Leite 2 — Nr. 57
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Donnerstag, 8. Marz 1828
sekretäre des Statistischen Landesamts Grundgehälter von 2800 bis 4200 Mark vor. Die Gruppe wird nach der Vorlage angenommen.
Der Zusammentritt des Landtags. Zufolge einer Zu- schrift des Landtagspräsidenten Körner wird der Finanzausschuß am Samstag zu der Frage Stellung nehmen, ob es angesichts des vorliegenden reichen Arbeitsstoffs möglich sein wiü». den Landtag, wie es vorgesehen war. schon am 13. März wieder einzuberufen Ferner wird die Frage behandelt werden, ob die Landtagswahl mit der Reichstagswahl zu verbinden sei. Für die Landtagswahl war bekanntlich bereits der 29. April in Aussicht genommen worden.
Die Hauptversammlung des Landesoerbaads württ. Amtskörperschostea wird am 16. April in Stuttgart stattfinden. Der Präsident des neuen Landesarbeitsamts Südwestdeutschland. KSlin. wird einen Vortrag über Bersicher- ungsangelegenheiten, besonders über die Arbeitslosenversicherung. halten. Der Vorstand empfiehlt den Amtskörper- schasten. die Erstattung von Aufwendungen der sog. alten Krisenfürsorge (nach dem 1. Oktober 1927) abzulehnen. Der Landesverband stimmt den Grundsätzen für ein Reichs- bewahrungsgejetz zu. die entstehenden Kosten seien aber Reichs- und Landessache.
Stuttgart. 7. März. Saatgutäcker. In einer Anfrage der Zentrumsfraktion des Landtags wird die Regierung ersucht, von der Reichsregierung Beiträge zu erwirken für die Bestrebungen, in den ländlichen Gemeinden Saatgutäcker anzulegen.
Zweite Voltsschuldieastpcnsung Ende Mai und Anfang Juni d. I. wird auf evangelischer wie aus katholischer Seite die zweite Botksschutdienstprüsung abgehalten.
ep. Kirche und Heimarbeiter. Mit anderen Zweigen des Wirtschafts- und Erwerbslebens steht die Heimarbeit besonders unter dem Druck der heutigen Gesamtlage. Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Sozialfürsorge ist darum in den letzten Jahren auch die Heimarbeit gesetzlich geregelt worden. Es wurden Fachausschüsse errichtet, denen die Aufgabe zufällt, für die Hebung der wirtschaftlichen Lage und für die Wohlfahrt der Hausarbeiter durch Vermittlung beim Abschluß von Tarifverträgen bezw. durch Lohnfestsetzung besorgt zu sein. Der Sitz dieser Fachausschüsse für Hausarbeit ist in Stuttgart. Hegelstr. 1. Das neueste Amtsblatt des Evang. Oberkirchenrats weist die eoang. Geistlichen auf diese Einrichtung hin. Es sei erwünscht, daß die Geistlichen der zahlreichen Gemeinden, in denen sich Heimarbeiter und Heimarbeiterinnen finden. Kenntnis erhalten von der Einrichtung und der Tätigkeit der oben genannten Behörde, die auf Anfrage zu jeder Auskunft bereit ist.
Aoswärtigea-Dorflellung beim Diirtl. Landeskhealer. Al« Fremdenoorstellung für auswärtige Theaterbesucher gelangt am kommenden Sonntag, den 11. März, nachmittags 3 Uhr, im Großen Haus die beliebte komische Oper „Zar und Zimmermann" von Albert Lortzing in der diesjährigen Neueinstudierung zur Aufführung Der Borstellungsbeginn ist auf 3 Uhr gelegt, Ende 6 Uhr. Die auswärtigen Theaterfreunde werden ganz besonders auf diese einmalige günstige Gelegenheit, eine Opernaufführung nachmittags zu hören, hingewiesen. Kartenbestellungen sind umgehend schriftlich an die Kasse des Großen Hauses oder die auswärtigen Verkaufsstellen zu richten, da Karten nur noch in beschränktem Umfang verfügbar sind
Von der Wohnungsbau Siedlung. Die Häuser der Werkbundausstellung auf dem Weißenhof sind nun alle vermietet bis auf die beiden unmöglichen Häuser des Franzosen Corbusier. Es besteht der Plan, sie an die Kunstgewerbeschulo zu vermieten zur Erweiterung der graphischen Abteilung (Zeichensäle), falls der Landtag der Erweiterung dieser Schule zustimmt.
L«tteciegewiun. In die Lotterieeinnahme von I. Schwei- tert, Stuttgart. Marktstraße 6. fielen in der Klafsenlotterie weitere Gewinne von 10000 Mark (Nr. 174 469) und LOOS Vkrrk (Nr. 189171).
Reutlingen. 7. März. Schiedwecken Heute feiert unsere Stadt wiederum einen alten Brauch. Es ist Schied- weckentag. Er hängt mit dem Aufhören des früher üblichen Lichtstubenbetriebs zusammen. In den Schaufenstern der Bäckerläden prangen heute die Fleischpasteten in allen Größen und Formen und laden zu besonderen Genüssen ein. Im Krieg ruhte dieser Brauch, aber er ist jetzt wieder in seinem früher gewohnten Umfang ausgenommen morden.
Tübingen. 7. März. Ein Betrüger. Gegen den früheren Liegenschaftsvermittler Rudolf Gwinner von hier schwebt gegenwärtig eine Untersuchung wegen Betrugs. Seit Jahren hat er Teilhaber gesucht, sich von diesen Geldbeträge als Geschäftseinlage geben lassen und diese für sich verbraucht.
Rottenburg. 7. März. Der Orgelumbau im Dom. Die große Orgel, aus dem früheren Kloster Schöntal stammend, hat durch die Gebrüder Späth einen abermaligen Umbau erfahren. Der Aufbau, mehr in die Höhe strebend, sowie auch das Gehäuse sind dem Stile der Kirche angepaßt. Die beim letzten Umbau vor zwei Jahren angebrachten vorspringenden Kästen sind wieder verschwunden. Auch das Gebläse ist nicht mehr sichtbar.
Schwenningen, 7. März. BauausstellungSchwen- ningen 1928. Das Stadtschultheißenamt plant, im Juni eine Bauausstellung zu veranstalten, die drei Wochen geöffnet sein soll.
Ochsenhausea OA. Biberach, 7. März. Autolinie. Mit der Eröffnung der Autolinie Ochsenhausen—Erlenmoos —Laubach—Edelbeuren—Gutenzell ist demnächst zu rechnen, sobald die Genehmigung eingegangen ist.
Friedrichshafen. 7. März. Selbstmord? Im hiesigen Gondelhafen wurde bei Tagesanbruch der 42 I. a. Direktor Friedrich Volk aus Stuttgart tot aufgefunden. Es liegt vermutlich Selbsttötung infolge unheilbarer Krankheit vor.
Landesverband zur Bekämpfung der Tuberkulose
Der Württ. Landesverband zur Bekämpfung der Tuberkulose hielt am 24. Februar seine Mitgliederversammlung ab. Als Vertreter des Innenministeriums war Ministerialrat Dr. v. Scheurlen erschienen. Der Vorsitzende, Präs. B i e s e n b e r g e r, und der Geschäftsführer berichteten über die in den Jahren 1926 und 1927 vom Landesverband entfaltete Tätigkeit, die durch die Satzung und eine Bekanntmachung des Innenministeriums bestimmt wird. Das Tub- Heilverfahren wurde weiter ausgebaut, die Fürsorgestellentätigkeit gefördert: die Einrichtung eines Tuberkulosenkran- kenhauses in der Nähe von Stuttgart ist durch Beiträge des Staats, der Stadt Stuttgart und der Landesoersicherungsanstalt gesichert. An die Tuberkulosefürsorgestellen sind Beiträge des Staats, des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose und des Landesverbands in der Höhe von 115 000 -4L verteilt worden. Die Einnahmen des Landesverbands sind gestiegen: der Staatsbeitrag ist aus 50 000 -4L, der der L.V.A. auf 60 000 -4L festgesetzt, eine beträchtliche Summe ist von den Krankenkassen zu erwarten. Dazu kommen die Beitrüge anderer Organisationen und der Einzelmitglieder. Infolge der Erweiterung der Tätigkeit ist aber mit wesentlich größeren Ausgaben zu rechnen als bisher. Prof. Dr. Linser - Tübingen hielt einen Vortrag über den Lupus, diese entsetzliche Form der Hauttuberkulose. die auch in Württemberg zahlreiche Menschen entstellt und zugrunde richtet. Die interessanten Ausführungen, die durch gute Lichtbilder ergänzt wurden, fanden die größte Aufmerksamkeit und lebhafte Anerkennung. Der Landesverband will erreichen, daß auch jeder nichtoersicherte minderbemittelte Tuberkulöse in Württemberg so gut versorgt wird, wie es sein Krankheitszustand erfordert, und daß die gesunden Kinder und Erwachsenen vor der Tuberkulose bewahrt werden. Damit er auch i. I. 1928 diesem Ziel wieder etwas näher kommen kann, ist er auf die Unterstützung des ganzen Landes und die Gewinnung zahlreicher Mitglieder angewiesen. Der Jahresbeitrag beträgt 5 -4L. Geschäftsstelle: Rote- bühlstraßs 133, Fernsprecher 605 40, Postscheckkonto 325 42.
Aus Stadt und Land
Nagold, 8. März 1928
Die besten Frauen sind notwendigerweise am schwersten zu kennen: vornehmlich erkennt man sie am Glück ihrer Männer und an der edlen Art ihrer Kinder; der Fremde kann ihren Wert nur ahnend empfinden, nicht deutlicher erkennen; manchmal erscheinen sie außerhalb ihres Hauses fast Hilfslos. Ruskin.
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Dieuftuachrichte«.
Der Herr Staatspräsident hat eine Obersekretärsteüe der Gruppe VII bei dem Staatsrentamt Hirsau dem Verwaltungspraktikanten Fischer daselbst übertragen. Die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung hat die Wahl des Landwirts Georg Finkbeiner in Erömsbach, Oberamts Freudenstadt, zum Ortsvorsteher dieser Gemeinde bestätigt.
Neuaufnahme in das Seminar Nagold.
Aus Grund der im Februar abgehaltenen Aufnahmeprüfung werden im neuen Schuljahr, das am 19. April beginnt, 27 Schüler in Klasse l des Seminars neu eintreten Außerdem werden in Kl. ll 4 Schüler ausgenommen, die z. Zeit die mittlere Reifeprüfung oblegen und ebenfalls die Aufnahmeprüfung erstanden haben. Die Namen der neu eintretenden Schüler find folgende: Klasse l: Becht, Erich. Birkenfeld; Vürkle, Immanuel, Martinsmoos; Dieterle, Emil, Roßwag OA. Vaihingen, F a user. Friedrich, Calw; Fink, Helmut. Rottenburg; Ger lach, Erwin, Roßwag OA. Vaihingen; Groß, Otto, Lehenweiler OA. Böblingen; Haas, Friedrich, Lombach OA. Freudenstadt; Haug, Ad. Vaihingen a. E-; Kirchherr Gustav, Zainen b. Liebenzell; Knaus, Wilhelm, Dornhan OA. Sulz; Krauß, Friedrich, Tübingen; Kunz, Siegfried, Schramberg; KÜrner, Fritz, Tübingen; Maser. Gerhard, Tübingen; Moll, Helmut, Freudenstadt; Mühlbach. Robert, Weilersteußlingen OA. Ehingen; Oelschläger, Gerhard, Birkenseld; Reichert, Paul, Sersheim OA. Vaihingen; Rometsch, Paul, Liebelsberg OA. Calw; Schmid, Robert, Bernbach b. Herrenalb; Stallbaum, Willy, Tuttlingen; Stoll, Fritz, Birkenfeld; Storz, Walter, Tuttlingen; Storz, Wilhelm. Neuhausen OA. Tuttlingen; Welker, Fritz, Egenhausen OA. Nagold; Wörner. Erich. Tübingen. -Klasse«: Vürstle, Friedrich. Vebenhausen; Dieterle, Richard, Oberndorf a. N.; Ese nwein. Richard, Tübingen; L e n g, Wilhelm, Sulz a. N.
Schiilerabend der landw. Winterschule Nagold
Am Freitag Abend hielt die landw. Winterschule wieder einen ihrer in diesem Jahre verschiedentlich hier und dort im i Bezirk stattgefundenen Schülerabende ab und zwar dieses Mal im „Hirsch" zu Pfrondorf. Rach Begriißungsworten des Herrn > Schultheißen Vetter, der insbesondere die Herren Landwirtschaftslehrer Häcker und Kurtz willkommen hieß, hielten ein- ! zetne Schüler Referate über verschiedene den Landwirt interessierende Fragen. So referierte Schüler D ü r r-Mindersbach ! über den Obstbau. Er sprach über die Wichtigkeit der Sor- l tenwahl und die Einhaltung genügender Abstände bei Neu- ! Pflanzungen. Dies kommt besonders bei Grundstücken, die Wert ! auf Unterkulturen legen, in Frage. Es ist hierbei wegen des verschiedenen Nährstoffverbrauchs der beiden Kulturarten auf richtige Düngung zu achten; nicht nur ein einseitiges Düngen mit Jauche, sondern vielmehr auch mit Kali und Phosphorsäure. Sodann wurde noch auf die Schädlingsbekämpfung durch Anlegen von Klebgürteln im Herbst bei Verwendung von nur gutem Material und auch das Bespritzen der Bäume mit llra- niagrün und Kupfervitriol hingewiesen. Der zweite Vortrag, von Schüler R o l l e r-Ettmannsweiler gehalten, behandelte die Frage „Führung und Verbesserung des Betrie- b e s". Er ging von dem Standpunkt aus „Felder nützen, Häuser stützen", denn zuerst müssen die Aecker in Ordnung sein, ehe man an die Herstellung von teuren Bauten denken kann. Nur die vorherige Bearbeitung des Bodens ermöglicht eine erfolg-
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17. Fortsetzung
(Nachdruck verboten)
Aber auch der fidelste Polterabend hat einmal ein Ende. Punkt zwölf Uhr wurde Halali geblasen. Eigentlich war ich ganz froh, daß der Hauptrummel nun vorüber war; am anderen Vormittag um elf Uhr sollte die Trauung in der Dorfkirche stattfinden, das junge Paar wollte noch vor dem Hochzeitsdiener wegfahren, und ich hatte gebeten. ob ich zu dem Nachtzuge, der zwei Stunden nach Mitternacht von Köröpülü aus ging, einen Wagen bekommen könnte, da brauchte ich Keresz-Erdö erst gegen sechs Uhr abends zu verlassen, konnte noch am 16. November Wien erreichen und auf der Rückreise ein paar Bekannte besuchen.
In meinem Zimmer glosteten die Kaminfeuer. Ich machte nicht erst Licht und öffnete ein Fenster, um die kühle, erfrischende Nachtluft hereinzulassen. Deutlich zeichneten sich die hellerleuchteten Fensterrahmen von der Schneedecke ab; denn der Mond hatte eine Zipfelmütze über die Ohren gezogen und war hinter eine im Westen aufsteigende Wolkenbank gekrochen Ich brannte mir eine Zigarette an, streifig zog der zerflatternde Rauch ins Freie. Und nun erlosch ein Lichtschein nach dem anderen. Irgendwo klappte eine Tür. die sich, leise quetschend, in den verrosteten Angeln drehte. Durch den Schnee kamen eilige, — knisternde Schritte. — Schritte, die man nicht hören sollte und deren Geräusch in der Stille der Nacht doch deutlich vernehmbar war. Unwillkürlich horchte ich aus. Da! Eine dunkle, schlanke Gestalt huschte lautlos wie eine Katze an meinem Fenster vorüber, trat in den Schatten einer Taxushecke, und nun Stimmengeflüster, einzelne rasch gesprochene Worte
„Du darfst es nicht tun, ich — ich habe dein Wort?"
„Mein Wort? Im Scherz gegeben, als Scherz auf- geiaßt"
„Das ist eine Lüge!"
Ein halb unterdrückter Ausruf:
„Du! Laß mich los!-" Dann ein Fluch, jagende
Schritte, ein elastischer Sprung wie von einem Raubtier, für eines Herzschlags Dauer der Schimmer eines weißen Gewandes unter einem Umschlagetuch flimmerndes Gold- Haar — — — mit hartem Schnappen fiel die Tür ins Schloß, kreischend drehte sich der Schlüssel. —
Beim ersten Laut hatte ich das Fenster schließen wollen, die Rolle des unberufenen Zeugen widerstrebte mir, aber
nun stand ich regungslos, wie erstarrt-lieber Gott
-diese Stimme!-Das-das war doch-
Gräfin Sophy!-
Und dann geschah etwas Merkwürdiges: mitten in dem grellgelben Lichtkegel des einzigen noch erleuchteten Zimmerfensters stand plötzlich eine seltsame Gestalt, stand da wie hingezaubert: schlank, sehnig,-die nachtschwar
zen Augen unter den starken, an der Wurzel zusammengewachsenen Brauen hatten einen harten, spöttischen Ausdruck, die scharfgebogene Nase und das eckige Kinn ver rieten Willenskraft, und um den fest geschlossenen, bartlosen Mund lag ein brutaler Zug.
„Hubertus Silvester!" Unwillkürlich hatte ich es ganz
laut gerufen, beugte mich vor,-aber da war die
Erscheinung auch schon verschwunden, als hätten die Schatten der Nacht sie aufgesogen. —
Neben mir klirrte ein Fenster, gleich daraus pochte es kurz und hart an meine Tür.
„Wer ist da?" fragte ich.
„Ich — Vinzenz!"
Rasch schaltete ich den Lichthebel ein und öffnete:
„Was ist denn nur-?"
Mein Freund stand auf der Schwelle, aschfahl, mit hängenden Armen, die Blicke wie erloschen.
„Aber — Vinzenz!"
Er schloß die Tür, zog mich ins Zimmer:
„Ich-ich-habe ihn gesehen-"
„Wen denn ?"
„Den-den Hubertus Silvester, grad' unter meinem
Fenster, ich woll t die Vorhänge zuziehen, schaute zufällig hinaus-"
„Unsinn! So, jetzt setz' dich erst mal," ich drückte meinen Freund in einen der Sessel: „Deine Nerven haben dir einfach einen Streich gespielt oder der Sekt."-
„Rein, nein, an Eid kann i drauf ablegen!"
„Ra schön, meinetwegen, dann war's eben eine zufällige Aehnlichkeit Die Herren Magyaren haben alle so
etwas vom Typ des wilden Jägers — war denn der Mann allein?"
„Dös woaß i nöt, Hab' ihn eh' nur a halbe Sekunden geseh'n."-
Ich atmete auf, — so, nun hatte ich Oberwasser!
„Aber Vinzenz — eine halbe Sekunde, da kann auch die flüchtigste Aehnlichkeit täuschen, noch dazu bei der ungewissen Beleuchtung! Geh', sei gescheit, leg' dich zu Bett, du bist abgespannt, siehst Gespenster."-
Er lächelte, sein kindgutes, ein wenig unbeholfenes Lächeln:
„Hast am End' recht, Alterle, an Narr bin i no — war heut' an anstrengender Tag." —
„Eben, und morgen darfst du nicht schlapp machen, tu's mir zuliebe, und versuche ein paar Stunden zu schlafen."
„Will's probieren." — Er stand auf, schwerfällig, den massigen Körper leicht geneigt. Und plötzlich legte er die Arme um meinen Hals, sah mir ganz fest in die Augen:
„Du guter Kerl, i dank' dir!" Dann ging er rasch zur Tür, klinkte sie zu, ohne sich noch einmal umzusehen.-
Jeder Nerv in mir fieberte. Da ließ ich nun meinen besten Freund gehen, ließ ihn gehen, ohne zu sprechen.
Aber was wußte ich denn eigentlich. Konnte ich daraus schwören, daß es die Gräfin d'Harancourt gewesen war?! Es gab unter den Gästen eine ganze Menge blonde, junge Damen, möglicherweise war es auch ein Stubenmädel, eine Zofe gewesen, die sich hier mit ihrem Liebsten ein Stelldichein gab . . . Nur, daß die beiden deutsch gesprochen hatten . . . Ach was, das taten fast alle Ungarn, und dann . . . eigentlich hatte ich ja gar nichts gehört, das irgendwie belastend gewesen wäre, die Dame oder das Mädel wies einen Zudringlichen zurück . . . nein, ich würde mich mit meinem Verdacht nur lächerlich machen! Und dann rief ich mir das Bild der Gräfin Sophy ins Gedächtnis — eine unbesonnene, leidenschaftliche, aus Jagdpassion begangene Torheit konnte man ihr vielleicht zutrauen. eine heimliche Liebschaft . . .? Unsinn? Alles andere eher! In diesen dunklen Augensternen schlummerte nur eines: Jagdleidenschaft, die keine Schranken kannte, die stärker war selbst als die Liebe ... Ich atmete auf, meine Menschenkenntnis hatte mich noch niemals im Stich gelassen, und ich glaubte, auch die Frau zu kennen, besser zu kennen, als andere Männer dies vermögen; denn ich stand ihnen kühl gegenüber, ließ mich nicht so leicht täuschen und betören durch die tausend kleinen Künste.
(Fortsetzung folgt.)