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Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter-
Donnerstag, 21. Juni 1828
Schwierige Auffindung Nobiles
Mailand, 20. Juni. In seinem jüngsten Funkspruch gab General Nobile seinem lebhaften Bedauern darüber Ausdruck, daß weder die norwegischen Flieger noch Kommandant Maddailena bei ihren langen Erkundungsflügen das Feld seiner Gruppe ermitteln konnten, obwohl Nobile die genaue geographische Lage gemeldet hatte, um in der Eiswüste entdeckt werden zu können, deren Zerklüftungen viele irreführende Schatten bilden. Die Flieger berichten übereinstimmend, daß das Eismeer eine unglaublich zertrümmerte Bildfläche bilde. Die Flüge werden ununterbrochen fortgesetzt und geeignete Materialien mitgeführt. um es Nobile nach der ersten Landung zu ermöglichen, große Rauchsäulen aufsteigen zu lassen, die den nachfolgenden Fliegern den Weg weisen sollen.
Ein Funkspruch der „Citta di Milano" meldet, daß Dienstag 5.2-5 Uhr Maddalena zur Suche nach Nobile gestartet und um 11.45 Uhr unverrichteter Dinge zurückgekehrt sei. Ueber das französische Flugzeug mit Amund - sen an Bord ist bisher noch keine zuverlässige Nachricht eingetroffen. In der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch verbreitete sich das Gerücht, daß ein im nördlichen Eismeer kreuzendes englisches Fahrzeug einen Funkspruch von Amundsen aufgefangen habe, nach dem das französische Flugzeug bei dem Lager Nobiles niedergegangen sein soll. Eine Bestätigung dieser Nachricht liegt noch nicht vor. Sie ist deshalb mit größter Vorsicht auszunehmen.
Nach einer Meldung aus Kingsbay ist eine halbe Stunde nach Mitternacht Fliegerkommandant Pensa mit seinem Dornier-Wal-Flugzeug in Kingsbay gelandet. Ferner ist jetzt ein großes, dreimotoriges schwedisches Flugzeug in der Kingsbay eingetrvffen. Ueber Spitzbergen herrscht außerordentlich klares, ruhiges und schönes Wetter.
Erneuter Haftentlassungsantrag für Ricklin und Rosse
Paris. 20. Juni. Der katholische elsässische Abgeordnete Michel Walter erklärt, daß er im Hinblick auf die Ablehnung der vorläufigen Haftentlassung der Abgeordneten Ricklin und Rosse seinen in der vergangenen Woche zurückgezogenen Antrag wieder aufnehme, und daß er die Freilassung der beiden von der Kammer jetzt bestätigten Abgeordneten verlangen werde.
Sir Austen Lhamberlains Rückkehr vom Urlaub
Paris, 20. Juni. Der englische Staatssekretär des Auswärtigen hat, von Drides les Bains kommend, heute vormittag Paris berührt, um sofort nach London weiter- lureisen.
Sein Geheimabkommen Japans mit Tschaugtsolia
Paris. 20. Juni. Die japanische Botschaft läßt durch Havas eine Erklärung veröffentlichen, in der die vom „Petit Parisien" verbreitete Nachricht, daß der japanische Gesandte in Peking ein Geheimabkommen mit Tschangtsolin unterzeichnet habe, als jeder Begründung entbehrend bezeichnet wird.
Erhebung Nankings zum Hauptstadt Chinas^
Paris. 20. Juni, havas meldet aus Schanghai: Alle Amtsräume der südchinesischen Regierung befinden sich noch in Schanghai, und zwar in der internationalen und der französischen Zone, wo auch die chinesischen Beamten wohnen. Die offizielle Hauptstadt Nanking ist lediglich der Tagungsort des politischen Rates, der sich darauf beschränkt, die in Schanghai gefaßten Entschließungen zu .billigen.
Württemberg
- Stuttgart. 20. Juni. Vom Planetarium. Im ersten Monat seines Bestehens — Mitte Mai bis Mitte Juni — wurde das Stutgarter Planetarium von insgesamt 12905 Personen (11555 Erwachsene und 1350 Kinder) besucht. Das ist ein erfreuliches Ergebnis, zumal der Zuspruch sich ziemlich gleichmäßig über den ganzen Zeitraum erstreckte und trotz einer Reihe von anderen das Publikum anziehenden Veranstaltungen in unserer Stadt eine stetige Zunahme des Besuches festzustellen war. Die Vorführungen finden nach wie vor täglich um 6 und 8 Uhr abends, Samstags und Sonntags außerdem um 4 Uhr nachmittags statt.
Prälat l). Salb s. Am Montag mittag ist Prälat Kolb ln Üudwigsburg einem längeren schweren Leiden erlegen. Geboren am 2. Dezember 1847 in Basel, hatte er dort zunächst einige Jabre am Missionshaus eine Lehrerstelle inne.
Ae mlmue Arm
von HenriettevonMeerheimb Roman (Margarete Gräfin von Bünau) aus dem
Jahre 1866
40. Fortsetzung (Nachdruck verboten.)
Der Wagen des Königs fuhr gerade durch den Park und bog in den breiten weißen Kiesweg ein, der zur Villa führte.
Die übrigen aus Wien geladenen Gäste waren bereits neben Waldsteins und dem Gefolge im Salon versammelt, als die Herrschaften mit dem König eintraten. Gleich darauf begab man sich zur Tafel.
Die Unterhaltung an dem runden, mit dunklen Vuchen- zweigen und brennend roten Geranien geschmückten Tisch blieb ziemlich steif. Versteckt hinter einer Lorbeer- und Kamelienwand saßen einige ungarische Violinspieler und geigten die wildseligen, berauschenden Zigeunerweisen.
Der Graf Waldstein warf öfters einen Blick auf seine Tochter, die ihm schräg gegenübersaß. Er konnte sich einer stillen, grollenden Bewunderung nicht ganz erwehren, wenn er ihre vollendete Selbstbeherrschung beobachtete. Sie unterhielt sich liebenswürdig mit ihren Nachbarn, niemand hätte in ihrem Gesicht oder Benehmen eine Spur der furchtbaren Aufregungen, die sie soeben durchgemacht hatte, bemerken können
„Aus einen Fürstenthron gehört sie mit ihrem Anstand, ihrer Schönheit!" dachte der Alte wütend. — „Aber nicht in eine elende preußische Leutnantswirtschaft!"
Die Musik verdeckte die langen Pausen, die oft in der Unterhaltung entstanden. König Ludwig fand sehr wenige Berührungspunkte mit dem Erzherzog Albrecht. Dessen Gattin war ihm sogar entschieden unangenehm. Die lang
Die Regierungserklärung im Landtag
Der württembergische Landtag rrat am Dienstag zr seiner dritten Sitzung zusammen, um die Erklärung bei neuen Regierung Bolz entgegenzunehmen. Die Mitglieder des Bauernbundes und Vertreter anderer Fraktionen hatten der Beisetzung des früheren Abgeordneten Schultheiß Müller-Großaspach beigewohnt, weshalb die Sitzung s« spät begann. Tribünen und Logen waren voll besetzt Unter allgemeiner Spannung gab dann Staatspräsiden! Dr. B o lz die Regierungserklärung ab. Sie wen- det sich gegen die Auffassung, daß der starke Stimmenzuwachs der Sozialdemokratie und der Wahlausfall eine Verurteilung der Landespolitik der abgelaufenen Jahre unk eine selbstverständliche Führung der Regierung durch die Sozialdemokratie bedeute. Weder die Verfassung noch der Sinn des parlamentarischen Systems schreiben das vor. Für die Bildung einer Regierung sind noch andere Dinge mit- bestimmend als nur Zahlen.
Zu den bedeutungsvollsten Aufgaben der württ. Politik gehören die Fragen betr. das Verhältnis von Reich und Ländern. Wir wenden uns dabei nicht gegen jede Aenderung und widerstreben nicht einer Aenderung der Zahl und Les Gebietsumfangs der Länder, sofern die Betroffenen selbst eine Aenderung wünschen. Wir sind auch zu weitgehender Rechtsangleichung in den Ländern, jedoch aus dem Weg der Vereinbarung der Länder, bereit. Ein Hauptgrund der Mißstände ist die Zustand igkeitsab- grenzung. Es besteht keine saOiche Notwendigkeit, daß das Reich in immer weitere Verwaltungsausgaben einzudringen versucht und wir sind auch gegen die Derreichlichung einzelner Verwaltungszweige in einzelnen Ländern durch Uebernahme sog. Zuschußverwaltungen auf das Reich. Diese Art der Derreichlichung bringt sicher keine Vereinfachung und keine Verbilligung, sondern nur neue Verwickelungen, namentlich beim Finanzausgleich. Woggegen wir ankämpfen, ist di« Zentralisierung der Gesetzgebungsgewalt und Verwaltungshoheit. Beides ist untrennbar mit dem Begriff des Einheitsstaates nanzausgleich. Wogegen wir ankämpfen, ist die Zentralisierungsbestrebungen im Geldwesen.
Was die Spezialaufgaben des Landes anlangt, so werden Gemeindeordnung, Beamtengesetz, Fidei- kommißgesetz und Gesetz über Anerbenrecht wieder vorgelegt. Die begonnene Arbeit zur Kodifizierung des Landesrechts wird fortgesetzt. In der Frage der Staatsvereinfachung wollen wir das Gutachten des Reichssparkommissars ab- warten, das für Herbst in Aussicht gestellt ist. Von den Steuerlasten drücken am stärksten die Gemeindesteuern.
Wir wollen an das Problem einer anderen Lastenvertei- lung Herangehen, einen größeren Teil von Straßen- und Fürsorgelasten auf den Staat übernehmen und dabei auch die Verteilung der Schullasten nachprüfen. Hinsichtlich der Wirtschaftspolitik stellen wir an die Spitze den Gedanken der wirtschaftlichen Verbundenheit und der Arbeitsgemein, schaft. Von dieser Einstellung aus muß auch die bedrängte Lage der Landwirtschaft behandelt werden. Die Sicherstellung der Lebensbedürfnisse der Landwirtschaft ist ein Erfordernis von überragender Bedeutung. Zur Gesunderhaltung unserer Wirtschaft gehört auch die Erhaltung des Mittelstandes in Gewerbe und Handel und die Erhaltung eines Unternehmertums.
Wir sind auch in Zukunft zur Mitarbeit am Ausbau unserer sozialen Gesetzgebung bereit. Vordringliche Sorge ist der Wohnungsbau. Wir hoffen 7000 Wohnungen in das Programm aufnehmen zu können. Be- absichtigt ist die Vorlegung eines Gesetzentwurfs über das Unterrichtswesen, der zum Ziele hat, das gesamte württ. Schulwesen in organischer Weise zu regeln. Der Entwurf kann wohl schon im Winter vorgelegt werden. Gleichzeitig wird die Regierung Vorschläge Wer die Lösung von Streitfragen machen, die im Unterrichtswesen noch der Erledigung darren, vor allem Wer die Frage der Lehrerbildung. Eine der wichtigsten Aufgaben ist die Erhaltung der sittlich-religiösen Grundlagen unseres Volkstums, vor allem in der Schule und im Schutz der Jugend. Die Regierung wird bestrebt sein, das Wohl und die gedeihliche Entwicklung des Landes zu fördern und richtet an die Parteien die Bitte, die sachliche Arbeit voranzustellen. ^
Die Rede des Staatspräsidenten wurde vom Landtag mit Ruhe angehört und nur durch vereinzelte Zwischenrufe der Sozialdemokraten und der Kommunisten unterbrochen. Die Rechte und die Mitte spendeten am Schluß Beifall. Dann begann die Generalaussvrache.
In der Aussprache Wer die Regierungserklärung betonte der Abg. Keil (S.), die seitherige Regierung sei geschlagen und habe nach der gesunden Logik der Wähler zurückzutreten. Die Sozialdemokratie denkt nickt daran, gewaltsam den Einheitsstaat herbeizuführen. Sie will nur den Leerlauf -er Verwaltung beseitigen. Das Zentrum hat es verhindert, daß die Arbeiterschaft Einfluß auf die Staatsverwaltung bekam, aber die Arbeiterschaft wird sich die verschsassen-n Türen schon ösinen. Die Sozialdemokratie
ibi- Mißtrauen aus. es ist 'Mich! dieser Regierung, sich um ein Vertrauensvotum zu bewerben. Mittwoch nachmittaa Fortsetzunq der Beratung.
Von seiner ersten ständigen Stelle als Stadtpfärrer in Frsu- denstadt siedelte er im Jahre 1885 nach Stuttgart über, wo er bis 1901 als Geistlicher wirkte. Nach kurzer Dekanatstätigkeit von König Wilhelm zum Oberhofprediger und Mit- glied des Konsistoriums berufen, behandelte er neben dem Personalreferat für die württembergischen Geistlichen die Fragen der gottesdienstlichen Ordnung. Unermüdlich schriftstellerisch tätig auch dort, wo er durch mancherlei körperliche Gebrechen behindert war, hat er sich in dem grundlegenden Werk „Die Geschichte des Gottesdienstes in der evangelischen Kirche Württembergs" ein bleibendes Andenken geschaffen.
Von der Technischen Hochschule. Der Ordinarius der Technischen Hochschule in Stuttgart, Professor Dr. Richard Harder, hat den an ihn ergangenen Ruf auf dem Lehrstuhl der Botanik und die Leitung des Botanischen Gartens der Technischen Hochschule in Darmstadk als Nachfolger des Geheimraks Professor Dr. Scheuch abgelehnk.
A.D.A.L.-Gamvertungsfahrt und Ballonverfolgnng in Crailsheim. Sonntag, den 24. Juni 1928, veranstaltet der Gau Württemberg und Hohenzollern des A. D. A. C. seine 2. diesjährige Gauwertungsfahrt, die diesesmal nach Crailsheim führt. Schon mehrere 100 Meldungen sind für diese Gauwertungsfahrt eingetOoffen. Ein besonders anziehender Punkt dieser Veranstaltung wird die zusammen mit dem Württ. Luftfahrtoerband veranstaltete Ballonverfolgung bilden. Führer des Ballons ist Landesbaurat Hackstätter, Würzburg. Man rechnet schon jetzt damit, daß weit Wer ein halbes Tausend Fahrzeuge mit mehreren tausend Insassen an dieser Veranstaltung teilnehmen werden.
Lohuskreikigkeiten der württ. Metallindustrie. Unter dem Vorsitz des württembergischen Schlichters Dr. Kimmich fanden Verhandlungen Wer die Differenzen in der wurtt. Metallindustrie statt. Die Metallarbeiterschaft verlangt einen Mindestlohn van 95 Pfennig sowie b,e Einführung der 48-Stun-cnw"che. Ben Unkern»kmerse>t>' w'^oe laut
„Südd. Arbeiterzeitung" erklärt, es sei unmöglich, Verhandlungen über die Einführung der 48-Stundenwoche zu führen, die gegenwärtige Lage der Metallindustrie erheische sogar die 54-Stundenwoche. Ein Schiedsspruch ist noch nicht gefällt worden.
Aus dem Lande
Vernhausen OA. Stuttgart, 20. Juni. Todesfall. Der älteste Einwohner hier, der Schuhmachermeister Joh. Bertsch, ist gestern im Alter von 97 Jahren gestorben.
Spielbach OA. Gerabronn, 20. Juni. Jagdglück. Die Ehefrau des Jagdpächters Jakob Wirth aus Unter- eichsnroth schoß auf dem Anstand 3 Rehböcke und zwar zwei Sechser und einen Spießbock. Vorigen Herbst gelang es Jagdpächter Wirth, einen Aehbock und eine Aehgeiße aus einen Schuß zu erlegen.
Reutlingen, 20. Juni. Ve r w a l t u n g s a k a d e m i e- Vorträge. Im Rahmen der Reutlinger Vorlesungsreihe der württ. Verwaltungsakademie Stuttgart kamen vor zahlreich erschienener Beamtenschaft zwei weitere Redner zu Wort. Reichsbahnoberrat Kießling behandelte in eingehender Weise die Frage der „Neuzeitlichen Büroorganisation". Der Leiter der Reichszentrale für Heimatdienst, Abtlg. Württemberg-Hohenzollern, Dr. Brönner, sprach über „Geist und Form der freien Rede".
30 Jahre Sladtvorstand. Am 1. Juni ds. Js. waren es 30 Jahre, daß Oberbürgermeister Hepp sein Amt als Stadtvorstand in der Stadt Reutlingen antrat. Aus diesem Anlaß sprach in der letzten Gemeinderatssitzung am Montag Gemeinderat Kurr dem Oberbürgermeister namens des Gemeinderats und der Bürgerschaft Glückwunsch und Dank aus für die treuen Verdienste langer Jahre und überreichte ihm als äußeres Zeichen des Dankes einen Perser» teppich.
atmigen Erörterungen eines alten Generals, der die Schlacht von Königsgrätz jedenfalls gewonnen haben würde, wenn er sie allein zu leiten gehabt hätte, langweilten ihn wie alle militärischen Fragen. Außerdem war er zu gerechtdenkend, um die Fehler so vieler Jahre dem einen österreichischen Feldherrn, dem einst so berühmten, jetzt so tief gestürzten Feldmarschall Benedek, zuzuschreiben. Das vornehme Schweigen, mit dem er alle Vorwürfe und Schmähungen stummgelassen über sich ergehen ließ, berührte verwandte Anklänge in König Ludwigs Seele.
„Gänzlich verstummen, wenn man verkannt oder mißverstanden wird — das ist die einzige Waffe vornehm denkender Naturen," sagte er endlich ernst als die Anklagen kein Ende nehmen wollten.
Der alte General schwieg mit rotem Kopf still. Nachher konnte er es aber doch wieder nicht lassen, als man beim Kaffee in den Salons Herumstand, sich an König Ludwig heranzudrüngen und ihm die Schlachtlinie mit dem Nagel auf der eigenen Handfläche vorzuzeichnen.
König Ludwig hörte und sah freilich kaum hin, aber das störte den unermüdlichen Redner gar nicht. Er nahm das Verstummen des Königs für Einverständnis. —
Die Erzherzogin Mathilde bemerkte die gelangweilte Miene des Königs. Sie wagte aber nicht recht, an ihn heranzugehen. Die Späheraugen der Stiefmutter belauerten sie zu scharf. Endlich gelang es ihr, Gisela in den Erker des Saales zu ziehen. Die älteren Damen umstanden gerade alle die Erzherzogin Albrecht, während die Herren sich im Rauchzimmer sammelten.
„Ich habe Papa alles gesagt, Gisela," flüsterte Mathilde eilig der Freudin zu. „Du sollst bei mir bleiben, bis die „Plage" ihren Urlaub beendet hat und in frischer lln- ausstehlichkeit zurückkehrt."
„Wirklich -ich darf in Hietzing bleiben?" Gisela
lächelte etwas bitter. „Ich fürchtete schon, auf mein Geständnis hin müßte ich dich sofort verlassen." s
„Die Frau Stiesmama wollte das natürlich. Ah — ich verabscheue diese Frau!"
„Nicht doch, Liebling, du mußt sie nicht hassen! Gönne ihr den Triumph nicht, dir böse Gefühle zu erregen, sondern nimm dich ihr gegenüber recht zusammen!"
„Das kann ich nicht — sie ist mir gar zu widerwärtig mit ihrer langen Schlüsselnase, die sie in alles steckt."
Gisela zupfte gedankenlos an den samtlila Orchideen, die zwischen den Farnen und Palmwedeln ihre seltsam geformten Blüten ins Licht reckten.
„Wo spioniert sie denn jetzt wieder herum? Siehst du sie? Ist sie hier im Zimmer?" fragte Mathilde.
Gisela beugte sich vor. „Nein — nebenan sehe ich einen Schimmer ihrer grünseidenen Krinoline."
Mathilde zog verstohlen ein silbernes Etui aus der Tasche ihres weißen Musielinkleides und zündete sich rasch eine Zigarette an. Mit wahrer Wollust sog sie die blauen Rauchwölkchen mit ihren feinen, leicht zitternden Nasenflügeln ein. „Das tut gut aus den Aerger!"
„Mathilde, wenn die Erzherzogin dein Rauchen merkt! Gestern schalt sie erst darüber."
„Ach was! Küssen tun wir uns doch nicht, da rieW sie es halt auch nicht. Verstecken kann ich die Zigarette schnell, wenn sie hereinkommt."
„Ach, wenn ich dich doch erst all diesen peinlichen Verhältnissen entrückt wüßte!"
„Wie sollte das geschehen, Gisela?"
„Kleine Heuchlerin, du weißt ganz genau, was rch meine!" .. ,
Mathilde schüttelte errötend den Kopf. „Gisela könnre Herr von Königseck nicht zur Botschaft nach München gehen, oder dort Kammerherr werden?" fragte sie lebhck -
„Bei der zukünftigen Königin Mathilde von — Geliebte kleine Intrigantin, verteilst du jetzt schon stellen? Nein, mein Herz, aus dem Plan kann urcy werden, so hübsch er auch erdacht ist. Königseck hängt m ganzem Herzen an seinem Beruf und seinem Datertan - Ich könnte ihn nie zu Schritten bereden, die er wahrsche lich später bereuen würde."
(Fortsetzung folgt)