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Ragolder TagblattDer Gesellschafter"

Mittwoch, den 5. September 1828.

leitet worden sein, während dieser Zelt die Unterwerfung dieser Heeresteile unter sein eigenes Kommando zu er­zwingen. Das Ersuchen wurde von Paitschungsi, der die Vorbereitungen zu einem neuen Angriff gegen den Norden beendigt hat, abschlägig beschießen.

vikSembe«

Stuttgart. 1. September.

7S. Geburtstag. Verwaltungsdirektor I. Müller, der frühere Vorstand des Fürsorgeamts und spätere Vorstand der Bürgerhospitalverwaltung sowie der städtischen Alters­heime, völkndet am 5. September sein 70. Lebensjahr.

ep. Eine Waldkirche in Stuttgart. Am Sonntag wurde in Stuttgart oben am Kräherwald in prächtiger, aussichts­reicher Lage eine 400 Sitzplätze fassende Waldkirche eingeweihk, die den kirchlichen Bedürfnissen der umliegen­den Siedlungen und der Ausflügler dienen soll. Von Archi­tekt Bossert im Auftrag und aus den Mitteln der Ge- dächkniskirchengemeinde und freiwilligen Stiftungen erbaut, ist die Maldkirche ein Denkmal feiner, schlichter, neuzeik- Kcher Baukunst. Der einzige Bildschmuck des fein ab­getönten Innenraums ist ein von Studrenrat May geschal­lenes ergreifendes Gemälde der drei Kreuze auf Golgatha. Im Erdgeschoß auf der Rückseite der' Kirche ist ein Saal für,einen Kindergarten eingebaut, zu dem auch im Vor­garten ein Plantschbecken mit dem hübschen Bildwerk des Aroschkönigs von Bildhauer Kiemlen gehört- Der Ein­weihung wohnten zahlreiche Gemeindeglieder, ferner Kirchenpräsidenk v. Dr. v. Merz, die Prälaten I). Dr. Holzinger und v. Traub, Finanzminister Dr. Deh - linger und Oberbürgermeister Dr. Lautenschlager «tn. Der KirchenprSsidenk hob hervor, daß hier erstmals eine Einzelgemeinde den Ausbau der kirchlichen Versorgung ttr der Großstadt selbständig in Angriff genommen habe. Das Verdienst hievon gebührt vor allem dem Geistlichen der Gedächtniskirche Skadkpfarrer Mögling.

Vrand. Heute nachmittag nach 3 Uhr brach im Kaffee­haus Fürstenhof in der Marienstraße im Dachstock, wo sich die Dienstbotenzimmer befinden, ein starker Brand aus. Die Feuerwehr hatte reichlich eine halbe Stunde Arbeit, um den Brand einzudämmen.

Stuttgart. 4. Sept. Versteigerung von Volks- festpiätzen. Heute früh wurden die Plätze für die Schaubuden versteigert, nachdem vor einigen Wochen die Wirtschaftszelte vergeben worden waren. War bei den Wirtschaften die Neigungslust der Liebhaber eine große, so war jetzt bei den Schaubuden gerade das Gegenteil der Fall. Es herrschte starke Zurückhaltung bei den Geboten. Bei Beginn der Versteigerung teilte Stadtamtmann Vogler- Eaunstatt mit, daß einige Plätze schon vorher freihändig vergeben worden seien. Man habe das getan Firmen gegen­über. die mit ihren Unternehmen für ein gutes Festbild Garantie boten. Darauf will man bei der Stadt in den nächsten Jahren besonderen Wert legen. Jedenfalls wur­den bei der öffentlichen Versteigerung die Vorjahrspreise, die sich gegenüber 1926 um 2025 v. H. erhöht hatten, nicht erreicht. Die Zurückhaltung der Schaubudenbesitzer kößt darauf schließen, daß sie an anderen Plätzen in letzter Zeit offenbar kein so glänzendes Geschäft gemacht haben, und daß bei ihnen derzeit das Geld knapp ist, auch beim Publikum, das offenbar für solche Dinge heute nicht mehr

viel wie früher übrig hat.

Besichtigung der Vorarlberger üllwerke. Wie wir er­fahre«, wird nicht der ganze württ. Landtag, sondern nur der Finanzausschuß am 28. und 29. September die Vor­arlberger Jllwerte besichtigen. Auch Staatspräsident und Innenminister Dr. Bolz wird an der Besichtigung teil­nehmen.

Aus dem Lande

Vathingea a. F 4. Sept. Massenerkrankungen. Hier tritt seit einigen Tagen seuchenartig ein Magen- und Darmkatarrh auf. Der Verlauf der Krankheit bei den bis jetzt etwa 100 erkrankten Personen weist auf das Vorhan­densein von Paratyphus hin, gibt jedoch zu keinen ernsten Befürchtungen Anlaß. Im Zusammenhang mit dieser Mas­te nerkrankuna ist eine biesiae Wirtschaft und Metzgerei be­

hördlich geschloffen worden! da vermutet wird, daß die Seuche auf den Genuß des aus dieser Metzgerei stammenden Fleisches zurückzuführen ist.

Fellbach, 4. Sept. Tödlicher Motorradunfall. Auf der Staatsstraße FellbachWaiblingen, in der Nähe des Wasserturms, fuhr ein Fellbacher Motorradfahrer auf ein landwirtschaftliches Fuhrwerk, dessen Pferd scheute. Der Motorradfahrer erlitt dabei den Tod, während sein Beisitzer, Uhrenmacher Eisele aus Fellbach, ein Kriegs­invalide, einen schweren Schädelbruch davontrug.

Eßlingen. 4. Sept. Tödlich überfahren. Der in Mellingen wohnhafte verh. Schlosser Matthäus Müller, der auf seinem Fahrrad in die Staatsstraße Eßlingen Hedelfingen einbog. wurde von einem auswärtigen Per- onenkrastwagen angefahren und auf die Fahrbahn ge» chleuüert. Dabei wurde Müller von einem aus Richtung Stuttgart kommenden Personenkraftwagen überfahren und so schwer verletzt, daß er im Bezirkskrankenhaus Plochingen gestorben ist.

Heilbronn, 4. Sept. Veruntreuungen in einer Vertrauensstellung. Durch die seit 1. Juli d. I. bei der Allg. Ortskrankenkasse Heilbronn-Stadt errichtete Prüfungsstelle sind lt.Heilbronner Generalanzeiger" Ver­fehlungen des Chefarztes der Zahnklinik Dr. Gerhard aufgedeckt worden. Dr. Gerhard wurde daraufhin vor­läufig vom Amte enthoben. Ein finanzieller Schaden ent­steht der Kasse nicht, da Dr. Gerhard genügende Sicherheiten geleistet hat. Die weitere Untersuchung der Angelegenheit ist eingeleitet. Es handelt sich bei den Veruntreuungen um die Beiseiteschaffung von Feingold im Betrag von 2200 -N. Die Veruntreuungen erstrecken sich auf einen längeren Zeit­raum. -- > ..

Rottweil, 4. Sept. Tödlicher Unfall. Der 24 I. a. led. Ludwig Fink von Herrenzimmern befand sich mit anderen Radfahrern auf dem Heimweg. Beim sog.Roten Brunnen" war Link vom Rad abgestiegen und schob es vor sich her. In diesem Augenblick kam ein Rottweiler Per­sonenauto aus der Richtung Villingendorf. Diesem fcheiist- Link nicht richtig oder nicht rechtzeitig ausgewichen zu lein, denn er wurde von dem Auto erfaßt und so schwer verletzt, daß er alsbald verschied.

Aas Stadt «ad Laad

Nagold, 5. September 1928.

Alles Fühlende leidet an mir, aber mein Wol­len kommt mir stets als mein Befreier und Freude­bringer. Wollen befreit; das ist die wahre Lehre von Wille und Freiheit . . . Nietzsche.

Erziehung

Alle Elternerziehen" ihre Kinder und alle haben einen andern Begriff von dem WorteErziehung". Einige glauben, ihrer Pflicht vollauf genügt zu haben, wenn sie ihren Sprößling pünktlich und sorgfältig mit guter Nah­rung versehen, ihn schön anziehen, mit ihm spazieren gehen und auf das gesundheitliche Wohlergehen bedacht sind. An­dere lasten die Kinder den ganzen Tag treiben, was sie wollen, und sind zufrieden, wenn sie aus dem Hause sind. Irgendwelche Vergehen werden streng bestraft und damit ist es genug. Ein anderer Teil läßt sie den ganzen Tag nicht aus den Augen, feilt und dressiert an ihnen herum, fort­während werden die Kinder getadelt, ermahnt, sodaß sie einige freie Stunden als das höchste Glück betrachten.

Dies alles ist aber keine Erziehung. Erziehen heißt pflegen, in körperlicher wie auch in seelischer Beziehung. Hier muß ein schlechter Trieb unterdrückt, dort eine gute Anlage gefördert werden. Hierzu muß nach Möglichkeit das Kind immer unter Aufsicht bleiben, allerdings ohne es in seiner Freiheit zu sehr zu beschränken. Nur wenn der Geist des Kindes eine verständige Pflege erfährt, kann er sich richtig entfalten. Wie es aber schon durch Nachahmung sprechen gelernt hat, bildet es sich auf die gleiche Weise auch weiter und wenn man sich selbst fest in der Hand hat, wird man durch sein gutes Beispiel mehr erreichen, als durch alles Mahnen und Strafen.

Das Kind ist kein Spielzeug, mit dem man sich nur bei guter Laune die Zeit vertreibt und an dem man die

, schlechte Laune ausläßt.. Es ist ein vernunftbegabtes We­sen, dem auch die geistige Nahrung wohl ausgewählt vor- I gesetzt werden muß. Man braucht es nicht zu drestieren aber man soll es beachten und in vernünftiger Weise den guten Kern zur Entfaltung bringen. Dann ist kein Strafen nötig und aus dem Kinde wird kein Heuchler, kein eitler und gezierter Mensch voll von Selbstsucht und Launen.

Borspielabend

Donnerstag 8V« Uhr: VH. Symphonie von Bruckner zu 4 Händen aus 2 Klavieren.

Gewerbeverei«

Der Verband württembergischer Gewerbevereine und Handwerkervereinigungen hält vom 15.17. September in Heidenheim seine diesjährige Haupttagung ab Diese Tagung ist bei den heutigen Zeitkäufen für jeden Gewerbetreibenden von weittragendster Bedeutung.

Der hiesige Eewerbeverein wird den Verbandstag mit einem Auto- Omnibus der Firma Benz und Koch besuchen um dadurch einer möglichst großen Zahl von Gewerbetrei­benden den Besuch zu ermöglichen. Wir machen aus die in der heutigen Ausgabe erscheinende Anzeige besonders auf­merksam.

H

Die Herbstzeitlose. Nachdem für die Wiesenblumen das letzte Ständlein geschlagen hak, wagt sich noch ein vor- witziges Blümlein hervor: die Herbstzeitlose. Ihren Namen .Zeitlose" hat sie wohl daher, daß sie sich nicht an die eigentliche Blütenzeik hält. In Schwaben wird sie auch Lausblume genannt, weil sie die Läuse vertreiben soll, oder Spinnerin, da sie nach dem Volksglauben die zur Herbst­zeit in der Luft hängenden Spinnfäden, den sog. Altweiber­sommer, spinnt. Am phankasiereichsten ist wohl am meisten dienackte" Jungfer, weil die Blüte der Herbstzeitlose aus der Erde sproßt, bevor man die Blätter zu sehen bekommt. Bekanntlich enthält die Herbstzeitlose ein starkes Gift. Bor ihrer Giftwirkung hatten die Griechen große Achtung: denn sie nannten die Herbstzeitlose .Ephemoren", d. h. die in einem Tag Tötende. Zur Vertilgung der Herbstzeitlose wird das Begießen mit scharfem Kainikroasser empfohlen. Im Bolksmund heißt es, daß bei frühem Erscheinen der Herbstzeitlose auf einen schönen, sonnigen Herbst zu rechnen ist.

Loskage im Schikember. Der September ist reich an Lostagen, denen die Bevölkerung des Landes besonder» Bedeutung zumißt. Der 4. September als Rosaiientag gibt in Süddeutschland Veranlassung, Wurzeln und Kräu­ter zu sammeln, dieunters" Kopfkissen gelegt, Heilung von allen möglichen Krankheiten und Leiden bringen solle». Am 8. September, dem Tage Mariä Geburt soll der Abzug der Schwalben beginnen. An diesem Tag werden auch Getreidekörner geweicht und unter die übrigen Sämereien gemischt, um für das nächste Jahr eine gute Ernte zu be­scheren. Am 14. September, dem Tag der Kreuzerhöhung, dürfen dagegen in Haus und Wirtschaft keine ernsteren Vorgänge unternommen werden, weil diese sonst zum Un­heil ausschlagen. Insbesondere soll an diesem Tage kein Wmtergetreide ausgesät werden, auch Ehen dürfen an die­sem Tage nicht geschlossen werden. Der 29. September, der St. Michaelstag, kurz Michaelis genannt, ist ein wich­tiger Terminstag im ländlichen Haushalt, gilt er doch an Stelle des 1. Oktober als Termin. Auch an den Michaelis- tag knüpfen sich auf dem Land mancherlei Sitten und Ge­bräuche, denen man ihre Abstammung vom uralten heid­nischen Wotanskult oft unschwer ansieht, wenn auch die eigentliche frühere Bedeutung sich allmählich verwischt hat.

ep. Für Auswanderer. Soeben ist in Mexiko die Ate- quisa-Siedlung zusammengebrochen. Dadurch ist wieder ein neues Kapitel von Answandererverzweiflung und Auswan­dererelend in Mexiko geschaffen worden. Landwirte finden augenblicklich keine Beschäftigung. Auch trotz dieses Zu­sammenbruchs werden Siedlungsunternehmer nach wie vor auf alle mögliche und verlockendste Weise Propaganda machen. Im Interesse unserer deutschen Auswanderer bitten wir dringend, sich ans kein Kolonisationsunternehmen irgend­welcher Art einzulassen, bevor nicht unser Gutachten ein­geholt ist. Der Evangelische Hauptverein für deutsche An­siedler und Auswanderer C. V. Berlin N. 24, Oranienburger» straße 13/14, ist zu jeder kostenlosen Auskunft gern bereit.

Der Schmied von Murbach.

Roman von Leontine m Winterseld-Platea.

Copyright by Äremer L Comp Berlin W 30.

Nachdruck verdate».

33. Fortsetzung.

Bruder Heiko nickte verständnisvoll.

,Mir wollen unser Möglichstes tun, armes, altes Nönulein du. Unser Weg führt just dort vorbei.^

Im Frauenkloster zu Engelparthen war schon alles dunkel. Rur die Schwester Pförtnerin saß in Ihre« Klause am hohen Portal und hielt Wache, wie es ihres Amtes war. Sie hatte den Rosenkranz zwischen den bleichen Fingern und das Haupt gesenkt wie in tiefem Gebet. Auf den Dächern und Zinnen des Frauenklosters lag das Mondlicht hell und scharf. Die tiefen grauen Augen der hageren Schwester Kordula, die heute Dienst hatte am Tor, wunderten müde und nachdenklich mit dem silbernen Mvndlicht. Und es geschah etwas, was die strenge Schwester Kordula sich am Tage nie erlaubte. Nämlich, daß ihre Gedanken znrückwanderten in die Vergangenheit, in die sonnigen Rosengärten von Kindheit und Jugend, als sie noch nichts wußte von Schuld und Buße und strenger, harmr Klosterzucht. O Gott, war sie nicht eine Gräfin von Angreth und hatte mit den Geschwistern getollt von früh bis spät? Freilich, sie war die Aelteste gewesen und hatte nach der Mutter frühem Tode für alle andern sorgen müssen. Das hatte sie älter und reifer gemacht vor der Zeit. Die Schwester Pförtnerin in der engen Klause schloß die Augen vor dem grellen Mondlicht. Mit zitternden Händen schlug sie ein Kreuz und riß ihre wan- dernden Gedanken gewaltsam los von der seligen Ver­gangenheit. Denn was frommte dies sündige Denken hier im strenge», düsteren Klosterbau? War der große, blasse Mond schuld daran ober die stille, tropfende Nebelnacht? Wo schon hier und da welke Blätter von den uralten Bäumen taumelten und an Sterben und Vergehen mahn­ten. Ach, schon so viele, viele Jahrzehnte hatte sie ge­kämpft und gerungen gegen Vergangene», doch kamen immer wieder Augenblicke, die sie einlultten in ihren

süßen, träumerischen Zauber so wie heute nacht wie­der im lockenden Silberglanz des schwimmenden Mon­des. Dann brach sie kraftlos und mutlos zusammen, weil sie sah, wie alles Kämpfen und Ringen umsonst gewesen. War wirklich Liebe stärker als der Tod? Kordula riß sich hoch und ging mit harten Schritten aus und ab in der> Keinen Zelle. Sie verachtete sich selbst und hatte die Lippen geschürzt in Spott und Hohn. War sie nicht erbärmlich und klein wie die schwächste Novize im Konvent? Und sie wollte Aebtissin werden? Ihr hatte man den hohen und verantwortungsvollen Posten angetragen, da die alte Domina schon seit Wochen im Sterben lag. Und sie war gewillt das hohe Amt anzutreten, denn sie lechzte nach Arbeit und Vergessen. Und dem Stolze der Gräfin von Angreth schmeichelte es, mehr Macht zu haben als alle andern hier im Frauenkloster von Engelparthen.

Auf der Straße draußen klangen Schritte durch die Nacht. Männerschritte tönten gedämpft durch die Stille. Der schwere Klopfer am Tor des Frauenklosters ward rasch gehoben und fiel mit dumpfen Dröhnen auf die Eichenbalken zurück. Und weckte ein hallendes Echo in den verschlafenen Kreuzgängen und steinernen Zellen. Aus der alten Ulme im Klosterhof flog erschrocken ein Kauz auf und streifte mit seinem schweren, weichen Flügelschlag die Häupter der beiden Männer, die wartend vorm Tor stanken. Schwester Kordula kannte keine Furcht und war ans schmale Gitterfenster getreten. Ihre Stimme klang fest und hart durch die stille Nacht.

Wer hat zu so später Stunde noch ein Begehr an das Frauenkloster?"

Heiko, der Mönch, lachte fröhlich.

Ei, Kordula, bist du es selber? Gott grüß dich, Schwesterlein, du braves, gestrenges. Wir kommen just von Ermintrud, die Weinlese feierte in ihren Bergen. Ei, das war ein lustiges Leben, kann ich dir sagen! Die Weinstöcke waren zum Brechen voll, und die Kinder schmausten, daß es nur so eine Art hatte. Einen ganze« Korb voll schönster Trauben hat sie mir mitgegebeu für unfern ernsten Bruder Ebbo im Kloster Murbach oben. Hätte sie gewußt, daß wir hier auch noch vorüberkämen, so würde sie dich sicher auch nimmer vergessen haben, Schwester Kordula. Aber sieh, die schönste Traube will

ich für dich hier lassen, das wird Bruder Ebbo schon gern erlauben."

Und der junge Herrenmönch griff mit zwei spitzen Fingern in den Korb, den er am Arme trug und hob eine dunkelblaue, riesige Weintraube empor, hoch hinein ins weiße Mondlicht, der älteren Schwester entgegen. Die krauste unwillig die Stirn und sah ihn tadelnd an.

Du steckst immer noch so voll Narrenpossen wie dazu­mal als du ein kleiner Bub warst, Heiko. Allweil nur Hab' ich meine liebe Not gehabt mit dir. Deswegen stopft man doch nimmer um Mitternacht das halbe Frauenstoster wach?" i

Heiko hatte ihr die Traube durch das Gitter geschahen und nickte jetzt ernsthaft.

Du hast recht, Kordula, das war nicht der Grund, weshalb wir diesen Umweg machten. Als wir am Siechen­haus vorüberkamen, rief uns ein altes Nönnlein an, ihr Hilfe zu senden von hier und eine Flasche Arznei. Das wollten wir ausrichten und kamen deshalb vorüber."

Sie nickte und sah nach dem Stundenglas, in dem der Sand rieselte.

Schwester Margret ist alt und soll Hilfe bekommen. Die Pflege wird ihr zuviel jetzt im Alter. Es ist gleich Mitternacht, da wird meine Wache abgelöst hier am Tor. Dann gehe ich selbst zum Siechenhaus und stehe ihr beu

Heiko gähnte laut und herzhaft.

Du bist eine tapfere Frau, Schwester, und die Heilige« werden es dir lohnen. Ich habe vor Sonnenaufgang eine« Hirsch zu spüren im Murbacher Tann. Der Zom von Bulach und der Göttinger, zwei unsrer besten Herren' mönche, warteten auf mich. Und du weißt, der Weg nacy Mnrbach hinauf ist noch weit. Darum will ich jetzt enen, solange der Mond noch hell ist, find vielleicht droben noch ein Stündlein Nachtruhe in der Zellen. Mein Freuno und Genosse, der junge Waffenschmied, wird dich sicher geleiten zum SiechenhauS."

Sie lächelte müde. - .

Alter, lieber Bub du, meinst, wir Nonnen von Engei' varthen seien nimmer gewohnt, allein zu gehen zu Tages- und Nachtzeit? Noch dazu so eine alte wie ich Mw Der sie bald das Kreuz der Aebtissin umhängen werden.

(Fortsetzung folgt )