Seite 2 — Nr. 67
Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter"
Dienstag, 20. Miirz 1928
Württemberg
Stuttgart. 19. März. Besuch ausländischer Journalisten in Stuttgart. 30 Mitglieder des Vereins der ausländischen Presse in Berlin, darunter die Vertreter der bekanntesten holländischen, englischen, amerikanischen, russischen, spanischen, schwedischen, norwegischen, dänischen, ungarischen, polnischen, schweizerischen und japanischen Zeitungen trafen unter Führung des Herrn Drszö Vertesi-Budapest und des Legationsrats Dr. Thomfen vom Auswärtigen Amt, Berlin, am Samstag abend auf der Rückfahrt von Friedrichshafen, wo sie den neuen Zeppelin und die Dornier-Flugzeugwerke besichtigt hatten, in Stuttgart ein. Sie folgten zunächst einer Einladung der würt- tembergischen Presse in den Speisesaal des Turmrestaurants im Hauptbahnhof.
Am Sonntag vormittag wurde den Gästen auf Einladung der Stadt Stuttgart in einem zweistündigen Rundgang die Schönheiten der Stadt und ihre historischen Sehenswürdigkeiten gezeigt. Den Abschluß des Rundganges bildete ein Empfang der Gäste in den Repräsentationsräumen der Stadtverwaltung, in der Villa Berg. Gegen 142 Uhr wurde den Teilnehmern in einer Rundfahrt die Umgebung der Stadt gezeigt. Die ausländischen Pressevertreter äußerten sich immer wieder außerordentlich befriedigt über das Gesehene. Gegen 9 Uhr wurde die Heimreise nacb Berlin angetreten.
Demokratische Kandidaten. Die Vertreterversammlung der Deutschdemokratischen Partei Württembergs und Hohenzollerns befaßte sich mit der Aufstellung der Kandidatenliste für die Landtags- und Reichstagswahl. Aus der Landesliste für die Landtagswahl steht an erster Stelle Oberbürgermeister Schees-Tübingen, dann Geheimrat Dr. Bruckmann-Heilbronn, Minister a. D. Dr. Schall, Johannes Fischer, AbA. Mathilde Planck. Für Stuttgart-Stadt kommt an erster Stelle Staatspräsident a. D. Dr. v. Hieber, Kar! Hausmann und Frau Dr. Vilma Kopp-Degerloch. Für die Reichsliste wurden die bisherigen Abgeordneten Geheimrot Dr.-Ing. Wieland-Ulm und Dr. Heuß-Berlin aufgestellt.
Landwirtschaft und Hochspannungsmasten. Die Abgeordneten Dingler, Dr. Häcker, Stooß und Wernwag haben folgende Kleine Anfrage an die württ. Regierung gerichtet: .Wie bekannt, werden zur Zeit die Vorarbeiten für den Großkrafkweg, der die Wasserkräfte der Alpen mit dem Rheinland verbindet, in Württemberg durch das Rhein- Westfälische Elektrizitätswerk bzw. die Growag vorgenommen. Ein Kilometer Leitung soll 100 000 Mark kosten. Die Landwirtschaft soll auch hier, wie immer beim Bau derartiger Leitungen, dazu verurteilt sein, die meisten Lasten für A u f- stellung der Masten zu tragen. Selbstverständlich muß die Landwirtschaft eine angemessene Entschädigung hie- für verlangen. Um diese Frage friedlich, schiedlich zu regeln, wurde von der Württ- Landwirkschaftskammer und dem Landw. Haupkverband ein Ausschuß gebildet, der die Aufgabe erhielt, mit den Elektrizitätswerken hierüber zu verhandeln. Trotz weitestgehendem Entgegenkommen seitens der Landwirtschaft hak der Verband der Elektrizitätswerke Württembergs und Hohenzollerns die nach peinlichen Berechnungen ausgestellten Richtlinien für Entschädigung der Masten abgelehnt. Wir fragen deshalb das württ. Staatsministerium: 1. Welchen Einfluß besitzt Württemberg in der Growag? Ist der württembergische Staat im Aufflchtsrat maßgebend vertreten? 2. Ist die württ Regierung bereit, die Landwirtschaft in ihren Bestrebungen zu unterstützen, eine nach Recht und Billigkeit festgesetzte Entschädigung für die Aufstellung der Masten zu erhalten, oder soll die Landwirtschaft wie bei der zuletzt gebasten Leitung Pforzheim—Fellbach der Willkür und Verschleppungstaktik der Elektrizitätswerke ausgeliefert werden?'
Tübingen. 19. März. Autounfall. Der 21 Jahre alte Heinrich Krauß von hier wollte auf einem Auto-An- hängewagen von Hirrlingen nach Stuttgart fahren. Beim Durchfahren hier lehnte sich Krauß zu weit über den Wagen heraus und stürzte ab. Krauß erlitt einen komplizierten Unterschenkelbruch und sonstige Verletzungen.
Derendingen. OA. Tübingen, 19 März. Bleid lebst ab l. Bei den Gas- und Wasssrleitungsbauten hat der
22 I. a. verh. Erwin Rilling erhebliche Mengen von Blei gestohlen. Er wurde beobachtet, wie er einen Zentner Blei in einem Komposkhausen vergrub
Holzgerlingen OA. Böblingen. 19. Mürz. Ein Kind von einem Auto tödlich überfahren. Als das 6jährige Söhnchen des Schneiders Ehr. Renz vor einem Müllersuhrwerk die Hauptstraße überqueren wollte, kam ein in mäßigem Tempo fahrendes hiesiges Auto gegen das Müllerfuhrwerk. Das Kind befand sich nun zwischen beiden Fahrzeugen und wurde so unglücklich vom Auto erfaßt, daß es auf der Stelle getötet wurde
Trichtingen OA. Sulz. 19. März. Wertvoller Fund. Bei der Entwässerung auf der Markung Trichtingen, etwa 150 Meter von der Römerstraße entfernt, wurde bei Ausübung des Grabens ein interessanter, wertvoller Fund gemacht, nämlich ein Silberring mit 30 Zentimeter Durchmesser. 13 Pfund schwer, mit zwei Ochsenköpfen in kunstvoller Verzierung. Allem Anschein nach handelt es sich um ein Symbol von einem Götzenstandbild aus der Römerzeit, das einen hohen Metall- und Altertumswert hat.
Rottwest, 19. März. DieQuellen beiderNeckar- burg. Der Streit um die Quellen bei der Neckarburg ist noch nicht beendigt.. Die Stellen, die an der Fassung der Quellen interessiert sind, behaupten immer noch, daß das Wasser einwandfrei sei und sagen: Von den fünf Quellaustritten, die bei der Neckarburg vorhanden sind, konnte nur bei zwei kleineren, in ihrem Ursprung zusammenhängenden Ausläufen nach einer sehr ausgiebigen Färbung des Erlenbachs und nach sehr langer Zeit ein Zusammenhang nachgewiesen werden. Bei den übrigen drei Quellen, die mit Rücksicht auf die größere Ergiebigkeit und dein vorzüglichen Befund bei der chemischen Untersuchung für die Versorgung der Gemeinden allein in Frage kommen, besteht dieser Zusammenhang nicht.
Meder eine Grippewelle
Die im Vergleich zu der Grippewelle, die am 19. Dezember letzten Jahres ihren Anfang nahm und bis zum 11. Januar dauerte, etwas leichtere zweite Grippeepidemie in Stuttgart begann etwa in der ersten Woche des März. Namentlich die Schulen werden davon betroffen; einige Klassen z. B. sind nur noch zur Hälfte mit Schülern besetzt. Schwer sind diese Erkrankungen glücklicherweise nicht, wenigstens nicht im allgemeinen. Sehr günstig für die Ausbreitung der Grippe sind staubige und windige Tage, da es sich hauptsächlich um die Erkrankung von Atmungsorgane handelt, die dann besonders angegriffen werden. Eine Bewegung zum Abflauen ist noch nicht festzustellen. So waren am letzten Donnerstag erst etwa -100 neu Erkrankte gemeldet. Es ist jedoch anzunehmen, daß diese zweite Grippewelle in kurzer Zeit oorübergehen wird.
Auch auf dem Landeist die Grippe stark verbreitet und in manchen Gemeinden mußte die Schule geschlossen werden.
Aus Stadt und Land
Nagold. 20. März 1928
Der Witz ist eine Rakete, die zischend emporsteigt, der Humor ihre leuchtenden Kugeln, die still Herabfinken. Peter Sirius.
Aussaat
Seit mehr als zwei Wochen herrlichen Sonnenschein und gleichmäßig gutes Wetter. Wer Gelegenheit hat, am Sonntag aus der Stwdtenge ins Freie zu kommen, sieht die Felder gleichmäßig trocken und gewahrt, daß trotz der am Morgen oft noch niederen Temperatur mit der Saat doch schon begonnen ist. Besonders die großen Güter sind voraus und haben weite Flächen bereits bestellt. Die kleinen Besitzer sied oft noch zurück. Warum das? Man weiß doch, daß frühe Saat meistens eine gute Ernte bedeutet und die Bodenbeschaffenheit und das Wetter kann kaum besser sein als eben iekt.
Woraus wartet der Bauer noch? Wer morgens früh oder bei einbrechender Dunkelheit durch die Fluren geht, wird des Rätsels Lösung bald heraus haben. Es sind die riesigen, nach Tausenden zählenden Schwärme von Saatkräben, die. von ihren Nachtquartieren kommend, oder diesen zufliegend, bei Tag über jeden eingesäten Acker herfallen und die ausgestreuten Körner zu erbeuten suchen. Am schlimmsten ober treiben sie es, wenn die Saat aufgeht und die Drillreihen sichtbar sind. Je weiter diese in Abständen auseinander stehen, desto dichter liegen die Körner beieinander. Die Vögel hauen dann mit ihren starken Schnäbeln tief in den Boden und reißen die Keimlinge heraus. Was nicht verzehrt wird, verdirbt. Wo es fick um große Parzellen handelt, ist es der Mühe wert, einen Wächter aufzustellen, um die Krähen zu verscheuchen. Der klein« Besitzer ist machtlos, denn er hat nicht so viele Leute, um seden Acker zu hüten. Bon landwirtschaftlicher Seite ist wiederholt angeregt worden, im Winter zu versuchen, den Schädlingen durch Gift beizukommen und sie gemeinsam zu bekämpfen. In Stuttgart weiß man es besser, befürchtet die Ausrottung der Krähen und spricht von dem Nutzen dieser Vögel für die Landwirtschaft. Bis heute ist den Dauern von einem solchen nichts bekannt. Der Bauer sieht nur den Schaden. Soll es immer noch heißen „Der Bauer muß genug haben an dem, was ihm Unwetter und Ungeziefer übrig läßt?" — Er arbeitet für alle, sät und erntet für alle und braucht deshalb die Hilfe von allen.
Der schriftliche Lehrvertrag
Aus einer Erhebung, die der Gau Schwaben des Deutschnationalen Handlungsgehilfe,i-Berbandes im Jahre 1927 veranstaltet hat» geht hervor, daß immer noch eine erhebliche Zahl von Lehrverträgen im Kausrnannsberuf nicht schriftlich abgeschlossen wird. Einer mündlichen Verpflichtung darf aber in der heutigen Zeit leider nicht mehr die Bedeutung beigemessen werden, als zu einer Zeit, da das Wort „Mit Gott" auf der ersten Seite des Hauptbuches des Kaufmanns wohl noch eine allgemein tiefere Bedeutung hatte, zumal wenn der schriftlichen Abfassung des Lehrvertrags Widerstand entgegengesetzt wird. Es kommt heute noch recht oft vor, daß Lehrlinge bei den „Lehr"-Firmen zu Arbeiten herangezogen werden, die absolut nichts mit der Ausbildung zu tun haben. Noch häufiger ist der Fall, daß die Lehrlinge nicht alle Abteilungen des Betriebes durchlaufen oder auch sonst einseitig ausgebildet werden.
Die Eltern der Lehrlinge oder deren Stellvertreter können durch Abschluß eines schriftlichen Lehrvertrags Vorsorge treffen, daß ihr Sohn solcher Ausbildungspraxis nicht ausgesetzt wird. Eine seriöse Firma, die es als ihre Pflicht betrachtet, dem Lehrling eine gediegene kaufmännische Ausbildung zuteil werden zu lassen, die ihn befähigt, nach Beendigung der Lehrzeit wohlausgerüstet in den Gehilfenstand zu treten, wird stets zum Abschluß eines schriftlichen Lehrvertrags bereit sein. Bei Streitfällen aus dem Lehrverhältnis stellt sich immer wieder heraus, daß zumeist, zum Schaden der Lehrlinge, den Hinweisen der Berufsberatungsämter und Berufsverbände nicht genügend Beachtung geschenkt wird.
Unter den Berufsoerbänden Kai z. B. der Deuksch- nationale HandlungsgehUienverbcmd einen Mustcrlehrver- trag herausgegeben, der sämtliche notwendigen und gesetzlichen Bestimmungen über die beiderseitigen Rechte und Pflichten enthält und auch von seiten der Lehrherren als recht und billig anerkannt wird Allen Eltern wird zu ibrem eigenen und ihres Sohnes Vorteil angeraten, sich in allen Fragen der Berufswahl und des Lebroerhältnifses im kaufmännischen Berufe an den kaufmännischen Berufsverband zu wenden, der auf diesem Gebiete über mannigfache Erfahrung verfügt.
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Fortsetzung (Nachdruck verboten)
Und da schob es sich heraus aus den halbmannshohen Farnwedeln, ein massiger, grauschwarz- und gelblichweißgefleckter Wildkörper — „Uff! Wusf—wuff!" — „Peng!"
Hart und rund peitschte der Hall des Kleinkalibers durch den träumenden Frieden, der Keiler knickte zusammen, pflügte mit dem Eebrech den schweren, schwarzen Humusboden, wendete, da fiel der zweite Schuß, riß ihn zusammen.
„Weidmannsheil, gnädige Frau, und meinen allerherzlichsten Glückwunsch!"
Sie schien nicht zu hören, ging quer durch die Erlen- stqngen, schwang sich mit einem federnden Sprung über den Graben. Im Nu war ich neben ihr:
„Vorsicht! Ein krankgeschossenes Hauptschwein versteht keinen Spaß . . .!"
Aber da lag der Basse, verendet, beide Kugeln gut Blatt
. Frau Sophie kniete nieder, betastete die elfenbein- weiß schimmernden Gewehre, die braunen, gekrümmten Haderer, und plötzlich faßte sie nach meiner Hand, strahlte mich an .
„Ich dank' Ihnen, dank' Ihnen tausend-tausendmalü! So Hab' ich mich nur amal g'freut, wissen S', damals bei dem Sechzehnender!"
„Und ich freue mich noch mehr, gnädige Frau, daß gerade Sie den alten Einzelgänger auf die Schwarte legten, der Kerl war schon seit Jahren bekannt, — dafür gibt's auch einen besonders großen Bruch, — und was nun der Binzenz sagen wird?"
Eine Rachtschwalb« surrte dicht an uns vorbei, wie mit einem Schlage waren alle Farben erloschen, tief und schwer fielen die Schatten der warmen Jumnacht Ich mußte mahnen.
„Es wird Zeit für den Heimweg!"
„Ja,ja, gleich . . ." Noch einmal berührten die kleinen rosigen Finger die harschen Rückenfedern:
„Aber dem Vinzenz sagen wir vorerst nichts, dös gibt ane lleberraschung!"
Der erwartete uns schon, hatte seinen dritten und besten Bock geschossen, einen ungeraden Achter mit einer kleinen Nebenrose und breit ausgelegten, pechschwarzen Stangen. Als wir dann, nach dem Abendessen, noch gemütlich bei- sammensaßen, rumpelte drunten der Wildwagen über den Kies, gleich darauf trat der Diener ein:
^Förster Thieme hat den Keiler gebracht!"
Meinem Freund fiel fast die Zigarre herunter.
„An Kei-ler?! Ja, aber sag' nur g'rad ..."
Doch da war Frau Sopherl auch schon zur Tür hinaus, stürmte immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinab.
„Alterle, hast du den . . .?!"
„Nein, dein Frauerl, einen ganz kapitalen Weißbunten, schau ihn dir nur mal an!"
Auf der Rampe lag das urige, wehrhafte Wild, rot bestrahlt vom Widerschein der Windlichter. Man soll die Feste feiern, wie sie fallen ... Ich stieg in den Keller und holte noch zwei Flaschen 1868er Johannisberger Schloßabzug herauf, füllte die hohen, grünlichen Römer:
„Weidmannsheil, gnädige Frau! Daß Sie und der Vinzenz mir in jedem Jahre die Freude machen, meine lieben Gäste zu sein!"
Es war der Abend des 19. Juni 1903 . . . Und kein Ahnen kam mir, daß sich auf den Tag vier Monate danach das Schicksal zweies mir so lieben Menschen erfüllt haben würde, daß ich es dann kennengelernt hatte:
Das große Grauen.
Schloß Terofal in der Oed, am 1. Sept. 1903.
Mein lieber, guter Alter!
Heute bin ich wirklich in Verlegenheit, wie ich beginnen soll; denn ich muß Dir eine Absage schicken. Weißt ja wohl noch, daß wir für den Herbst ein Wiedersehen in Terofal ausg'macht hatten und nun . . . Aber Du brauchst nicht zu erschrecken, Alterle, mit der Sopherl und mir ist's nichts, sind beide gesund und fidel, bloß seit acht Tagen bin ich nimmer zur Ruhe gekommen, ist nämlich ein „Bauernschreck" im Revier, ein Wolf, der Fährte nach. Hast wohl nichts davon gehört in Deiner stillen Waldeinsamkeit, trotzdem sogar die hauptstädtischen Zeitungen drüber berichtet haben. Die Bestie hat mir das ganze Revier rog-
lig gemacht, alles Rotwild versprengt, und der Niki Per- negg mit seinen Leuten, die ärarischen Beamten, ich und meine zwei Jäger sind immer auf den Füßen. Haben aber nichts in Anblick bekommen. Manchmal findet man einen frischen Riß, oft ist wieder Ruhe, und wenn man meint: „So, schön, jetzt is dös Malefizvieh ausgewechselt" — za. Schnecken, gleich spukt's wieder! Zehn Pfund sicher habe ich abgenommen, bin halbete Nächte, ganze Tage draußen und grantig, grantig! Alterle, sei mir nicht böse, gelt'? Von einem Beisammensein hätten wir jetzt nichts, ich muß erst einmal wieder heraus aus der Oed, Menschen sehen, nicht bloß Steiner und himmelhohe Berge. Ende Oktober fahren wir nach Kis-Erdö, da kommst Du dann zu uns, schießt Hirschen und Sauen so viel als Du magst. Mein Frauerl würde lieber heute als morgen packen, geht aber nicht, erst muß der Bauernschreck her! Du, so habe ich mich nie geplagt um einen Löwen oder Leoparden. Weißt Du noch, wie der „Halidi," der Achenziboy, mitten in der Nacht ins Zelt kommt: „Simba, bwana!" Fünf Minuten später hat es geschnallt, und am anderen Morgen haben wir dev alten Mähnenlöwen gefunden, leider schon angeschnitten. Wenn ich bloß wüßte, wo das Teufelsvieh hergekommen ist! 1862 hat mein Vater den letzten geschossen, vor 41 Jahren. Ist am Ende auch nur ein großer, verwilderter Hund, aber die Leute reden natürlich gleich allerhand ungereimtes Zeug, ein Werwolf, womöglich einer, der mit dem höllischen Schürmeister in Verbindung steht. Sind halt Einödbauern, da kann man nichts machen, gegen die dummen Leute wächst kein Kräuterl. Sei nicht bös, Alterle, wenn ich schließe, ich will wieder ins Revier, es läßt mir keine Ruhe. D' Sopherl läßt recht schön grüßen, und ich bin heute und allezeit in Treue mit Handschlag
Dein Vinzenz.
L. 5. Du, der Keiler ist sein geworden, rein närrisch war das Frauerl vor Freude!
Nachdenklich faltete ich das Schreiben zusammen, da fiel aus dem Umschlag noch ein Zeitungsausschnitt heraus:
„Bauernschreck. Unter dieser Bezeichnung macht in letzter Zeit ein starkes Stück Raubwilo, das — wie Kenner versichern — der Fährte nach nur ein Wolf sein kann, in der Gegend um Rheiderspitze und Hochkogel viel von sich reden. Außer zahlreichem Nutzwild wurden auch mehrere Stücke Jungvieh gerissen. Hoffentlich gelingt es bald, des sagenhaften Untiers^ das hoffentlich für die armen Einödbauern zu einer wahren Landplage geworden ist, habhaft zu werden."
(Fortsetzung folgt.)