sie lag.

Kein Ton drang mehr hervor. Er schlich auf Diebes- fllßen nach dem Garten und blieb an ihrem Fenster ste­hen. Er mußte die Riegel nicht gut geschloffen haben, denn sie standen weit offen. Ein Ast schwankte, dann krachte es im Gestänge. Er bog das Eezweige zur Seite und neigte sich weit über die Brüstung.

Nun sah er sie! Sah ihr Gesicht, das wie eine weiße Blüte zwischen dem flimmernden Haargekräusel lag. Als sie sich regte, fuhr er zurück und lief sich auf dem weißen Kies die Füße wund, ließ sich ins Gras fallen, sprang auf und setzte sich auf einen der weißen Stühle, die unter den Holderbüschen standen. Als er auch dort keine Ruhe fand, ging er nach dem Sommerhaus und streckte sich wieder auf das harte Lager.

Es war alles vergebliches Tun, bis er nach einer Stunde erschöpft in seinem Studierzimmer vor seinem Schreibtische saß. Er kämpfte mit den schwarzen Buchsta­ben wie mit Ungeheuren. Erst tanzten sie um ihn und spotteten seiner Schwäche. Dann bezwang er sie. Ganz ruhig standen sie nun vor ihm. Er brachte es sogar fer­tig, in ihrem tiefsten Innern zu schürfen und ihre Seele zu der seinen zu machen.

Die Wette brachte ihm gegen sechs Uhr heißen Mokka und wartete, was er tun würde.

Er trank die Taffe in einem Zuge leer und schob sie ihr wieder zu.Noch einmal!" sagte er, ohne das Gesicht nach ihr zu wenden. ^

Gleich jetzt?" Seit gestern abend hatte sie das Ver­wundern gelernt.

Gleich jetzt", sprach er nach.

Den Ton kannte sie. In zwei Minuten war sie wieder zurück. Die nächste darauf erhielt sie wiederum die leere Taffe zugeschoben. (Fortsetzung folgt)