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Nr, 215

Gegründet 1827

Donnerstag, den 13. September 1928

Fernsprecher Nr. 2»

192. Jahrgang

Eine Antwort der Reichskanzlers

Genf, 12. Sept. Reichskanzler Müller empfing gestern abend im Hotel Metropole, wo die deutsche Ab­ordnung wohnt, Vertreter der internationalen Presse. Er erklärte u. a., er vertrete in Genf nicht den sozialdemokra­tischen Parteistandpunkt. Deutschland hake stets einen zroßen Glauben an die Zukunft des Völkerbunds gehabt »der die Völker könnten vor dem Bund nicht einfaa- stramm stehen, sie wollen von seinen Leistungen überzeugt sein. Das Ve-trauen zum Völkerbund könne nicht befohlen »erden, es müsse erworben werden. In der Abrüstungs- srage habe einmal ein deutliches Work gesagt werden müs­sen. Die allgemeine Abrüstung sei den Völkern versprochen vorden, das Versprechen harre aber noch der Einlösung. Das Entscheidende sei, daß nach allgemeiner Auffassung Deutschland abgerüstek sei. Heber einige Uneinigkeiten finde roch ein Notenwechsel statt. Die deutsche Abrüstung und die Entlassung von 36 WO Offizieren von 40 000, sowie die Am- kellung der Kriegsmaschinen auf Friedenswirtschaft sei eine Leistung ersten Rangs gewesen. Wenn Deutschland heute kin Berufsheer habe, so sei es ihm Za durch den Friedens- »erkrag aufgezwungen worden. Wenn wieder ein Krieg aus- srechen sollte, so werde die Kriegsbereitschaft durch schwer- Artillerie, Bombenflugzeuge, Tanks usw. vorbereitet, lauter vinge, die Deutschland nicht besitzen dürfe. Einer kräftigen

Die Räumungs-Konferenz

Genf, 12 Sept. Im Hotel Beau Rivage kamen gestern nachmittag 5 Uhr Lord Cushendun, Briand, Scialoja (Ita­lien), Hymans (Belgien) und Adatci (Japan) die iw Pariser Botschasterrat vertretenen Mächte mit Reichs­kanzler Müller uni» Staatssekretär v. Schubert zusammen. Wie T.-U. erfährt, soll beschlossen worden sein, nur di« Fragen zu untersuchen, ob Deutschland berechtigt sei, die Räumung zu verlangen, inwieweit sie bedingungslos ge­schehen könne und welcher Art die Bedingungen seien

falls solche von Frankreich gestellt würden. Ferner soll die Frage einer dauernden Ueberwachung des Rheinlandes erörtert werden. Falls eine Einigung erzielt werde, sollen die einzelnen Fragen militärischen und technischen Sachverständigen zur Bearbeitung überwiesen werden. Die Besprechung dauerte bis 7.45 Uhr.

Der deutsche Standpunkt, der durch einen Kabi­nettsbeschluß vor der Abreise der deutschen Abordnung nach Genf festgelegt worden ist, ist folgender: Deutschland hat einen aus der Locarnopolitik sich ergebenden Anspruch auf Räumung des besetzten Gebietes vor Ablauf der äußersten Frist. Um ein besonderes Entgegenkommen und Verständnis für die Verhältnisse der Gegenseite (Frank­reichs Schulden an Amerika usw.) zu zeigen, ist man aus deutscher Seite bereit, dann in Verhandlungen über eine Aenderung in den Daweszahlungen (Verkauf der Dawes-Obligationen) einzutreten, wenn gleichzeitig und nebenher ernsthafte Erörterungen über eine vorzeitige Räu­mung geführt werden.

Der französisch-belgische Standpunkt ist folgen­der: Die vorzeitige Räumung sei nicht im Artikel 431 des Versailler Vertrages rorgesehen, sie könne auch nicht als eine bloße Schlußfolgerung der Politik von Locarno zuge- standen werden. Gegen eine Erörterung der Enischä. drgungslei stuck gen habe man nichts einzuwenden, vielleicht ließe sich eine Vereinbarung erreichen, die ein ge­wisses Entgegenkommen in der Räumungs- frage möglich mache. Dazu müßte Deutschland Vor­schläge machen, das die beiden Fragen angeschnitten habe. Man könne zu keiner ernsthaften Aussprache kom- men, bevor die Besetzungsmächte nicht genau misten, was man in Berlin vorbabe.

Handelsmarine könne uieuftchland Mehr enftagen, wert ez ^chne Berbinoungen zum Ausland keine Entschädigunge» zahlen könne, ^ "

Me deutsche Antwort

Berlin, 12. Sept. Hier wird es als eine Selbstverstän^ ichkeit bezeichnet, daß auf die Rede Briands von deui- ftcher Seite eine Antwort gegeben wird. Allerdings nicht vom Reichskanzler Müller, der von seinem erste» diplomatischen Auftreten genug hat und voraussichtlich i> den nächsten Tagen nach Berlin zurückkehren wird, sonder» wahrscheinlich von dem Zentrumsabgeordneten PrA» Kaas - Trier. Nicht ohne Absicht ist die große Aussprackß m der Völkerbundsversammlung mit dem Tätigkeitsberim gestern abgeschlossen worden, die deutsche Erklärung, d« dadurch an Wirksamkeit bedeutend verliert, wird also erß nach Beendigung der jetzt geführten Ausschußberatungai m 8 oder 10 Tagen möglich sein, wenn die Vollversamm­lung wieder Zusammentritt.

Die Rede des Reichskanzlers, die den Franzosen so sehr nißfallen, enthielt nicht einen einzigen Gedanken, der nicht von den Vertretern Norwegens, Schwedens, Hollands inüd der Schweiz mindestens in der gleichen Schärfe vorgebracht worden wäre. Diese Vertreter fassen daher die Zurecht­weisung durch Briand auch als an sie gerichtet auf.

Daraus geht klär hervor, daß die Franzosen nich räumen wollen, aber sie wollen deutsche Vorschläge nui dann in Aussicht stellen, daß sie vielleicht wenn ihner die Vorschläge Zusagen einen Teil des Rheinland­etwas früher räumen würden, als es der Friedensvertra; anordnet. Es kommt ihnen im Grund darauf an, Zah lungen über die Verpflichtungen des Da wesplans hin aus zu erhalten. Die Forderung auf Einrichtung einer ständigen Ueberwachunx des Rheinlands ist von den Franzosen vorläufig aus tak­tischen Gründen zurückgestellt und nur von Hymans der» Reichskanzler oorgetragen worden.

Die deutsche Enttäuschung rührt daher, daß man sich ir Deutschland unterV r st ä n d i g u n g s p o l i t i k" etwa- , ganz anderes vorstellte als in Frankreich und daß man vor § dem Briand von Locarno und Thoiry als einen ganz anderr ^ nahm, als er in Wirklichkeit ist. Briand ist wohl nack ! wie vor der Bannerträger der Locarnopolitik, aber de, Locarnopolitik wie man sie stets vom französi­schen Standpunkt aus zu betrachten ge­wohnt war. Der Briand in seiner neuesten Genfer Red« ist genau der gleiche wie der Briand von Thoiry. Das Hw man in Berlin und in einem großen Teil des deutscher Volks nicht verstanden und daher der Sturz aus dem schöner Reich der Träume. Mit der Jllusionspolitik muß es nur aber in Deutschland ein Ende nehmen, sollen der Genfei Erfahrung nicht noch weitere, vielleicht noch schlimmer« folgen.

Das Vertrauen in den Völkerbund gesunken

Zürich, 12. Sept. Verschiedene Schweizer Blätter wei­sen darauf hin, daß durch die Rede Briands und das Ver­halten anderer Vertreter das Vertrauen in den Völkerbund gesunken sei. Allerdings sei auch die Berliner Regierunc ungeschickt zu Werk gegangen; ihre Stellung sei gründtick verschlechte-t. Es sei wichtig, daß man jetzt wisse, das Frankreich unter keinen Umständen ab rüsten wolle. Für den Sozialisten Müller, schreibt di, N. Züricher Zeitung", sei die Rede Briands ein schwe rer Schlag gewesen; sie habe die Meinung der Lerü schen Linksreglerung, sie könne von Frankreich mehr er halten als ein Rechtskabinett, gründlich widerlegt.

WM Einvernehmen mit England ^

London, 12. Sept. In London ist man sich vollkommen Kar, daß Briand seine Rede in Genf im vollsten Ein­vernehmen mit den britisches Staatsmän­nern aufgesetzt hat, wenn er auch ihre Schärfen und Spitzen nachträglich zu modern suchte. Me bombenartige Wirkung ist von einem so klugen Politiker wie Briand sicher im vora.us berechnet und beabsichtigt gewesen, und sie wird auch allgemein als die Ankündigung der neuen englisch-französischen Politik vor dem Völkerbund betrachtet. Und die Wendung geht von England aus, wenn es sich auch wieder als den ! Uninteressierten" gibt. Ms die deutsch-französischen Be­ziehungen eine Zeitlang fast gefahrdrohend erschienen, mag es der englischen Politik vorteilhaft erschienen sein, die Gegnerschaft der beiden Mächte so weit zu mildern, daß ein gewisser Beruhigungsgrad in Europa erreicht wurde. So­bald aber anscheinend ein etwas besseres Verhältnis sich an)ahnte, glaubten die britischen Staatsmänner fürchten zu müssen, daß sie sich, statt die altüberlieferte Rolle des lachen­den Dritten gegenüber dem uneinigen Europa forftetzen zu können, schließlich einer deutsch - französischen Front gegenübersehen könnten, die noch dazu mit den Vereinigten Staaten Verbiirdungsfäden hatte. Nun wurde rasch das Steuer ihrer Politik gedreht, und es wurde alles daran gesetzt, Frankreich wieder an die Seite Englands zu ziehen und den Funken der deutsch-französischen Verständigung auszutreten.

Der Preis für die Schwenkung war das sogenannte englisch-französische Flottenabkommen, an dessen Vorteilen Frankreich Len.Löwenanteil hat. Die an­geblichen Vorschläge über die Bauart verschiedener Schiffs­arten sind nichts als eine belanglose Draperie, von der mvn in London so gut wie in Paris wußte, daß sie von Amerika und Italien nicht angenommen würde. Deshalb sind diese Vorschläge denn auch schmerzlos wieder zurück­gezogen worden. Die Hauptsache bleibt: daß England zuaelleht, daß bei den weiteren Verhandlungen über A b- rüstun g das französische Reserveheer aus dem Kreis der abzurüstenden Heeresteile ausgenommen wird, womit natürlich die Abrüstung für Frankreich jede Bedeutung verliert; die Truppenstärken, die es etwa Lurch ein allgemeines Abrüstungsabkommen verlieren könnte, kann es jederzeit reichlich durch seine ausgebildeten und in Hebung gehaltenen Reserven ersetzen.

Doch dieser Preis, der Frankreich zur unbedingt vor­herrschenden Militärmacht in Europa macht, ist reichlich hoch, zumal England dafür eigentlich nichts mehr erhält, was man bei ihm sonst nicht gewohnt ist. Man wird sich daher wohl fragen müssen, ob nicht auch im Grunde ge­nommen die englische Diplomatie der gerissenen Staats- runfk Poincares und Briands auf den Leim ge- ganaen ist. Ob nicht die verschiedenen Pariser Beteuerungen von Verständigung und mmr europäischen Frieden, die man seit einem halben Jahr gelegentlich hören konnte, Deutsch­land gegenüber keineswegs ernst gemeint und vielmehr darauf berechnet waren, in London diejenige Beunruhi- 3 u.n g zu erzeugen, die es für die Anerkennung der fran- Mschen Vormachtstellung, die ungewöhnliche Beteiligung englischer Truppen an den französischen Manövern im be­setzten Gebiet usw. gefügig machte.

Mit dem Londoner Patent in der Tasche konnte Briand es jetzt wagen, vor der Völkerbundversammlung in Genf mne Maske abzulegen und eine kränkende Drohrede zu halten, wie sie dort noch nie gehört worden ist. Frankreich hat nun nichts mehr zu fürchten, und gelingt es ihm noch dazu, von Deutschland noch einige Milliarden herauszu- Waden, um sich damit auch von seinem amerikanischen Gläubiger unabhängiger zu machen, so ist das ganze Spiel Sawonnen. Nur das macht in Paris noch Sorge, daß der MIche Staatsmann Tschitscherin, der den europäi- Diplomaten mehr als gewachsen ist, nicht nur dieses von Anfang an durchschaut, sondern auch den Mut gehabt hat, die deutsche Reichsregierung und das deutsche Aolk leider vergebens davor zu warnen. Der nie Erlegene Briand kehrte aber in seiner Genfer Rede den ^p'etz um und beschuldigte Sowjetrußland, daß es denPakt von Paris" (den Kellogg-Vertrag) unter- Mmne und allgemeine Abrüstung fordere, dabei aber sein Hxer beibehalte. Das wagte Briand, ohne eine ciene zu verziehen, in einem Atemzug zu sagen mit der weiteren Behauptung, wenn bloß auf Grund von Ber- abgerüstet würde, so könnte man bald ein schreck- k-i Erwachen erleben, kein verantwortlicher Staatsmann für die Abschaffung der Heer« eintreten und sich von .Sentimentalitäten" beeinflussen lassen statt von Wirklich- llen. Daß Rußland eben dieseSentimentalitäten" ver- , eidet und dieWirklichkeiten" im Auge behält, und daß sb M aller Vorsicht zu mahnen, angesichts der großen , anzösjscheu Heeresmacht, die jetzt größer ist als jemals ^früheren Zeiten, kurz, daß Nußland nicht auch auf den t-arger Schwindel hereinfallen will, das hat Briand so ^ mnnige Worte in den Mund gelegt. Mit kecker Stirn er- ^, le er weiter, Frankreich habe abgerüstek; wer aber H t abgerüstet habe, das sei Deutschland. Und die ^Nehrheik der Bölkerbundsvcrsammlung brüllte Bei- iür ist Briand. Das ist der Völkerbund. Schmerzlich ' oE>er immerhin ist dies« Gewißheit besser als das hknge Tappen im Finstern.

Reuefte Rachrichte«

Reichskanzler a. D. Luno ftn Rationalen Block ^

Hamburg. 12. Sept. Im Sinn der Hamburger Stahl» Helm-Botschaft hat sich lautBost. Ztg." derN a t i o n a l. Block Nordmark" gebildet, dem angehören: Der Aus­schuß der vaterländischen Verbände Groß-Hamburg, ver­treten durch Vizeadmiral a. D. I a c o b s e n, derNational Club von 1919". vertreten durch Reichskanzler a. D. Wil Helm Cuno von der Hapag, die vereinigten Stadtring, Hamburg-Altona, vertreten durch Generalmajor a. D. He < fritz, der Bürgerbund Hamburg-Altona-Wandsbeck, oer treten durch Otto, H. Traun, derTreubund Nordmark" vertreten durch Oberst a. D. Tüllmonn.

Der König von Spanien in Siel

Siel, 12. Sepk. Auf der Reise nach Stockholm traf de». König von Spanien an Bord des KreuzersPrincipe cklphonso" heute früh 2 Uhr. durch den Nordostseekanal kommend, in Kiel ein. Der Kreuzer machte im Haien fest.

In Brunsbüttel wurde der König durch eine Ehrenkom­pagnie der Reichswehr, die dem König die üblichen Ehre» Bezeugungen erwies, begrüßt. Der spanische Botschafter i« Berlin, Espi.nosa de los Monteros, begab sich an Bord, um den König bis Kiel zu begleiten. Als Vertreter der Reichs­marine nahmen an . der Fahrt teil Konteradmiral Wülfing o. Ditten und Korvettenkapitän Canaris. Im Lauf des Vormittags statteten der Stationschef und der Flottenchej dem König an Bord des Kreuzers einen Besuch ab. Der Kreuzer wird seine Vorräte an Betriebsstoff ergänzen un» am Mittwoch nachmittag die Weiterreise nach Stockholm antreten. Vormittags unternahm der König eine Rund­fahrt durch Kiel.

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Der Haushalt des Völkerbundes

Genf, 12. September. Äm Haushaltsausschuß der Bölker- bundsversammlung wurde heute nachmittag ein englischer Vorstoß in dem Sinne unternommen, daß der Haushalts­plan des Völkerbundes, der nach den Vorschlägen des Generalsekretärs eine Erhöhung von 1,5 Millionen Gold­sranken vorsiebt. auf den Stand des lekftähriaen Plans von