Seite 2 Nr. 84

Ragolker Tagblatt »Der Gesellschafter"

Donnerstag, 11. April 1S2».

Vijrllemberg

Stukkgarl, 10. April. Die Forderungen von Zusfenhausen. Die Gemeinde Zuffenhausen ist be­kanntlich mehr oder weniger gezwungen, sich eingemeinden zu lassen. Sie hat die Wahl zwischen der Eingemeindung nach Stuttgart oder nach Feuerdach. Ueber die Forderun­gen, die sie den beiden Stadtgemeinden vorgelegt hat, ver­lautet nunmehr, daß sie sich auf folgende Hauptpunkte be­ziehen: Ablösung eines Darlehens an die gemeinnützige Baugenossenschaft in Höhe von 400 000 Erstellung eines Sammelschulgebäudes, Umbau der Bühlkanzlei in ein Alters­heim und Regulierung des Feuerbachs in Verbindung mit Schwemmkanalisation und Abwasserklärung.

Todesfall. Nach kurzer Krankheit ist im Katharinen­hospital Oberpostbaurat Schwab gestorben. Er war nach Ablegung der Staatsprüfung im Hochbaudienst der Württ. Eisenbahn tätig. Im Jahr 1923 wurde ihm das hochbau- technische Referat der Oberpostdirektion übertragen. Als Oberpostbaurat hat er zahlreiche Bauten der Reichspost mit hervorragendem Können und künstlerischem Geschmack ent­worfen und die Bauausführung geleitet.

Deutschnakionale Gautagung. Am nächsten Sonntag veranstaltet die Deutschnationale Bolkspartei Gautagungen in Pforzheim und Gmünd. In Pforzheim werden u. a. sprechen Rechtsrat H i r z e l-Stuttgart und Reichstagsab­geordneter Dingler-Calw, in Gmünd Kultminister Dr. Bazille über die politische Lage im Reich und Land und Rechtsanwalt Dr. Schott-Stuttgart über die der­zeitigen politischen Parteien.

Stuttgart. 10. April. Krankheitsstakistik. In der 13. Iahreswoche vom 24.30. März wurden in Württem­berg folgende Fälle von gemeingefährlichen und sonstigen Lberlragbaren Krankheiten amtlich gemeldet: Diphtherie 20 (tödlich), Kindbettsieber 1 (3), Tuberkulose der Lunge und des Kehlkofps, sowie anderer Organe 11 (24), Milzbrand 1 (1), Scharlach 58 (), Typhus 5 (), Paratyphus 3 ().

Hollenbach OA. Künzelsau, 10. April. Auszeich­nung. Der in weiten Kreisen bekannte und geschätzte Forstwart Böger wurde dieser Tage vom Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg. in dessen Diensten er fast 50 Jahre steht, zum fürstlichen Förster ernannt. Böger tritt am 1. Mai in den wohlverdienten Ruhestand. 40 Jahre hat Böger die hiesige fürstliche Forstei treu und gewissenhaft behütet.

Nevhausea a. d. Erms, 10. April. Ortsvorsteher- wahl. Schultheiß Theurer gab in der letzten Gemeinde­ratssitzung bekannt, daß seine Wahlperiode am 11. Juni d. I. «bläust und daß er sich unter den bisherigen Anstellungs- bedingungen zur Wiederwahl stellen werde.

Tübingen, 10. April. 20Proz.Umlage. Er­höhung der Lichtpreise. Der städtische Hauptoor- anschlag weist in seinen Endsummen an Ausgaben 2 328 750 Mark auf, an Einnahmen 1528 210 RM., der Abmangel beträgt also 800 540 RM. gegenüber 746 460 Mark im Vor­jahr. Zur Deckung des Fehlbetrags beschloß der Gemeinde­rat die Erhebung einer 20prozentigen Umlage, außerdem Erhöhung des Lichttarifs von 45 Pfg. pro Kilowattstunde auf 50 Pfg.

Schweres Straßenbahnunglück. Am Schloßplatz ereig­nete sich gestern abend kurz nach 5 Uhr ein schweres Straßenbahnunglück. Ein Zug der Linie 2, der in der Richtung nach dem Bahnhof fahren sollte, fuhr falsch mit eingeschaltetem Strom über eine elektrische Weiche, die da­durch in andere Richtung, nach dem alten Bahnhof, kam. Dadurch stieß der Zug mit einem zur selben Zeit die König- firaße auswärts fahrenden Zug der Linie 6 zusammen. Da­bei worden beide Motorwagen sehr erheblich beschädigt- Die Vorderperrons waren vollständig demoliert, so daß beide Wagenzüge abgeschleppt werden mußten. Auf dem Weg zur Reparaturwerkstätte boten die schwer beschädigten Wa­gen für die zahlreichen Passanten einen schauerlichen An- blick. Wieviele Personen verletzt wurden und wen die Schuld an dem Unglück trifft, ließ sich im Augenblick nicht feststellen. Vermutlich dürfte der Führer des Zuges der Linie 2 für den Unfall verantwortlich sein, da er infolge falscher Weichenstellung auf den Wagenzug der Linie 6 auf­gefahren ist. Der Unfall rief einen großen Menschenauf- louf hervor.

Vom Tage. In einem Haus der Ostendstraße verübte gestern ein 32 Jahre alter Mann in der Küche seiner Woh­nung durch Einatmen von Gas Selbstmordversuch. Das Vorhaben des Lebensüberdrüssigen wurde von seiner Ehe­frau noch rechtzeitig entdeckt. Der Mann ist in das Karl- Olgakrankenhaus übergeführt worden. Am gleichen Tage brachte sich auf dem Marktplatz ein 24 Jahre alter Händler aus Denkendorf in selbstmörderischer Absicht mit einem Messer einen Stich in die Halsgegend bei. Der Mann wurde in das Katharinenhospital eingeliesert. Lebensgefahr be­steht nicht.

Aus dem Lande

Hohenheim, 10. April. Nahbeben. Heute morgen verzeichneten die Instrumente der Erdbebenwarte Hohen­heim ein starkes Nahbeben. Der Herd liegt in einer Ent­fernung von rund 400 Km. und ist vermutlich in Oberitalien zu suchen. Die Aufzeichnungen begannen mit einem scharfen Einsatz um 6 Uhr 44 Min. 26 Sekunden und endeten nach etwa 10 Minuten.

Venningen OA. Leonberg, 10. April. Der ganze Fischbestand zugrunde gegangen. In einem hiesigen Weiher ist infolge des strengen Winters, bei dem das Wasser vollständig einfror, der ganze Fischbestand zu Grunde gegangen. Die Fische liegen verendet auf der Wasserfläche uiä) müssen wegen des Verwesungsgeruchs be­seitigt werden.

Rottweil, 10. April. Erstellung einer Fried­hofkapelle und Leichenhalle. In seiner letzten Sitzung beschloß der Gemeinderat die Erstellung einer Friedhosmauer und den Bau einer Friedhofkapelle mit einem Einsegnungsraum, einem Raum für die Leidtragen­den. einem Raum für die Geistlichkeit, einem Sezierraum, einem Raum für den Arzt, einem Tecäteraum. einer ent­sprechenden Anzahl von Zellen zur Aufbahrung von Leichen, einem Reserveraum im Untergeschoß und Abortanlagen. Der Voranschlag für den Bau der Kapelle, die Straßen­erbreiterung und die Friedhofmauer beläuft sich auf rund 80 000 -K.

Schramberg. 10. April. Streit zwischen Uhren- industrie und Ukrenbandel. Kur Keit besteben

Meinungsverschiedenheiten zwischen der Uhrenfabrikation und dem Uhreneinzelhandel über di« Führung von Fabrikmarken und Handelsmarken. Die Fa­briken stehen auf dem Standpunkt, daß ihre Ware durch Fabrikmarken gekennzeichnet werden muß, weil auch die Fabriken für die Qualität einstehen müssen und weil sie auch Wert darauf legen müssen, daß die gute Qualität durch die Anbringung der Marke werbend wirkt. Der Einzelhandel will dagegen von Fabrikmarkennichtswissen, er müsse dem Publikum gegenüber für die Qualität einstehen und er wolle deshalb seine H a n d e l s m a r k e auf den Fa­brikaten angebracht haben, wobei natürlich die Gefahr be­steht, daß die Handelsmarke durch gute Qualitäten ein­geführt und dann durch billige Qualitäten ersetzt wird. Mit dieser Frage, die in Ruhe geklärt werden kann, hat gar nichts zu tun die Frage des Treurabatts, welcher eingeführt wurde, um Fabrikanten, Großhändler und Einzelhändler vor Schleuderkonkurrenz zu schützen und Ordnung in die Uhrenbranche zu bringen. Ueber die Einführung dieses Treurabatts waren alle Teile einig-, er ist deshalb auch seit 1. Januar in Kraft und wird erst nachträglich im Zusam­menhang mit der anderen Differenz angefochten. Es i t zu erwarten, daß durch Verhandlungen eine Einigung zwischen den verschiedenen Interessenten gefunden werden wird, ohne daß großer Schaden entsteht.

Böchingen OA. Oberndorf, 10. April. Falscher Kri­minalbeamter. Hier trat ein falscher Kriminalbeamter aus, der sich noch wegen unerlaubter Amtsanmaßung vor Gericht zu verantworten haben wird. T. K. von hier war noch im Besitze eines Eisschranks, der einer Bierbrauerei aus dem Hohenzollerschen gehörte. Da die Brauerei dem K. angeblich noch Geld schulden sollte, so behielt K. den Eis­schrank als sogenanntes Pfandstück zurück. Da erschien ein Pseudokriminalbeamter und erklärte dem K., daß er in seiner Eigenschaft als Geheimpolizist von der Brauerei beauftragt worden sei, den Eisschrank überholen. Diesem Vorbringen wurde jedoch nicht Glauben geschenkt, da zog der falsche Be­amte einen Kraftfahrzeugführerschein heraus und wollte sich mit diesem als Kriminalbeamter legitimieren. Als auch dies nicht fruchtete, ging der Bursche sogar soweit und zog einen Revolver und meinte drohend, daß er den Schrank doch be­kommen werde, denn er habe schon ganz andere Sachen ge­macht. Das ganze Unternehmen des falschen Beamten scheiterte und er mußte unverrichteter Dinge wieder ab- ziehen, da er als Schwindler entlarvt worden war. Der Schwindler, der von Hechingen sein soll, ist sogar mit einem Lastkraftwagen vorgefahren. Der Staatsanwaltschaft soll Anzeige erstattet worden sein.

Friedrichshofen, 10. April. Der schwäb. Pilger­zug. Am Dienstag nachmittag verließ der schwäb. Pilger­zug den Bahnhof in Lindau, um mit der Arlbergbahn Inns­bruck zuzusteuern. Von da geht der Weg über Venedig BolognaFlorenzAssist nach Rom, wo der Pilgerzug am Sonntag ankommt. Bischof Dr. Sproll begleitet den Pilgerzug.

Vom bayerischen Allgäu. 10. April. Fremdenver­kehr von heute. Ein Beweis dafür, daß der Fremden­verkehr auf Handwerk und Gewerbe belebend wirkt, ist die Entwicklung Oberstdorfs als Kurort. In den 80er Jahren, da der Berkehr ganz unbedeutend war, beschäftigte das Handwerk dort 45 Handwerksgesellen. Im Oktober 1928 wies Oberstdorf ohne Gasthäuser und Hotels 139 Gewerbe­betriebe mit 228 Gesellen und 32 Lehrlingen auf. -

Lochen der Eisenbahnfahrkarken auch beim rimsteigen.

Bei der Reichsbahn werden die Fahrkarten für einfache Fahrt außer bei Antritt der Reise und Fahrtunterbrechung künftig auch bei jedem sonstigen Verlassen der Bahnsteig­sperre gelocht, also z. B. auch dann, wenn ein Reisender au, einem Unterwegsbahnhof den Bahnsteig verlassen muß, um den Anschlußzug auf ein. n anderen Bahnhof zu erreichen.

Wieder Sonnlagsrückfahrkarlen für D-Züge. Vom Be­ginn des Sommerfahrplans (15. Mai) an werden im gesam­ten Bereich der Reichsbahn versuchsweise die Schnellzüge wieder zur Benutzung mit Sonntagsrückfahrkarten freigege­ben. Wie früher, bleiben hiervon ausgeschlossen die Luxus­züge, FD.-Züge und die nur aus Schlafwagen gebildeten Züge. Andere Schnellzüge werden von der Benutzung nur dann ausgeschlossen, wenn auf ihnen ein sehr starker Nor­malverkehr und eine Ueberfüllung zum Nachteil der übrigen Reisenden zu befürchten ist. Im Gegensatz zu früher sollen Schnellzüge nicht mehr nur streckenweise, sondern grundsätz­lich auf ihrem ganzen Lauf mit Sonntagskarten benutzbar sein. Um die Benutzung der Schnellzüge mit Sonntagskar­ten aber auf die Fälle zu beschränken, wo sie wirklich nötig ist, das heißt auf größere Entfernungen, und um zu ver­hindern, daß sich in Schnellzügen ein starker Nahverkehr auf Sonntagskarten zum Schaden des auf große Entfernungen reisenden Publikums entwickelt, wird mindestens der Zu- schlagderZone2(4 Mark in der zweiten und 2 Mark in der dritten Klasse) erhoben. Außerdem bleiben die Schnellzüge zu den großen Festen (Ostern, Pfingsten und Weihnachten) für Sonntagsrückfahrkarten allgemein gesperrt.

Aus Stadt und Land

Nagold, den 11. April 1929.

Die Nörgler sagen: Wir üben berechtigte Kritik!

Wildberg, 10. April. Jubilar. Im März waren es 40 Jahre, daß Hausvater Thomatz vom Haus der Barm­herzigkeit hier in den Dienst der inneren Mission getreten ist. Von diesen 40 Jahren verbrachte er 38 als Hausvater und Leiter des Hauses der Barmherzigkeit in Wildberg. Der Verwaltungsrat in Stuttgart ehrte nun den lang­jährigen und treuen Verwalter in der letzten Woche mit einer kleinen Feier. Diese fand im Verein mit dem ört­lichen Verwaltungsrat im festlich geschmückten Speisesaal des Hauses statt. Herr Bankdirektor Schmidt von Stuttgart, der Vorstand des Verwaltungsrats, dankte Herrn Thomaß für seine langjährigen, treuen Dienste. Anknüpfend an das WortHausvater" legte er dar, welch aufopferungsvolle, schwere Arbeit es ist, an den Alten und Gebrechlichen mit unermüdlicher Liebe zu dienen. Als Beweis der Anerkennung überreichte er Herrn Thomaß ein wertvolles Geschenk. Darauf hielt Herr Dekan Kling von Backnang die eigentliche Festrede, worin er an Hand eines Psalmwortes im Lebenslauf des Herrn Thomaß auf­zeigte, welch große Gnade und Barmherzigkeit und Liebe Gott bis auf den heutigen Tag an dem Jubilar selber ge­tan habe, wie er ihm Kraft gegeben habe, auch Barmher­

zigkeit und Liebe an seinen gebrechlichen Mitmenschen zu beweisen. Herr Stadtpfarrer Välter von hier über­brachte als Hausgeistlicher und Mitglied des örtliche« Verwaltungsausschusses die Glückwünsche des letzteren und der hiesigen Gemeinde. In bewegten und ergreifenden Worten dankte der Jubilar für die liebevolle Ehrung und erzählte noch manches Schwere und Heitere aus seiner lan­gen Dienstzeit. Die ganze Festversammlung war auf Lob und Dank gegen Gott gestimmt. Dies brachte auch die Hausgemeinde, verstärkt durch einige Mitglieder des Ee- meinschaftschors, unter Leitung von Herrn Oberlehrer Rentschler zum Ausdruck durch die 2 Lieder:Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren", undStern, auf den ich schaue." Möge es dem Jubilar vergönnt sein, noch einige Jährlein in Kraft und voller Rüstigkeit, in Aufopferung und Liebe seinen Dienst an den Alten und Gebrechlichen seines Hauses tun zu dürfen.

Kieme Nachrichten aus aller Well

William Booths 100. Geburtstag. Der Begründer der Heilsarmee William Booth ist am 10. April 1829 ge­boren. Er gehörte der Methodistenkirche an, sagte sich aber später von ihr los und begann 1865 in verrufenen Stadt­vierteln Londons eine eigene Evangelisation. 1878 begann er die für seine Arbeit gewonnenen Menschen zur .Armee des Heils" (ScMation) mit autokratischer Prägung zu organi­sieren. Zugleich führte er die Uniform ein, denn Uniform bedeutet Befehlsgewalt, Distanz, Gehorsam und Schutz.

Im Leipziger Schlachthofskandal wurden weitere drei Schlächter verhaftet, die geständig sind, von den bereits ver­hafteten Sanitätsgehilfen Ware, die vernichtet werden sollte, bezogen zu haben.

Erdstöße in Tkorditalien. Am Mittwoch früh um 8.44 Uhr wurden in Bologna zwei Erdstöße in wellenförmiger Richtung verspürt, denen ein unterirdisches Rollen voraus-

Iulius hart 70 Jahre. Am 9. April vollendete Julius Hart das 70. Lebensjahr, geboren in Münster i. W. Man hört heute nicht viel mehr von dem Brüderpaar Heinrich und Julius Hart, das mit glühendem Eifer und reinem Geist an der Reinigung des deutschen Schrifttums und der deutschen Kunst gearbeitet und sie drei Jahrzehnte lang her­vorragend mitbestimmt hat. Aber die geistige Wirkung der beiden Persönlichkeiten dauert fort; sie hat den Grund gelegt zu der großen Wandlung der Kunstauffassung, die wir seit 1910 stärker und stärker spüren. Die Brüder Hart begannen den rücksichtslosen Kampf in ihrer SchriftKritische "Wasfen- gänge" (1882) gegen die Modegötzen jener Zeit, insbeson­dere gegen Paul Lindau, Albert Träger, Hugo Lubliner, gegen das gleichgültige Publikum.Ohne innere Größe bleiben wir immer die Sklaven fremder Nationen oder ab­geschmackte Chauvinisten: nur mit ihr werden wir ein freies, großes und fruchtbares Volk" riefen sie in einem offenen Brief Bismarck zu. Um die Brüder Hart scharten sich, nach­dem sie sich in Berlin, niedergelassen hatten, bald alle be­deutenden Köpfe des deutschen Schrifttums. Nach der Jahr­hundertwende trat das Leid in den Schicksalskreis Harts.

^906 verlor er den Bruder Heinrich durch den Tod. 1911 starb seine Frau, die ihm vier Kinder geschenkt hatte. Das alles drückte auf sein Schaffen, so daß er sich nur noch dem Tagesdienst an der ZeitungDer Tag" widmet, wo er heute noch wirkt. Aber er hält unbeirrbar fest an seinem alten Ideal: die wahre Kunst ist Sehnsucht nach Gott, ist Dienst am Göttlichen. Er ist heute als Siebzigjähriger noch Weg­weiser und Führer für alle, die reinen Geistes sind.

Todesfall. Die letzte Urgroßnichte der durch Goethe be­kannt gewordenen Friederike Brion von Sesenheim, die verwitwete Frau Rechnungsrat Lina Linde, ist 84 Jahr« alt, in Karlsruhe gestorben.

ep. Der 9. Kirchenvertrag. Das Konkordat mit Italien ist das 9. in der Reihe der vom Heiligen Stuhl nach dem Krieg abgeschlossenen Verträge. Als erstes wurde das Kon­kordat mit Lettland am 30. Mai 1922 abgeschlossen, ^ann folgten das bayerische vom 27. März 1924; das polnische vom 10. Februar 1925-, die apostolische Konstitution vom 4. April 1926, welche ein künftiges Konkordat mit Litauen vorbereitet: das Uebereinkommen mit Frankreich bezüglich der liturgischen Ehren vom 4. Dezember 1926; das Kon­kordat mit Litauen vom 24. September 1927; der Modus Vivendi mit der Tschechoslowakei vom 2. Februar 1928 und schließlich das Konkordat mit Portugal vom 15. April 1928. In kirchlichen Kreisen wird das mit Italien abgeschlossene Konkordat als das wichtigste betrachtet, da es vor allem ein vollkommen katholisches Land von 42 Millionen Ein­wohnern betrifft, und dann wegen der Fülle der politischen und religiösen Fragen, welche es löst.

Die Untersuchung in Iannowitz scheint eine neue Wen­dung zu nehmen. Beim Lokaltermin im Schloß erklärten die Schießsachverständigen, die Angaben des Grafen Chri­stian Friedrich über das plötzliche Losgehen einer Patrone im Jagdgewehr übereinstimmend für durchaus möglich. Die Haft des Grafen wird voraussichtlich alsbald aufgehoben. Der .Mord", über den so viel Unbefugtes geschrieben wor­den ist, stellt sich demnach als bedauerlicher Zufall dar.

Eine verhängnisvolle Ohrfeige. Ein 46jähriger Mann belästigte in einem Gasthaus in Rosenheim (Oberbayern) in der Trunkenheit fortgesetzt die andern Gäste. Nach ver­schiedenen Zurechtweisungen und Mahnungen packte einen 25jährigen Müllerssohn, der als sehr ruhig bekannt ist, die Wut. Er versetzte dem lästigen Gast eine kräftige Ohrfeige. Der Mann fiel um und war sofort tot. Die Todesursache dürfte die Ohrfeige zusammen mit Alkoholvergiftung und Herzlähmung sein. Der Mann hatte bereits 15 Liter Bier getrunken. Er war Vater von sechs Kindern.

Theaterskandal in Köln. Bei der Aufführung eines TendenzstückesDie Laterne" von Walter Ilges erhob sich im Städtischen Schauspielhaus ein so starker Widerspruch des Publikums, daß die Vorstellung eingestellt werden mußte.

Brandstiftung aus Eitelkeit. In der Gegend von Krbv an der Mosel waren innerhalb von vier Wochen nacheinan­der, und zwar jedesmal in Mondnächten sieben Gebä-rde eingeäschert worden. Die Behörden hatten auf Ermittlung des Brandstifters 3000 Mark Belohnung ausgesetzt. Man glaubte zunächst, daß die Brände von einem Mondsüchtigen angelegt worden seien. Die Landeskriminalpolizei hat jedoch nunmehr den Täter in der Person eines Feuerwehr­manns aus Kröv ermittelt, der aus Eitelkeit zum Brandstifter geworden war. Er gefiel sich nämlich darin, in seiner schmucken Feuerwehruniform herumzugehen, wozu ihm die angelegten Brände die erwünschte Gelegenheik boten.