Nr. «7

Nagolder TagblattDer Gesellschafter

Mittwoch, 30. März 1S28.

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weil die Bevölkerung die von den Franzosen verfügte Thron­besteigung Damad Namis ablehne. Eine Division schwarzer Franzosen vom Senegal mit 10 Tanks. 3 Flugzeugen und Artillerie haben durch die Straßen von Aleppo einen Ein- lchüchterungsmarsch unternommen. Trotzdem sei die Ord nung noch nicht wiederhergestellt worden.

Die Italiener hatten in der Cyrenaika (Nord > ofrika) blutige Gefechte mit Eingeborenen zu bestehen.

Deutscher Reichstag

Nachkragsetat

Berlin, 19. März.

Ein Gesetzentwurf zur Aenderung des Gesetzes über die Regelung des Verkehrs mit Milch, wonach die für dieses Gesetz bis zum 31. März vorgesehene Befristung aufgehoben werden soll, da das endgültige Reichsmilchgesetz demnächst vorgelegt wird, wurde in allen drei Lesungen angenommen Da» Haus setzte dann die zweite Beratung des Nachtrags­etats für 1928 fort

Abg. Morath (D. Bp.): Die Kommunisten unter­scheiden sich nur insofern von den Sozialdemokraten, als sie bisher nie in die unangenehme Lage gekommen seien und wohl auch nie kommen werden, ihre zahlreichen Verspre­chungen einmal erfüllen zu müssen. Der vorliegende Nach­tragsetat sei der magerste fett Jahren. Zum erstenmal könne man jetzr mit amtlichem Material Nachweisen, wie gering der Personalbedarf des Reichs gegenüber den anderen Aus­gaben ist. Seit 1923 sei der reine Behördenaufwand nur um 29 Proz. gestiegen, die Ausgaben für soziale Zwecke, Schuldentilgung usw. aber um 73 Proz. Es sei unerträg lich. daß die Länder in ihren Besoldungen über die des Reichs hinausgingen.

Abg. Frau Dr. Bäunzer (Dem.) wandte sich gegen das Weiterbestehen der Ausnahmebestimmungen gegen die Frauen, nachdem das ganze Prinzip des Personalabbaus gefallen sei. Württemberg habe sich bereits bei der Schaf­fung seines der Reichsverfassung widersprechenden Beam­tengesetzes auf diese Bestimmung der Personalabbauoerord­nung berufen. Man sollte es den Frauen selbst überlassen, zu entscheiden, ob sie Ehe und Berus miteinander verein­baren können

Abg. Frau Dr. H e r t w i g-Bünger (DVP.) äußerte ähnliche Bedenken gegen den vom Zentrum vorgelegten Gesetzentwurf. Das Zentrum könne es doch nicht etwa^für wünschenswert halten, daß Beamtinnen aus Besorgnis, ihre Stellung zu verlieren, auf die Ehe verzichten und sich mit einem äußerlichen Verhältnis begnügen.-

Abg. Dr. Frick (Nat.Soz.) erklärte, der Reichstag ent­spreche nicht mehr dem Willen des Volks und sollte baldigst aufgelöst werden. Der Nachtragsetat sei eine bittere Ent- täufchuna für die unteren und mittleren Beamten. Not­wendig sei ein Gesetz zur Kürzung der Ministerpsnsionen. Dom Zentrum forderte der Redner eine Erklärung dar­über, ob es tatsächlich dem Kanzler ein« lOprozentige Ge­haltskürzung vorgeschlagen habe.

Abg. Dr. von Sybel (Christl.-Nat. Bauernpartei) for­derte eine grundsätzlich« Revision der Besoldungsreform von 1927 und lehnte den Personaletat ob. Wenn der Reichs­finanzminister Einnahmen für Reich, Länder und Gemein­den haben und die Beamten auskömmlich bezahlen wolle, dann solle er in erster Linie die Landwirtschaft wieder ren- tabA machen.

Der Reichstag hat den Mißtranensankrag der National­sozialisten gegen den Relchsminister Severlng mit 229 gegen 89 Stimmen (Deukschrrakionale. Christlichnationale, Bauern­partei und Nationalsozialisten) bei 51 Enthaltungen (Wirt- schastSpartei und Kommunisten) abgelehnt

Württemberg

Stuttgart. 19. März.

Ausgaben -er künftigen Verkehrsämter im Bezirk der Leichsbahn-irektion Stuttgart. Die Verkehrsämter Heil- bronn, Stuttgart 1 und 2, Tübingen und Ulm, die auf 1. AprU 1929 errichtet-werden, haben die Aufgabe/ inner­halb ihres Bezirks den gesamten Verkehrsdienst zu leiten und zu beaufsichtigen. Sie entscheiden ferner über die außer­gerichtlichen Anträge auf Erstattung von Fahrgeld, Fahr­preiszuschlägen, Gepäckfracht, Expreßgutfracht, Nebengebüh­ren und Frachtzuschlägen (ausgenommen solche für unrich­tige Inhaltsangabe), auf Entschädigung wegen Verlulls, Minderung und Beschädigung von Gepäck, Expreßgut, Gü­tern, Leichen und Tieren bis 500 Mark im Reichsbahnver­kehr, soweit nicht bei Anträgen bis zu 30 Mark eine Ab-

sertigungsstelle zuständig ist Die Verkehrsämter schließen auch die Verträge über Stückgutbeförderung auf Privat- aleisanschlüssen. Ueber die übrigen Anträge und insbeson­dere über Anträge auf Erstattung von Frachten aus dem Güter-, Leichen- und Tierverkehr entscheidet die Reichs- bahndirektion.

Ein neues großes Lichtspieltheater. Die Württ. AG. für Bauausführungen will das Haus Königstraße 6 (neben dem im Bau befindlichen neuen Geschäftshaus Königstraße 4) abbrechen und an seine Stelle ebenfalls einen Neubau er­stellen, in den die Eingangshalle eines auf dem rückwärti­gen Platz von der Bahnhofplatzgesellschaft projektierten gro­ßen Lichtspieltheaters mit etwa 1600 Sitzplätzen kommen soll. Mit der Bauausführung wird begonnen werden, so­bald die in der Angelegenheit zurzeit schwebenden Verhand­lungen abgeschlossen sind.

Cannstatt, iS. März. Fe sie auf dem Wasen. Auf dem Cannstatter Wasen finden im kommenden Sommer zwei große Feste statt, und zwar im Juni des Erste Deutsche Bundesschießen für Zimmerschützen und im August das 7. Landessängerfest des Deutschen Arbeitersänger- dundes, Gau Württemberg. Zu letzterem werden 20 000 Sänaer erwartet.

Reichstagung der evang. Iungmnnnerbüade. An Pfing­sten d. I. findet in Stuttgart die 13. Reichstagung der evang. Jungmännerbünde Deutschlands statt, bei der etwa 10 000 bis 12000 junge Leute aus dem ganzen Reich erwartet werden. Der Württ. Evang. Jungmännerbund wird gleich­zeitig sein 60. Jubiläum begehen.

Dom Tage. Selbstmord durch Einatmen von Gas ver­übte nachts in einem Haus der Karlstraße in Cannstatt eine 38 I. alte Frau. Sonntag abend wurde aus dem Kanal in Berg die Leiche eines seit 3 Wochen vermißten 15 I. alten Mädchens gelandet Es liegt Selbstmord vor. In einem Haus der Moltkestraße tränk ein 16 I. a. Mädchen in selbstmörderischer Absicht Karmelitergeist. Es wurde nach dem Katharinenhospital verbracht.

Aus dem Lande

Heilbronn, 19. März. Weinfälschungsprozeß. Eine interessante Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht in Heilbronn befaßte sich mit einer Anklage gegen den Heil- bronner Wirt Fr. V. wegen Weinfälschung u. a. Der be­treffende Wirt stritt nicht ab, daß er den Wein, den er als alten Dürkheimer Rotwein" ausschenkte, und den er 1927 in der Pfalz, das Liter zu,56 Pfennigen gekauft habe, mit spanischem Verschnittwein und Obstmost vermengt hat: er habe sich aber für berechtigt gehalten, den Ursprungsnamen Dürkheimer" beizubehalten, weil dieser vermischte Wein, den er in seiner Wirtschaft zu 35 Psg. pro Viertel a'-gab, noch über 50 Prozent Dürkheimer enthalten habe. Einige Proben dieses Weins wurden nach dem neuen sogenannten Sorbitoerfahren untersucht, die nach dem Sachverständigen- Gutachten von Dr. Benz, dem Direktor des diesigen städt. Untersuchungsamts, Obstmost in Wein gemischt einwandfrei nachwiesen. Bei diesen, Wein-Untersuchungsverfahren blei­ben. wenn sich Obstmost in Naturwein befindet, als Rück­stände zwei Formen eines chemischen Stoffs, Sorbit ge­nannt, der nur beim Vorhandensein von Obstmost in Er­scheinung tritt. Das Gericht kam zu folgendem Urteil: 50 Mark Geldstrafe wegen Vergehens gegen 8 4 Abs. 1 u. 2 des Lebensmittelgesetzes vom 5. Juli 1297 in Tateinheit mit einem Vergehen gegen 88 6 u. 7 des Weingesetzes vom 7. April 1909, d. h. wegen vorsätzlicher Lebensmittelsäl- schung, und 20 Mark Geldstrafe wegen Vergehens gegen 8 4 Abs. 3 und 8 13 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzs. sowie Vergehens gegen die 88 6 u. 7 des Weingesetzes, d. h. wegen irreführender Bezeichnung des Weins oder 10 bzw. 5 Tage Gefängnis.

Die erste Verurteilung auf Grund des Untersuchungs­ergebnisses im Weg des Sorbitversahrens das von einem Schweizer erfunden worden ist erfolgte vor einigen Ta­gen in einem Weinsälschungsprozeß vor dem erweiterten Schöffengericht in Landau (Pfalz).

Weilderstadt. 19. März. Arbeitsgemeinschaft für eine Autolinie Reutlingen Böblingen Pforzheim. In Weilderstadt fand eine Besprechung über Führung von Zubringerlinien zum Flugplatz Böblingen und Führung einer hiermit in engem Zusammenhang flehen­den direkten Autolinie ReutlingenTübingenBöblingen WeilderstadtPsorzheim statt. Es wurde ein Ausichug zur weiteren Behandlung der Angelegenheit gebildet. Durch den neuen Plan werden nicht nur neue Verbindungen zw.» schen dem Enz- und dem mittleren Neckartal. zwischen dem nordöstlichen Schwarzwaid und der Zenträialb geschaffen, s lcmdern auch 18 Städte und Gemeinden mit 153 000 Bewoh­

nern in engere Beziehungen gebracht, von denen 10 Orte ab­seits der Bahn liegen. Die ganze Srrecke von Pforzheim bis Reutlingen wird 84 Kilometer lang sein.

Böblingen, 19. März. Im Tatze vereint. Während die Frau des Josef Köberle. die den Verkaufsstand in der Bahnhofstrabe hatte, nach nur zweitägiger Krankheit starb, ist Köberle selbst während des Begräbnisses seiner Frau im Krankenhaus verschieden.

Tübingen, 16. März. Von der Universität. Der durch das Ableben des Geheimrats M. Lidzbarski an der Göttinger Universität erledigte Lehrstuhl der orientalischen Philologie ist dem ordentlichen Professor Dr. phil., Dr. theol. h. c. Engo Littmann in Tübingen angeboten worden. Prof. Littmann ist seit acht Jahren in Tübingen als Nach­folger Seybolds. Frühere Berufungen hat er abgelehnt

Aus Stadt und Laud

Nagold, den 20. März 1929

Dem gemeinen Volke mit Scharfsinn und seinem Verstände beikommen wollen, ist gerade so, als wenn man versuchte, einen Klotz mit einem Schermesser zu spalten. Alexander Pop«.

Schlrrhprüfurrg der Landwirtschaft!. Winterschule

3 Monate eifriger Arbeit lagen hinter den jungen Landwirten, als sie gestern vor geladenen Gästen beweisen sollten, daß nicht nur die Praxis ihr Gebiet ist, sondern daß sie auch die Theorie kennen und beides zu einem voll­kommenen Ganzen zusammenzufügen bestrebt find. In der öffentlichen Prüfung wurden folgende Themen durchge­führt: Wirtschaftsgeographie (Rektor Kiefner), die Unkrautbekämpfung (Oek.-Rat Ha eck er), Geometrie (OA.-Geometer Klein), Die Kunstdüngemittel (Oekono- mierat Ha eck er), Eeschäftsaufsatz (Hptl. Eall) und Fruchtfolgen (Oek.-Rat Haecker). Mit wirklicher Befrie­digung und Genugtuung durfte man feststellen, welch reiches Wissens die Schulleitung und der ihr angegliederte Lehrkörper zu vermitteln vermochte und wie sein sie es verstanden hatten, Fingerzeige zugeben, die die jungen Landwirte mit dem Wissen zum Können führen sollen. Auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen des Landwirts Tun und Lassen und dem Weltmarkt und dem Weltgeschehen waren in einzelnen Lehrproben gut gezeich net.

- Nach Schluß der mehrstündigen' Prüfung überbrachte Oberregierungsrat Braig von der Zentralstelle für Landwirtschaft Grüße von seiner Behörde, insbesondere von seinen, Präsidenten, der leider durch Krankheit am persönlichen Erscheinen verhindert war. In den Mittel­punkt seiner Ausführungen stellte der RednerDie Not der Landwirtschaft", die zu bekämpfen, ebenfalls die land­wirtschaftlichen Schulen berufen seien. Durch die Heran­bildung der Heranwachsenden Landjungend könne die Not­lage der Landwirtschaft behoben werden, doch müsse auch von dieser Einrichtung ein voller Gebrauch gemacht wer­den. Zur Pflicht müsse es sich die Landwirtschaft machen. Qualitätsware zu erzeugen, genau so wie der Bauer vom Handwerker und Kaufmann Qualität in der von ihm er­worbenen Ware verlange. Wir müßten uns an den nor­dischen Ländern ein Beispiel nehmen, z. B. Holland und Dänemark dort besuchen 95 Proz. aller Landwirte die Fachschulen und 5 Proz. nicht, also das umgekehrte Ver­hältnis wie bei uns die, was landwirtschaftliche Pro­dukte anbelange, den europäischen Markt beherrschend seien. Erzeugung von Qualitätsware sei die heutige For­derung, doch dieser Weg führe über Können und Wissen und Wollen! Im Argen liege heute noch in Württemberg im Gegensatz z. V. zu Bayern die Ausbildung der Vauerntöchter. Im vergangenen Jahre habe man in Rot­tenburg einen sich gut bewährenden Kurs für Bauern­töchter durchgeführt und im kommenden Jahre werde man an 2 bis 3 weiteren Schulen die gleichen Kurse einrich- ten. Sich nun an die zur Entlassung kommenden Schüler wendend, ermahnt er sie, ja nicht zu glauben, daß sie nun fertige Landwirte seien. Sie sollten das neu erworbene Wissen in gesundem Verhältnis mit dem Können und dem guten Wollen verbinden, dann würde das Ziel erreicht, das sie sich erwünschen und dann seien sie auch würdig, das Erbe, das der Vater erhalten, weiter zu bewirt­schaften und zu fördern. Sie sollten aber auch nicht den Dank vergessen an die, die ihnen den Besuch der Schule ermöglicht und die sie in der Schule belehrt, doch es solle I kein leerer Dank sein mit Worten, sondern ein Dank, der

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Lamra bet de« Ltgeunerrr tm «SAwarzwald

>»» .Schiller» Heimatjahrrn" von Hermann Kurz

Me Zeituagrdruck bearbeite,

U r heb er « cht »(ch*tz Verlag der Deutschen Glocke Ul« a. D.

H- M

S, war auf dea nächsten Abend ein« Redoute angesagt, » welcher außer dem Hos nur wenige Glückliche Len Zu­tritt haben sollten. Heinrich war nicht unter diesen, und doch hatte er tausend Gründe, die es ihm unmöglich ma­chen wollten, wegzubleiben. Durch die Festlichkeiten war »er Unterricht bei dem Fräulein seit geraumer Zeit unter­brochen worden, und es schien ihm, so wenig er die Schuld davon trug, als hätte er seine Pflichten verletzt. Er wußte, sie war unzufrieden, und diese Krankheit wuchs immer «ehr, sodaß sie selbst ihn zuletzt mit fühlbarer Gleichgültig­keit behandelt hotte: wie konnte er nun die Ausgabe ab «eisen, die ihm von der Freundschaft, vom Gewissen, und »ie diese zarten Behörden alle heißen mögen, gestellt wurde? Er mußte sich von ihrem Zustand überzeugen, er «ußte sehen, ob sie eines Trostes bedürftig sei.

Au geheimen Mitteln und Wegen fehlte es nicht, um auch ungeladen zu dem Fest zu kommen, wo er gewiß war. mit ihr zusammenzutresfen. Vorsichtig hatte er sich zwe, Skaskenanzüge verschafft, um sich mit deren Hilfe aus jeder Verlegenheit zu ziehen. Schon war er als Zitherschläger gekleidet, als solcher wollt« er vor sie treten, wenn er erst di« nötige Kunde und Sicherheil erlangt haben würde. Er warf eine braune Mönchskutte über die malerische Tracht mtd eilte fort, da seine Uhr ihm sagte, daß die glänzenden Räume nünMehr gefüllt sein würden.

In einem spärlich beleuchteten Gang, wo man die Mu­ßt leise und fern vernahm, stieß er auf zwei Zigeuner- masrea. deren Ausleven und Haltung ihm täuschenv ge­

lungen schien. Sie mochten auch ihr Geheimnis haben, denn als er sich ihnen näherte, hörte er die eine zur an­dern sagen:Paß ja recht auf. Duly, und entferne dich keinen Augenblick von hier."

Wohl, wohl?" entgegnete die andere Maske.

Heinrich drückte sich an ihnen vorüber. Der fremdartige Name war ihm ausgefallen, aber er hatte keine Zeit zum Grübeln, denn schon war das Psörtchen erreicht, das ihn rinlassen sollte. Er öffnete sachte, und begünstigt von dem blendenden Schein der Kronleuchter war er unbemerkt in den Saal getreten. Die Aufmerksamkeit der bunten Ver­sammlung war nach einer andern Seite gerichtet, wo ein hoher Venezianer, den Hut mit blitzenden Steinen geziert, einhergeschritten kam. Alles wich ihm aus, und Heinrich, sein Terrain übersehend, schlug sich zu einer Gruppe, wo er ihm vorerst weit genug aus den Augen war. Er fühlte seine Gestalt unter dem Umfang der doppelten Kleidung hinlänglich versteckt, und viel zu lebhaft für einen Kapu­ziner begann er sich im Saal umherzutreiben. Er suchte, fand sie aber nirgends. War sie nicht da? Nein, denn gewiß hätte sie in dieses Hadesleben Aufregung und bunte Man­nigfaltigkeit gebracht. Er bereute, sich hier unnutzerweise in Gefahr begeben zu haben.

Da fühlte er sich leicht angestreift. Ein wunderschlanker Zigeunerknabe, an dessen Schmuck ein Juwelier seinen Vor­rat erschöpft zu haben schien, war neben ihn getreten, und zwei mutwillig funkelnde Augen bohrten ihm durch seine Doppelmaske hindurch.Gelobt sei Jesus Christ?" sagte eine holde Stimme, vergebens bemüht, einen jugendlichen Baß zu erzwingen.

In Ewigkeit!" erwiderte Heinrich, den beim Klang sieses Grußes ein freudiges Zittern befiel.

Ihr habt Euch verirrt, mein frommer Vater," fuhr oer Knabe fort.Was hat Euer Fuß zu suchen auf diesem Schauplatz der bunten Narrheit?"

Und ist es nicht passend." antwortete er.der Fröh­lichkeit, den Ernst und dem bunten Schimmer jenes Grau vorzuhalten, das, wie man meint, die Grundfarbe des täuschenden Regenboqens ist?"

..Gut gejagt, mein Vater. Aber wenn es, wie ich schon gehört habe, Menschen gibt, welche die Sprache dazu erschaffen glauben, um die Gedanken und den Charakter zu verbergen, so seid ihr der völligste Gegenfüßler von die sen, und wenn Ihr Euren Stil nicht besser zu verstellen und Euren Kopf nicht gelenkiger zu halten vermögt, so fürchte ich, Ihr werdet nichts als ein lebendig wandelnder Steckbrief sein."

Er nahm schnell eine gebeugtere Haltung an.Du re­dest die Wahrheit, mein Sohn," sagte er,empfange dafür meinen Segen."

Dank, guter Vater. Also Ihr seid gekommen, uns von unsrer unheiligen Torheit zu bekehren? Soll ich Stille ausrufen, damit alles Eurer Predigt lauschen möge?"

Nein, nein, ich bin zufrieden, eine Seele gefunden zu haben, der ich meinen Zuspruch und die Tröstungen an biete, die mein teilnehmendes Herz zu gebe« vermag."

.Liese Seele ist Euch sehr verbunden. Wie aber, wenn ich Euch vertraue, daß sie bereits ich will nicht sage« getröstet, aber bekehrt ist? Daß sie mit nächstem gerettet sein wird aus dieser argen, schlimmen Welt?"

Ich verstehe dich nicht, mein mein Sohn! Du re­dest, als ob diese Seele in ein Kloster gehen wollte."

Und wenn es so wäre? Ich weiß ein Kloster mit viel tausend hohen Säulen, eine blaue Wölbung spannt sich drüber her, und seine Bauart hat ihresgleichen nicht. Gar schöne Musik ist darin zu hören, und eine Riesenorgel füllt den weiten Bau mit ihrem Atem aus."

Du redest in Rätseln, mein Sohn. Gott erleuchte dich

oder mich!"

Das wird er, mein Vater, beides zu seiner Zeit. Für jetzt aber ein leises Wort, neigt Euch tiefer, tiefer: Schwel­gen und Nachfolgen! Ja, mein frommer Vater, ein solcher Beichtiger wie Ihr wird dort willkommen sein Wollt Ihr folgen, wenn es an der Zeit ist? Wollt Ihr?'

Ich will!" rief er ergriffen von dem innigen Ton der Stimme, obgleich er kein Wort von allem verstand. Der anmutige Knabe legte sich seine Hand aufs Haupt, wie znm Segen, und huschte davon Fortsetzung folgt.