Die Straße des Weihrauchs
Die liberale Bibelkritik hat die Geschichte von den drei Königen, die ein Stern aus dem fernen Morgenlande nach Bethlehem führte zu dem Kinde, das sie dann, weil es arm war, reich beschenkten und vor König Herodes retteten, ins Reidi der Fabeln verwiesen. Die Gläubigen haben seit Jahrhunderten freilich anders «dacht. Keiner Erzählung des Evangeliums hat sich die Volksphantasie mit sol- drer Liebe bemächtigt wie dieses Berichtes, den Matthäus niedergeschrieben Ist. Gesdiehen ist, wenn wir überhaupt dem Evangelium glauben, dieses:
Einige Gelehrte kamen nach Jerusalem und fragten nach dem neugeborenen Ju- knkönig, dessen Stern nach ihrer Ansicht aufgegangen war. Man wies sie nach Bethlehem, über dem tatsächlich der von ihnen beobachtete Stern stand. Dort fanden sie ein Kind. Sie überreichten Gastgeschenke und kehrten dann wieder in ihre Heimat zurück.
Weihrauch und Myrrhe
Weihrauch und Myrrhe waren unter den Gastgeschenken. Beides edles Räucherwerk, das bis heute überall sehr be
führt, ist voll von Trägern. „Man belädt die Schiffe sehr hoch mit den Schätzen des Landes Punt und allen schönen Pflanzen des Gotteslandes und Haufen von Weihrauchharz, mit grünen Myrrhenbäumen .. .“ Im Papyros Sallier II wird der Nil als Vater des Weihrauches gepriesen. „Der Weihrauch ist trefflich, der von dir herrührt“, heißt es dort. Aber auch im hebräischen Tempel, in den griechischen Tempeln wurde Weihrauch verbrannt. In Babylon — wie Herodot I. 183 berichtet — und in Rom war Weihrauch ebenfalls beliebt, und Nero verbrauchte eine ungeheure Menge beim Begräbnis der Poppäa. Bedeutende Quantitäten verbrannten auch die Chinesen, die den Weihrauch seit dem 10. nachchristlichen Jahrhundert von den Arabern erhielten. Als Räuchermittel dient er bis heute in der katholischen und orthodoxen Kirche.
Minder, Hebräer, Araber
Die Träger der alten Stadtkulturen Südarabiens, die bereits im sechsten vorchristlichen Jahrtausend nachzuweisen sind, mögen die ersten Händler mit Weihrauch und Myrrhe gewesen sein. Histo-
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Die Weihrauchstraße, der älteste und wohl bedeutendste Handelsweg der alten Welt, verband die um den Indischen Ozean, das Mittelmeer und den Atlantischen Ozean gelegenen Länder miteinander. Minäer, Hebräer, Sabäer und Araber spielten im iVeihrauchhandel die Hauptrolle. Die Geburtsorte des — in der Reihenfolge ihres zeitlichen Auftretens — Judentums, Christentums und Islams lagen an dieser hochberühmten Straße. Der zentrale Etappenort Mekka war für viele Jahrhunderte der „Nabel der Welt“.
Zeichnung: Esterriedt
liebt ist, in seiner Heimat, im felsigen, wustenartigen Südarabien einstens auch zu ganz profanen Zwecken verwandt wurde. Der Weihrauchbaum oder Weih- raudistraudi, der das wertvolle Weihrauchharz liefert, kam damals nur in dem sehr begrenzten Gebiet beiderseits der Küsten des Golfs von Aden vor, an der arabischen Küste von der Mitte von adhramaut bis zur Halbinsel Dhofar, an der afrikanischen Seite im Küstengebirge er Somalihalbinsel bis zum Kap Guar- afui und bis zu den im Indischen Ozean Agenden Soqotra-Inseln. Das Harz wird urdi Einritzen der Bäume (es sind ver- s iedene Boswellia - Arten) gewonnen, es bildet fast farblose, hellgelbe oder räunliche, weiß bestäubte, durchscheinende Körner und verdankt seinen lateinischen Namen Olibanum wahr- s lcmlidi dem hebräischen 1 e b o n a h , as M ild) bedeutet. Myrrhe ist die zweite wohlriechende Harzart. Sie wird vom ^yrrhenstraudi gewonnen, der in allen odrländern Südarabiens und Nordost- atnkas beheimatet ist, beiderseits des oten Meeres bis etwa südlich einer Linie von Djidda. Auch die Myrrhe diente zum a ®u 01 ^° n den Ägyptern wurde sie ®ch beim Einbalsamieren verwandt. Bei , en Griechen blieb sie stets zu gottes- ,'Mstlidien ^ w ecken im Gebrauch, und , "™yrna“ findet sie sich auf der Liste er r ° m ischen Zollstätte in Alexandria.
Seit alter Zeit
® enu tzung von Weihrauch und ‘ yrrhe zu sakralen wie profanen Zwek- en re iAt bis ins Altertum zurück. Phö- nTlh 'l n ^ Ägypter bezogen den Weih- U eine der größten Kostbarkeiten JS rabien, und nach einer Inschrift am empe von Dayr el Bahri wurden auch . ende Weihrauchpflanzen zu Schiff und dem Gotte Amon ge-
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risch faßbar sind die Minäer, die den Handel zwischen Südarabien und Ägypten und (auf der Straße über Gaza) mit Palästina und dem Zweistromlande vermittelten. In den Josephs-Erzählungen heißt es: „Es kamen aber midianitische (das heißt Maoniter oder Minäer) Händler vorüber, die zogen Joseph heraus und führten ihn nach Ägypten. (1. Mos. 37, 28.)“ Diese Minäer, die Richter 10, 12 zu den Israel bedrängenden heidnischen Völkern aufzählt, führten n e k o t (Gummi), z o r i (Weihrauch) und 1 o t (Myrrhe) mit sich. Fortsetzer waren die Hebräer, die nach der „ägyptischen ‘Gefangenschaft“
von neuem in Palästina einwanderten und bald den Handel auf der Weihrauchstraße in ihre Hand bekamen. Aber auch die Sabäer, die Nachfolger der Minäer, hatten einen Anteil an diesem Handel. Sie hatten sich (etwa zu derselben Zeit wie die Hebräer im Norden) im Süden der eigent-
Z u den Opfern, die man den Göttern bot, gehörten Weihrauch und Myrrhe. Die Ägypter nannten den Weihrauch „den Göttlichmacher“. Das Bild zeigt einen Opfernden mit einem Kohlenbek- ken. Ohne Bauchem konnte sich der alte Ägypter einen Kultus nicht denken.
Bild: Erman, Die Religion der Ägypter
liehen Weihrauchstraße, das heißt also in Südwestarabien ein bedeutendes Staatsgebilde geschaffen, das erst durch die Römer zerstört wurde. Ihnen folgten wiederum die Juden, die nach der Zerstörung des Tempels zu Jerusalem entlang der Weihrauchstraße ins Exil gingen, und mit ihnen Christen, die sich mit dem altarabischen Heidentum und der persischen Zoroasterreligion in der gemeinsamen Abwehr des Römerreiches eng verbunden fühlten.
Als das Christentum römische Staatsreligion wurde, begannen heftige Kämpfe entlang der Weihrauchstraße, der inzwischen durch die Seidenstraße — durdi Kleinasien bis nach China verlaufend — eine spürbare Konkurrenz entstanden war. Am Ende aber siegten die Christen, bis dann Mekka die Geburtsstätte des neuen Glaubens wurde, des Islams, der bald die ganze Arabische Halbinsel eroberte und damit auch die Weihrauchstraße. Aber deren große Zeit war längst vorüber. Die Umschlagsplätze waren bereits verfallen und zerstört, und der Seehandel im Roten Meer war seit langem von Christen wie Heiden bevorzugt. Die Seidenstraße gewann schließlich auf Kosten der uralten Weihrauchstraße. Auch sie verband die um den Indischen Ozean, das Mittelmeer und den Atlantischen Ozean gelegenen Länder miteinander.
Prophezeiungen
Nach der Rückkehr der Juden aus der ägyptischen Gefangenschaft und der Übernahme des Weihrauchhandels auf dem nördlichen Teil des Handelsweges verdichteten sich die Verkündungen, die Gott seinem auserwählten Volke Israel gegeben hatte, zum messianischen Gedanken. Im 72. Psalm — er wird Salomo zugeschrieben — heißt es vom 8. Vers an: „Von Meer zu Meere herrsche er, vom Strom bis an der Erde Enden! Seemächte sollen sich vor ihm erniedrigen und seine Feinde Staub auflecken! Die Könige von Tarsis (Spanien) und die der Inseln sollen Gaben bringen, Tribut die Könige von Saba und Seba und alle Könige ihm huldigen.“ Und Micha 5, 1 nennt das an der
Weihrauchstraße gelegene Bethlehem als den Geburtsort des Messias. Der Einfluß der Juden war damals groß, der messia- nische Gedanke weit verbreitet. So brauchen die Könige aus dem Morgenland, die Weisen von der Weihrauchstraße, die Weihrauch, Myrrhe und Gold dem Neugeborenen in Bethlehem in die Wiege legten, keine Juden gewesen zu sein. Der Stern, den sie sahen, wird ihnen als mutmaßlichen Angehörigen der im altarabischen Heidentum verwurzelten Astralreligion das Zeichen gewesen sein, das ihnen die Geburt des Göttlichen Kindes verkündete, das sie mit Weihrauch und Myrrhe zu verehren hatten, so wie seit alters her die Götter und Göttinnen durch
Abbrennen von edlem Räucherwerk verehrt wurden.
Kaspar, Melchior, Balthasar
Matthäus nennt keine Namen. Seit dem sechsten nachchristlichen Jahrhundert aber wurden die Weisen Kaspar, Melchior und Balthasar genannt. Nach der Legende wurden sie nach ihrer Heimkehr Bischöfe und Märtyrer. In Mailand erhielten sie ihre Ruhestätte. Von dort nahmen deutsche Ritter zur Zeit Barbarossas die Reliquien als Beute mit, und nun ruhen sie im goldenen Schrein im Dom zu Köln, der Stadt, welche die drei Kronen der drei Könige in ihrem Wappen führt. Dr. W. Nölle
Königin Hatsdiepsut von Ägypten entsandte eine Expedition nach den Weihrauchlän- dern. Der ägyptische Künstler, der diese Fahrt nach dem sagenhaften Lande Punt im 15. vorchristlichen Jahrhundert begleitete, gibt eine instruktive Darstellung vom Beladen eines der Schiffe vor der Abfahrt aus Punt, dem heutigen Somaliland: Ein Aufseher wacht mit viel Eifer über das Verladen all der Sdiätze, vornehmlidi des Weihrauchs. Die Texte berichten, cJo/5 die Schiffe eine glückliche Heimfahrt hatten, ln Theben überreichen die Reisenden der Königin die Schätze, „denen gleiches nie anderen Königen gebracht worden sind“. Bild: Erman, Die Welt am Nil
Willi Wegner:
Beinahe eine Bescherung
E r war, wir wollen ehrlich, sein, nicht mehr der Jüngste. Und das Alleinsein kannte er zur Genüge, aber er hatte sich immer wieder darüber hinwegzusetzen gewußt. Nun war jedoch Heiligabend, und da sind alle Einsamen ganz besonders allein. Natürlich hatte er sich ein Bäumchen aufgestellt, mit vier Kerzen, und an den Zweigen hingen ein paar Zigaretten, drei Zehner-Packungen, eine für Heiligabend, eine für den ersten und die letzte für den zweiten Weihnachtstag.
Es klopfte.
„Ja?“ sagte er.
„Ich bin’s nur.“ Sie kam herein.
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.....
Glocke, verkünde!
Versunkene Glocke, tauche empor, ruf uns zusammen zum brausenden Chor, läute in harrende Herzen hinein, Weihnachten, Weihnachten soll wieder sein, heiliger Abend, der Welt überall,
Glocke, verkünd ihn mit jauchzendem Schall!
HERMANN BAUMANN
Landschaft im Wadi Fatimah bei Mekka, der wichtigen Etappe an der mittleren Weihrauchstraße Bild: Gemälde von P. Bollmann in: Handbuch der Geographischen Wissenschaft, Bd. Vorder- und Südasien.
„Frohe Weihnachten“, sagte sie. Sie drückte ihm ein kleines Seidenpapier-Etwas in die Hand, und dann sah er in den Augen seiner Wirtin ein feuchtes Blinzeln, aber das mochte auch an den Lichtern an seinem Baum liegen. „Och Gott“, sagte er, „das ist doch nicht nötig.“ •
„Sie haben es ja auch nicht einfach“, sagte sie. „Vielleicht begraben wir heute unser Kriegsbeil, finden Sie nicht? Ich habe auch vergessen, daß Sie im Bett geraucht und ein Loch in den Bezug gebrannt haben ...“
„Na ja“, sagte er, „gut, begraben wir das Kriegsbeil!“ Er hatte das Seidenpapier - Etwas ausgewickelt und hielt eine Krawatte in der Hand. „Dunnerlittchen!“ entfuhr es ihm. Es war eine sehr moderne Krawatte, mit Palmen und Bikini urid so. „Das ist ja beinahe eine Bescherung!“ sagte er.
„Ich koch’ uns jetzt Kaffee, ja?“ Sie lächelte und freute sich tüchtig, das konnte man sehen, sie war ja genau so allein wie er.
Nachher tranken sie Kaffee, und der Mann nahm die erste Zehnerpackung vom Tannenbaum. „Ich will auch vergessen“, sagte er, „daß Sie damals so geschimpft haben wegen der Tischdecke, we-‘ gen dem Tintenklecks, erinnern Sie sich? Und ich will auch mehr Rücksicht auf Ihre Gardinen nehmen und das Rauchen etwas einschränken.“
„Das ist nett von Ihnen“, sagte die Frau. „Und die drei Briketts, die Sie mir vorige Woche gemopst haben, gehören der Vergangenheit an.“
„Nein, so ein Festtag!“ sagte der Mann. Und dann holte er einen Briefumschlag aus seiner Rocktasche und gab ihn seiner Wirtin mit den Worten: „Eine kleine Aufmerksamkeit ... ist ja Weihnachten ...“
„Wie gut wir zueinander passen“, sagte die Frau. „Daß wir das nie bemerkt haben.“
„Ja, es ist sehr seltsam“, sagte der Mann. Nachher, dachte er, tverde ich sie fragen, ob wir nicht überhaupt unsere Siebensachen zusammenwerfen wollen. Wir sind ja beide nicht mehr die Jüngsten. „Ich will Ihnen auch verzeihen“, sagte er, „daß Sie sich seinerzeit von mir den Senftopf geliehen und nie mehr zurückgebracht haben...“
Aber das überhörte sie völlig, weil sie gerade eben den Briefumschlag geöffnet hatte und ein paar Banknoten in den Händen hielt. „Himmel!“ rief sie. „Ein Wunder! Die rückständige Miete!“