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Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter"

Dienstag, 21. August 1928

mazedonischen Banden aus Pariser Anregung ersorgr in, und daß England nunmehr auch Südslawien (gegen Italien und Bulgarien) unterstützen wolle.

Eine Umfrage über das Alkoholgesetz ln den Vereinigten

Staaten

Neuyork, 20. August. DieTimes" veröffentlicht das Ergebnis einer Umfrage, die von der Kirche der Mäßigkeits­gesellschaft vorgenommen worden war. Die Umfrage sollte dazu dienen, die Wirkungen des Alkoholverbots festzustellen. Von 5000 Geistlichen der Episkopalkirche bezeichnet«» 1300 das Gesetz als einen Fehlfchlag, 500 nannten es einen Er­folg. 1389 befürworteten eine Aenderung des Gesetzes, während 673 sich gegen eine Aenderung des Gesetzes aus- sprachen.

Kämpfe im Staat Barg«

London. 20. August. .Morningpost" meldet aus Char­din vom 18. August: Die bolschewistisch-mongolischen Ab­teilungen, die einen Einfall in den Staat Barga unter­nommen haben, sind von den chinesischen Truppen zurück­getrieben worden. Der Berkehr auf der chinesischen Osk- bahn, der zeitweise durch die Angriffe unterbrochen war, ist jetzt unter Verwendung von Panzerzügen zum Teil wieder hergestellt worden.

Nach einer Meldung der .Daily Mail' aus Tokio be­finden sich die chinesischen Truppen in der nordwestlichen Mandschurei auf dem Rückzug vor den mongolischen Auf­ständischen. Das Ziel der letzteren sei der wichtige Eisen­bahnmittelpunkt Hailar.

Württemberg

Stuttgart, 20. August. ArbeitM-usschußzur PrüfungderBetriebssicherheitderReichs-

bahn. Der Arbeitsausschuß zur Prüfung der Betriebs­sicherheit der Reichsbahn hat bei Fortsetzung seiner Besich­tigungsreife am 18. und 19. August den Bezirk der Reichs­bahndirektion Stuttgart besucht. Auf Betriebsstellen jeder Größe und verschiedenster Belastung wurden bei Beobach­tung von Werktags-, Sonntags- und Nachtdienftschichten wertvolle, den Aufgaben des Ausschusses dienliche Unter- tage» gewonnen, wobei sich Mitglieder der Reichsbahn- dtrektion und der Reichsbahnämter und die Vertrete- der Personalorganisationen in reichlichem Maße beteiligten.

Ausscheidung der allen Akten. Nach der neuen Dienst­ordnung sollen künftig alle 10 Jahre, erstmals im Jahr 1930. die für den praktischen Gebrauch entbehrlich geworde­nen Akten bei allen Behörden aus den Registrctturen aus­geschieden werden. . - -

Neue Glocken der Pauluskirche. Die Pauluskirche in Stuttgart, zwischen Bismarck- und Paulusstraße, hat zwei neue Glocken bekommen, die von der bekannten Firma Heinrich Kurz in Stuttgart tadellos gegossen worden sind. Die eine Glocke wiegt 2800 Kilo und ist auf den Ton tt gestimmt, die zweite hat ein Gewicht von 560 Kilo >,nd ist auf Oia gestimmt. Die Glocken bestehen aus reiner Bronze (Verbindung von Kupfer und Zinn), die der Glocke einen weicheren, ansprechenden Ton verleiht als Stahl. Zugleich wurde ein neuer eiserner Glockenstuhl mit elektrischem Läut­antrieb eingesetzt. Die Glockeuweihe soll Ende September stattfinden.

Die Versicherungspflichlgrenze in der Angestellkenver-

sicherung. Der Deutschnationale Han-lungsgehilfenverband teilt uns mit: Die vom Reichskabinett am 10. August be­schlossene Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze in der Angestelltenversicherung von RM. 6000. auf RM. 8100. wird mit Wirkung ab 1. September 1928 in Kraft treten.

Aukolinie. Seit Anfang voriger Woche sind die beiden Gemeinden Schmiden und Oeffingen mit Cannstatt durch eine Aukoomnibuslinie verbunden. Die Linie wird betrieben von R. Auoff-Waiblingen.

Deutscher Touring-Club. Der Deutsche Touring-Club hat hier infolge starken Zustroms neuer Mitglieder eine Geschäftsstelle mit Major a. D. Ruff an der Spitze er­richtet (Kronenstr. 2, Leichtsche Brauerei). Bei dieser Ge­legenheit darf auch erwähnt werden, daß die Interessen der ierkrankken Teilnehmer an der Rheinlandfahrt von de): Hauptgeschäftsstelle des DTC. mit aller Entschiedenheit weiter verfolgt werden.

Tübingen, 20. August. Ein Messer km Magen. Ein Gefangener vom Landesgefängnis Rottenburg wurde in die Chirurgische Klinik eingeliefert. Er wollte sich nachts durch Absperren der Luftröhre mittels eines Messergriffes das Leben nehmen. Jedoch gelang ihm das nicht, und es rutschte ihm der Messergriff, ohne ihn zu verletzen, in den Magen.

Weinsberg. 20. Aug. Rätselhafter Fund. Der Burgwart auf der Weibertreu fand hinter einem Gebüsch eine amerikanische Urne mit den Ueberresten eines Deutsch- Amerikaners. Vermutlich wollten Verwandte sie auf dem Friedhof hier beisetzen, dieselben wurden jedoch vorher an­scheinend gestohlen und infolge ihrer Wertlosigkeit vom Dieb weggeworfen.

Hohenhaslach, OA. Baihingen a. E.. 20. August. Wild­schweine. Auf unserer Markung machen sich in letzter Zeit wieder Wildschweine bemerkbar. Mese haben einigen Cinwohnern. deren Grundstücke an den Harwald grenzen, schon verschiedenerlei Schaden zugefügt. Die Spur weist auf ein größeres und ein kleineres dieser Borstentiere hin.

Reichenbach a. F., 20. August. lOOGeburtstag. Zu einem wirklichen Festtag gestaltete sich gestern die Feier des 100. Geburtstags des Stationskommandanten a. D. Joses Kühle hier. Der ganze Ort war festlich geschmückt. Um 9X Uhr wurde der Jubilar im Festzug, voran eine Abtei­lung der Kapelle des Pionierbataillons V Ulm, abgeholl und zur Kirche geleitet. Die Festpredigt hielt ein Verwandter des Jubilars, Pfarrer Böhm aus Todtweis (Bayern). De­kan Häring-Donzdorf zelebrierte das Hochamt. Nach dem Festgottesdienst fand auf dem Friedhof beim Kriegerdenk­mal eine Gefallenenfeier statt. Dann wurde der Jubilar mit klingendem Spiel zu seiner Wohnung geleitet. Aufrecht und stramm schritt der Hunderjährige zwischen seinen Kamera­den. Um 12 Uhr war Festessen im Gasthof zum Löwen mit Ansprachen von Kaplan Zell, Schultheiß Wiedenmann und des Landtagsabg. Studienrat Küchle-Ulm, der im Auftrag der württ. Zentrumspartei und des Justizministers Dr. Beyerle herzliche Glückwünsche und ein schönes Geschenk überbrachte. Als Ehrengabe der württ. Regierung erhielt der Jubilar eine kunstvoll gefertigte Tasse und Untertasse mit Widmung und dem württ. Wappen, sowie ein Geldgeschenk von 100 Mark. Oberstleutnant Schuhmacher-Stuttgart über­reichte ein Ehrengeschenk im Auftrag des Präsidiums des Württ. Kriegerbunds. Daran schlossen sich noch zahlreiche andere Glückwünsche und Ehrengaben.

Waldstetten OA. Gmünd, 20. August. Gauturner­innentag. Der Gauturntag des Remsgaues fand hier am Sonntag statt und wurde am Vorabend durch ein Ban­kett eingeleitet. Dieser Frauenturntag hatte durch den Zwist mit dem Ortsgeistlichen und durch das Eingreifen des Bi­schofs die Aufmerksamkeit weiter Kreise erregt. Die mit dem Fest zusammenhängenden Vorkommnisse, aber auch das schöne Wetter haben dem Fest, wie die Remszeitung berich­tet, einen großen Zuzug gebracht. Vormittags fanden Ein­zelwettkämpfe statt, die während des Gottesdienstes unter­brochen wurden. Auf einwandfreie Bekleidung der meist noch sehr jungen Turnerinnen war Bedacht genommen. Nachmittags kamen dann neben anderen Vorführungen auch die Massenübungen von etwa 200 Turnerinnen.

Friedrichshafen. 20. August. Der König von Schweden besichtigt L. Z. 127. König Gustav von Schweden, der sich gegenwärtig im Schloß Langenstein bei Stockach, dem Besitztum des Grafen Douglas - Lcmgenstein. aushält. stattete mit letzterem am Sonntag nachmittag dem neuen Luftschiff einen Besuch ab und begab sich darauf nach dem herzoglichen Schloß zum Besuche des Herzogs Albrecht von Württemberg. Darauf fuhr er nach Langenstein zurück.

Landestüguilg der württ. TchuhwaHerü'.cijser

Backnang, 20. August. Die Landestagung drs württ. Schuhmachermeisteroerbands war außerordentlich zahlreich besucht. Auch viele Ehrengäste wie Regierungsrat Dr. K l a i- ber, Stadtschultheiß Berner. Handwerkskammervor­sitzender Schurr waren anwesend. In der Delegiertenver­sammlung wurde der Geschäfts- und Kassenführung Ent­lastung erteilt, der neue Haushaltplan genehmigt und die Wiederwahl der Vorstandschaft mit einer kleinen Aenderung vollzogen. Die Frage einer zu gründenden Berbands- sterbekafse endete nach einer Probeabstimmung, die 32 Ja und 20 Nein ergab, mit der Verweisung an eine acht­

köpfige Kommission. Der Sonntag brachte die Hauptver­sammlung. Jnnungsobermeister Kircher begrüßte die Gäste und eröffnet« die reich beschickte Ausstel­lung für Schuhmacherbedarf in der Turnhalle. Berufsfragen, insbesondere Berufssorgen und -Nöte bil­deten die Grundlage zu den Aussprachen und Vortrügen, bei denen die Kollegen Köhler und Biedern ann- Stuttgart und der Syndikus der Handwerkskammer Heil­bronn, Dr. Frey, zum Wort kamen, und die gipfelten in der Notwendigkeit der Selbsthilfe und, soweit eine solche zu erreichen sei, auch in der Staatshilfe. Steuerüberlastung, Regiebetriebe, Hausierhandel und andere Schäden sind, wie auch sonstwo, die Hemmschuhe einer gesunden Entwicklung, und so wurden die gegebenen Anregungen und Entschließun­gen durch allgemeinen Beifall bekräftigt. Am Nachmittag war die Ausstellung Hauptanziehungspunkt und gegen Abend führte eine gemeinsame Autofahrt durch einen schönen Teil des Hohenloher Landes und machte mit geschichtlichen Sehenswürdigkeiten und der Naturschönheit der Gegend be­kannt. Der Abend vereinigte dann noch Gäste und Ein­wohnerschaft bei einem Bankett, das dank der Mitwirkung von Gesangs- und Turnverein, sowie der Theatergruppe des Liederkranzes und des Dohlschen Streichorchesters sich äußerst abwechslungsreich und unterhaltend gestaltete und wobei wiederholt das gute Gelingen der Tagung und der Dank für die genossene Gastfreundschaft zum Ausdruck kam. Der Montag bringt noch die Entscheidung über die Ver- bandssterbekassen, die Besprechung gestellter Anträge und die Bestätigung Heidenheims als nächstjähriger Ta­gungsort.

Aus Stadt und Land

Nagold, 23. August 1928.

Treue üben ist Tugend, Treue erfahren Ehre.

M. v. Ebner-Eschenbach.

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Der Schrvarzwaldverein in Tätigkeit

Kurz nach 11 Uhr starteten am Sonntag die beiden Omnibusse mit der wanderlustigen Schar Schwarzwald- vereinler in der Vorstadt. Nach kurzer, schneidiger Fahrt auf die Höhe nach Pfalzgrafenweiler nahmen wir den Weg unter die Füße. Die Helle Mittagssonne und das stramme Tempo, angegeben von einigen wandertüchtigen Damen, jagten manchen Schweißtropfen auf die Stirn derVoll­schlanken". Cresbach, Unter- und Oberwaldach, malerisch und verträumt, lagen schon hinter uns, und der Waldes­schatten mahnte eindringlich zu kühler Rast. Nach einer Viertelstunde köstlichen Ausruhens im Moose gings weiter und da grüßte schon das Kirchlein von Vesperweiler, so nett und freundlich wie in einem Bilderbuch. In Lützen­hardt, wo die Bürstenmacher zu Hause sind, erfreuten wir uns des schmucken Dorfbildes und eines guten Tropfens, denn der Durst war groß. Besonders schön war die Aus­sicht, die wir im Schatten einer mächtigen Eiche recht ge­nießen konnten: Ferne, bewaldete Höhen und halbver­steckte Dörfer mit spitzen Kirchtürmen, das hübsche Hörsch­weiler im Vordergrund.

Am Ziel, dem Kurhaus Schübel in Schopfloch, hatte sich auch schon die Auto-Abteilung des Vereins eingefun- d»n. Da war für alle gesorgt. Die Tanzlustigen waren voll beschäftigt und auch diereifere" Jugend kam auf ihre Rechnung, im Saal und auf der Terrasse beim kühlm Roten. Ob man nun tanzte,oder mit bunte Reihe machte oder beim Knipsen recht freundlich" war oder einem schmel­zenden Sologesang eines stimmbegabten Mitglieds Herz und Ohr lieh, alles war hübsch und gut. Der Mond stand schon eine gute Weile am Himmel als ein Wagen der Fa. Benz und Koch die wackeren Wanderer in nicht ganz un­unterbrochener Fahrt über Pfalzgrasenweiler und Alten­steig nach Hause brachte.

Calw, 20. Aug. Tödlicher Unfall auf dem Bahnhof Calw. Bei der Abfahrt des Stuttgarter 8-Uhr-Abendzuges ereignete sich gestern innerhalb des Bahnhofes Calw ein schwerer Unfall mit tödlichem Ausgang. Ein vermutlich aus Weilderstadt stammender Reisender (der Verunglückte trug keine Ausweispapiere bei sich) versuchte den bereits anfahrenden Zug noch zu erreichen und kam beim Aus­springen auf das Trittbrett so unglücklich zu Fall, daß er unter die Räder des Zuges geriet und schwere Verletzungen erlitt, denen er auf dem Transport zum Vezirkskranken-

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Der Schmied von Murbach.

' Roman von Leontine o. Winterfeld-PIaten.

Copyright dy Grein« L Comp» Berti» W UV.

Nachdruck verboten.

W. Fortsetzung.

Ihr werdet's erleben, Frau Emintrud," hatte sie Weinerlich gesagt,daß hier alles schief geht auf dem Bürglein. So ist es schon vor Jahrzehnten gewesen, »nd so wird's immer sein. Dieweil ein unholder Geist hier sein Wesen treibt, der keine Ruhe findet im Grabe. Der zerstört und hindert alles, was ein Jsenburger be­gonnen."

Wer Frau Emintrnd hatte die Wte herzlich aus­gelacht.

So will ich als lustige Angretherin versuchen, ihn zu vertreiben. An böse Geister glaube ich nimmer, so kann auch keiner etwas anhaben."

Und sie hatte mit fester Hand Ordnung im Hause ge­schaffen und das Bürglein so wohnlich hergerichtet, als eS nur irgend möglich war. Ms der Frühling ins Land kam» bestellte sie eigenhändig mit ihren Mägden den großen, verwilderten Garten, daß sie Kraut und Gemüse zu essen hatten. Herr Kunräd trieb sich nicht, wie die anderen Ritter seiner Zeit, müßig in Wald und Feld um­her ober hielt Zechgelage in der alten Waffenhalle, sondern »aßte selber überall mit an, wo es not tat. Den Knechten hoA er sein steiniges Land bebauen und urbar zu machen, von früh bis spät schaffte er in den Weinbergen am Sonnenhang und freute sich auf eine reiche Weinernte, die dieses Jahr versprach. Wenn er den Jagdspeer zur Hand nahm und sein Roß bestieg, so geschah es nur, um Frau Ermintrnd ein Wildbret in die Küche zu liefern, das sie benötigte. So wuchs und blühte es ocklerorten um das verrufene Bürglein empor, und als nach Jahresfrist das erste Kind in der Wiege schrie, da kannte ihr Glück keine Grenzen. Aber die alte Magd hatte recht. Das Unglück schlief nicht auf dem Bürglein. Es war bei einem starken Gewitter, daß der Blitz einschlug in die mühsam erst auf­gebauten Stallungen und alles grausam einäscherre bis aus daS Bürglein selbst. Darüber verfiel Herr Kunrad in

große Traurigkeit, und Frau Ermintrnd hatte viel zu tun, ihn wieder aufzuheitern. Die alte Magd knurrte ver­stohlen:Ich hab's ja gleich gesagt." Und mied sogleich alle Spinnen und Eulen, die ihr in den Weg laufen wollten. Denn solches Getier bringt noch mehr Unglück, wie man ja weiß. Frau Ermintrnd erwartete ihr zweites Kind, da kam eine böse Seuche ins Land. Und das älteste Knäblein, der Eltern Wonne und Freude, wurde davon hingerasfr in wenigen Tagen. Da war es, als ob auch aus der Angerether Augen das lustige Lachen für immer schwinden wollte. Sie hatte keine Kraft mehr, ihrem Manne zu widersprechen, der die einzige Rettung für sie alle nur noch in einem Büßergang oder schwerer Wall­fahrt sah. Da meinte auch sie, es müsse wohl so des Hochgelobten Wille sein und fügte sich. Obgleich ihr frischer, gesunder Menschenverstand sich dagegen aufbäumte und sie sich sayte, daß Herr Kunrad daheim viel nötiger und unentbehrlicher sei als da draußen in der unbekannten Fremde. Es war just zu der Zeit, als der König Ludwig IX. von Frankreich, den sie den Heiligen nannten, einen neuen Kreuzzng vorbereitete und eifrig dafür werben ließ. Herr Kunrad, der Tag und Nacht am Eichensärglein seines Söhnleins in der düsteren Familiengruft kniete, oder über die verödeten Schutthaufen seiner abgebrannten Stallungen stierte meinte, am ehesten den bösen Fluch vom Bürg­lein zu wenden, an den er jetzt auch fest glaubte wenn er auch das Kreuz an feinen Mantel hefte und das Schwert gegen die Ungläubigen zog. So ließ er sein armes, blutjunges Weib in ihrer Not allein und stieß mit vielen anderen zu König Ludwigs Heer, das sich am 25. August 1248 zu Aiguesmortes am Mittelmeer nach Zypern ein- schiffte.

Von da an hat Frau Ermintrud nichts mehr von ihrem Gatten gehört. Zwei Monate nach seinem Abschied gebar sie ein Zwillingspaar, das ihr neue Kraft und alten, frischen Lebensmut in das einsame Herz und das ver­lassene Bürglein bringen half. Seitdem waren sieben Jahre vergangen und nie mehr Kunde gekommen von dem fernen Jsenburger und dem Kreuzfahrerheer. Einsam hatte Ermintrud auf dem Bürglein gehaust und ihre beiden Kinder erzogen. Die waren ihre Wonne und ihr Sonnen­schein und blühten wie dis Rosen. Aber auch sonst blühte

und gedeihte es auf dem Bürglein, und die Jsenburgerin hatte es sogar zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Was sie nur anfaßte, geriet ihr wohl. Die Leute dienten ihr willig und gern, denn sie war eine gute und gerechte Herrin. Die Aecker trugen reiche Frucht, und die abge­brannten Stallungen konnten wieder aufgebaut werden. Die alte Magd, die nur Not und Leiden prophezeien konnte, war noch älter und trübseliger geworden und sah nur mit Kopfschütteln dem Tun und Treiben ihrer Herrin zu.

Um diese Zeit geschah es, daß der Graf Rother von Egisheim sich um die Hand der sonnigen Frau Ermintrud bewarb. Denn es galt als sicher, daß Herr Kunrad im Morgenland gefallen und nimmermehr zur Heimat zu­rückkehren würde. Denn wenn einer sieben lange Jahre keine Nachricht gibt und sieben Jahre lang verschollen ist, dann muß er doch tot sein. So sprachen sie alle, auch der Vater und die Geschwister der Jsenburgerin, und ein jeder sah sie als Wittib an.

Nur sie selber tat es nicht.

In ihres Herzens tiefster Tiefe glaubte sie noch an ihres Ehegemahl Heimkehr und wies den Egisheimer zu« rück. Das verdroß ihn nicht, er kam immer wieder und hoffte auf endliche Erhörung. Denn die rasche, kluge Frau mit den roten und den goldblonden, krausen Haarer^ den frischen Lippen und lachenden, blauen Augen hatte es ihm angetan. Da verbat sie sich ernstlich seine Besuche und ließ ihn nicht wieder vor sich. Des Abends aber, wenn sie sich müde geschafft hatte und alles schlief mr Bürglein, stieg sie den steilen Wendelstein empor zum hohen Söller. Dann saß die sonst so tätige Frau ganz still da oben auf der steinernen Brüstung und sah wE? hinab in das schlafende Land zu ihren Füßen. Heber y zogen die stillen, lichten Sterne, zur Seite winkten dunklen Höhenzüge des Wasgaus. In den Baumkro , im Burggarten war ein Raunen und Rauschen, als irrriy eine milde Segenshand beruhigend über oie Gipfel, in Frau Ermintruds Herz stieg groß und heiß bie ^ h sucht. Und ihre blauen Augen wurden naß von b «erc» Tränen. So wartete sie Tag um Tag und Jahr Jahr auf die Heimkehr des geliebten^annes.^ -