er
Ämts-«n- ÄnzeioevlLtt tür
esellscli alter
deir VbecmntsvczrrkMtgotS
Mil äer lanäwirlschastlichen Mochendeiiag« „Haas-, Sorten- unä Lanäwirtschast"
Nit äen illustrierten Unterhaltungsbeilagen
-Feterftunäen" unck Unsere Heimat"
vezugspreife: , . ^
Monatlich einschließlich rrägerlohn ^ 16k I ^ ^ _ _
Linzelnummer 10 ^ I IN
erscheint an jeäem Werktage'
verbreitetst« Leitung im 0 V.-öezirt klagolck Aihrtftlettung, Druck u. Verlag von S. V. Lattrr (Xarl Satter) Nagolü
^«legramm-Kärefse: Gesellschafter Nagotch Zn Zöllen höhere» Gewalt besteht kein Anspruch am Lieferung äer Leitung oäer aus Rückzahlung äer vezugrpreise». — Postscheckkonto Stuttgart SN»
Anzeigenpreise:
vi« einspaltige Seile au» gewöhnlicher Schrift oäer ckeren Raum 15 Zamilten-Rnzeigen 12 ^ Retlame-Setle 45 Lammelanzetgen 50*/, Russchlag Ztr äa» erscheinen von Unreinen in bestimmten tlnezaben »nö an bes-naeren Plätzen, wie für telephonisch« tlusirLtz« »nä chiffre-tinzeisen «irä kein, Sewähr übernommen
Samstag, den 24. Dezember 1927
Fernsprecher Nr. 89
191. Jahrgang
Die Landwirtschaft an der Jahreswende
In einem Rundfunk-Vortrag, den Reichsminister Schiele über „Die Landwirtschaft an der Jahreswende" hielt, führte der Minister aus:
Mengenmäßig sind die Ernteergebnisse in diesem Jahr etwas besser als im Jahr 1926. So ist die Brotgetreideernte am annähernd eine Million Tonnen und die Kartoffelernte um 80 Millionen Doppelzentner gestiegen. Dieser Gewinn geht aber zum großen Teil dadurch verloren, daß fast alle Früchte durch das Unwetter erheblich gelitten haben. Immerhin rechtfertigt der Ausfall der Ernte die Feststellung, daß zu einer Besorgnis hinsichtlich der Versorgungslage der städtischen Bevölkerung kein Anlaß vorliegt.
Auf dem Gebiet L?r Viehhaltung liegen die Verhältnisse wesentlich trüber. Durch starke Angebote sind die Preise in den letzten Monaten ständig zurückgegangen. Die Schweinepreise sind , heute weit unter die tatsächlichen Erzeugungskosten gesunken. Erfreulicherweise hat der Fleischverbrauch in Deutschland in diesem Jahr etwa wieder die Höhe der Vorkriegszeit erreicht. Es bedeutet eine Großtat der Landwirtschaft, daß es ihr gelungen ist, trotz aller widrigen Verhältnisse den Viehbestand wieder auf ein der Vorkriegszeit angenähertes Maß zu bringen.
Die Wertung der volkswirtschaftlichen und insbesondere der handelspolitischen Stellung der Landwirtschaft wächst. Freilich beweist gerade die neuerliche Entwicklung unserer Handelsbilanz, daß wir von gesunden Marktverhältnissen noch weit entfernt sind. Im Hinblick auf die Passivität unserer Handelsbilanz st eine zielbewußte Hebung der heimischen Produktion zu fordern. Nur eine diesem Ziele zustrebende Wirtschaftspolitik kann die Gefahren beschwören, die aus der andauernden Passivität für unsere Finanzen und unsere Währung drohen. Ohne eine solche Handelspolitik ist die Landwirtschaft, insbesondere des deutschen Ostens, verloren.
Das entscheidende Merkmal der gegenwärtigen Lage unserer Landwirtschaft ist die Tatsache, daß eine erschreckend große Anzahl der Betriebe mit Defizit arbeitet. Me Folge dieses Notstandes sind Milliardenoerluste, die die Landwirtschaft in den veraanaenen Jahren erlitten
hat. Die bedenklichste Seite der Verschuldung der Landwirtschaft liegt einmal in der Kurzfristigkeit der persönlichen Schulden und ferner in der ungeheuerlichen Z i n s e n l a st, die sich aus 850 Millionen Mark jährlich beläuft.
Die Reichsregierung hat die Entwicklung dieser Verhältnisse mit ernster Besorgnis verfolgt. Sie sieh: es als eine ihrer wichtigsten Aufgaben für die nächste Zukunft an, auf eine Ordnung der landwirtschaftlichen Schuldverhältnisse hinzuwirken. Mittel sind die Umwandlung der schwebenden Schulden in langfristigen Kredit und eine Absenkung der untragbaren Zinslasten. Die Reichsregierung wird in Kürze die erforderlichen Maßnahmen treffen. Hierbei wird die Landwirtschaft selbst entscheidend mitzuwirken haben durch unablässige technische Vervollkommnung und Rationalisierung der Betriebe und des Absatzes, sowie Standardisierung und Qualitätssteigerung der Produkte, wodurch die Konkurrenz mit dem Auslande erfolgreich ausgenommen werden kann. Was uns der Versailler Vertrag an Land und Gut geraubt, was uns Kriegs- und Nachkriegszeit an kulturellen Schäden zugefügt habe, muß ersetzt werden durch gesteigerte Wirtschaftsenergie, die aus dem deutschen Boden das letzte herausholt, was herauszuholen ist.
Der Minister wies dann auf die Hilfsmaßnahmen hin, die in letzter Zeit für die Landwirtschaft ergriffen worden sind. So wird auf 5 Jahre von Reichswegen ein Betrag von jährlich 6 Millionen Mark bereitgestellt werden, um den Zinsendienst für landwirtschaftliches Meliorakionskapital auf tragbare Sähe zu verbtlllgen. Für das Molkereiwesen werden jährlich 1,5 Millionen Mark 5 Jahre hindurch für Zinsverbilligung vom Reich ausgeworfen. Die Produktionssteigerung in Gartenbaubetrieben dienen Reichskredite in Höhe von 5 Millionen Mark und ebenso werden für den Weinbau namhafte Mittel ausgeworfen. Die Hoffnung ist berechtigt, daß die Landwirtschaft bei Reich und Ländern dasjenige Verständnis und diejenige Hilfe findet, die sie in ihrer bedrohlichen Lage mit Recht erwarten darf.
Unerhörte „Kriegsentschädigung
Paris, 23. Dez. Am Senat wies der Penstonsminister Marin darauf hin, daß unter den nach dkm Versailler Vertrag von Deutschland .wiedergutzmnachenden Schäden" sich auch die Sühne dafür befinde, daß die Gefangenen in Deutschland .mangelhaft ernährt" worden seien. Die Regierung schlage hiesur eine Deutschland in den Daweszahlungen aufzunehmende Entschädigung von 5 0 Millionen Franken, verteilt auf 5 bis 6 Acchre, vor, die als französische Staatseinnahme in den Haushalt einzustellen sei. Der Berichterstatter, Senator Cheron, erhob gegen den Vorschlag Widerspruch, weil die Summe viel zu niedrig sei. Die ehemaligen Kriegsgefangenen verlangen eine Entschädigung von 600 bis 700 Millio- nenFranken.
Die Entschädigungsforderung für angebliche mangelhafte Verpflegung der französischen Gefangenen kann man nur als ruchlosen Hohn bezeichnen angesichts der Tatsache, daß in Deutschland infolge der völkerrechtswidrigen englischen Blockade während des Kriegs und als Kriegsfolge über 600 000 Zivilpersonen dem Hungertod überliefert wurden. Herren Ffkinwlen batten es bekanntlick in
deutscher Gefangenschaft nicht so schlecht, jedenfalls viel besser als der weitaus größte Teil des deutschen VoLs Einige Hunderttausend wurden überdies in der Landwirtschaft beschäftigt und haben hiebei wahrhaftig keinen Mangel gelitten, so wenig, daß mancher von ihnen lieber in Deutschland geblieben wäre, als in den Schmutz und dir Dürftigkeit der heimischen Verhältnisse zurückzukehren. Viele Rußen haben es bekanntlich so gemacht. — Es wird immer unbegreiflicher, wie der Vertrag von Versailles von Deutschland angenommen werden konnte.
Gegen die .Barbarei"
Rom, 23. Dez. An dem Bemühen um ein Freundschaftsbündnis mit Frankreich ist das von Mussolini ausgegebene Schlagwort von der .gemeinsamen Abwehr der Barbarei" Gemeingut des Landes geroor- deil. An der .Tribuna" veröffentlicht Senator Coppola einen Lettaufsatz, der im Ramen von ganz Atollen das französisch-italienische Bündnis verlangt .zum Schutz der lateinischen und katholischen Zivilisation gegen Angelsachsen, Teutonen (Deutsches. Bolschewisten und Mohammedaner".
Nk. 301 . Gegründet 1887
Politische Wochenschau.
Sind wir die Sklaven der Neuzeit? / Parker Gilberts Antrag / Was wir bezahlen müssen / Hetzerische französische Wahlpropaganda / Französisch-italienisches Militärbündnis? / Ein Krieg „außerhalb des Gesetzes" und die Wirklichkeit! / Kirche und Politik in England Der Reichstag in den Weihnachtsferien
Am 18. Januar 1926 hielt der amerikanische Abgeordnete Victor V e r g e r (Wisconsin) zur Begründung seines Antrags auf Aenderung des Versailler Vertrags eine Rede im amerikanischen Kongreß. Da sagte er u. a.: „Der Dawesplan setzt die Gesamtsumme, die Deutschland bezahlen soll, nicht fest. Er entscheidet nur über die Summe, die Deutschland jährlich für die nächsten fünf. Jahre bezahlen muß. Die Daweskommission sagt nicht, ob Deutschland diesen Tribut 100 Jahre oder 1000 Jahre be> zahlen muß... Wie lange werden die Deutschen willens sein, wie die Sklaven in Aegypten oder die Sklaven im alten Rom für ihre fremden Herren zu arbeiten?"
Jetzt lesen wir im Bericht des Generalagenten Parker Gilbert über das dritte Dawesjahr, duß dies geschehen muß. Es liege im Interesse der Gläubiger wie des Schuldners, daß die Endsumme der deutschen Entschädigung festgelegt werde. Der Dawesplan sei überhaupt nur ein Versuch gewesen. Die Deutschen hätten ihre Probe- und Schonzeit gut bestanden. Es wäre nun Zeit, ihnen klipp und Nur den Gesamtbetrag ihrer Verpflichtungen zu nennen und es ihnen auf eigene Verantwortung, ohne Kontrolle und Bevormundung, zu überlassen, wie sie sich mit den Abzahlungen zurechtfinden.
Das klingt wie eine Art von letztroilliger Verfügung eines Menschen, der bei einer Sache nicht mehr mittun will. Jedenfalls ist in dem 132 Seiten langen Bericht, der — nebenbei bemerkt — milder und anerkennender als die bekannte Denkschrift Gilberts an Dr. Köhler lautet, von den mancherlei Anregungen die obige Forderung der springende Punkt- Und es ist begreiflich, daß die Presse der ganzen Welt sich mit ihr auseinandersetzt. Amerika (Schatzsekretär Mellon) und England in zustimmendem, Frankreich natürlich in ablehnendem Sinn. Die „Times" meinen: Wer den Bericht des Generalagenten lese, werde sehen, daß von Jahr zu Jahr eine endgültige Regelung „wünschenswerter" werde. Der Senator Verenger in Paris aber wundert sich, daß „ein kluger Sachverständiger wie Parker Gilbert" sich auf einen derartigen Standpunkt stellen könne. Die endgültige Summe sei von der Entschädigungskommission, die einzig hiefür zuständig sei, auf 132 Milliarden Goldmark festgelegt. Von dieser Summe erhalte Frankreich 52 v. H. gleich 68 Milliarden Goldmark. Das könne niemals verändert werden.
Also Frankreich kennt keine Gnade oder nur auch Rücksicht für Deutschland. Daß der Deutschenhaß dort noch in voller Mute steht, ersieht man auch aus dem vorige Woche von Parteigängern des nationalistischen „Echo de Paris" über ganz Frankreich verbreiteten Wahlplakats, das eine große Verunglimpfung der Person des Reichspräsidenten o. Hin den bürg darstellt. Natürlich wurde von amtlicher deutscher Seite gegen den Unfug Einspruch erhoben. Es sollen auch die Plakate stillschweigend von d-n Polizei entfernt worden sein, jedoch nur mit dem Erfolg, daß sie erneut angeschlagen wurden.
Alles das hängt mit den Vorbereitungen auf die April- Wahl in Frankreich zusammen. Jede Partei will die andere in der Hintertreibung der deutsch-französischen Annäherung überbieten. Lieber will man Italien die Schwesterhand reichen. So wird denn wieder einmal viel von einer italienisch-französischen Verständigung und von einer Zusammenkunft Mischen Briand und Mussolini gesprochen und geschwärmt. Andererseits darf nicht die große Schwierigkeit übersehen werden, die ein für allemal in der Adria frage liegt. Sie ist, wie das Matt „Gior- nale d'Jialia" sich ausdrückt, für Italien eine Lebensfrage. Frankreich habe diese Politik nicht nur zu achten, sondern auch zu unterstützen. Damit aber ist eine französische Vorherrschaft auf dem Balkan, über Südslawien oder über die Kleine Entente schlechthin unvereinbar. Für Deutschland aber würde eine Annäherung oder gar ein Militärbündnis zwischen Frankreich und Italien eine neue Einkreisung und dazu noch eine gefährlichster Art bedeuten. „Deutschland mutz und.wird die Knechtung Europas durch ein riesenhaftes französisches Militärsystem ablehnen und bekämpfen mit seiner ganzen Kraft."
Wie mit Italien, so will Frankreich auch mit Amerika einen Antikriegspakt abschließen Nach Berichten aus Washington hat der amerikanische Staatssekretär Kellogg dem französischen Botschafter Claudel den Entwurf eines amerikanisch-französischen Vertrags überreicht, in dem als achter Punkt der Krieg zwischen den beiden Ländern auf ewige Zeiten „außerhalb des Gesetzes" gestellt werden soll. Wenn man nun bedenkt, daß Amerika und England unter sich ebenfalls derartiges vereinbart haben fallen, so versteht man den Zweck des großen amerikanischen Flottenbau- programms wirklich nicht. Wozu die 25 neuen Kreuzer mit einem Kostenaufwand van etwa 700 Millionen Dollar? Und da soll man nock an die Abrüstungsfreundlichkeit und Friedensliebe eines Staates glauben?
Wie 'chwer wird das auch im Hinblick auf andere Staa
ten! Man denke an Rußland, besser Vertreter Litwinow in Friedensversicherungen in Genf förmlich schwelgte, während zu gleicher Zeit zu Hause in Moskau man nichts als Krieg und Kriegsgeschrei hörte. Uebrigens ist in Moskau großes Reinemachen. Der dort tagende Kongreß der Kommunistischen Partei beschloß den Äurschluß von 98 Führern der Opposition. Trotzki u. Sinowjew waren schon vorher ausgeschlossen. Wer hätte das je geahnt, daß ein Trotzki, der angebliche Schöpfer des „Roten Heeres", aus der Kommunistischen Partei je einmal ausgeschlossen werden könnte! Kein Kommunist sein heißt aber in Sawsetrußland politisch mundtot sein! Man sieht, Stalin weiß sich Macht und Reckt zu verschaffen.
In England ist etwas für uns Festländer Merkwürdiges passiert. Das Unterhaus hat das abgeänderte G e- betbuch (Book vf Common Prayer) abgelehnt. Es bleibt also bei der Gottesdienstvrdnung von 1662. So war das Unterhaus anscheinend konservativer als das Oberhaus und die Kirckensynoden. Wo in aller Welt hat das politische Parlament über Liturgien zu befinden?. Die Sache hat allerdings insofern auch einen religiös-politischen Hintergrund, als das Unterhaus in der neuen vorgeschlagenen Liturgie eine Anlehnung an die römisch-katholische Kirche erblickte. Das wurde im Unterhaus ausgesprochen. Eine eigentliche parteipolitische Frage war die Angelegenheit nicht; innerhalb jeder Partei konnte jeder Abgeordnete frei abstimmen, in jeder Partei, ja sogar innerhalb des Kabinetts selbst wa. ren die Stimmen für und wider geteilt.
- Unser Reichstag ging am IS. Dezember in die Weib
nachtsferien. Damit pausiert die innere Politik. Freilich Friedeist deshalb noch nicht eingezogen. In dem Streit in der Eisenindustrie sind die Schiedssprüche für verbindlich erklärt worden, was Streik und Aussperrung unzulässig macht. Hoffentlich kann die Industrie auch von der angekündigten Stillegung absehen und sich, so große Opfer es auch kosten mag, aus die durch die bekannten Verordnungen geschaffenen neuen Verhältnisse einstellen. Auch der Arbeitsfrieden ist ein Stück von jenem „Frieden und Wohlgefallen" der Weihnachsbotschoft.
Neueste Nachrichten
Begnadigung in Bayer«
München, 23. Dez. Auf Weihnachten ist der wegen Landesverrat zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilte Frhr. v. Leoprechting in Freiheit gesetzt worden. Seine Strafe wurde in 8 Acchre Zuchthaus umgewandelt, wovon 6 Acchre verbüßt sind.
Auch die Kommunisten Lindner und Huber, di« während der .Münchner Räterepublik" schwere Straftaten begangen hatten, sind mit 8jähriger Bewährungsfrist begnadigt worden. Lindner hatte seinerzeit im Landtag den sozialdemokratischen Abgeordneten Auer durch einen Re- volverschuß schwer verwundet und einen neben ihm stehende» Abgeordneten gelötet.
Aach in Baden Einspruch gegen wahlgesehäuderung
Karlsruhe. 23 Dez. Nachdem der Stoatsgerichtshos in Leipzig die Aenderung der Landtogswahlgesetze in Ham-