Der Oesellsctmkter

Amts-und Äiizeis ebttttt kür

Mit de« illustrierten Unterhaltungsbeilagen Feierstunden" u.Unsere Heimat"

vezugspreise: Monatlich einschließlich Trägerlohn 1.80; Einzelnummer ID Erscheint au sede« Werktage. Verbreitetste Zeitung im O.-A.-Bezirk Nagold. Schriftleitung, Druck und Verlag von G. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold

den Gbermntsv e-rrikMrgoilS

Mit der landwirtschaftlichen WochenbeUag« »Haus», Garten» u. Landwirtschaft"

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Rr. 2SS

Gegründet 1827

Mittwoch, den «l. Oktober 1928

Fernsprecher Rr. 29

1V8. Jahrgang

Nach Schiffsmeldungen sollGraf Zeppelin" am Dienstag mittag 12 Uhr D.Z. 540 Kilometer nordöstlich Kap Rare (Neufundland) gewesen fein.

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Anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Reichsarbeils- Ministeriums fand am Dienstag im Festsaal des Mini­steriums eine Feier statt. Reichsminister Wisset! sagte in einer Rede, das Ministerium habe einzig und allein den Interessen der Allgemeinheit und dem Ausgleich der sozialen Gegensätze zu dienen.

Bei einer Nachwahl zum englischen Unterhaus in Ashlon hat die konservative Partei einen Sitz an die Arbeiterpartei verloren. Das Wahlergebnis ist besonders bemerkens­wert, weil sich der Wahlkreis seit 1910 ununterbrochen in den Händen der Konservativen befunden halte. Ls ist der 5. Wahlkreis, den die Konservativen in diesem Jahre ver­loren haben. Bei 52 Ersatzwahlen seit den Wahlen von 1924 hat die Regierung einen Sitz gewonnen und 11 verloren, die Arbeiterpartei 10 S;tze gewonnen und einen verloren, und die Liberalen 4 Sitze gewonnen und 3 verloren.

l.

Das natürliche Stärkeverhälknis der Machkgebiele

Die Kräfte eines Staats setzen sich zusammen aus dem natürlichen und erarbeiteten Reichtum des Landes, aus der Zahl und der Tüchtigkeit der Bevölkerung, aus der strate­gischen Lage und organisierten militärischen Stärke und end­lich aus der politischen Stell UNO. die der betreffende 'Staat innerhalb der Gesamtheit der Staaten einnimmt.

An Land und Bevölkerung ist das britische Weltreich etwa viermal so groß wie die Vereinig­ten Staaten. Es umfaßt, von den Schutzstaaten und den Mandaten abgesehen, nicht weniger als 37 Millionen Geviertkilometer mit etwa 450 Millionen Einwohnern, denen die Vereinigten Staaten nur 10 Millionen Geviert­kilometer mit 120 Millionen Einwohnern entgegenzusetzen haben. Aber die Länder des britischen Weltreichs liegen über alle Erdteile zerstreut und seine Bevölkerung setzt sich zum allergrößten Teil aus unterworfenen Farbigen zusam­men. Die von weißer Bevölkerung bewohnten Dominien von Kanada, Australien und Südafrika sind nach dem Krieg nahezu selbständige Staaten geworden, die mit dem Mut­terland nicht einmal durch Zollunion verbunden sind. An Einheitlichkeit des Gebiets und der Bevölkerung sind die Vereinigten Staaten England bei weitem überlegen. Sie verfügen über ein geschlossenes Gebiet von beinahe acht Mil­lionen Geviertkilometer, auf denen eine weiße Bevölkerung von ungefähr 100 Millionen Menschen wohnt. Ungefähr 70 Millionen sind reine Angelsachsen, aber auch die 30 Mil­lionen Abkömmlinge anderer Rassen füblen sich als Ameri- kamer und sind stolz auf ibre Nationalität. England ver­fügt. nachdem der grökte Teil von Irland selbständig ge­worden ist, nur über 250 000 Geviertkilometer und 45 Mil­lionen Einwohner.

In Amerika ist wirtschaftlich ein Nebenfluß für 500 Millionen. Die Staaten der Union vereinigen auf ihrem Gebiet den ganKn Reichtum an Rohstoffen, der im britischen Weltreich über alle Erdteile zerstreut ist. Ihr An­teil an der Weltproduktion ist wahrhaft riesenhaft: 72 v. H. an Erdöl, je 60 v. ch. an Eisen und Stahl, >e 52 v. H. an Baumwolle, Holz und Kupfer, 43 v. H. an Kohle. Nur in Gummi, Baumwolle, Erdöl und Kohle vermaa das englische Weltreich noch einigermaßen mit Amerika in Wettbewerb zu treten. Während die Vereinigten Staaten an Lebensmitteln, besonders an Getreide, eines der Hanptausfuhrländer der Erde sind, vermag das Vereinigte Königreich von seinen eignen agrarischen Erzeugnissen kaum ein Zehnel des Jahrs zu leben.

Bevölkerung und wirtschaftliche Kraft

Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten hält !>.ch für Las auserwählte Volk der Weltgeschichte und ist von einem rastlosen Vorwärtsstreben beseelt, das keine Grenzen kennt. Ueber das englische Volk ist ein Hauch von Ueber- müdung und Erstarrung gekommen, der ihm die Initiative und die produktiven Eigenschaften zu nebmen scheint. Bei­nahe .uvei Millionen Menschen des größten Kolonialvolks ^fr Weltgeschichte fristen lieber mit^ Staatsunterstützungen bnnmerlich ihr Leben, als daß sie nach den unermeßlichen Kolonialgebieten des britischen Weltreichs auswandern. Die ^hllische Industrie hält, von der Schiffabrtsindustrie ab» A'chen. keinen Vergleich mit der amerikanischen mehr aus.

st ist ihr an Kapitalkraft, an Verwendung der modern- l'EN Maschinen und in der Durchführung neuer Methoden unendlich überlegen. Die englischen Industrien sind mehr "er weniger überaltert und befinden sich infolgedessen in ^^r oder weniger schweren Krisen. In Amerika beruht n ^Aitslosigkeit auf der Verwendung beständig moder- Maschinen und Methoden, in England ist das gerade , ^"teil der Fall. In Amerika treibt die Arbeitslosigkeit ' w wirtschaftlichen Imperialismus und zum Streben nach

de»- Vermehrung der Absatzmärkte, in Enalind ist man be­reits auf den Gedanken gekommen, die Industrie. wi° früber oen Ackerkan, ganz ihrem Schicksal zu verlassen und allein von dem Verkauf der Rohstoffe des Weltreichs zu leb-n, da allein der Gummibandel ovsreicbte. um mit seinem Er­trag die Zahlungen für die Arbeitslosen aufzubringen.

Die finanzielle Wacht

In finanzieller Hinsicht ist Neuyork an die Stelle von London getreten und England aus einem Gläubiger­staat zu einem Schuldnerstaat geworden. Der amerikanische Reichtum wird aus 500 Milliarden Dollar, das heißt auf viermal so doch wie der englische, einveicbökl. Ame^iki. b-iy

den Krieg entschieden hat, ist in wirtschaftlich - finanzieller Hinsicht der große Kriegsgewinnler geworden. Beinahe alle Staaten des Verbandes, in erste»- Linie England, Frankreich und Italien, sind ihm in der Form der Abtragung der während des Kriegs gemachten Schulden auf viele Jahr­zehnte hinaus tributpflichtig geworden. Deutschland ge­rät immer mebr in amerikanische Schuld, da es ohne amerikanische Anleihen die ungeheuren Entschädi­gungsleistungen nichr aufbrinqen kann. Die Entschädigungen wandern in der Form von Kriegsschulden nach Ame­rika und kehren von dort in der Form von amerikani- kanischen Anleihen wieder nach Deutschland zurück. Mit Iilse d-><- Mechgni>-mu« Krieass-Ki,s>«-n "»»^8 somit

Dr. Bazille über die Berhüitniffe in Deutschland

Calmbach, OA- Neuenbürg, 30. Okk. 3m vollbesetzten Saal des Gasthauses zum Bahnhof sprach am Sonntag Kultminister Dr. Bazille über die innere und äußere Lage Deutschlands. Er erwähnte dabei das Wahlergebnis, das den Bürgerlichen starke Verluste und den Sozialdemo­kraten Gewinn brachte. Die Verärgerung der Wähler und die vielen Nichkwähler seien schuld daran. Weiter sprach Dr. Bazille über die Regierungsbildung, Schulgeieh, Ueber- spannung des demokratischen und liberalen Prinzips. Der Reichstag zu sei allmächtig geworden, der Reichspräsident Habs zu wenig Befugnisse. Schuld an vielem sei das Auf­wertungsgesetz, das in einem monarchistischen Staat nicht möglich gewesen wäre. Das größte Werk Bismarchs sei der bürgerliche soziale Staat gewesen, diesen soll setzt, wenn es nach der Sozialdemokratie geht, der marxistische Staat ersetzen. Dr. Bazille erwähnte weiter die Todfeindschaft zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten, die aber, beide in ihren Zielen einig, -zur- über den Weg zu diesen Zielen uneinig seien. Auch die Ueberspannang des Wohl- fahrksgedankens mache ihm Sorge.

Weiter kam Dr. Bazille auf das Verhältnis zwischen Reich und Länder zu sprechen. Er gab dabei das Ver­sprechen, sich dafür einzusehen, daß die Eigenart und die eigene Verwaltung der Länder gewahrt bleiben, da eine Ersparnis bei einer Bereinigung nicht yerauskomme, eher das Gegenteil. Der Einheitsstaat würde nicht billiger, son­dern teurer werden, als der Bundesstaat. Die Rejchsver- walluna ist nickt entfernt so sparsam, wie die Verwaltung

der süddeutschen Länder seit jeher war. Ein großes Inter­esse am Einheitsstaat habe daneben das Großkapital Be- merkenSwerk sei die Bitte der württ. Sparkassen an di» Landesregierung, gegen die immer weitergehende Konzen­tration der öffentlichen Gelder in Berlin vorzugehen, die zu einer Entblutung der württembergischen Wirtschaft führe. Wie solle das erst werden, wenn die württ. Regierung nicht mehr aus eigenem Recht bestände, sondern von Berlin ein­gesetzt und abhängig wäre. Das Reich behandelt heute schon die Länder mehr als schlecht; wir haben in steigendem Maße eine unnötige und schädliche Zentralisation der Ver­waltung in Berlin. Das jetzt schon vorhandene Defizit in den Aeichskassen kann zu einer weiteren Aushöhlung der Landesfinanzen führen. Da wir die Aealsleuer nicht er­höhen können, weil die Wirtschaft eine weitere Belastung nicht ertragen kann, mutz das zu einer Einschränkung der staatlichen Aufgaben führen, sin diesen Verhältnissen liegt 'auch öer Grund daftft, daß wir in Württemberg in der Kulturpolitik eine gewisse Zurückhaltung geübt haben. Nicht Abneigung gegen eme Umgestaltung der Lehrerbildung, erst recht nicht gegen das achte Schuljahr, sondern allein finan­zielle Sorgen haben uns bisher in unserer Stellungnahme bewogen. Es ist keine Kunst, eine großzügige Sozialpolitik und Kulturpolitik zu treiben, wenn man nie die Frage stellt, ob das Volk diese Dinge auch bezahlen kann. Der Redne- gab schließlich einen Aeberblick über die äußere Lage uno schloß mit den Worten, daß nur ein inniger Zusammen­schluß aller Stände uns retten könne.

Zn rascher Fahrt der Heimat zu

Graf Zeppelin" führt mit 150 Km. Geschwindigkeit Drahtlose Verbindung mit Deutschland An Bord alles wohl Landung am Mittwoch nach wie vor möglich

Das LuftschiffGraf Zeppelin" ist auf seiner Fahrt nach Europa von mehreren Funkstellen und von Schiffen auf See drahtlos angesprochen worden, und es konnte die Auskunft neben, daß die Fahrt glatt vonstatten gehe und daß an Bord' alles wohl sei. Man nimmt an, daß die Wetterlage, so wider­sprechend auch die Berichte wieder lauten, bis jetzt günstig war, jedoch dürfte das Luftschiff inzwischen in ein Tiefdruck­gebiet mit Stürmen und Regen, teilweise mit Gewitter-, ericheinungen, eingetreten sein, das sich zwischen dem 46. und 57. Grad nördlicher Breite und dem 10. und 33. Grad west­licher Länge befinden sott. Südlich vom 46. Breitegrad bis zu den Azoren liegt ein Hochdruckgebiet und vom 44. Grad an herrscht ruhiges, heiteres Wetter. Somit wäre es möglich, daß das Luftschiff, um dem Tief auszuweichen, nach Südosten ausbiegt, was eine erhebliche Verlängerung der Fahrt be­dingen würde, sr daß mit einer Fahrtdauer von 60 bis 70 Stunden zu rechnen wäre.

sin Friedrich sh äsen wird ein-festlicher Empfang desGraf Zeppelin" vorbereitet. Die Stadtkapelle wird bei der Ankunft die deutsche und die amerikanische Natio­nalhymne spielen, die Glocken der Heiden Stadtpfarrkirchcn werden geläutet. An dem llmzug abends werden sich die Feuerwehr, sämtliche Vereine und die älteren Schulklassen mit Fackeln und Lampions beteiligen.

Keine Maßnahmen gegen den blinden Passagier im LustschiffGraf Zeppelin"

Stuttgart, 31. Okt. Gegenüber der Meldung des Wolfs- Büros, die Polizei erwäge, ob sie Maßnahmen gegen den blinden Passagier in dem Luftschiff Graf Zeppelin ergreifen solle, er­fährt die Telegraphen-Union an zuständiger Stelle in Stuttgart, daß der junge Mann in der loyalsten Weise und ohne Anwen­dung von irgendwelchen polizeilichen Maßnahmen behandelt werde und daß die württembergischen Zentralbehörden an die Bezirksbehörden in Friedrichshafen entsprechende Weisungen erteilt haben.

Günstiges Flugwetter fürGraf Zeppelin

London, 3l. Okt Die in den späten Abendstunden des Dienstag von der irischen Küste vorliegenden Wetterberichte

verzeichnen außerordentlich günstiges Wetter für den Flug des Graf Zeppelin*. Die Sicht ist ausgezeichnet, starker Westwind verbessert die Flugbedingungen.

Noch Leine Berstündigung zwischenGraf Zeppelin und Friedrichshofen

Friedrichshofen, 3l. Okt. Am Mittwoch um l.40 Uhr morgens wurde derGraf Zeppelin* von der Funkstation des Luftschiffes in Friedrichshafen bereits gehört, doch konnte noch keine Verständigung erzielt werden, da starke atmosphärische Störungen herrschen.

Gras Zeppelin" in Verbindung mit Norddeich

Friedrichshafen, 31. Okt. Da sich die Wetterlage west­lich der irischen Küste zum Besseren gewendet hat und für die Fahrt des Luftschiffes nach Osten günstige Westwinde wehen, hat derGraf Zeppelin" in den Abendstunden des Dienstag nach Nordosten gedreht und fährt zur Zeit bei einer Windstärke von 20 Sekundenmetern mit etwa 150 Kilometer Geschwindigkeit ostwärts. Die letzte Standorts­meldung von Bord des Luftschiffes, nach der sichGraf Zeppelin" 50 Grad 20 Minuten nördlicher Breite und 31 Grad 20 Minuten westlicher Länge befand, wird durch einen Funkspruch der Funkstation Norddeich bestätigt, die außerdem in der ersten Morgenstunde des Mittwoch dem Graf Zeppelin" auf seinen Anruf hin europäische Wetter­meldungen übermittelte. Falls die atmosphärischen Ver­hältnisse einigermaßen gut sind, wird die F.-T.-Station des Luftschiffbaus in der Lage sein, in den frühen Morgen­stunden des Mittwoch das Schiff zu hören. Alsdann wird man, falls Meldungen von Bord des Luftschiffes gegeben werden, in der Lage sein, den letzten Fahrtabschnitt des Luftschiffes genau zu verfolgen und den jeweiligen Stand­ort feststellen zu können. Eine Landung desGraf Zeppe­lin" am Mittwoch abend in Friedrichshafen hält man an zuständiger Stelle des Luftschiffbaus nach wie vor für möglich.

31. Oktober, vorm. 8.30 Uhr.

Die «eueste Meldung stammt von einem hollLndische» Dampfer, der das Luftschiff 1.10 Uhr gesichtet hat uud berichtet, daß es i« südöstlicher Richtung flog. Der Stand­ort war zu dieser Zeit 48° 47' «ördl. Brette und 22° 30' »estl. Länge.