Sette 2 - Nr. 264
Nagolder Lagbtatt „Der Geseüschaster"
Freitag. 11. November 1S27
bis zur Brust im Wasser, der Bahndamm der Strecke Frankfurt—Basel ist bei Dinglingen überflutet. Auf dem Hoch- Khwarzwold hat es stark geschneit.
In Zweibrücken ist das Barackenviertel durch den Schwarzbach überflutet. Etwa 100 Bewohner mußten durch die Feuerwehr gerettet werden.
Der Neckar ist in Jagstfeld um 1.16 Meter, der Ober- main bei Schweinfurt um 50 Zentimeter gestiegen, die Mosel in Trier dagegen um 2.30 Meter in 2 Tagen. Auch die andern Nebenflüsse des Rheins, Saar, Saur und Kyll sind über die Ufer getreten.
Stuttgart. 10. Nov. Kirchliches. An Stelle des verstorbenen Geh. vberkirchenrats D. v. Römer ist Oberkirchenrat Dr. Müller zum Stellvertreter des Kirchenpräsidenten mit der Amtsbezeichnung eines Direktors im Evang. Oberkirchenrat ernannt worden. Die beiden Kirchenräte Oehler und Frohnmeyer wurden zu Oberkirchenräten ernannt.
75. Geburtstag. Am 11. November kann Präsident a. D. von Fischer, der frühere langjährige Präsident des Steuerkollegiums, den 75. Geburtstag feiern. Er erfreut sich noch großer körperlicher und geistiger Rüstigkeit und ist sowoisi im Verwaltungsrat der Württ. Landessparkasse wie auch bei der Württ. Feuerversicherung noch tätig.
Todesfall. Kurz vor seinem 87. Geburtstag ist der frühere Teilhaber des Neuen Tagblalts. Privatmann Gustav Paul Doeth nach langem Leiden gestorben.
Pressefest. Der Verkauf der Karten zum Pressefest am 12. November in der Liederhalle mußte gestern geschlossen werden. Für den Glückshafen ist eine große Zahl wertvoller Gegenstände erworben worden. Erster Preis wird ein hocheleganter viersitziqer Opel-Kraftwagen sein. Die Lose werden auf dem Pressefest zu 1 das Stück verkauft.
Die Werkspionage bei der „Norma" in Cannstatt. Vor einiger Zeit wurde eine Untersuchung eingeleitet wegen einer weitverzweigten Werkspionage, Verrats von Fabrikgeheimnissen. Bestechung, Unterschlagung und anderer Vergehen zum Schaden der Norma - Werke in Cannstatt. Schuldig sind vor allem die Leiter einer Berliner Konkurrenzfirma, der R i e b e - W e r k e. Nunmehr istöffent- liche Anklage erhoben gegen den Direktor der Riebe- Werke, Rosenthal, den Fabrikanten R. Kahn, den Direktor Uhlitz, den Betriebsleiter Hugo Rein und seine Frau Ottilie, den Ingenieur Michael Karrer, die Werkzeugmacher Alfred Zeifang und Philipp Hafner, den Magazinier E. Ruoff. den Betriebsleiter Karl Ziegler. Der Prozeß wird vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt werden.
Aus dem Lande
Ebingen, 10. Nov. Eine neue politische Partei? Mit dem Thema: „Welche Aufgaben haben die Christen im politischen Leben?" führte sich der „Christliche Volksdienst" am Samstag abend in Ebingen ein. Redner war Rechnungsrat Bcrusch-Korntal. Er führte u a. aus: Man wirst uns vor, das Vorgehen des Christlichen Volks- Lienstes führte zu weiterer Zersplitterung. Aber wir wenden uns vor allem an das große Heer derer, die bisher nicht gewählt haben, die aus ernsten religiösen Gründen nicht wählen konnten. Wer glaubt, in seiner Partei als Christ wirken zu können, der bleibe ruhig dort. Wir haben diesen Weg des selbständigen unabhängigen Vorgehens als richtig erkannt und wir bitten und fordern, daß man uns gewahren läßt.
Gaildorf, 9. November. Eröffnung der Landwirt s ch a f t s s ch u l e. Im alten Schloß, einem der schönsten Baudenkmäler unserer limpurgischen Oberamtsstadt wurde dank dem Entgegenkommen des Grafen von Bentinck und Waldeck-Limpurg durch Beschluß der Amtsversammlung und Staatsregierung die landwirtschaftliche Winterschule eingerichtet, die am Montag durch einen feierlichen Akt eröffnet wurde.
„)ch bin der Doktor Eisenbart.. "
(Zu seinem 200jährigen Todestage am 11. November 1927.)
Bon Kurl Meyer-Rotermund.
Jeder alte und innge Musensohn kennt aus dem Kommersbuche den berüchtigten marktschreierischen Quacksalber, der die ,-Sünden gehen" und die „Lahmen wieder sehen" macht, — das Urbild des drastischen, halb treffenden, halb entstellenden Liedes aber dürste für sehr viele in mystisches Dunkel gehüllt fern. Um seine Art und sein Auftreten zu verstehen, erinnere man sich, wie Grimmelshausen im „Sim- plizius" von einem kaiserlichen Soldaten erzählt, der gegen Ende des dreißigjährigen Krieges auf seinen Irrfahrten an Leib und Seele, an Hab und Gut so heruntergekommen ist, daß er, um nicht betteln zu müssen, beschließt, es mit der praktischen Medizin zu versuchen. In Erinnerung an die Behandlung, die ihm einst ein Pariser Doktor hat angedeihen lassen, kaust er sich die Allerweltsmedizin, den Therrak, eine angeblich aus siebzig Stoffen bestehende Mixtur, und zieht aus die Jahrmärkte.
Die Ausbeuter der allgemeinen Unkenntnis benutzten alles, was irgendwie im abergläubischen Volk als Heilmittel galt. Damit wurde dann gutgläubig oder bewußt betrügend darauslos experimentiert. Solche handgreifliche Kurpfuscherei war keineswegs verpönt. Die ekelerregendsten Bestandteile. Ausscheidungen von Mensch und Tier fanden sich als käufliche Medikamente m den Apotheken. Im Jahre 1674 erschien sogar ein Werk, betitelt „Dreck-Apotheke", von Paulini.
In den finstersten Zeiten hildete die „Volksmedizin" ein Nebengewerbe von Hirten, Scharfrichtern und anderen „weisen" Personen. Dann übten Geistliche und Juden die Heilkunde aus. Nürnberg aber hatte schon im 14. Jahrhundert der „höheren Medizin" kundige Stadtärzte, — die Hauptmaste der des Kurrerens beflissenen Personen allerdings bestand aus den nichtstudierten Wundärzten, meist Badern, die zur Ader ließen, Zahne zogen, Brüche heilten. Viele befaßten sich auch mit der erfinderischen Behandlung von Spezialleiden und fuhren auf Wochen- und Jahrmärkte, um durch Schaustellungen und Postenreißen die Opfer anzulocken. Dieses Wandergewerbe wurde gegen erhebliche Abgaben konzessioniert, und diejenigen, die es ausübten, aalten dann als „Landärzte", auch wenn rhnen dieser Titel nicht behördlich verliehen war. Angetan mit einem scharlachroten Rock und einer großen Perücke nebst Dreimaster oder gar ln einem orientalischen Talar und mit einem Turban aus dem Kopfe, priesen sie sich dem staunenden Volke zu Kuren ,eder Art an.
Innere Krankheiten überließ man, im Bewußtsein der eigenen Unzulänglichkeit, dem wissenschaftlich gebildeten Arzte. Bei äußerlich und operativ zu behandelnden Leiden zog man den nicktltudierten. aus dem Handwerkerstände hervorgegan-
Tübingen, 10. Nov Von der Universität. Dem Assistenten am Physikalischen Institut der Universität Tübingen Dr. Wilhelm Schütz ist die Lehrberechkigung für Physik an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität erteilt worden.
Dußlingen OA. Tübingen, 9. Nov. Ein Nimmersatt. Zn der Wirtschaft zur .Sonne" entwickelte ein Mann am Montag abend ein?n gewaltigen Appetit. Er verzehrte nacheinander 1 Pfund Käse, 14 'Dutzend schwarze Würste und 1 Dhd- Heringe ohne Brot innerhalb von Stunden.
Hechingen, 10. Nov. Betrügerischer Naturheilkundiger. Vor einigen Monaten hat sich hier der 26jährige Eugen Haller von Schwenningen als Naturheilkundiger niedergelassen. Bei der Ausübung seiner Praxis erwarb er sich unter der Bevölkerung großes Berkrauen. Er gab sich als ledig aus und wollt» sich in nächster Zeit mit der einzigen Tochter eines angesehenen Schlossermeisters von hier verloben. Zur Beschaffung eines Personenautos verschaffte sich Haller von seinem zukünftigen Schwiegervater eine beträchtliche Summe Geld. Wie es sich herausstellte, daß er nicht ledig, sondern verheiratet ist, ging er mit seinem Kraftwagen flüchtig. Er wurde sofort von der Staatsanwaltschaft Hechingen steckbrieflich verfolgt und nach einigen Tagen in Stuttgart verhaftet. Das von ihm mit dem erschwindelten Geld erworbene Personenauto hatte er bereits weiter veräußert. - - -
Lonzenburg OA. Gerabronn, 10. Nov. Die un- getreue Postbeamtin. Das Amtsgericht Langen- burg hat über das Vermögen der früheren Postbetriebsassistentin Berta Völkert, die vor einigen Tagen versucht hatte, durch Raub einen Postgeldbeutel sich anzueignen, mit dessen Hilfe sie dann ihr Defizit in der Postkasse decken wollte, das Konkursverfahren eröffnet.
Deuchelried OA. Wangen, 10. Nov. Bodenlose Frechheit. Eine bodenlose Frechheit erlaubte sich ein 18- bis 19jähriger Bursche aus Wangen, indem er in der Nacht zum Sonntag dem Gastgeber Zeh dahier sein Dreisitzer-Auto aus dem Schuppen schob und im Dunkel der Nacht davonfuhr. Die Fahrt ging Ravensburg zu. In der Nähe von Dürrnast vermochte er den in voller Fahrt befindlichen Wagen nicht mehr zu beherrschen und fuhr mit aller Wucht gegen einen Baum. Dabei wurde der Wagen derart mitgenommen, daß ein Schaden von 700 bis 800 Mark entstand. Der verwegene Bursche kam mit leichteren Kopfverletzungen davon. Bald darauf erfolgte seine Berhafkung wegen Diebstahls, doch wurde er mangels Beweises dafür wieder entlassen-
Dom bayerischen Allgäu, 10. Nov. Gerissener Gauner. — Lebensgefährlicher Unfall. — Der Fernpaß im Winker. In Immenstadt wurde ein lediger Schlosser verhaftet, der in der Umgebung Bauersleute aufsuchte, wenn er wußte, daß im Stall etwas nicht in Ordnung war oder die Frau krank im Bett lag. Er versprach binnen 3 Tagen Hilfe, hob einen Wasen aus und legte etwas darunter, wobei er den Leuten das Versprechen abnahm, während der Zeit seiner Erperimenke keinem Menschen etwas zu leihen. In anderen Fällen bohrte er Löcher in Türgerüste und goß .hochgeweihtes Oel" hinein. Für diese Krämpfe zapfte er den Bauern bis zu 300 Mark ab, für jede einzelne „Hilfeleistung" verlangte er 50 Mk. Das „hochgeweihke" Oel war ganz gewöhnliches Nähmaschinenöl. — Eine Landwirtskochker von Betzingen wollte barfuß im Stall eine Ausbesserung der elektrischen Leitung vornehmen. Bei dieser Arbeit geriet sie mit beiden Füßen an die schadhafte Stelle der Leitung auf dem nassen Skall- boden und wurde vom elektrischen Strom so stark verbrannt, daß sie in Lebensgefahr schwebt. — Der Fernpaß, die Verbindung zwischen dem Allgäu, der Arlbergbahn und Westtirol, soll Heuer im Winker unter allen Umständen für den Verkehr freigehalken werden. Zu diesem Zweck werden erstmals auf dieser Straße Motorschlitten in Tätigkeit treten.
genen Heilkünstler zu Rare. Zu diesen letzteren gehörte auch der berühmte Eisenbart. Sein nicht alltäglicher Name muß späteren Geschlechtern so seltsam und bizarr geklungen haben, daß man ihn als freie Phantasieschöpfung betrachtete. Und doch hat dieser Wunder- und Wunderdoktor tatsächlich gelebt. Er wurde um 1660 zu Wiebach (bei Regensburg) geboren und ist auf einer Geschäftsreise in Hann.-Münden am 11. November 1727 gestorben und dort ansehnlich begraben worden. Dieser Großbritannisch und Braunschweig-Lünebur- gische Leibarzt, wie auf seinem mächtigen Leichensteine zu lesen ist, gilt zwar seit dem bekannten Liede (1818 in einem Göttinger Kommersbuche zuerst veröffentlicht) als der Typus des unwissenden, kurpfuschenden Marktschreier s , der sich nichtsdestoweniger der gefährlichsten Operationen erdreistete. Indessen ist zu seiner „Ehrenrettung" zu sagen: Johann Andreas Eisenbart war rein handwerklich äußerst tüchtig. Auch als technischer Erfinder leistete er manches. Er konstruierte ein Instrument zur Beseitigung von Nasenpolypen und eine besondere Nadel zum Operieren des Stares. Je zahlreicher seine operativen Erfolge waren, desto Prahlerischer trat er auf. Seinen Selbstanpreisungen Pflegte Eisenbart, der sich auch „Okulist, Schnitt- und Wunderarzt" nannte, mit beneidenswertem Selbstgefühl vorauszuschicken: „Ich bin der berühmte Eisenbart." Wenn er nicht Hasenscharten, Gallensteine, Brüche oder ähnliche Gebresten behandelte, vertrieb er seinen „balsamischen Haupt-, Augen- und Gedächtnis-Spiritus", der gegen Augenleiden, Flüsse, Schwindel, Ohrensausen und Kopfschmerzen helfen solüe und von dem das Lot zwölf Groschen kostete. Auch gegen Finnen, Leberflecks und Runzeln hielt der vielseitige Mann „probate" Mittel bereit, so daß seine Volkstümlichkeit sich im deutschen Lande immer mehr ausbreitete. Kurz vor seinem Tode übertrug er das einträgliche Gewerbe seinem jüngsten Sohne Gottfried.
Während „Doktor" Eisenbart und seine Kollegen trotz ihrer bedenklichen, nicht selten lebensgefährlichen Gewaltkuren vertrauensselige Verehrung genossen und demgemäß hohe Einkünfte besaßen, war man mißtrauisch gegen die wissenschaftlich gebildeten Aerzte, die es verschmähten, durch komödienhaftes Gebaren von sich reden zu machen. So fand der Mediziner Professor Albrecht in den ersten Zeiten der Göttinger Universität wenig Entgegenkommen. Er mußte seine anatomischen Versuche in dem finsteren Keller eines Festungsturmes vornehmen. Erst im Anfänge des 19. Jahrhunderts ist durch Erfindung zahlreicher zweckmäßiger, heute selbstverständlicher Instrumente und Untersuchungsmethoden ein solcher Fortschritt in der Heilkunde erzielt worden, daß die auf Aberglauben und >eglichem Unwissen fußende Kurpfuscherei großen Stils heule kaum mehr möglich ist, wennschon die rein sachliche Schulmedizin die schier unausrottbare Beliebtheit der „Heilkünstler" bei der jedem Humbug zugeneigten Menge noch nicht völlig überwunden hat.
Lin Cannstakter wegen Hochverrats in Leipzig verurteilt Leipzig, 10. Nov. Das Reichsgericht verurteilte den Kaufmann Stern aus Cannstatt wegen Vorbereitung zum Hochverrat und unerlaubten Waffenbesitzes zu einem Jahr Gefängnis und 100 -R Geldstrafe. Stern ist Mitglied und Zellenleiter der Kommunistischen Partei und war auch vorübergehend als Reisender tätig. Nach der Anklage hat Stern seine Reisetätigkeit mit Verteilung von kommuni. stischen Zersetzungsschriften an Angehörige der Reichswehr verbunden.
Aus Stadt undLand
Nagold, 11. November 1927.
Die Aufgabe erhält lebendig. Lagarde.
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FahrplauAenderung
Von Montag, den 14. ds. Mts. an verkehrt Werktags bis zum 29. Februar 1928 wieder der Lokalzug 1800 Hochdorf—Nagold: Hochdorf ab 6.59, Gündringen ab 7.07, Jsels- hausen ab 7.13, Nagold an 7.18. Für die Benützug des Zuges ist neben dem gewöhnlichen Fahrpreis ein Zuschlag von 10 ^ zu entrichten. — Behandelter Zug ist auf dem großen Wandfahrplan des „Gesellschafter" mit der Bemerkung versehen: „Wird bis auf weiteres nicht gefahren". Diese Bemerkung kann somit gestrichen werden.
Borspielabend
Für Besucher von auswärts soll der Vorspielabend künftig am Tag zuvor angezeigt werden und zwar im lokalen Teil unserer Zeitung. Diesmal findet er ausnahmsweise am Samstag, 12. Nov., abends 8'/« Uhr siatr und zwar zum letztenmal in diesem Jahr in der Kirche. Dr. Kurt Haering, der sich um die Ausstellung Schwäbisches Land und um die Frank furter Musikausstellung verdient gemacht hat, wird Orgel spielen, Frl. Schüler, eine Sängerin von gutem Ruf, aus Stuttgart, wird Lieder vortragen. Werke von Bach und neuzeitlichen Meistern, Wolf, Reger u. a. sollen zum Vortrag kommen. Programme können am Eingang in die Kirche bezogen werden.
Werbelag des christl. Vereins junger Männer
Unter die einheitliche Losung „Du sollst den Werktag heiligen" haben die evang. Jungmännerbünde Deutschlands ihren diesjährigen Werbetag gestellt, der in den christl. Jungmännervereinen viele Tausende zu gemeinsamer Arbeit und Kundgebung in der Oeffentlichkeit zusammenführt. — Im ersten Augenblick wird diese Losung bei manchem wohl ein Kopfschütteln Hervorrufen und der Gedanke hervortreten: Ist dies nicht eine recht willkürliche Forderung oder gar etwas Unnatürliches, was in dieser Losung steht? — Du sollst den Feiertag heiligen! — klingt noch für viele feierlich; aber Werktag —? das lautet fremd.
Auch hier wird am Sonntag Abend eine entsprechende Veranstaltung mit diesem Thema stattfinden. Eltern, Lehrmeister und Frauen, in erster Linie die jungen Leute selbst werden erwartet; denn „Du sollst den Werktag heiligen" kann durchaus nicht nur als eine fromme Sitte gelten, sondern ist eine ernste Kraftprobee, an der lebensstarke Charaktere wachsen.
Otto Keller kommt!
Der „Staats-Anzeiger" schreibt von ihm: Otto Keller, einer unserer schwäbischen Dialektdichter, der sich rasch große Beliebtheit zu erringen verstanden hat, veranstaltete am 16. Oktober im Oberen Museum einen eigenen Abend, in dem er gedruckte und ungedruckte Proben seiner erdfrischen Muse darbot. — Unterstützt von einer unaufdringlich wirkenden Mimik ist er selbst ein guter Dolmetscher seiner Geisteswerke und bringt die Pointen, namentlich der humorvollen Gedichte, zu lebendiger Wirkung. Der Dichter verfügt auch über eine sympatische Art, die kleine Welt häuslicher Freuden mit zu Herzen dringender Wärme auszumalen und findet für Schwadens landschaftliche Schönheiten, für zufällige Erlebnisse, für teure Erinnerungen warme, eckte Töne, ohne der Sentimentalität zu verfallen. Ein besonders feines Gefühl leitet ihn in der Erforschung der Kin- derseele; sein warmes Mitfühlen und sein Eingehen auf kindliche Gedanken und Wünsche fanden in den Gedichten „Vor'm Uhralada", „Kenderträna" und „Wunschzettel" einen charakteristischen Ausdruck... Wo er kräftige Töne eines gesunden Humors anschlägt, weiß er die Grenze gegen das Derbe innezuhalten und die Lacher auf seine Seite zu bringen .. . Dem schwäbischen Dichter brachten die sehr zahlreichen Zuhörer begeisterte Huldigungen dar.
Bezahl! die Handwerkerrechnungen! Ein Uebelstand, unter dem die handwerkliche Wirtschaft besonders zu leiden hak, ist die lässige Begleichung von Handwerkerrechnungen. Es ist eine bedauerliche Erscheinung, daß man in den Kreisen der Abnehmer sehr häufig auf die Geduld des Handwerkers spekuliert, der aus Anstand oder aus Furcht, den Auftraggeber zu verlieren, nicht zu mahnen wagt. Dabei handelt es sich vielfach um Kunden, die bei einigem guten Willen umgehende Zaymng wohl würden ermöglichen können. Wenn man bedenkt, daß der Handwerker andererseits seinen Verpflichtungen gegenüber den Lieferanken, sowohl als auch gegenüber dem Staat als Skeuergläw- biger pünktlich Nachkommen muß, so wäre es nur ein Gebot der Gerechtigkeit und im Interesse einer gedeihlichen wirtschaftlichen Entwicklung gelegen, wenn auch die Handwerkerkundschaft ihren Verpflichtungen in einem für den Unternehmer halbwegs erträglichen Tempo Nachkommen würde. Dabei darf vor allem darauf hingewiesen werden, daß eine solche Einsicht viel mehr der gegenseitigen Werk-
chätzung und der Befriedigung innerhalb der einzelnen Be- cufsstände dienen könnte, als irgend etwas anderes.
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Deckenpfronn, 10. Nov. 3n den Ruhestand. Nach 48-jähriger Amtstätigkeit trat Oberlehrer Eisenhavt in den Ruhestand. Eisenhardt war während seiner ganzen Dienstzeit mit dem Bezirk Calw eng verbunden. Er ist gebürtig von Dachtel und war in den Bezirksorten Rötenbach. Martinsmoos, Gaugenwald, Einberg und Deckenpfronn angestellt. Neben seinem Schuldienst betrieb er eine größere musterhafte Landwirtschaft und war bahnbrechend in der Einführung landwirtschaftlicher Maschinen und in der Hebung des Obstbaus. Er gehörte zu den größten Grundbesitzern der Gemeinde. Außerdem war er 20 Jahre Vorsteher der Darlehenskasse, welche durch ihren Umsatz zu den größten und bedeutendsten des Landes gehört.
Calw, 10. Nov. Zum Brand in Oberhaugstett. Den
aügestrengten Bemühungen des Landjägerstationskommandos Calw ist es bereits am letztem Montag gelungen, die Ursache