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Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Douaerstag. 17. November 1V27
Haager Schiedsgericht ohne Vorbehalt vollzogen hat. Die geringen Fortschritte in der Abrüstung sind das einzige, was den Zweiflern an der europäischen Politik recht gibt. Wenn Locarno ein Wahrzeichen für den Ausschluß des Kriegs und der Gewalt ist, dann möchte ich wünschen, daß der Weg zu einem Locarno aller Völker führe
Reichskanzler Dr. Marx ist von Wien nach München und Dr. Stresemann nach Berlin abgereift
Frankreich und die wiener Reise
Im Finanzausschuß der französischen Kammer sagte Briand. der deutsche Besuch in Wien erscheine ihm nicht ungewöhnlich; nach dem Ton der in Wien gewechselten Reden könne die Reise in Frankreich keine Besorgnisse wachrufen.
Die Pariser Presse schlägt einen anderen Ton an, der offenbar der Stimmung in den leitender! Kreisen mehr entspricht als die absichtlich nichts sagenden Worte Briands. So schreibt der sozialistisch« „Quondien", es genüge anscheinend nicht, Deutschland nur mit Worten darauf aufmerksam zu machen, daß Frankreich d«, Anschluß Oesterreichs niemals dulden werde, der auch durch den Vertrag von Versailles verboten sei. (Das ist nicht wahr. D. Schr.) Frankreich und England werden diese Erkenntnis Deutschland nötigenfalls mit nachdrücklicheren Mitteln beibringen müssen.
Annahme der Arbeitslosigkeit Derkl», 10. Nov. Zn der Zeit vom 15. bis 51. Oktober diese« Jahre« hat zum erstenmal seit Februar d. Z. die Zahl der Hanptn n ter stü hllngsempfLnger wieder zugenommen, und zwar «n, nmd 10 000 oder 8,1 v. H. in der Arbeitslosenversicherung und um rund 3000 oder 2,7 v. H. in der Krisenfürsorge. Di« Zahl der Hauptunkerstüßungsempfänger in der Arbeitslosenunterstützung betrug am 31. Oktober d- Z- rund 840 000 (männlich 274 000, weiblich 66 000). Die Zahl der HanptunterstStzungsempfänger in der Krisenunterstützung be- ÄUg am 81. Oktober d. Z. rund 116 000 (männlich 93 000, weLtich 28000).
Thüringens Verlustwirtschaft Weimar. 16. Nov. Im Thüringischen Landtag teilte der Finanzminister mit, daß der Fehlbetrag des Haushalts für 1927, der im Voranschlag etwas über 11 Millionen Mark betrug, nach den Haushaltberatungen im Landtagsausschuß bereits auf 17L Millionen Mark gestiegen sei.
Die Wahlen zum Saarländischen Landesrat Saarbrücken. 16. Nov. Die Saarkommission hat die Nemvahten zu» Landesrat ans 26. März ausgeschrieben. Die Mahlzeit des neuen Landesrats soll vom 1. April 1928 bis 81 März 1981 dauern. Die Wahlen werden das Kennzeichen der Zersplitterung der bürgerlichen Parteien haben. Die Linksdemokraten haben sich von der Liberalen Volkspartei getrennt und wollen selbständig Vorgehen. Die Deutschnationale Bolkspartei stellt erstmals eigene Bewerber auf. Daneben hat sich jetzt auch die Wirtschaftspartei (Aufwertung) aufgetan.
Italien im Tesfi«
Zürich, 16. Nov. Die freiwillige oder unfreiwillige Nachsicht, die die Schweiz Italien gegenüber an den Tag legt, wirkt sich in dem Kanton Tessin merkwürdig aus. Italien, und zwar das faszistische Italien breitet sich in dem Kanton »inner mehr aus. 8n der Lehrerschaft und deren Aufsichtsbehörden sind eine Reihe italienischer Staatsangehöriger, die aus ihrer Mitgliedschaft der faszistischen Partei kein Hehl machen, als tesstnische Staatsbeamte angestellk. Die Italiener treiben offen faszistische Werbearbeit, tragen ihre Abzeichen in den Schulen und erziehen die Jugend zu Italienern, nicht zu Schweizern. Die Lehrmittel sind großenkeils aus Italien bezogen. Am Lyzeum in Lugano besteht die Hälfte der Lehrer aus Aeichsikalienern, der Aufsichksrat besteht aus zwei Italienern, die in Italien wohnen, und einem Tessiner. Die Kantonsregierung duldet das, obgleich im Kanton und in der übrigen Schweiz Einsprüche laut wurden. Nunmehr hak eine Gruppe junger Tessiner beim Bundesrat eine Beschwerde ein- gereichk und gefordert, daß diesen beschämenden und für die Schweiz gefährlichen Zuständen ein Ende gemacht werde.
Der Irak tritt dem Völkerbuad nicht bei London. 16. Nov. Die Besprechungen, die der König des Iraks. Fessal. und lein Erster Minister. Jafar Pascha,
die gegenwärtig hier weilen, mit der Regierung gehabt haben, haben zu 'dem Ergebnis geführt, daß König Fessal fürs erste darauf verzichtet, daß der Irak dem Dölkerbund beitrete, und daß er von der Scba-ffung eines arabischen Heers Abstand nehmen wolle. Die Rechte der britischen Regierung als „Mandatsmacht" werden aufrechterhalten bleiben.
Mrllemberz
Stuttgart, 16. Nov. Vom Landtag. Der Finanzausschuß begann heute die Beratung des Staatshaushalts für 1928. Alle Abgeordneten sprachen sich dafür aus, daß die Abgeordneten auf die ihnen nach dem Besoldungsregelungsgesetz von selbst zufallende Erhöhung ihrer Bezüge verzichten sollen. Auf die Anfrage, ob die Regierung eine Aenderung des Landlagswahlrechts beabsichtige, antwortete Staatspräsident Dr. Bazille, die Regelung des Wahlrechts sei eine Angelegenheit des Landtags selbst; die Regierung beabsichtige nicht, auf diesem Gebiet von sich aus vorzugehen. Ein kommunistischer Antrag, die Vertretung Württembergs im Reichsrat, die Gesandtschaften und die Konsulate zu streichen, wurde mit 13 gegen 6 Stimmen, ein Antrag der Sozialdemokraten, die Münchner Gesandtschaft aufzugeben, mit 9 gegen 6 Stimmen abgelehnt. Endlich wurde folgende Entschließung angenommen: Der Landtag wünscht im Einverständnis mit dem Staatsministerium, daß die Beteiligung der Minister, sowie des Präsidiums des Landtags an Veranstaltungen und Festlichkeiten auf ein Mindestmaß beschränkt wird. Die Kapitel 1—4 des Haushaltplans werden angenommen.
Internationale Verbrechensbekämpfung. Die Deutsche Gesellschaft für Völkerrecht. Ortsgruppe Stuttgart, veranstaltete einen Vortragsabend, bei dem Polizeipräsident Klaiber über Internationale Verbrechensbekämpfung sprach. Der Redner forderte einen allgemeinen internationalen Auslieferungsvertrag und die allgemeine internationale Auslieferungspflicht (Weltauslieferungsoertrag).
Vortrag. Auf Einladung der Deutschen Demokratischer Partei hielt Graf Bernstorff, der deutsche ständige De- legierte beim Völkerbund, gestern im Skadkgartensaal einer Borkrag über die deutsche Außenpolitik. Aus seiner Redist hervorzuheben, daß Stresemann es begrüßen müßte, wenn die nächsten Reichskagswahlen eine Linksmehrheii brächten, die seine Außenpolitik stütze.
Aus dem Parteileben. Bei einer Versammlung der Zentrumsmänner der Bezirke Waiblingen—Backnang sprach der Geschäftsführer der würkt. Zentrumsparkei, Landessekretär Reuter, über die politische Lage und die kommenden Wahlen.
Tübingen, 16. Nov. Von der Landesuniversi- t ä t. Pros. Dr. Kohlrausch - Greifswald hat den an ihn ergangenen Ruf auf den Lehrstuhl für Physiologie in TÄingen angenommen.
Tübingen, 16. Nov. VerkaufderVillavonHer- zog Philipp. Wie die „Tübinger Zeikung" hört, soll die Verbindung Eberhardinia Liebhaber der zum Kauf ausgeseh- ken Billa des Herzogs Philipp am Oesterberg sein.
Hochmössingen. OA. Oberndorf, 16. Nov. Verbranntes Auto. Ein fast neuer Kraftwagen, der von einem Stuttgarter Stoffreisenden gesteuert wurde, brannte, wahrscheinlich infolge Vergaserbrandes, auf der Fluorner Straße gänzlich bis aus die kümmerlichen Reste des Fahrgestells zusammen. Der Kraftwagen gehört der Fa. Heckert und Weiß, Kleiderfabrik, Stuttgart.
Schramberg, 16. Nov. Besuch. Im Anschluß an ihre Tagung in Stuttgart am 11. und 12 d. M. besichtigte die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft am Montag vormittag die Iunghanswerke. — In Schwenningen wurde der Fachschule und einigen Betrieben der Uhcenindustrie ein Besuch abgestattet.
Selbstmordversuch. Ein auswärtiger Händler machte am Samstag auf der Polizeiwache einen Selbstmordversuch, indem er ein Fläschchen Quecksilber austrank. Sofortige ärztliche Gegenmaßnahme e schwächten die Wirkung des Giftes ab. Bei der genauen Prüfung des Mannes stellte es sich heraus, daß es sich um .eine gesuchte' Persönlichkeit handelt. Der Händler und seine Begleiterin wurden dem Gericht vorgeführt.
Hermaringen, OA. Heidenheim, 16. Nov. Ein Gespann in einen Stein bnuch gestürzt. Als am Montag der Landwirt Leonbaro Bösch in unmittelbarer
Nähe des Steinbruchs mit Pflügen beschäftigt war, trat eines der beiden Pferde zu weit hinaus. Es stürzte zwölf Meter in die Tiefe, das ganze Gespann und den Pflug mit sich reißend. Das ein« Pferd ist tot, das andere so schwer verletzt, daß es kaum davonkommen wird. Zum Glück konnte der Lenker der Pferde das um die Hand gewickelte Leitserl noch rechtzeitig lösen, denn sonst wäre er ebenfalls mit in die Tiefe gerissen worden. ....
Blaubeuren. 16. Nov. Vogelfrevel.' Ein Schleier- eulenpaar hatte sich in den Felsenlöchern des Rucken seit einiger Zeit häuslich niedergelassen. Obwohl die Vögel nützlich und harmlos sind, wurde ein Vogel tot aufgesunden. Was den Vogelmörder zu diesem Frevel getrieben Hot. ist nicht bekannt. Es handelt sich um ein Vogelpaar, das vom Vogelschutz eingesetzt worden ist. Es wäre zu wünschen, wenn man des Täters habhaft werden könnte. ^
Alm, 16. Nov. Vauernversammlung. Unter dem Vorsitz von Landwirt Mack-Langenau fand gestern eine stark besuchte Versammlung des Württ. Bauernbunds statt. Abg. Dr. Ströbel berichtete in längerer Rede darüber, was der Bauernbund getan hat und zu tun gedenkt. Der Redner besprach die Forderungen der Landwirtschaft. Ueber die Landkrankenkassen sei das letzte Wort noch nicht gesprochen: in andern Landern haben sie sich bewährt. Die Verschmelzung des württ. Landesarbeitsamts mit Baden und der Pfalz sei abzulehnen, sie würde Württemberg 6—7 Millionen Mehrkosten aufladen. Im Reichsschulgesetz sei gerade das enthalten, was die Landwirtschaft fordere: die Erhaltung der christlichen Schule. Das 8. Schuljahr bedinge 180 neue Lehrstellen und neue große Schullasten. Die Selbständigkeit des Staats Württemberg müsse erhalten bleiben. Die Bauern wollen Dezentralisation, nicht Zentralisation.
Aus Stadt undLaud
Nagold, 17. November 1927.
Die Menschen sollten nach der Treue beurteilt werden, mit der sie an dem ihnen zuerteilten Stoffe das selbst werden, was sie werden können.
Arbeitsamt Nagold
Durch den Rückgang der Beschäftigungswöglichkeit bei den Saisonbetrieben hat die Arbeitslosigkeit in letzter Woche eingesetzt und ist im Steigen begriffen. Am 15. Nov. beträgt die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger 7 männl. und 0 weibl., die der Zuschlagsempfänger 7.
Arbeitsvermittlung i« Monat Oktober 1927. Arbeitsgesuche männl. alt 1, neu 71, zus. 72, vermittelt 59; weibl. alt 0, neu 22, zus. 22, vermittelt 12.
Die Wahle« i« der Angestelltenverficheruug
Die am letzten Sonntag vorgenommenen Wahlen der Vertrauensmännner und Ersatzmänner in der Angestellten-Ver- stcherung ergaben im Bezirk Calw mit überwiegender Mehrheit einen Sieg der Wahloorschlagsliste B der Werkmeister und der Nichtorganisierten Angestellten. Auf diese Liste entfielen lOO Stimmen, während die Vorschlagsliste A des Deulschna- tionalen Handlungsgehilfenverbandes nur 34 und die Vorschlagsliste C des Gewerkschaftsbundes der Angestellten l4 Stimmen auf sich vereinigen konnten. Im Bezirk Nagold entfielen auf Liste A 20, aus Liste B 25, auf Liste C 5 Stimmen^ im Bezirk Herrenberg auf Liste A 46, B 2, C 48 Stimmen. Durch Verbindung der Liste A und C ergab sich folgendes Wahlergebnis: Als Vertrauensmänner gewählt sind 1. Kaufmannsgehilfe Felix Kocher'Herrenberg: 2. Appreturmeister Nikolaus Gluth Calw: 3. Buchhalter Christian Hechler- Herrenberg; als Ersatzleute: 1. Lohnbuchhalter Karl Beißer- Calw, 2. Kausmannsgehilfe Eugen Sprenger Nagold, 3. Kaufmann Ernst Lang-Nagold, 4. Buchhalterin Anna Häm- merle-Calw, 5. Kaufmannsgehilfe Wilhelm Gayer-Calw, 6. Handelslehrer Erich Arnold-Calw.
Beschädigung von Möbeln während des Eisenbahntransports. Der deutsche Industrie- und Handelstag ist ist auf Grund von Klagen über Beschädigung verfrachteter Möbel infolge einer unsäglichen Behandlung durch das Personal, das das Verladen, Umladen und Entladen zu besorgen hat, mit den zuständigen Stellen in Verbindung getreten, um diesem Uebelstand, der auch von dem Wirtschaftsverband der Deutschen Holzindustrie bestätigt wird, abzuhelfen. Die Möbelindustrie und der Handel würden
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42. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
,Za," erwiderte sie kurz und fest, in der instinktiven Absicht, eine Schranke zwischen sich und ihm aufzurichten.
Graf Konrad schwieg und sah gedankenvoll vor sich hin.
„Herr Graf, lassen Sie uns unsere Gedanken und Ansichten in diesem Streite austauschen, lassen Sie uns—"
„Nein!" unterbrach er sie fast rauh.
„Warum nicht?" fragte sie. durch den Ton gereizt, trotzig.
Er holte tief Atem und sah sie dann mit eigentümlichem Blick an:
..Weil ich Sie nicht zur — llebertciuferin machen will!" stieß er hervor.
„Zur Ueberläuferin?" gab Ilse zitternd vor Erregung zurück. „So fest überzeugt sind Sie von der Wahrheit Ihrer Anschauungen und Lehrsätze?"
„Ja."
Welche Selbstüberschätzung, welcher geistige Hochmut, welche Unfehlbarkeit sprach sich in diesem Ja aus! War das noch derselbe bescheidene Gelehrte, für den sie ihn bisher gehalten hatte?
„Halten Sie mich für ein schwankes Rohr, das jeder Wind beliebig hin- und Herwehm kann?" fragte sie.
„Nein, gewiß nicht," erwiderte er warm, „aber ich möchte Sie nicht in einen Zwiespalt mit sich selbst bringen, ich möchte Sie vor den Zweifeln bewahren, dis das Herz bedrücken und die Nerven erregen. — Der harmonische Gleichmut Ihrer Seele, die ruhige, zielbewußte Klarheit Ihres Tuns und Ihrer Empfindungen soll Ihnen nicht geraubt werden."
„Ah!" entgegnete Ilse, „Sir wollrn nicht mit mir rechten. Was liegt auch an der Meinung eines Weibes."
„Fräulein Römer, womit habe ich diesen Spott verdient?"
„Verzeihen Sie mir!" Ilse senkte, beschämt über ihre ganz unbegründete Heftigkeit den Kopf. Dann hob sie ihn mit einer schnellen Bewegung wieder auf:
„Sie sagten. Sie wollten meinen Gleichmut und meine Ruhe nicht stören — wenn sie nun aber — schon gestört wäre — wenn ich das bange, vorahnende Gefühl hätte: Es kommen Zweifel für dich — sie müssm und werden kommen. — Wollen Sie mich in diesen Zweifeln lassen, ohne mir zu helfen — nur weil — Sie zu stolz sind, mich zu Ihrer Ansicht bekehren zu wollen?"
Ganz bestürzt blickte Graf Konrad in ihr heißes Gesicht. War das noch dieselbe Zielbemußte und Sichere, dis ihn noch soeben so stolz und trotzig gefragt hatte, ob er sie für ein schwankes Rohr halte?
Fast zögernd reichte er ihr die Hand:
„Mein Rat und meine Hilfe steht Ihnen zu jeder Zeit zur Verfügung, Fräulein Römer, doch heute lassen Sie uns. bitte, nicht weiter über die Sache sprechen. Ich wollte Ihnen noch so manches zeigen — sehen Sie hier diese Base! Sie stammt ans der Römerzeit."
Ilse ging nur halb widerwillig auf seine Absicht, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, ein. Bald aber erwachte das Interesse an den Kunstschätzen von neuem. Die Zeit verstrich, ohne daß sie es merkte. Dis Sonne sank tiefer, und ihre Strahlen fielen nicht mehr in den großen Saal hinein.
Endlich wurde Ilse auf die vorgeschrittene Zeit aufmerksam. Sie sah nach ihrer Uhr:
„Schon sieben-wie die Zeit vergangen ist!" rief
sie aus.
„Ja, wie eine Minute, so flüchtig enteilt: sie," versetzte Graf Konrad. „Sie müssen nun heim, und für heute soll es auch genug sein."
Sie schritten beide dem Ausgange zu. Dann schloß der Graf die Tür und trat an ihre Seite. So gingen sie eine Weile zusammen, bis er plötzlich stehen blieb.
„Hier trennen sich unser« Wege; ich will noch ins Dorf gehen. — Wollen Sie mir oers-rechen, diese letz
ten schönen Stunden wiederkehren zu lassen — wollen Sie mir sagen, wann ich Ihnen den übrigen Teil meiner Schütze zeigen darf? — Sie zögern? — Sie können nicht über die Schranke der Konventen; hinweg? — Ich glaubte. Sie wären frei von jeglichem Einfluß dieser Art."
„Ja, ich bin auch frei davon." antwortete Ilse, „bestimmen Sie Tag und Stunde, ich bin ja für einige Tage Herrin meiner Zeit."
„So bitte ich Sie, morgen um dieselbe Zeit «i: hmte hier zu sein."
„Ich werde pünktlich zur Stelle sein, Herr Graf und danke Ihnen herzlich für Ihr Wohlwollen und Ihr» Güte."
„Ich habe zu danken," sagte er und reichte ihr dir Hand. „Auf Wiedersehen denn, Fräulein Römer."
Sie trennten sich und sedrr schlug eine andere Richtung ein. Nach wenigen Schritten blieb Graf Konrad stehen und wandte sich um. Ilse schritt leicht, anmutsvoll und kräftig dahin. Er verfolgte ihre Gestalt, bis eine Biegung des Weges sie seinen Blicken entzog. Dann preßte er sekundenlang die Hand auf sein Herz und seufzte, ehe er umkehrte und weiterging.
Den nächsten Vormittag verbrachte Ilse in seltsamer Unruhe: sie hatte zu nichts Lust und fühlte sich zu keiner Arbeit aufgelegt. Der Grund lag wohl in dem instinktiven Gefühl, daß sie einem heißen Kampf entgegenging, daß heute eine Aussprache über die gestern angeregten Fragen stattfinden mußte, so sehr Graf Konrad sich auch dagegen sträubte. Sie wollte diesem Kampf nicht feige auswsichen, sondern mit kühnem Mut für ihren Heinz streiten: „Deine Sache, meine Sache! Hie Welf, hie Waibling!"
Der Versuch, sich in einen frohen Kampfesmut hineinzureden, wollt« aber merkwürdigerweise nicht recht gelingen. Ein banges Angstgefühl, wie vor einer drohenden Gefahr bemächtigte sich isrer. so daß sie schon bereute, die heutige Stunde mit Graf Konrad verabredet zu haben.
- - (Fortsetzung folgte ^