Die Konferenz der kleinen Entente.

TU. Paris, 12. Mai. Petit Parisien meldet aus Bukarest, da» die Konferenz der kleinen Entente gestern abend auseinander ging Private Besprechungen zwischen Benesch, Dura und Nintschitsch werden heute fortgesetzt. Die Konferenz hat beschlos­sen. der Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung in Bulga­rien nichts in den Weg zu legen, dagegen einer ungerechtfer­tigten Vermehrung des bestehenden Heeres nicht zuzustimmen. Weiter habe die Konferenz erklärt, daß die vertrauensvollen Beziehuiwen zu Ungarn infolge der Erklärungen des Grasen Bethlen über die Notwendigkeit der Revidierung der bestehen­den Verträge, die Bemerkungen über die Abrüstung sowie die finanzielle Sanierung wieder in Frage gestellt worden seien. Die Konferenz werde vielleicht gezwungen sein, Mahnahmen zu ergreifen, um die Verflöge Ungarns gegen die bestehenden Ver­trage zu vermeiden. Oesterreich gegenüber solle die Sanierungs­politik des Völkerbundes fortgesetzt werden. Dr. Benesch er- Uärte dem Vertreter des Petit Parisien, daß die Solidarität der 3 Staaten der kleinen Entente inniger denn je sei. Was Oester­reich anlange, so seien alle Möglichkeiten in Erwägung gezogen, und Dr. Benesch glaubt versichern zu können, daß im Einver­ständnis mit oen alliierten Großmächten alles unternommen werde, um den Anschluß an Deutschland sowie auch etwaige Verstöße gegen die bestehende» Verträge zu verhüten.

Im Zusammenhang mit der Konferenz der kleinen Entente verlautet in politischen Kreisen, daß di« Konferenz beschlossen habe, einen Schritt bei den Regierungen der Großmächte zu unternehmen und zu verlangen, daß nach Ablauf der von der Botschasterkonferenz bewilligten Frist für die Regelung des Armeebestaudes sofort wieder die Bestimmungen des Friedens­vertrages von Neuilles strengstens befolgt werden sollen. Fer­ner haben die Außenminister beschlossen, einen Presseverband der kleinen Entente ins Leben zu rufen, der zu der Festigung der gemeinsamen Beziehungen und der Verbreitung des Ge­dankens der Entente i» der öffentliche» Meinung der drei Län­der beitragen solle. Der Passus des Kommuniques, der sich auf Ungarn bezieht (Frage der Bewaffnung und der Irredenta) vird als Warnung der Dudapester Regierung betrachtet. Was die Beschlüsse über Oesterreich angeht, bemerkt man, dah nur von einer Fortsetzung der finanziellen Sanierung die Rede sei, nicht aber von einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit gesprochen werde. _

Die Gemeindewahlen in Frankreich.

Das amtliche Ergebnis der französische» Een.emdewahle».

TU. Paris, 12. Mai. Das Ministerium des Innern ver- öffenilicht eine zusammenfassende Statistik über den Ausfall der Gemeindewahlen. Danach haben erhalten: 1.) In Paris: Links 2« (23 vor den Wahlen), Rechts 47 (SO). Kommunisten 8 (7). 2.) In den Gemeinden des Seinedepartements: Links 49 (40). Rechts 21 (33), Kommunisten 9 (6). Bezirkskrei e: Links 242 (184). Rechts 136 (214), K ommunisten 1 (1).

Der Krieg in Marokko.

Marokko eine innere Angelegenheit Frankreichs.

London, 12. Mat. Im Unterhaus erklärte Chamberlain auf eine Anfrage, daß die Regierung keine Informationen über die Lage in Marokko besäße, die über die in der Presse veröffentlichten hinauSgingen. Er beobachte die Lage vom Standpunkt der englischen Interessen in diesem Teil Afrikas. Auf eine weitere Frage, ob England die Gelegenheit zu einer freundschaftlichen Intervention wahrnehmen würde, antwortete Chamberlain, daß er nicht beabsichtige, sich in innere Ange­legenheiten Frankreichs zu mischen. Die französischen Versuche zur Wiederherstellung des Frieden«- und des Schuhes der un­ter französischer Obhut stehenden . -oölkerung seien ihm sehr sympathisch.

Bor einer großen französischen Operation.

Paris, 11. Mai. Heute wurde ein weU- > Infanterie- Bataillon aus Frejus nach Oran cingeschifft. . den letzten Wochen haben sich drei französische Generäle nach Marokko be­geben. Auch Marschall Franchet d'Espereh ist heute nach Oran abgereist. Die Blätter sind ausfallend schweigsam.Jour­nal de Debats" erklärt seine Schweigsamkeit damit, daß der Gegner nichts über die Umgruppierung der französischen Trup­pen erfahren dürfe. Aus Thunis wird gemeldet, daß das erste Geschwader der vierten Flugzeugdivision Donnerstag früh nach Marokko aufbrechen wird.

Die drei schönen Bernhmrsens.

Roma»» von Ar. Lehn e.

S4. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)

Ja, unser Vater hat gut für seine Töchter ge- sorgt!" sagte Thora voll kalten Hohnes. »Gut, daß die Jüngste selbst ihr Geschick in die Hand genommen hatl Aber wir beide du besonders, du Gute was ist mit uns? Und wenn Karlernst v. Bibra Viviane Storck trotz ihres unüberlegten Schrittes nicht geheiratet hätte, hättest du dennoch nie seine Frau werden können. Die Schuld unseres Vaters stand trennend zwischen euch! Hosemann hatte Papa längst dabei ertappt, daß er falsch spielte, hat aber nichts dazu gesagt. Aber Papa hat einen Schein unterschreiben müssen, auf dem ec sein Vergehen etngestandl Ich habe ihn gelesen, denn Hose­mann hat mich immer damit gedemütigt, wenn es ihm geeignet erschien."

»Thora, es ist furchtbar für mich"

»Noch lange nicht so furchtbar wie das, waS ich ertragen muß!" unterbrach Thora die Schwester. »Du kannst ja nicht ermessen, was es heißt, eine verhaßte Gemeinschaft mit einem ungeliebten Mensche,« ertragen zu müssen!"

»Thora, ich hatte dich gewarnt!"

»Wäre ich nur damals deinen Worten gefolgt! Aber mich lockte es hinaus ins Leben, aus dem verlogenen, tibertünchten Glanz unseres Daseins heraus! Ich patzte nicht in ärmliche, kleinliche Verhältnisse, aber daß der Schatten, in dem ich jetzt leben mutz, noch größer und tiefer ist das Hab' ich nicht geahnt. Mich friert's bis ins innerste Mark. Du ahnst ja meine Leiden nicht. Die Dienstboten müssen mich als heimliche Spio­ne beaufsichtigen und gemitzhandelt hat er mich auch schon"

»Thora, dann kannst du nicht mehr hier bleiben!" rief Gisela empört. »Nicht einen einzigen Tag mehr! komm mit mir komm mit heim zur Mutter!"

Heim* Wir haben doch kein Seim mehr! Er will

Ans Stadt und Land.

Tal», den 14. Mai 1S2S.

Deutsch-schwäbische Kulturarbeit '» Güdruhland.

In einer Veranstaltung des Vereins für das Deutschtum im Ausland hielt am vergangenen Montag im Weitz schen Saal der Deutschrusse Dr. Scheusfele einen lehrreichen Lichtbilder­vortrag über die deutsch-schwäbische Kulturarbeit in SLdrutzland. Nach einleitenden Worten, in denen Oberamtsarzt Dr. Betz die zahlreich erschienenen Gisste begrüßte und mit Wärme für den Verein für das Deutschtum im Ausland warb, dessen fördernde Bestrebungen er hervorhob, erteilte er dem Redner des Abends. Dr. Scheriffele, das Wort. Bei der Eründungsgeschichte der deutschen Kolonie» an der Wolga beginnend sie wurde» auf Betreiben der deutschen Zarin Katharina II in der Hauptsache von Schwabe» begründet gab der Redner ein übersichtliches Bild von der ursprünglichen Beschaffenheit des Landes, dem schweren Existe:,' vmpf der Auswanderer in der Wildnis und ihrem endlichen mühevollen Sieg über den nährenden Boden. Erst der zweiten Generation der Auswanderer war der Erfolg beschieden, den E,:flüssen des Klimas gewachsen, trotzte sie den schädigenden Elementen, vermochte aufzubauen und die Kolo­nien zu einer beachtenswerten Blüte zu bringen. Den Mutter- tolonien entwuchsen Tochiergründungen, Wahrzeichen deutschen Fleißes und deutscher Kultur: so steigerte sich im Lauf der Jahre die Entwicklung derart, daß vor dem Weltkriege der Flächen­inhalt der deutschen Kolonien in Südrußland dem von Bayern, Württemberg, Ba rn und der Rheinpfalz entsprach. Eine Wan­derung durch die Kolonien, die der Vortragende, von gutem Lichtbildmaterial unterstützt, vor Augen führte, ließ Blüte und Wohlstand diespr Bauernsiedlungen erkennen. An breiten Straßen in gerader Front angelegt, gewähren di« geräumigen Wohn- und Oekonomiegebäude (Reihenstedlungen) einen statt­lichen großzügigen Anblick, der durch den reichen Bestand an Zierbäumen und die üppige Blumenoegetation der Gärten einen freundlichen Charakter erhält. Umfangreich)« Rindvieh- und Pferdebestönde, ertragreicher Getreide- Wein- und Maisanbau, Bienenzucht, sogar eine Kleinindustrie landwirtschaftlicher Ma­schinen und Geräte sprechen von großem Wohlstand. Der Cha­rakter der Kolonisten ist ein durchaus deutscher im besten Sinne des Wortes geblieben. Deutsch ist der Stil ihrer Gehöfte und ihrer stolzen Kirchen, deutsch Sprache und Sitten, insbesondere ihre Freude an der Gastfreundschaft, deutsch die Schule und die Erziehung. Ueberall, wo uns der Redner im Bilde hin- nihrte, war es in der Gegend von Oedessa oder das Gebiet über der Halbinsel Krim, bot sich der Anblick eines reichen Bauern­standes. der von Fleiß und guter,i Gelingen Zeugnis gab. Bis zum Jahre. 1870 bildeten die deutschen Siedlungen ein republi­kanisches Staatswesen mit eigener Selbstverwaltung. Der Neid der Russen auf den blühenden Wohlstand der deutschen Kolo­nisten machte diesem Staatswesen ein Ende,' die Deutschen wur­den entrechtet und in Kirche und Schule versuchte Rußland sei­nen Einfluß geltend zu machen. Seit dieser Zeit kämpfen die deutschen Kolonisten um ihre deutsche Kultur, der sie bis heute die Treue gehalten haben. Auch der Weltkrieg und die Schrek- kenstage des Bolschewismus haben dieser Treue keinen Abbruch tun können. Ein Lichtblick war die Besetzung der Kolonien im Jahre 1918 durch deutsche Truppen, wodurch zum erstenmal seit Bestehen der Kolonien wieder eine engere Verbindung mit dem Mutterland stattfand. Um so schwärzer, wurde die folgende Zeitspanne, in der die Note Armee in Südrußland einbrach und die Weißgardisten besiegte. Kämpfe. Hunger und Seuchen kamen über die Kolonien, die einstige Weizenkammer Europas stand verwüstet. Heute leben von 2 Millionen deutscher Kolo­nisten nur noch 900 000, durch sinnlosen Weizenexport der rus­sischen Machthaber und durch eine Mißernte im vergangenen Sommer leiöen sie bittere Not. Aber die Deutschen in Südruß- laud werden wiederaufbauen, diese Zuversicht klang aus den Worten des Vortragende», als er den Wunsch nach kultur- und rvirtichaftspolitischei! Verbindungen zwischen Deutschland und den südrv.ssischen Kolonien zum Ausdruck brachte. Mögen dis Deutschen nicht vergessen, daß im Ausland Brüder. Vorposten deutscher Kultur, auf die Knüpfung kultureller und wirtschaft­licher Bande warten! Oberamtsarzl Dr. Betz dankte dem Red­ner für seinen mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag und beschloß den Abend mit der Ansforderung an die An­wesenden, den Verein für das Deutschtum im Ausland durch Beitritt zu stärken.

Erörterungsabeud des Bezirks-, Handels- und Gewerbeoereins

i» Calw.

geladen. Leider war der Besuch sehr schwach und zeugt« von der Interesselosigkeit der Mitglieder. Nachdem der Vorstand, Herr Flaschnermeister Essig, die Versammlung eröffnet hatte, wurde zuerst die Meisterprüfung in Verbindung der Lehrlingshaltung besprochen. Der Vorstand gab im Auftrag der Handwerkskam­mer Kenntnis von der Verleihung einer Ehrenurkunde an Herrn Gewerbeschulrat Aldinger, anläßlich seines Rücktritts als Vorsitzender des Gesellenprüfungsausschusses: die Ueberreichnng der Urkunde konnte leider, da Herr Gewerbeschulrat Aldinger am Erscheinen verhindert war, in der Versammlung nicht er­folgen. Besprochen wurde auch wieder die Autoliiiie Eechrngen- Calw und eine solche auf die Waldorte. Nachdem sich niemand mehr zum Wort meldete, schloß der Vorstand die Versammlung.

E. L.

Wetter für Freitag und Samstag.

Der Hock,druck im Norden scheint nordöstlich abzuziehen. Da­gegen schiebt sich gegen die beiden Hochdruckgebiete im Osten und Westen ein Luftwirbel aus dem Süden heran, der indessen keine große Bedeutung erlangen kann, so daß für Freitag und Sams­tag, wenn auch zeitweise bedecktes, so doch vorwiegend trockenes Wetter zu erwarten ist.

(STB.) Pfor.zheim, 13. Mai. Ein 15 I. a. Lehrling aus Bü­chenbronn wurde auf der Schwarzwaldstraße von einem Rad­fahrer angefahren und blieb bewußtlos liegen. Die Schuld an dem Unfall trifft den Radfahrer. Abends wurde ein 16 I. a. Schüler von einem Personenauto angefahren und ihm der linke Fuß überfahren. Untersuchung über die Schuld an dem Un­fall ist eingeleitet.

Stuttgart. 13. Mai. Zur Eröffnung der Fernflugverbindung BerlinStuttgart richtete Reichskanzler Dr. Luther an den württ. Staatspräsidenten Bazille folgendes Schreiben: Mit dem heute von Berlin abgehenden ersten Flugzeug der neueingerich- leten regelmäßigen Flugzeugverbindung BerlinStuttgart er­laube ich mir. Ew. Hochwohlgeboren die besten Grüße zu über­senden. Möge diese bedeutsame regelmäßige Berkehrsflugzeua- linie des Deutsche» Aero-Lloyd zwischen Württembergs Haupt­stadt und Berlin sich zu einem vollen Erfolg gestalten. Möge si« ein günstiges Zeichen einer gesunden Weiterentwicklung des deut­schen Flugwesens sein und Handel und Wandel in deutschen Län­dern stärken.

(SCB.) Hellbraun, 13. Mai. Seit Jahrzehnten bildete das Heilbronner Salzwerk einen Ueberschußbetrieb. Im abgelaufenen Geschäftsjahr ist es anders geworden. Es ist ein Verlust von 200 000 Mk. vorhanden und eine Dividende kann nicht verteilt werden. Die Stadt ist nicht mehr in der Weise an dem Werk beteiligt wie früher. Die Kurse der Salzwerkaktien sind auf die Nachricht dieses Abschlusses am Montag gesunken. Auch der Schwesterbetrieb Glashütte Heilbronn soll sich verlustbringend gestaltet. Hieran ist die Stadt beteiligt.

(SLB) Reutlingen. 13. Mai. Der verh. Karl Auch ans Betzingen fuhr mit seinem Fuhrwerk vom Feld nach Hause. In der Wannweilcr Straße kam ein Personenauto hinter ,hm ge­fahren, dem er wegen der dort vorgenommenen Erabarbeiten nicht genügend ausweichen konnte. Auch wurde vom Auto g^ streift und so schwer verletzt, daß er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußte. Er ist mehrere Wochen arbeitsunfähig.

(STB.) Bon der Ulmer Alb, 13. Mai. Auch bei uns. w» alles etwas später ist als anderswo (bloß der Winter ist bei uns früher), ist endlich der langersehnte Frühling eingezogen. Der Landmann ist im großen und ganzen zufrieden. Die Saaten! stehen gar nicht schlecht, die Kleeäcker und Wiesen sogar sehr gut. Beim Ackern bzw. beim Einlegen der Kartoffeln hat man stellenweise eine Unmenge von EnkNttnMw' Vcpr-jeftindeift dks de» Ertrag von manchem Acker wohl gewaltig schmälern werden, In Tomerdingen bieten die Obstbäume, die durch das kalt« Aprilwetter ohnedies etwas zurückgeblieben sind, nicht gerade den trostreichsten Anblick, da fast durchweg die Blütenknospen fehlen. Es wird Heuer bei uns so viel wie gar kein Obst (Aep- fel und Birnen) geben. Der wiederholte Hagelschlag des Vor­jahres hat den Bäumen nicht wenig geschadet.

(SLB.) Schwenningen, 13. Mai. In der Alleenstraße stießen der Lastwagen des Kohlenhändlers Matth. Schlenker und das Personenauto des Direktors Hacker von der Isaria-Apparate- fabrik aufeinander. Letzteres wurde zertrümmert, während das er, stere nicht beschädigt 'wurde. Der Führer des Personenwagens« kam mit einer Schnittwunde im Gesicht davon.

Auf Montag, den 11 Mai. wurde zu dem jeden Monat statt- findendcn Erörterungsabend in den Gasthof zumBären" ein-

doch unser Bernhausrn, in dein wir geboren sind und unsere Kindheit verlebt haben, verkaufen bei näch­ster Gelegenheit, um mich zu strafen! Und wenn ich ihn verlasse am gleiche Tage noch wird es die Stadt erfahren, was für ein Ehremann unser Vater war. Und wovon sollte ich leben? Ich muß schwei­gen und dulden, wenn ich meiner Familie die Schande ersparen will!"

Und dann mußte sie daran denken, wie einer auf sie wartete, wie einer in ihr sein höchstes Glück sah. Aber nein, den Gedanken wies sie weit zurück. Nein, so tief konnte sie sich nicht demütigen!

»Siehst du, Gisela, das ist nun mein Traum vom Lebensglück! Höre aber weiter. Ich, die es so ver­langte, in Fülle zu leben ich bin ärmer als du. Mein Bankkonto hat er längst gesperrt. Schmutzig gei­zig ist er gegen mich. Er scheint zu fürchten, ich könnte ihm entfliehen. Und die Bahn gibt keinen Kredit! So ist er meiner sicher. Der Blumenhändler, der Kondi­tor, der Handschuhmacher und so weiter alle schik- ken monatlich ihre Rechnungen, die er selbst begleicht. Als Frau Kommerzienrat Hosemann habe ich sa unbe­schränkten Kredit. Aber keinen Pfennig Geld. Die Rechnungen geht er sorgfältig durch. Erinnerst du dich, daß ich Annettes zum Geburtstag Wäsche geschenkt hatte Leibwäsche und Tischwäsche? Förmlich getobt hat er da, als die Rechnung dafür kam. Er sei nicht dazu da, für meine Angehörigen zu sorgen und sie auszustaffieren! Wie mich das gedemütigt hat am liebsten hätte ich alles zurückgefordert! Mama und dir ein Heim hier anzubieten, wäre ausge>chlossen unter solchen Umständen. Er Hätte ein glattes Nein. Kalt und raffiniert in seiner Rache wie ei» Chinese ist er und ich muß stillhalten! So, Gisela, nun weißt du Bescheid. So klein, so erbärmlich komme ich mir neben dir vor ich» die ich mit so kecker Siegeszuver­sicht vermeinte, mir mein Leben nach eigenem Geschmack zimmern zu können. Lange habe ich geschwankt und in falschem Stolz geschwiegen, aber eS hätte doch vielleicht

sich einmal ein Fall ereignen können und du hättest' dann vor einem Rätsel gestanden. Einer muß wenig-, stens sein, der die Wahrheit weiß und mich rechtferti­gen kann. Stumme und Abwesende sind immer im Unrecht. Für mich gibt es nur noch einen Weg"

67 Die drei schönen Bernhausens--

Mit verlorenem Blick starrte Thora vor sich hin. die Hand auf die Tischkante gestützt. Ein unbeschreib­liches Lächeln zuckte um ihren Mund.

Gisela begriff. Mit einem Schreckensschret riß sie der Schwester Hand an sich.Nein, Thora, nein das darfst du nicht!" rief sie außer sich. »Schon der Ge­danke daran ist Sünde!"

Mit einer müden Bewegung schüttelte Thora den Kopf. »Hab keine Angst darum, Liebe! Ich bin doch, wohl zu feige dazu. Sie streckte beide Arme von sich?! »Sieh meine Handgelenke, Gisela! Sind sie nicht rot- und wund? Nicht? Siehst du wirklich nichts? AH» und ich dachte, man müsse es sehen, wie meine Ketten mich drücken und scheuern!" ^ ^

Gisela vergaß ihr eigenes Leid. Jetzt , ch*

vieles klar in dem widerspruchsvollen Wesen derSchwA ster. Nur eines nicht. »Und was ist zwischen dir undf

Harald Florstedt?" ^ ° ^ .

Nichts, Gisela, außer was in deiner Einbildung besteht. Er geht mich nichts an!"

»Aber das Bild! So kann nur einer dich dar-, stellen, der dich kennt und der dich liebt!" >

Thora zuckte zusammen. »Ach, waS du denkst! Eine, unerhörte Kühnheit ist es von dem Manne!" entgeg-j nete sie kalt.

Siebzehntes Kapitel.

Als die beiden Schwestern der Promenade zugin- "gen, begegnete ihnen Viviane v. Bibra aus ihrem, Selbstfahrer, den sie keck und elegant lenkie. Sofort, hielt sie und grüßte die Damen. Neugierig mustert« die junge Frau die beiden schwarzgekleideten Gestalten) .die in der stolzen, sicheren Haltung und dem schlanken) ^tadellosen Wuchs lo unendlich vornehm wirkten. (8. ft!