Seite 2 — Nr. 137
Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter
Donnerstag, 14. Juni 1928
-» Die Bekämpfung des Alkoholschmuggels in de» ^ amerikanischen Gewässern
Asheville, 13. Juni. Das Bezirksberufungsgericht hat das Recht der Küstenwachschiffe bestätigt; ausländische Alkoholschmuggelschiffe außerhalb der 12-Meilenzone zu beschlagnahmen, falls sie vorher innerhalb der 12-Meilenzone zum Anhalten aufgefordert waren.
Die Lage in China
London, 13. Juni. Den Blättern zufolge hat die nationalistische Regierung in Peking auf den Einspruch des diplomatischen Korps erwidert, sie habe den Generalen Befehl erteilt, für die Freilassung der in Peking widerrechtlich gefangenen Nordtruppen zu sorgen.
Nach einer im japanischen Kriegsministerium eingegangenen Meldung soll Tschangtsolin nunmehr den Wunden, die er bei dem Bombenanschlag erhielt, in Muk- den erlegen sein.
Schanghai, 13. Juni. Eine konsularische Meldung bestätigt, daß nationalistische Truppen in Tientsin eingerückt sind.
Mrltemberg
Stuttgart, 13. Juni.
Interessengemeinschaft für Ferngasversorgung aus de« Ruhrgebiet. Zwischen den Städten Stuttgart, Karlsruhe, Manncheim, Ludwigshasen a. Rh. und Frankfurt a. M. schweben zurzeit Verhandlungen über einen Zusammenschluß im Bezug von Gas, das bei dem gewaltig steigenden Bedarf der südwestdeutschen Städte von dem Kohlenzentrum des Ruhrgebiets als Ergänzung der eigenen Erzeu» Mng in absehbarer Zeit wird bezogen werden müssen. Das Abkommen steht vor dem Abschluß und umfaßt vorerst die Stadt Stuttgart, die Frankfurter Gasgesellschaft, die Stadt- gemeinde Mannheim und die Südwestdeutsche Gas-Aktiengesellschaft. Diese Stellen werden stets gemeinsam mit dem Gaslieferanten, der Ruhrgas-Aktiengesellschafr, Sitz in Essen, verhandeln: Lieferungsbedingungen und Gaspreis müssen für alle die genannten Abnehmer die gleichen sein. Es ist anzunehmen, -aß alle größeren Städte Südwestdeutschlands sich anschließcn werden.
Ernennung eines katholischen Divisionspfarrers. Als Nachfolger des im Januar verstorbenen Divisionspfarrers Schwenck bei Wehrkreis V wurde vom Reichswehrministe- rium mit Wirkung vom 1. Juni der frühere Divisionspfarrer Ernst Albrecht Stump ernannt.
Mehr Milch! Um einem vielgeäußerten Wunsch der Stuttgarter Bevölkerung nachzukommen, wird nunmehr ln mehreren der Munz'schen Trinkhallen trinkfertige Vollmilch in Originalfüllungen der Milchversorgung Stuttgart an Passanten zum sofortigen Genuß ausgeschenkt.
Aus dem Lande
Sleinglattbach OA. Vaihingen, 13. Juni. Tödlicher Unfall. Der verh. 27. I. a. Schreiner Julius Schneider führte abends ein Stück Vieh seines Vaters umher. Durch das Glockenzeichen eines Radfahrers wurde das Tier plötzlich scheu und warf seinen Führer so unglücklich zu Boden, daß er das Genick brach und kurze Zeit darauf starb.
Heilbronn. 12. Juni. Bezirksversammlu'ng der gemeinnützigen Bauoereine Württembergs. Eine stattliche Anzahl Vertreter von fast allen Genossenschaften des Unterlandes und des Stuttgarter Bezirks, soweit sie dem Verband der Gemeinnützigen Bauvereine Württembergs angeschlossen sind, fanden sich am Sonntag zu einer gemeinsamen Aussprache über die Lage des Wohnungsbaues 1928 zusammen. Auch eine Anzahl Gemeinden hatten Vertreter entsandt. Baurat Daser gab einen längeren Bericht über die Lage am Baumarkt. Das Bauen wird von Jahr zu Jahr teurer; die Finanzierung immer schwieriger. Die Genossenschaften lehnen den vom Reichsarbeitsministerium propagierten Bau von Kleinst- wohnungen ab und können nur geräumige und solid gebaute Wohnungen empfehlen, wenn sie sich nicht großen, finanziellen Gefahren aussetzen wollen. Die Darlehen der Wohnungskreditanstalt sollten erhöht und der Zins für Dar
lehen für Erwerbshäuser dem für Mietshäuser gleichgestellt werden. Die Gemeinden sollen allgemein neben den Darlehen der W.Kr.A. gemeindliche Darlehen in gleicher Höhe und zu den gleichen Bedingungen gewähren. Die Anliegerbeiträge sollten ermäßigt und langfristig gestundet werden. Die Beleihungsgrenze für Baugenossenschaften muß auf 90 Prozent des Schätzungswertes allgemein festgesetzt und die Beleihung bis zu 90 Prozent auch praktisch durchgeführt werden. Die Vürgschaftsgebühr der Württ. Kreditanstalt wird als nicht berechtigt angesehen und deren Beseitigung gefordert. Die Reichszwischenkredite sind bei nur 90 Prozent Auszahlungskurs und dem derzeitigen Zinsfuß für Genossenschaften nicht tragbar, eine Erhöhung des Auszahlungskurses auf mindestens 98 Prozent und eine Senkung des Zinsfußes auf mindestens 5 Prozent sind unbedingt notwendig
Hellbronn, 13. Juni. Die erste Probefahrt der Straßenbahn Neckargartach. Nachdem nun der Ober- und Unterbau der Gleisanlage fertiggestellt ist, fand gestern vormittag die erste Probefahrt auf der gesamten Bahnstrecke statt, die einen sehr befriedigenden Verlauf nahm. Die Straßenbahn wird am Freitag, den 27. Juni, eröffnet werden.
Boalngen OA. Heilbronn, 13. Juni. Submissionsblüten. Das Ausschreiben über die Vergebung der Kanalisationsarbeiten für die nördliche Vorstadt hatte wieder einige interessante Submissionsblüten gezeitigt. Das höchste Angebot für diese Bauarbeiten lautete auf 191 000 Mark, während die niedersten Angebote mit 118 000 und 119000 Mark eingereicht wurden.
Rottenburg. 13. Juni. Jahrhundertfeier des Bistums. Nuntius Pacelli hat seinen Besuch der Jahrhundertfeier d?s Bistums Rottenburg zugesagt. Zu seinen lehren findet am 25. Juni abends ein Zapfenstreich der Burgergarde mit Beleuchtung des Doms statt. Am 26. Aigens werden der Nuntius und die Festgäste durch die Geistlichkeit abgeholt. Um 9 Uhr ist Festpredigt des Bischofs Pontifikalamt des Nuntius im Dom, 9.15 Uhr Festpredlgt und Pontifikalamt in St. Moritz. Um 2.3^ Uhr beginnt die Festhandlung in der städtischen Festhalle.
Reuilmgen, 13. Juni. Der erste Wanderkurs der württ. Berwaltungsakademie wurde am Samstag in Reutlingen eröffnet. Die Vorlesungen von Verwaltungsaktuar Holoch und Minister a. D. Dr, Schalk waren von über 140 Beamten aus den Bezirken Reutlingen. Nürtingen, Rottenburg, Tübingen und Urach besucht. Am Samstag, den 16. Juni, finden die Vorlesungen ihre Fortsetzung, wofür zwei weitere Redner gewonnen sind.
Oberhausen. OA. Reutlingen, 12. Juni. Eineschwie - r, ge Sitzung. Am 5. Juni hielt der Gemeinderak eine Sitzung ab, in der festgeskellt wurde, daß ein Mitglied des Kollegiums den Vorsitzenden und einige Gemeinderaksmit- Meder beleidigt habe. Die auferlegke Buße sollte in einer Abbitte bestehen. Darauf ging der betreffende Gemeinderat jedoch nicht ein. Dies veranlaßte einen der Beleidigten, von seiner Faust Gebrauch zu machen, und der ins Gesicht Geschlagene sank in die Knie. Mit den Worten: .Ich habe bloß die Wahrheit gesagt, bei euch bleibe ich nicht mehr' verließ er den Sitzungsaal. Auf das Nachspiel darf man gespannt sein.
Lbingen, 13. Juni. Das Nägelehaus auf dem Raichberg, das vom Schwäb. Albverein zu Ehren des langjährigen Vorsitzenden Prof. Nägele errichtet wurde und das nun annähernd fertiggestellt ist, soll am 12. August feierlich eingeweiht werden. Der Turm, von dem aus man einen herrlichen Rundblick hat, wird am 1. Juli für den allgemeinen Besuch gegen ein Eintrittsgeld von 20 ^ freigegeben. Der Wirtschaftspächter wird womöglich auf 15. Juli aufziehen.
Tuttlingen. 13. Juni. Q u e lle n f un d e. Die Bewohner der Talhöfe sind für ihren Wasserbedarf auch heute noch in der Hauptsache aus angesammeltes Regenwasser angewiesen, sie haben daher seit Jahrzehnten den begreiflichen Wunsch einer besseren Wasserversorgung. Die Tuttlinger Stadtverwaltung ließ nun durch den Wünschelrutengänger Otto Gräßle nach Quellen forschen, der denn auch drei f genügend starke Wasseradern feststellte, die beim Talhof ge-
,°n kftMM r-dmigSI-l »nd ,n s°s-
Neu-Ulm, 13. Juni. Der Dank des Ozeanflie-. gers. Haupkmann Köhl, der neue Ehrenbürger der Stadt an Oberbürgermeister Nuißl nachstehendes Dankschreiben gerichtet: .Neuyork, 29. Mai 1928. Hochver- ehrter Herr Oberbürgermeister! Ich möchte für die großarti- gen Ehrungen, tue mir meine Geburksskadk Neu-Ulm im Ver- folg unseres geg ückken Osk-West-Fluges hak zuteil werden lassen, meinen allerherzlichsten Dank aussprechen. Ich werde nicht verfehlen, nach meiner Rückkehr meine liebe Heimat- skadk Neu-Ulm aufzusnchen. Ueber den genauen Zeikpunkk meines Besuches kann ich Ihnen heute leider noch keinen definitiven Bescheid geben. Das Programm für unsere Reise >n Deutschland können wir von hier aus nicht festlegen. AM k"n wärmsten Grüßen an meine Heimatstadt verbleibe ich Ahr sehr ergebener Köhl.' ^
Aus Stadt und Land
Nagold. 14. Juni 1928
Sprich nicht Böses von einem Menschen, wenn du es nicht gewiß weißt; und wenn du es gewiß weißt, so frage dich: warum erzähle ich es? Lavater
»
Lebe der Gegenwart !
Wer ängstlich von der Zukunft träumt,
Hat oft die Gegenwart versäumt.
Die Menschen sind sich gleich geblieben, denn auch im Altertum glaubte man das Schicksal, das uns vorher bestimmt ist. Göttinnen und Götter führten damals den steinernen Griffel, mit dem sie jedes Menschen Leben bei feiner Geburt in das große Lebensbuch einzeichneten. Die Parzen standen bei den Griechen Pate. Lachesis sang von der Vergangenheit, Klotho von der Gegenwart und Atro- pos von der Zukunft. Sollen wir uns nun auch weiter mit Vergangenheit und Zukunft beschäftigen und dabei die Gegenwart vergessen?
Das, was gewesen ist, bleibt unwiderruflich. Es ist nichts mehr an dem zu ändern, was wir getan haben. Die Zukunft entgeht uns nicht. Der nächste Tag kommt ganz von selbst mit seinen Sorgen und seinen Freuden. Die Gegenwart aber ist es, in der wir leben, schaffen und arbeiten können, der wir ganz und gar gehören sollen.
Haben wir einen Gewinn davon, uns in das zu versenken, was vorbei ist, unsere Zeit mit Trauern und Klagen über Entgleisungen, die wir begangen haben, oder mit wehmutsvollen Ergüssen über verschwundene schöne Zeiten auszufüllen?
Bringt es uns Nutzen, unsere Gedanken nur auf die Zukunft zu richten, uns an ihrer rosigen Schönheit zu freuen oder uns mit Sorgen über kommende Tage und Wochen zu quälen?
„Vergangene Zeit gehört den Toten an, die Narrheit hoffet auf der Zukunft Heil, der Weise hält sich an die Gegenwart, die ewig junge, und nimmt sie wahr". Nicht über die Vergangenheit sinnen und brüten, nicht an der Zukunft verzagen, sondern in dem „Jetzt" müssen wir leben und den Augenblick nutzen, der uns noch gegeben ist. Wer weiß, ob wir noch einmal . . . ., aber das ist schon wieder Zukunftsmusik.
Dienstnachrichten
Der Herr Staatspräsident hat ernannt: den Studienassessor Dr. Paul Müller in Stuttgart zum Studienrat der Gruppe 4b an der evangelischen Lehrerbildungsanstalt in Nagold und den Kanzleiassistenten Sailer bei dem Amtsgericht Ulm zum Gerichtsvollzieher in Horb.
»
Bezirksjägervercinigung Herrenberg.
Man schreibt uns: Wie alljährlich, so auch dieses Jahr fand dies mal in Jselshausen das Tontaubenschießen der Jägervereinigung Herrenberg statt. Anwesend waren vom
Hie verlmne Krone
vonHenriettevonMeerheimb ^man (Margarete Gräfin von Bünau) ^ ^
Jahre 1866
35. Fortsetzung (Nachdruck verboten)
In der Musik wird jeder Begriff zum Gefühl. Darum lebte seine phantastische Seele so ganz in dieser Kunst und flammte zum hellsten Enthusiasmus für den Meister auf, der diesen Zauber in noch ungehörten Melodien und Märchenbildern schuf. Ein Wonneschauer durchrieselte ihn in dem bewußtsein, diesem Genie zum Siege verhelfen zu können. Immer höher flogen seine Gedanken im unermeßlichen Reich der Phantasie, sie schuf ihm Schlösser, in denen er seinem Herrschergedanken Ausdruck gab — einsame Burgen versteckt, wo niemand seine heilige Einsamkeit, seine weltfremden Neigungen störte. In München mußte ein Wunderwerk entstehen, in welchem des Meisters geniale Werke ganz so, wie er es wünschte, aufgeführt wurden vor einem Publikum, das wenigstens annähernd die geheimen Seelenkämpfe, den Werdegang dieses genialen Künstlers durch seine Musik begriff —
„Mein Vater Parzifal trägt seine Krone,
Sein Ritter ich — bin Lohengrin genannt."
König Ludwig schreckte aus seinen Gedanken auf. Er nahm die Hand der Sängerin und preßte seine Lippen auf das feine Gelenk. „Ich danke Ihnen für diese Stunde, Mathilde! Sie empfinden die göttliche Schönheit, den tiefen Weltschmerz, der in dieser Musik liegt, mit mir?"
„Ja Wenn ich diese Melodien singe, vergesse ich alles andere sie tragen mich fort in unermeßliche Fernen." In ihren Augen glänzte dieselbe Begeisterung, wie in König Ludwigs Blicken.
Erzherzogin Mathilde trat mit König Ludwig etwas mehr in den Hintergrund des Saales, während Gisela, um das leise Gespräch dcr beiden nicht zu stören und die Aufmerksamkeit der anderen von ihnen abzulenken, in die schwermütige Melodie des Pilgerchors aus dem Tannhäuser überging.
„In meiner Familie, in meiner ganzen Umgebung stehe ich allein da," fuhr König Ludwig melancholisch fort. „Alle reden mir von meinen Regentenpflichten vor, meine Armee soll ich vergrößern, Regierungsgeschäfte erledigen. Mich erfaßt solche Ungeduld bei ihrem Drängen. Diesen Menschen, die nichts von mir begreifen, immer nur von mir fordern, soll ich mich selber opfern? Ich kann und mag von diesen Dingen nichts hören. Wenn ich mein Erdenwerk, meine Aufgabe, wie ich sie verstehe, vollenden soll, kann ich nur aus meinem tiefsten Innern die Kraft dazu gewinnen. Von außen regt mich alles nur zur Bitterkeit auf. Einst glaubte ich meine Frausnseele gefunden zu haben, die glsich mir nach hohen Zielen strebte — es war ein Wahn. Können Sie es verstehen, daß mir jetzt nur noch in der Einsamkeit wohl ist? Mit meinem Volke in den Bergen verkehre ich gern. Für das ist ein Teil meines Wesens offenbar. Meine Bauern, meine Jäger lieben in ihrem König den Mann, der mit ihnen fühlt, der gern in irgendeiner Mmhütte mit einem Bund Heu und einem Glas Milch zufrieden ist. Aber gegen das andere, das äußere, rein materielle Leben, das sich mir beständig aufdrängen will, muß ich mich stets verteidigen. Aus meinen Beziehungen zur Weit, deren Wesen sich meinem Wesen gegenüber immer schmerzlicher, trostloser fühlbar macht, trete ich immer bewußter und bestimmter zurück. Sehen Sie, Mathilde, das ist der Riß, der durch mein Leben geht! Ich bin Künstler, ohne eine Kunst ausüben zu dürfen. Das Schicksal stellt mich auf einen Platz, von dem aus ich für die Gesamtheit wirken soll, und gab mir dabei den tiefsten Hang zur Einsamkeit. Ich suchte meine Seele und fand nur einen leeren Körper. Ein Jrrlichtertanz des Wollens und Wähnens ist das ganze Leben, dazwischen gestreut sind seelenlose Tage mit widerwärtigen Geschäften und steifer Etikette ausgefüllt."
König Ludwigs blaue Augen hatten einen so düsteren, nach innen gerichteten Ausdruck angenommen, daß Mathilde erschrak. „Aber Ludwig! — Daß sie sich des Meisters Wagner angenommen haben, daß Sie der einzige sind, der dies Genie begreift — das dankt Ihnen die Welt, von der Sie mißverstanden werden, doch noch einmal."
Das Gesicht des Königs klärte sich auf. Seine Blicke ruhten auf der zarten Gestalt Mathildes, die wie der Frühling selber ihn unter ihrem Blütenkranz anlächelt.
Ja, sie war schön, anmutig und begehrenswert. Gab es wirklich für ihn, den verbitterten Sonderling den einsamen Träumer, doch noch ein volles, irdisches Menschenglück, verklärt durch Poesie, geweiht durch ein großes, gemeinsames, künstlerisches Streben?
„Mathilde — ich glaube, Sie könnten mich verstehen lernen!" Seine Blicke tauchten tief in die ihren. Er las darin eine so heiße, hingebungsvolle Liebe, daß ein Schauer von Wonne und Weh ihn durchrieselte.
Sie waren beide so im Banne dieser Stunde, daß sie es kaum bemerkten, als Gisela Waldstein den Flügel ver ließ und sich der ganzen Gesellschaft eine gewisse erwartungsvolle Unruhe bemächtigte. Alle merkten dem König Georg deutlich seine Erschöpfung an und wagten doch nicht, König Ludwig zum Aufbruch zu veranlassen.
Sein Adjutant faßte sich endlich ein Herz und meldete den seit lange vorgefahrenen Wagen.
König Ludwig faßte sich schnell. „Gut! — ich komme. — Morgen früh reite ich mit der Kaiserin Elisabeth. Schließen sie sich uns an, Mathilde?"
Die junge Erzherzogin sah ihren Vater fragend an. —
„Gewiß — wenn die Kaiserin so gütig ist, dich mitzunehmen," bewilligte Erzherzog Albrecht.
„Ach, wie ich mich freue! Wenn es doch schon morgen früh wäre!"
König Georg verabschiedete sich sehr freundlich von seinen hohen Gästen. Prinzeß Frederike blieb steif. Gisela empfand das deutlich. Die Prinzessin gab ihr heute nur flüchtig die Hand, während sie sich bisher nie ohne Umarmung von ihr trennte. Sie verabredete auch kein Wieder, sehen für den nächsten Tag.
Die Erzherzogin Mathilde bemerkte nichts davon. Sobald sie mit ihren Eltern zu Hause angekommen war, versuchte sie, mit Eesela rasch zu entschlüpfen.
Aber die Erzherzogin Albrecht verhinderte den Fluchtversuch. Die arme Kleine mußt erst eine endlose Strai rede über sich ergehen lassen. „Das unpassende, viel zu dreiste Benehmungen gegen König Ludwig, das unerhorn Zigarettenrauchen, das alberne Klimpern mit den Mönchen war geradezu empörend!" zankte die Stiefmutter.
Mathilde widersprach mit keiner Silbe. Sie ließ den Wortschwall über sich Hinrauschen und war froh, als pe nun endlich gehen durfte. (Fortsetzung folgt)