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Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Donnerstag, 27. Dezember 1928
Der Deutsche TNetallarbeilerverband zum Schiedsspruch Severings
Essen, 26. Dez. Eine Vertreterversammlung des Deutschen (soz.) Metallarbeiterverbands saßte eine Entschließung, in der gesagt wird: Der Schiedsspruch Severings habe für die Arbeiter der Eisenindustrie in bezug auf Lohnerhöhung, Akkordsicherung und Arbeitszeitverkürzung Verbesserungen gebracht, die zum Teil über den ersten Schiedsspruch hinausgehen, eine ganze Reihe berechtigter Wünsche der Arbeiterschaft sei aber unberücksichtigt geblieben. Der Metall- arbeiterverband werde diese Fragen in Zukunft weite»' verfolgen. Die Aussperrungs- und Stillegungswut der Arbeitgeber habe eine gründliche Abfuhr erhalten. Die Reichsregierung müsse alles tun, um weitere Preissteigerungen zu verhindern, eine scharfe Kontrolle auf die Kartelle und Syndikate ausüben und energische Maßnahmen treffen zur Schaffung einer st a at- lichen Kontrolle der Eisenwirtschaft.
Sclbslregicrung für Indien
Kalkutta, 26. Dez. Der Konvent aller Parteien Indiens hat einstimmig eine Entschließung angenommen, in der gefordert wird, daß Indien die verfassungsmäßige Stellung eines sich selbst regierenden Dominions in der Art Australiens und Südafrikas erhält.
Württemberg
Stuttgart, 26 Dezember.
Generalleutnant a. D. von Wencher 75 Jahre alt. Generalleutnant a. D. AüolioonWencher feierte am 25. Dez. den 75. Geburtstag, v Wencher, Stadtschultheißensohn von Giengen a. Br., wurde im Jahr 1872 Offiziersaspirant und im Jahr 1874 zum Leutnant im Gren.-Regt. 123 befördert. Im Frühjahr 1914 wurde er unter Verleihung des Charakters als Generalleutnant zur Disposition gestellt. Als er bei Kriegsbeginn wieder zu den Fahnen eilte, erhielt er ein Kommando. Mit einer schweren Verwundung kam der tüchtige Offizier in die Heimat zurück.
Die Hausbesitzer an den Landtag. Die Landestogung der Arbeitsgemeinschaft wiirtt. Haus- und Grundbesitzervereine E. V. hat eine Eingabe an den württ. Landtag gerichtet, in der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und Ablehnung des neuen dem Reichsrat vorliegenden Gebäudeentschuldungssteuer- und Werterhaltungssteuer-Gesetzes gefordert werden
Handwerkskammer. Für diejenigen Lehrlinge, die bis zum 30. Juli 1929 ihre ordnungsmäßige Lehrzeit beendigen, ebenso für die noch nicht geprüften Gehilfen, werden im Frühjahr 1929 wieder Gesellenprüfungen in allen Gewerben von der Kammer abgehalten. Anmeldungen, die nach dem 15. Januar 1929 eingehen, können im Interesse einer geordneten Abwicklung des Prüfungsgeschäfts nicht mehr berücksichtigt werden.
Aus dem Lande
Maulbronn, 26. Dez. Tödlicher Auto Unfall. Am Bärenbuckel zwischen Maulbronn und Knittlingen geriet ein mit drei Personen besetzter Kraftwagen auf der glatten, überfrorenen Straße ins Rutschen und fiel um, die Insassen unter sich begrabend. Der Führer und der Eigentümer des Wagens blieben unverletzt, während der andere, ein Ingenieur aus Norddeutschland, einen tödlichen Schädelbruch erlitt. Den Führer soll keine Schuld treffen.
Schwenningen, 26 Dez. Hochherzige Stiftung. Aus Anlaß der silbernen Hochzeit und dem zeitlich damit zu- sammenfallenden 25jährigen Geschäftsjubiläum der Firma Friede. Mauthe G. m. b. H„ Uhrenfabrik, haben Fabrikant Augen Schreiber und seine Frau Gisela, geb. Mauthe. den Betrag von 10 000 RM. zu dem bereits bestehenden Be- amtensrholungsionds und Arbeiterunterstützungsfonds der Firma als weitere Stiftung überwiesen.
Aus Stadt «ad Laad
Nagold, den 27. Dezember 1928 Zur Schau getragene Gesinnung an einem Kunstwerk ist nicht das Wichtigste, müßte sogar zu vermeiden sein. Trotzdem wird echte Kunst nicht ohne Gesinnung. Aber diese Gesinnung ist eben nicht Wort oder Schein, sondern im Werke verwirklicht und ganz lebendig, Tat und Anschauung geworden.
Dienftnachrichte«
Der Herr Staatsprädent hat den Amtsgerichtsrat Kaufs- mann in Laupheim an das Amtsgericht Freuden st adtj versetzt, eine Regierungsratsstelle der Gruppe 4 b in Stuttgart dem beim Oberami Neuenbürg planmäßigen Regierungsrat Br. Hag mann übertragen und den Regierungsassesfor Dr. Waller Schmid beim Oberamt Neuenbürg zum Regierungs- rat be i diesem Oberamt ernannt.
welleraberglauben
In einem Handbuch aus dem Jahre 1799 „Praktische Wetterkunde nach alten Bauernerfahrungen" ist u. a. zu lesen: Wenn der Christtag kommt und der Mond zunimmt, ist ein gutes Jahr zu erwarten: wenn der Mond aber im Äbnehmen begriffen ist, und das Fest näher am Neumond liegt, wird das Jahr um so härter. Dieser Glaube des Mondeinflusses ist sehr alt und hat seine Grundlagen in der Astrologie der Chaldäer, deren erste Wettermeldungen, die bekannt find, aus dem Jahr 4000 v. Chr. stammen.
Weiter schreibt der Verfasser des genannten Handbuchs über die Regel „Grüne Weihnachten, weiße Ostern": „Wenn es um Weihnacht gelind ist und überhaupt der Winter nickt vor Weih-nachten kommt, so kommt die Kälte gemeiniglich hernach; folgt aber wenig oder gar kein Winter (welches doch nicht leicht geschieht), so ist's nicht gesund und es folgen leichtlich Krankheiten."
Und dann heißt es in dem Buch:
„Die Alten Han das Geschicht in guter Acht,
So denn in mittler Zeit der Christnacht,
Zwischen der Luft wehen die Winde,
Davon sagen sie ihrem Gesinde.
Daß solches anzeigt ein fruchtbar Jahr,
Und halten's auch dafür, glaub mir fürwahr.
Ist es windig an den Weihnachtsfeyertagen,
So sollen die Bäume viel Obst tragen.
Hat die Sonne des Morgens ihren Schein,
So wird dasselbe Jahr haben viel Wein.
Am obersten Tag wirst du unstet Wetter Han,
Die Monden sollen alsdann durcheinander gähn:
Hat aber derselbe Tag etwa schönen Sonnenschein,
So wird glückliche Zeit bedeutet seyn."
Heute noch hört man oft, daß. „wenn in der Christnacht der Wind vom Aufgang der Sonne her weht, es Viehsterben bedeutet, vom Niedergang, große Herren sterben, von Mitternacht ein gut Jahr und vom Mittag böse Krankheiten" zu erwarten sind.
lieber die zwölf heiligen Nächte weiß der Berichterstatter zu melden, daß das Wetter der einzelnen Monate des folgenden Jahrs ähnlich dem der Nächte und Tage ist, die dem Christabend folgen. „Die 12 Tage von dem Christtag an gerechnet werden folgendermaßen observiert:
Wenn die Sonne am ersten heiligen Christtag scheint, so bedeutet es ein glückliches und freudenreiches Jahr.
Am 2ten Christtag Theuerung und Geldmangel.
Am 3ten Christtag Uneinigkeit unter den Geistlichen. Am 4ren Krankheit unter den jungen Kindern.
Am 5ten gut Obst und Winterfrucht.
Am 6ten Ueberfluß von Baum- und Feldfrüchten.
Am 7ten gute Viehweide, aber wenig Korn und Wein. Am 8ten viel Fische und Vögel.
Am 9ten den Kauflauten glückliche Handlung.
Am lOten schwere und gefährliche Wetter.
Am Ilten große Nebel und Pestilenz. . '
Am 12ten Krieg und Blutvergießen. '
Weihuachtstage
O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit . . . Das unfaßbare Wunder der Stillen Nacht umfing uns wieder im strahlenden Glanze festlich geschmückter Christbäume. Mochte auch draußen der Winter frostklirrend dunkle, verschneite Wege ziehen, in den Herzen aller Weihnachtsgläubigen brannten umso Heller die Kerzen des Frohsinns und der Menschenliebe.
Fas Festgeläute um die 6. Stunde und anschließend das alte und immer wieder neue »Stille Nacht" der Turmbläser kündeten das Weihnachtssest. Em Bäumlein nach dem anderen sah man hinter den Fenstern erstrahlen und Weihnachtsklänge drangen an das Ohr des Vorbeigehenden. Als dann die Geschäfte eines nach dem andern die Pforten schlossen, die Züge mit den Weihnachtsurlaubern aus dem ganzen Deutschland eingetroffen waren, da sank der Frieden über die Welt und die Straßen wurden leer und still. Dafür war in den Stuben der Jubel umso größer, groß und klein hatten sich zu freuen über all die Gaben, die das Christkind gebracht hatte. Der kleinste Hansel krähte vor lauter Vergnügen aus seinem Stubenwagen heraus und versuchte die Lichter zu Haschen, der kleine Fritz rutschte auf allen Vieren hemm und war tödlich gekränkt, >o einer sich an seinen Bauklötzern vergreifen wollte, der etwas ältere Karl spielte stolz mit der Eisenbahn, die Else hätte am liebsten alle ihre Puppen auf einmal in den Arm genommen und erzählte mit wichtiger Miene ihrem Mütterlein, daß das Christkind schon einige Tage vorher genau denselben Stoffrest habe liegen lassen, aus welchem ihr Püppchen Fritz ein Kleid bekommen habe. Dort reitet nun einer auf dem Schaukelpferd, hier bastelt einer am Metallbaukasten, der Backfisch Hilde ist mit dem überreichten Roman innerlich nicht ganz zufrieden, er ist zu altväterisch, ihre Schwester prüft den Stoff für das neue Winterkleid und der Eberhard natürlich, was sollte er anderes tun, er nascht!. Inzwischen hat auch der Vater die Kiste mit den guten Havanna-Zigarren erwischt und steckt sich eine der qualmenden Genüsse ins Gesicht und die Mutter streichelt innig ihr warmes neues Wolljäckchen. So hat wohl das Christkind für jedes etwas abgeladen, für den einen viel, den andern wenig und für manchen vielleicht zuviel. Zwischenherein erklingt noch ein Weihnachtslied, aber der Jubel der Kinder wird immer stiller und die Lichter beginnen zu erlöschen. Der heilige Abend geht seinem Ende zu und als von allen Türmen unserer Nagoldstadt mit 108 Schlägen die Mitternachtsstunde sich ankündigt, da hatte der erste Feiertag seinen Einzug gehalten. Er und sein Nachfolger hatten eine große Ueberraschung für uns auf dem Lager, denn sie brachten einen srühlingswarmen Föhn, der im Nu allen Schnee aus den Tälern u. von den Bergen, sogar bis hinauf in die Gebirgslagen hinwegnahm und alle frohen Hoffnungen der Brettleshupfer auf das „weiße Erlebnis" ins Wasser fallen ließ. Aber noch stehen wir ja am Anfang des Winters und sonnige, schneereiche Wintertage werden uns auch Heuer sicherlich nicht vorenthalten bleiben. Der Vortrag des „Ehre sei Gott in der Höhe" aus der Deutschen Messe von Schubert durch den Ver. Lieder- und Sängerkranz am ersten Feiertag Morgen in der Kirche darf als besondere Weihnachtsüberraschung dieses Vereins nicht unerwähnt bleiben.
Weihnachksgaben -er Hindenburg-Spende. Zu Weihnachten hat die Hindenburg-Spende den Rest der dem Herrn Reichspräsidenten aus Anlaß seines 80. Geburtstages für Kleinrentner usw. zur Verfügung gestellten Mittel ausge- schüttek- Mehr als 1000 verarmten Miktelstandsangehörigen wurden zu Heiligabend durchwegs je 100 Mark überwiesen,
Warnkreuze der Reichsbahn. L.e Deu.j.tze Rrichsbahn- geseilschajl läßt jetzt Warnkreuze nur cot- und weißgestrichenen Armen und mit Pfosten in dunteiarauer Farbe an den Wegübergängen, die sich in Schisnenhöhe der Eelcisanlagen befinden, anbringen. Als Signal für einen mit Schranke versehenen Wegübergang ist ein einfaches Halb- kreuz, für einen eingeleisigen Uebergang ohne Schranke ein einfaches Vollkreuz und für einen Uebergang ohne Schranke mit mehreren Geleisen das doppelte Vollkreuz gewählt worden. Bei der Aufstellung der neuen Signale wird besonders darauf geachtet, daß sie aus eine große Entfernung erkenntlich sind. Nach Ansicht der Reicksbabnoerwaltuna lieat kein .zwingendes Bedürfnis für
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(SO. Fortsetzung.)
„Alles kannst du verlangen, nur dieses nicht. Ich muß das, was ich fühle, was mich erfüllt, aus mir herausgeben, »ur dann habe ich die Befriedigung, die ich juche."
„Ich weiß es. Aber deine Stimme ist jo herrlich, daß ich bange, du könntest sie einmal verlieren."
„Und wenn das einträte . . . glaube mir. ich wüßte es zu tragen. Dann wird immer Singen und Klingen in mir jein, und das tiefe Erlebnis dieser Zeit, die Erinnerung an die köstlichen Stunden, wird mich nie verlassen. Doch jetzt «ollen wir nicht weiter vom Fach sprechen. Komm jetzt mit zu Klein-Etschen. Sie hat schon die ganzen Tage nach dem Onkel gefragt."
Helle Freude flutete über des alten Sängers Antlitz.
„Ja! Ich habe ihr auch eine Tüte mitgebracht."
„Du verwöhnst sie. Karl."
„I wo! Ich habe als Kind Zucker auch gern gegessen, und es hat mir nichts geschadet."
Sie begaben sich gemeinsam in das Wohnzimmer. Lis- beth war inzwischen aus dem Geschäft gekommen.
Willmar sah sich um.
„Wo ist das Kind?"
„In der Küche, Herr Heyden," sagte Lisbeth Engst lachend. „Sie hilft beim Törtchenbacken."
„Ein gutes Zeichen! Sie bildet sich zur künftigen Hausfrau. Nun, dabei dürfen wir nicht stören. Du bleibst doch zum Abendbrot. Karl? Ich hoffe, daß mein Schwiegervater kchmnt."
„Er hat heute keinen Dienst und kommt sicher. Wir .wallen doch wieder einmal einen Skat kloppen."
„Ich bin dabei," sagte Willmar munter.
„Ich habe mich schon die ganze Woche darauf gefreut."
„Wieder ein Zeichen, wie wenig dazu gehört, sich freuen zu können. Schön, lieber Karl, spielen wir heute einen Skat."
*
Dalbade hatte seinen Vertrag mit der Berliner Staatsoper in gütlicher Weise gelöst. Der ehrgeizige Künstler brachte ss nicht über sich, der zweite zu sein.
Er nahm ein Engagement in Wien an.
Als er sich von Mara verabschiedete, fragte er sie, wann sie endlich zur Vermählung bereit sei.
Aber auch diesmal konnte er keine positive Antwort erhalten. Sie vertröstete ihn auf später Er fühlte aus jedem Wort, daß er Mara nichts bedeutete, und der Trotz wollte ihn zum endgültigen Bruch treiben . . . aber das Herz stellte sich dagegen. Er liebte die schöne Frau wahnsinnig.
Das Wohltätigkeitsfest zugunsten der notleidenden Künstler war das größte gesellschaftliche Ereignis Berlins.
Alles, was im gesellschaftlichen Leben Berlins eine Rolle spielte oder zu spielen glaubte, war vertreten.
Die Sensation des Abends war das persönliche Erscheinen des legendenumwobenen, gefeierten Sängers Willmar Heyden. Frau Geheimrat Spranger, die Gattin des Berliner Großindustriellen, die das Protektorat über das Wohltätigkeitsfest übernommen hatte, war maßlos stolz, daß es ihrer Tochter gelungen war. die Teilnahme Heydens zu erwirken.
Heyden war der Mittelpunkt des Abends, und seine prächtige Erscheinung, sein gewandtes, sicheres Auftreten und seine gute Laune gewann ihm alle, die ihn sahen und sprechen hörten.
Als Heyden Renate Spranger vorgestellt wurde, war er von der lichten Schönheit des jungen Mädchens sofort gefesselt. Sein schönheitsfrohes Auge glitt über die schlanke, etwas sehr selbstbewußte Mädchengestalt, die das herrlichste Blondhaar, das er je gesehen hatte, auszeichnete. Seltsam im Kontrast zu dem lichten Haar standen die dunklen Augen.
Renate war. km Gegensatz zur Mutter, die immer noch nicht über einen kleinbürgerlichen Anstrich hinwegkam. die vollendete Weltdame, trotz ihrer 23 Jahre.
„Wir freuen uns, Herr Heyden, daß Sie uns endlich einmal die Ehre Ihrer Anwesenheit schenken," sagte Renate sehr verbindlich.
Heyden sah sie mit blitzenden Augen an.
„Meine Gnädigste." erwiderte er mit natürlicher Galanterie, „ich habe nicht gewußt, daß ich eine so wundervoll blonde junge Dame treffen würde. Hätten Sie das Ihrer Einladung hinzugefügt, ich glaube, ich wäre schon früher einmal gekommen."
„Sie bevorzugen blond, Herr Heyden?"
„Ich bevorzuge nicht, denn mein Leben fließt in harmonischer Weise hin, daß ich bisher noch nicht in die Verlegen
heit gekommen bin . . . eine besondere Farbe bei Dämon zu bevorzugen. Aber Ihr Blondhaar schmückt Sie ganz wundervoll."
Er sprach das in so liebenswürdig-verbindlicher Weise, daß es ein Vergnügen machte, ihm zuzuhören.
„Warum halten Sie sich der Gesellschaft so fern, Herr Heyden? Sie dürften doch die beste Figur m der ganzen Berliner Gesellschaft abgeben."
Heyden lächelte. Sie sah ihn gern lächeln. Er tat es nicht, um bewundernden Blicken eine Reihe prächtiger Zähne zu entblößen, sondern sein Lachen war fröhlichunbefangen und doch wieder so überlegen und sicher.
„Eine gute Figur," wiederholte Heyden. „Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Drum bin ich nicht gern in Gesellschaft. Ich bin eine zu gute Figur und habe nebenbei noch das Pech, sehr bekannt zu sein . . "
„Das Pech? Das Glück meinen Sie, Herr Heyden!"
„O nein! Sehen Sie, meine Gnädigste, ich bin nicht etwa ein eitler Patron, der sich absondert, weil er den stillen Größenwahn hat. Nein, ich sondere mich ab weil ich eine zu gute Figur abgebe. Die wird nämlich gesellschaftlich zu sehr in Anspruch genommen, überall soll sie dabei sein, überall soll sie das Aushängeschild lein. Das paßt mir nicht. Ich bin sehr gesellig, aber der einfache Mensch ist mir am liebsten, der sich so gibt, wie er ist. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen."
„Ich bemühe mich, Herr Heyden. Glauben Sie. daß man in der Gesellschaft so selten aus Menschen stößt, die ihre wahre Natur zeigen?"
„Sie fangen an. mich zu begreifen Das ist nett. Ich glaubte schon, unhöflich zu sein, wenn ich gleich mit meinen Anschauungen auspacke."
„Durchaus nicht, Herr Heyden! Ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen."
„Dann ist Aussicht vorhanden, daß ich heute einen recht netten Abend verlebe. Wenn nur diese leidige Vorstellerei schon vorüber wäre! Sehen Sie. da bringt Ihre Frau Mutter schon wieder neue Opfer, denen der große Tenor vorgestellt werden muß. Und ich habe ein so schlechtes Gedächtnis für Namen."
Frau Geheimrat Spranger trat mit einer jungen, imt raffinierter Eleganz gekleideten Dame näher.
„Herr Heyden l" rief Sie dem Sänger zu. „Darf ich Ihnen Miß Astor aus Newyork ovrftellen?"
Heyden verbeugte sich.
Die schlanke Amerikanerin iah ihn lange an. Er empfanden prüfenden Blick fast taktlos.
(Fortsetzung folgt.) ,