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Nagolder TagblattDer Gesellschafter"

Freitag, 7. September 1328.

«nt der Mehrheit der Meister für Beibehaltung der Zwangs- mnung. Es wäre auch unbegreiflich, wenn in einer Zeit, wo alle Verhältnisse aus einen straffen Zusammenschluß oer Gewerbetreibenden hindeuten, eine schon bestehende und bewahrte Organisation aufgelöst würde.

Dom Dolkshochschulheim Denkeaborf. Das Dolkshoch- fchulheim Denkendorf beginnt am 1- November einen fünf- mmiatlichen Kurs: es will jungen Mädchen (nicht unter 18 Jahren) Gelegenheit geben, im Kreis gleichstrebender Men- scheu sich über die wichtigsten Fragen hcmswirtschafklicher. erzieherischer und sozialer Art Klarheit zu verschaffen. Die Unterrichksgebieke umfassen demgemäß neue praktische und theoretische Unterweisung in Haushalkführung, Säuglings­pflege und Kindexerziehung, vor allem lebenskundliche und volkswirtschaftliche Fragen: dann noch Musikpflege, Kunst­betrachtungen, geologische und heimatkundliche Wande­rungen.

Sieger im Neitturnier. Bei dem letzten Neikkurnier der 8. Schwadron Neiter-Negiments 18 am 26. August siegte in ber Jugendklasse Josef Günther, der seine erste Ausbil­dung beim Reiterverein Aulendorf erhalten hat. Günthe- «schielt seinerzeit als bester Jungreiter beim Turnier Ra­vensburg die Ehrenschnur des Landesverbands für länd­liche Reit- und Fahrvereine. Wie damals war auch dies­mal Oberstleutnant a. D. Lauffer Preisrichter.

Stuttgart. 6. Sept. Freie Fahrt für Kranken- krastwagen. Von zuständiger Seite wird mitgeteilt: Nach einer Mitteilung des Landesverbands der Württ. Sa- nitätskolonnen vom Roten Kreuz ist es in letzter Zeit mehr­fach vorgekommen, daß in Fahrt befindlichen Krankenkraft­wagen der Württ. Sanitätskolonnen von anderen Fahr­zeugen trotz mehrmaliger Zeichenabgabe nicht freie Fahrt gegeben wurde. Da dadurch notwendig werdende öftere Halten der Fahrzeuge wirkt auf die Kranken beunruhigend und verzögert die Fahrt, bei der jede Minute für das Leben des Kranken kostbar sein kann. Es besteht daher Anlaß, allgemein darauf hinzuweifen, daß nach den gleichlautenden Vorschriften des § 28 der Reichsverordnung über Kraftfahr- geugverkehr und des 8 14 der württembergischen Straßen­verkehrsordnung den Kranken- und Rettungswagen Platz zu machen ist.

Cannstatt, 6. Sept. Goldene Hochzeit. Am Mitt­woch feierte einer unserer verdientesten Mitbürger, der be­rühmte Motorenkonstrukteur Oberbaurat Dr. Ing. Wilhelm Maybach mit seiner Gemahlin das Fest der goldenen Hochzeit. Stadtpfarrer Vollmer überbrachte die Glückwünsche

Staatspräsidenten und Kirchenpräsidenten, sowie des Kirchengemeinderats. Auch Oberbürgermeister Dr. Lauten- fchlager und der Präsident des Württ. Automobilklubs, Dr. Mattes, waren unter den Gratulanten.

Heilbronn. 6. Sept. Aufhebung des beschleu-

6 ten Rheinlandzuges. Nach dem vorliegenden Fahrplan-Entwurf der Reichsbahndirektion Karlsruhe wird Sie Strecke Heidelberg-Sinzheim-Heilbronn durch eine be­deutsame Einschränkung betroffen. Das beschleunigte Per- Anenzugspaar 883/84 Wiesbaden-Mannheim, das erst in diesem Jahr über Sinzheim-Heilbronn bis Stuttgart durch- gesührt worden war, soll von Heidelberg an wegsallen.

Schwenningen. 6. Sept. Der Betrüger auf dem Motorrad. In letzter Zeit ist in unserer Umgebung ein Betrüger aufgetreten, der bei Geschäftsleuten größere Wa­renbestellungen machte und dabei eine Panne mit seinem Motorrad vortäuschte, so daß er. da er kein Geld mit sich führte, nun nicht heimfahren könne. Der Darlehens- schwindler ist etwa 25 Jahre alt.

Friedrichshofen, 6. Sept. Motorbootunfall. Zu dem Motorbootunfall der Herren Stutz und Scalabrin ist nachzutragen, daß am Samstag abend auch die Leiche des Scalabrin an Land geschwemmt wurde, und zwar nahe der gleichen Stelle, wo man Stutz auffand. Man vermutet, daß das Unglück in der gleichen Weise vor sich ging, daß Scala­brin nach dem Schiffsuntergang den Rettungsring verlor» sich an Stutz anklammerte und diesen in die Tiefe zog.

Valdsee, 6. Sept. Nach dem Genuß von Toll­kirschen gestorben. In Eberhardszell begaben sich zwei kleine Kinder, während die Familienangehörigen öhm- deten, in den nahen Wald, um Beeren zu suchen. Sie aßen auch Tollkirschen, worauf sie abends unter heftigen Schmer­zen erkrankten. Das 4 I. a. Mädchen starb, das andere kann als gerettet gelten.

Au» Stadt «ab Laad

_Nagold , 7. Se ptember 1928.

Komme, was kommen mag, die Zeit und Stund' rinnt durch den rauesten Tag. Shakespeare.

Aufbrauchsfrist für Briefumschläge ufw. verlängert

Nach den Bestimmungen der Postordnung müssen bei Briefsendungen (Briefe, Drucksachen, Warenproben, Ee- schäftspapieren, Mischsendungen. Päckchen) die Absender­angaben sowie etwaige Werbeanzeigen (Reklamen) auf die Rückseite und das linke Drittel der Vorderseite der Umschläge beschränkt bleiben. Diese Bestimmungen bezie­hen sich nicht nur auf die eigentlichen Briefumschläge, son­dern auch auf die Streifbänder, Taschen, aufgeklebte An­schriftzettel ufw. Umschläge und dergl., die den vorstehen­den Bestimmungen nicht entsprechen, gelten als unzulätzig und werden künftig von der Postbeförderung ausge­schlossen. Zum Aufbrauchen alter, den obigen Bestimmun­gen nicht ganz entsprechenden Umschlägen ist eine Frist bis zum 31. Dezember 1928 gesetzt. Um Unannehmlichkeiten zu vermeiden, weisen wir besonders darauf hin und es wird zweckmäßig sein, wenn auch die Gewerbe- und Handels­vereinigungen ihre Mitglieder auf diese Vorschriften auf­merksam machen.

Zweck und Aufgaben einer Obstausstellung!

Obstausstellungen wirken immer anregend, sowohl für den Aussteller als auch für den Besucher. Sie sollen vor allem der Förderung des Obstbaus auf allen seinen Gebieten dienen. Der Besucher bekommt durch Studium der ausgestellten Früchte eine gewisse Sortenkenntnis, die für ihn nötig ist, wenn er sich besonders beim Taselobsteinkauf vor Schaden schützen will. Es wird gezeigt, auf was es ankommt uud wie Frisch­obst zum Rohgenuß ausfehen soll. Der Obsthandel kann sich ebenfalls seine Sortenkenntnisfe erweitern, ganz besonders be­züglich auf die verschiedenartige Haltbarkeit der Sorten hin. Auch gibt die Obstausstellung Aufschluß über die besten Ver­packungsmethoden, Sortieren, Auslesen und Versand des Obstes. Die Obstausstellung soll aber auch erzieherisch wirken.

Dies auf den Obstkäuser wie auf den -Erzeuger. Der Obst kauf er soll den Unterschied zwischen einwandfreiem Tafel- und Mostobst und unrichtig behandeltem Obst oder un­geeigneten Sorten herausfinden und den Wert dann auch bezgl. des Preises richtig einzuschätzen wissen. Der Obsterzeuger aber, ob er Aussteller ist oder nicht, kann für sich große Vor­teile schöpfen, einmal in der richtigen Sortenwahl und auch bezgl. der Behandlung der Sorten. Der Aussteller kann zeigen, wie er seinen Obstbaubetrieb rentabel zu gestalten und was er im Obstabsatz zu leisten vermag. Belehrend auf all diesen Ge­bieten wird eine Ausstellung dann wirken, wenn von der Aus­stellungsleitung eine Anzahl Preisaufgaben gestellt werden, von denen eine oder die andere zu erfüllen der Aussteller bestrebt sein muß. So kann z. B. durch eine Sammlung Tafel- und Mostobstsorten, die in Höhenlagen noch gute Erträge bringen, oder durch eine Sammlung Sorten, die auf geringeren Böden noch gute Erträge bringen, der Ausstellung durchweg ein be­lehrender Charakter gegeben werden. Das Preisgericht wird > in diesem Fall weniger die besondere Schönheit der Früchte, ! als die Zweckmäsigkeil der betr. Sorten beurteilen. Auch der Kleingarlenbesitzer wird auf seine Rechnung kommen, da auch Sorten gezeigt werden, die für den Hausgarten und kleinere Baumformen sich eignen. Neu wird an einer künftigen Aus­stellung sein, daß keine ausschließliche Tellerausstellung statt­findet, sondern die Hauptmenge des Obstes wird offen in ge­schmackvoller Aufmachung gezeigt werden. Ferner wird auch eine Abteilung für Baumschulerzeugnifse zur Vervollständigung dienen, weiter auch Obstbaugeräte, Lehrmittel und Vogelschutz­geräte. Der Bezirksobstbauverein Nagold beabsichtigt am 7. Okt. ds. I- in der Turnhalle in Altensteig eine Bezirksausstel­lung zu veranstalten, die ein reiches Programm vorsieht und bei dem Heuer gut geratenen Obst nur Gutes zu bieten ver­spricht. Auf das diesbezügliche Inserat in einer der nächsten Nummern sei deshalb heute schon hingewiesen.

Die Aster. Des Sommers letztes Blütenkind, die Aster, beginnt sich jetzt zu erschließen. Sie verbreitet nicht den 'yerrlichen Duft, mit dem ihre schönere Schwester, die Rose, an heißen Sommertagen Sinne und Herzen berauscht, aber ss< wirkt gleichwohl schön in ihrer zarten Frische und Far­

venpracht.'Vom reinsten Weiß bis zum tissdunklen Lila sinv nahezu alle Farben vertreten und einzelne Spielarten, wie z. B. die sogenannte Straußenfederaster, wirkt mit ihren pleureusenartig gefaßten Blütenblättern ganz ausnehmend schön. Bei der Anspruchslosigkeit der Aster in bezug auf Kultur, die die denkbar einfachste ist, hat sich diese Blume auch zahllose Freunde unter den Gartenbesitzern erworben. Als Schmückblume hält sie sich ziemlich lange, wenn man täglich das Wasser wechselt, eine Prise Salz hineintut und vor jedem Neueinstellen den Stil etwas beschneidet.

vielen wertvollen statistischen Material, das die Interna«»! nale Presseausstellung in Köln bietet, ist eine Aamme°- stellung der AbteilungPresse und Jugend" von großer Bedeutung in welcher die Bilder und Blätter zufammen- gestellt sind, d,e von der Jugend beiderlei Geschlechts am liebsten bezw. am ungernsten angesehen oder gelesen wer­den. Bei den Knaben des Schulalters erregen di? Sportbilder mit 43.7 v. H. das größte Interesse Dann folgen die Bilder der Tagesereignisse (243 v und Naturaufnahmen mit 14,8 v. H. Am wenigsten inter­essieren sich die Knaben dieses Alters für Reproduktions- Heimat- und Modebilder. Etwas anders läuft das Interesse der Mädchen dieses Alters. Bei ihnen finden Natur­aufnahmen (30,4 v. H.) die größte Aufmerksamkeit, dann folgen Bilder der Tagesereignisse und Sportbilder! Am wenigsten gefallen auch ihnen Heimat- und Reklame­bilder. Anders liegen die Interessen den Blättern gegen­über. Während die Knaben am liebsten illustrierte Blätter (33,4 v. H.), dann Witzblätter (22, 3v. H.), am ungernsten Magazine und merkwürdigerweise auch Jugend­zeitschriften (1 v. H.) lesen, stehen bei den Mädchen auf­fallenderweise die W i tz b l ä t t e r an erster Stelle (42 v. H.): dann folgen die illustrierten Blätter mit 30,8 v. H. Auch bei ihnen finden die Magazine am wenigsten Gefallen (1,6 v. H ). Innerhalb der Zeitung interessieren sich die Knaben am meisten für die Sportnachrichten (28,6 v. H.), die Mädchen für das Feuilleton (20 o. H.). Am wenigsten interessiert sich die Jugend bei­derlei Geschechts für Bilder vom Tage und den Gerichts­saal. Bezeichnend ist auch das Ergebnis einer Umfrage bei der Jugend, wonach Knaben und Mädchen gleichermaßen am liebsten die Polit ^ und den Gerichtssaal ge­strichen sehen wollen.

Haiteröach, 6. Sept. Amtsantritt. Die feierliche Amts­einsetzung unseres neuen Geistlichen, des Herrn Stadt­pfarrer Weber, fand am letzten Sonntag im Anschluß an den Vormittagsgottesdienst unter zahlreicher Anteilnahne der Gemeinde statt. Das Gotteshaus war mit Blumen stimmungs­voll geschmückt. Eingeleitet wurde die Feier mit einem Gesang des Kcrchenchors. Als Zeugen waren Pfarrer Röhm-Sim- mersfeld und Stadtschultheiß BernHardt-Haiterbach erschie­nen. Mit Andacht lauschte die Gemeinde den tiefgründigen Worten des Herrn Dekan Otto-Nagold, der die weihevolle Handlung vornahm. - Dem Lebenslauf des neuen Seelsorgers entnehmen wir, daß er einer Lehrersfamilie aus Großgartach entstammt. Nach beendigtem Studium in Tübingen und Ab­legung seiner 1. und 2. theolog. Dienstprüfung fand er als Vikar in Fellbach und an der Erlöserkirche in Stuttgart Ver­wendung, wo er Gelegenheit hatte, die verschiedenen Zweige der pfarramtlichen Tätigkeit kennen zu lernen. In den letzte» 3 V» Jahren war er als Studienassessor an der Höheren Schule in Heidenheim tätig. Seine Antrittspredigt, der das Bibel­wort zu Grunde lag »Jesus Christus gestern und heute der­selbe, und auch in Ewigkeit", machte aus die Gemeinde den besten Eindruck. Sie bringt ihrem neuen Seelsorger volles Vertrauen entgegen und hegt den Wunsch, daß sein Wirken in unserer Stadt von reichem Segen begleitet fein möge. Bei dem anschließenden gemeinschaftlichen Mittagessen im Gasthof z. »Ochsen", an dem neben auswärtigen Gästen zahlreiche Ver­treter der Stadtgemeinde Haiterbach und der Filiale Altnuifra teilnahmen, begrüßte Stadtschultheiß Bernhardt die Erschie­nenen und entbot dem neuen Seelsorger nochmals herzlichen Willkomm. Er versicherte ihn der Unterstützung und gab der Hoffnung Ausdruck, eg möchte unser Seelsorger gerne u. recht lange hier seines Amtes walten. Hauptlehrer Breining be­grüßte ihn namens der Schule als einen Mitarbeiter, der auf pädagogischen Gebiet bereits reiche Kenntnisse u. Erfahrungen besitze, der in besonderem Maße dazu berufen sei, die Kinder den Weg der Wahrheit zu führen, ihnen die Pforten der rei-

Der Schmied von Murbach.

Roman von Leontine w Winterseld-PIates. Copyright by Wremer L Lomp Balm W 3V.

Nachdruck ve r böt e» . !

Fortsetzung.

Vergebt mein wundersames Gebaren, fremder Ge- ch bin oft wunderlich, und vor allem in so Hellen schien wie heute. Ihr habt eine große Aehnlichkeit Mit einem, den ich in meiner Jugend gekannt. Das hat »ich irr und wirr gemacht."

Sie sah ihn noch einmal lange und fest an und reichte ihm bann die Hand.

Gottes Lohn für Euer Geleit bis hierher. Aber nun «t's nimmermehr vonnöten. Denn da leuchten schon die Dächer vom Siechenhaus, und Schwester Margret wartet. Gehet eilerck» heim nach Murbach hinauf, die Nacht ist nimmer lang. Urid Ihr seid jung und braucht auch noch der Ruhe."

Ei» unendlich weicher Blick, wie ihn noch niemand bet ber strengen Schwester Kordula gesehen, umfing noch einmal sein Gesicht, seine ganze Gestalt. Dann raffte sie Avrb m«> Tuch von der Erde und eilte dem nahen Stechen-

HsuA KU.

Ulrich Jlmfelder schüttelte ein paarmal den Kopf, wandte sich und schritt rasch dem Wasgengebirge ent­gegen, bas im silbernen Mondlicht vor ihm blaute.

MS Schwester Kordula vor des Siechenhauses Gitter­tür stand, sah sie noch einmal zurück. Und eS war etwas tu ihren müden, grauen Augen, das nach Antwort schrie. Und ihre Füße zuckten, als wollten sie ihm nachlausen, ber da so fremd und kalt vor ihr ging. Aber sie klammerte sich an des eisernen Geländers kalte Stangen und preßte den Kopf dagegen. Und sah ihm nach mit großen, fieber- irren Augen, bis sie nichts mehr erkennen konnte auf der mondhellen Straße. Dann kauerte sie nieder im Weg­staub und barg de« Kopf in den hageren Armen. Um» weinte bitterlich in großer Not.

Dar eS die lautlose, lichthelle Mondnacht, die heute so wenig schlafen ließ im träumenden Wasgenland? Auch

oben in der stillen Zelle des ernsten Bruders Ebbo konnte einer keinen Schlaf finden. Auf und ab ging der junge ^Gelehrte in seiner Kammer, das Haupt voll tiefer und ^sinnender Gedanken. Gänsekiel und Gallsaft standen auf idem hölzernen Tisch, daneben lagen große Bogen fein­geschnittenen Pergaments. Er hatte schon fleißig gearbei­tet Stunde um Stunde. Nun stand der Mond hoch am Himmel, aber die Gedanken in seinem Hirn konnten noch nicht zur -Ruhe kommen. Denn er war von den Angrether Geschwistern derjenige, der von Kind auf immer gegrübelt und sinniert hatte. Seine großen, dunklen Augen waren weltenfern, uud außerhalb feiner Klosterzelle war er unbeholfen und linkisch. Sein Zellenfenster ging nach dem Garten hinaus, und die Weinreben rankten sich spielend durch das dunkle Gitter von der weißen Mauer her. Es war eine große grünsaftige Traube, die just an ihrem schwanken Stiele vor ihm hing, als wolle sie ihn locken mit der prallen Fülle ihrer reifenden Beeren. Er konnte deutlich den feinen Puderstanb auf den Früchten erkennen, so hell schien das Mondlicht durch das lose Ge­rank. Durch den Kreuzgang hallte langsamer, schlürfender Schritt. Der machte Halt vor Bruder Ebbos Zellentür, uud eine Hand tastete suchend nach dem Drücker. Der junge Mönch tat einige Schritte vor, um dem andern zu öffnen. Da stand der Gast auch schon in der offenen Tür. Es war ein alter, gebeugter Mönch, dem der lange, schneeweiße Bart bis auf die Brust herabfiel. Er war der Aelteste im Konvent, und alle lauschten andächtig feiner Rede, wenn er den Mund austat, denn 80 Jahre hatten seiner Seele Weisheit, Milde und Verständnis eingegeben. Er war oft mit dem jungen Bruder Ebbo zusammen, der ihm der liebste war von allen Mönchen im Kloster.

Schwer setzte sich der Greis auf den hohen Lehnstuhl, den ihm Ebbo ans Gitterfenster schob.

,Hch dachte mir's, daß du auch nimmer schlafen könntest in dieser Hellen Nacht, mein Sohn. Ich hörte den Schritt deiner Sandalen ruhelos wandern ans den Steinplatten deiner Zelle. Warum flieht dich der Schum­mer, mein Kind?"

Ebbo lehnte am Fenster und sah in die flüsternden Baumkronen hinauf, durch deren webende Schatten daS Mondlicht feine silbernen Fäden rieseln ließ.

Ich mußte daran denken, Vater Lukas, wie doch die Nacht und die Einsamkeit immer das Größte an de«' Menschen getan. Wenn der laute Lärm des Tages ihre Seelen aufpeitschte, daß sie voll Unruhe und Bedrängnis waren dann flüchteten sie in die beseligende Stille der Nacht, und alles war wieder gut. Ist es nicht auch fast immer in der Nacht gewesen, wo Gott mit den Mensche« sprach? Zu Eli und Samuel redete er so zu Moses in der heilen Stille der gewaltigen Hochgebirge zur gebenedeiten Mutter Maria in ihrem Kämmerlein. Er hat sich nie die lauten Gassen und Plätze ausgesucht zur Zwiesprache mit seinen Auserwählten. Tiefe Nacht war es auch, als Nikodemus zu Jesus kam und seiner Rede lauschte auf der einsamen Zinne seines Daches. Ach, nun Hab« ich so viele, viele Nächte gerungen in tiefem Gebet aber zu mir kam Gott noch nicht. Mich hat er noch nicht würdig erachtet, daß er sich mir offenbare."

Und der junge Mönch legte die Hand über die Augen, denn eine Träne stahl sich heimlich die bleiche Wange herab.

Der Greis strich ihn weich mit der Rechten über de« härenen Kuttenärmel.

Seid nicht traurig darüber, Bruder Ebbo, denn seid noch jung und habt ein langes Leben vor Euch. WrU Ihr denn, was Gott noch aufgehoben hat für Euch? Wa» er noch für Arbeit hat für Euch? Er ist nicht sicht"«, der Gewaltige, in dessen Händen Himmel und Erd« ruyem Aber er hat einmal gesagt:So ihr mich von gan^ Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch stn"« baffen!" Uckd das ist Wahrheit, Ebbo, denn ich HW.A erlebt. Wir sollen nur warten lernen und unsere und Arbeit tun still und treu bis an den Too- Und nie müde werden im Gebet. Einmal kommt er da n n doch, vielleicht gerade dann, wenn wir es am wenigimn dachten. Wir dürfen nicht zuviel verlange«, wir armen, kleinen Geschöpfe. Siehst du die Traube dort in o« vollen Pracht ihrer reifenden Beeren? Weiß sie, wA" sie ward? wozu sie wuchs? Sie tut so nach dem Anu. des Schöpfers und fragt «icbt mit Grübeln und Zwesiec

(Fortsetzung folgt.) .