tüeihnaditen 1954

DAS LIED DER QEIGE

/ Eine Weihnadits-Erzählung

Seit meur als zwei Jahr.jänderte ist es in einem kleinen Dorfe im Hunsrück Sitte und Brauch, daß ein Mitglied der Gemeinde ein dem Fest angepaßtes Lied zur Christmette vortragen muß. Wie es in der Chronik heißt, erhält der jeweilige Organist, der für die Aufführung zu sorgen . hatumb seyne Muedat drey sylberne Dhaler in aechter Praege. Der Gemeindevorsteher muß vier Wochen vor Weihnachten anfragen, ob die Vorbereitungen getroffen wurden, er erhält

Geist einiger Bauern empörte sich, bis sie auf den Geistlichen sahen. Wie der aber verträumt vor sich hinlächelte, legten sich die Wider­stände, und die Herzen dieser harten Bauern gaben sich dem bis dahin nie gekannten Zau­ber der Melodien hin. Und langsam erfaßten sie, daß der, der da spielte, nur des Groß­bauern Sohn sein konnte. Sie betrachteten ihn, aber er hatte die Augen geschlossen, als holte er die wundersamen Weisen aus seinem Innersten. Wie oft hatte er davon als Junge

darumb eynen Dhaler, der Stimmbegabte geträumt, einmal geigen zu dürfen in der aber, dem die Ehre zuteil wird, darf ein Jahr Christmette.

lang den NamenWeihnachtssänger führen.

Vier Sonntage vor dem Christfest begab sich Henner Galbert, Schulze und Schieds­richter, begleitet von zwei jungen Burschen so wollte es die Überlieferung zum jungen Lehrer, der auch gleichzeitig Organist war, um sich dort nach dem diesmaligen Sänger zu erkundigen.

Vergebens forschten < die 'jungen Burschen nach dem Namen des diesmaligen Weihnachts­sängers, aber der Schulze verriet kein Wort. Und selbst am Heiligen Abend' wußte noch niemand, wer der Weihnachtssänger war.

Frau Holle hatte kräftig die Betten ge­schüttelt und über alles einen weißen Mantel gelegt, der in der Dämmerung wie ein ster- nenbesäter Teppich funkelte und glitzerte. Als um die vierte Morgenstunde des anderen Tages in Hütten und Häusern schon eine geraume Zeit Licht brannte, klangen Glocken auf und schlugen ehernen Schall über Scharen von Menschen, die zur Kirche strömten.

Als einer der letzten betrat Groß das war der reichste Bauer der Gemeinde mit seinem Weibe das heilige Haus. Alt und zittrig' waren beide, dazu still und einsam, wie nur solche Menschen s**n könen, die eine einzige große Lebensfreude kannten u,nd sie verlieren mußten.

Neben dem Al(pr brannten auf hochgeraden Tannen Kerzen auf Kerzen, wie in goldene Helle von' Sonnenstrahlen war das silber­beschlagene Tabernakel getaucht, doppelt glutrot erschien die Arripelschale, darin das ewige Licht, von unspürbarem Hauch umkost, leise hin- und herflackerte. Nachdem das Evangelium verlesen war, sprach def weiß­haarige Priester vom friedsamen Weihnachts­zauber und es war, als ob die Zuhörer Erde seien und er der Landmann, der guten Samen streut.

Und dem alten Bauern Groß rollten die Tränen über die bärtigen Wangen, als er mit zitternder Stimme flehte:Vater unser, laß mich mein Kind Wiedersehen, Ae ich sterben muß.

Sein Sohn wollte Musiker werden, aber er litt es nicht. Gymnasium ja, dann aber sollte er seine eigene Scholle beackern, so wie er es getan. Es hatte scharfe Worte gegeben, dazu kam das Werben um des Amtsrichters Tochter, die dort inbrünstig betete. Ihr Vater hatte aufbegehrt und als er jenen in An­klagen und Vorwürfen unterstützte, war sein Junge fortgegangen ohne Händedruck, ohne Abschied. Jahre waren dahingegangen, immer noch hatte der Groß einen Schritt seines Sohnes erhofft aber weder Nachricht noch Botschaft kam von ihm.

Benedeie mich, denn du bist die Versöh­nung und die Hoffnung betete der Bauer. Vor dem Agnus dei kam nach alter Vorschrift der Gesang. Die Orgel begann mit leisem Vor­spiel, wie heimlich rieselndes Bergwasser huschten Akkorde einander nach, das Klingen schwoll an zu einem Jubelchoral, verebbte wieder, wurde zur beginnenden Begleitung und dann ein sonderliches Erschrecken in der Gemeinde das war keine Stimme, die -einfiel weich und zart begann eine Geige die Melodie einer Pilgerfahrt.

War das nicht gegen den Brauch?! Der

Fest hatte er die Geige an sich gezogen, und der Bogen glitt über die Saiten, fest griffen die Finger in die Saiten, als faßten sie das Glück. Durch Not und Entsagung hatte er sich den Weg zu seinem Ziel erarbeitet, er hatte schließlich Anerkennung gefunden. Nun galt es, wieder das zu gewinnen, was er einmal in aufbäumendem Jugendtrotz verlor, Vater­haus und Eltern, vielleicht noch mehr: Denn

immer waren Sehnsucht und Treue zu der Geliebten seiner Jugend gegangen.

All seine Wünsche und sein Weh floß aus diesen Saiten, strömte aus ihnen hervor als reiner und goldener Ton. Ja, das Wunder geschah, die Bauern beugten die Köpfe vor diesen Weisen. Und der Amtsrichter, der selbst in der Kirche eine gewichtige Miene zur Schau zu tragen pflegte, rückte verlegen auf der Bank hiri und her. Seine Blicke wan- derten bald zu dem Geiger, dann zu seiner Tochter, die mit freudig glänzenden Wangen dasaß und ergriffen dem Spiele lauschte. Und als er sah, daß sie sich zur Großbäuerin setzte und ihren Arm um die Greisin legte, da wußte er, daß man den Sohn nicht vergessen hatte.

Der Gottesdienst war beendet. Aber nie­mand erhob sich. Man ließ den Großbauern und'seine Frau zuerst durch den Mittelgang gehen. Alle Herzen neigten sich vor ihnen, und als an der Stelle, wo der Aufgang zum Chor in das Schiff mündet, die Eltern den Sohn umarmten, da wurde manches Auge feucht.

EIN BLAUER MANTEL

UND EIN ROSIGES Xitld

/ VON MARIE GEVERS

Wenn der Schnee fällt -in Flandern, klat­schen alle kleinen Kinder in die Hände und singen:

Jesus schüttelt sein Bettchen aus und läßt die Federn fliegen, ja fliegen. Welche Freude! Der Schnee ist ein seltenes Geschenk hierzulande, wo' der Westwind fducht und lau sich vollsaugt über dem Meer und dem Frost zuleibe rückt.Husch, husch, wir wollen schnell im Schnee spielen, bevor er wieder'schmilzt. Und auf den Schulhöfen, auf den Straßen, auf den Plätzen, in den Gärten nichts als Schiin­derbahnen,

Schneebälle,

Nachlaufespiele,

Schlachten,

Frostbeulen und Niederpurzeln.

*

Nach den Kin­dern sind es die Maler, die sich am allermeisten freuen. Sie sind dicht gesät, die Schüler des hei­ligen Lukas im Lande Flandern, sie sind dicht ge­sät. Alte, Junge,

Fette, Magere,

Hungerleider und Satte,

Schüchterne und Unternehmungslustige oder solche mit Orden und Titeln behängt ... oder andere, die eine großartige Zukunft in der Tasche tragen und daneben ein leeres Portemonnaie ... Ohne von den Sonntagsmalem reden, von denen jedes Dorf mindestens zwei, drei Exemplare auf weist. Freilich! Seit es schneit und seit des Brueghel stürzen sich alle, alle ausnahmslos auf ihre Farben, ihre Pinsel und bringen Leben in ihre Leinwand, in ihr Aquarell­papier, in ihre Brettchen, die sie aus einer Zigarrenkiste zimmerten. Frischauf, ihr Ra­dierungen, Zeichnungen .nd Tuschblätter! Und die Maler werden diese innige Stunde festhalten, göttlich für ihre Augen, die für Schönheit so empfindlich sind; und so denken auch sie, das Jesuskind beuge sich hilfreich nieder in diesem zärtlichen Wunder.

Ah! Hier hat der Schnee nicht die ver­zaubernde Gewalt, die ihm in den nordischen Ländern eigen ist oder auf dem Gipfel der Alpen. Er ist geschmeidig, beweglich, launen­haft, flüchtig und veränderlich ... Alles Feh­ler, die sehr zu Unrecht die Männer den Frauen vorwerfen. Aber auch dieser Schnee hat die große Eigenschaft, die man ihnen mit gutem Grund zuerkennt: er ist schön.

Ich kenne Bilder, wo denMaler das Fieber packte. (Er schmilzt gleich, er schmilzt,'

schnell, schnell!) Er hat nur eben Zeit gehabt, durch das Fen­ster seinen Gar­ten in der Klein­stadt anzu­schauen, und er hat ihn wieder­gegeben, den Schnee,- wie er ihn aus einer ersten Etage sah, mit einer fal­schen Perspek­tive, mit dem grünen Garten­tisch und den Eisenstühlen, auf denen spitze, lockere Schnee- hgubchen bok- ken.

Ich erinnere mich an Ge­mälde, wo der Maler sich nicht einmal zu warten getraute, bis er gefallen war; er hat ihn gemalt, wie er wirbelnd niederstob, auf einem fast unsicht­baren Hintergrund von Büschen und Häusern; er hat ihn dargestellt nicht wie ein ruhendes Ding, sondern wie einen Meteor.

Und alle Maler träumen davon, eines Tages auf Grund ihrer Schneeskizzen eine Weih­nacht zu malen. Eine schöne Weihnacht mit einem blauen Mantel und einem rosigen Kind. Sankt Joseph weiß, ... das Gold der Weisen, und draußen eine Schneenacht voll von dem Gestöber der Sterne.

Nun, manchmal meint es der Schnee gut und bringt es fertig, gerade in der Weih­nachtszeit zu fallen. Oh! Welche Freude hüllt dann unser Land der Ebenen, der Kanäle, . unsere von Pappeln umsäumten Felder ein!

O TANNENßAVM

Der älteste eigentliche Christbaum scheint im Jahre 1604 in Straßburg zu sehen gewesen zu sein. Ein Straßburger Bürger vermeldet:Auf Weihnachten richtet man Tannenbäume in den Stu­ben auf, daran henket man Rosen, Äpfel, Oblaten, Rauschgold und Zuk- ker.

1730 kennt man den Lichterbaum in Berlin, 1737 erzählt ein Rechtsgelehrter aus Zittau, daß eine Gutsfrau am Hei­ligen Abend soviel Lichterbäumchen zubereitet habe, wie sie Personen be­schenken wollte. 1765 stellt der be­kannte Kupferstecher Stock in Leipzig jedem seiner Kinder ein Bäumchen auf und vergißt dabei auch das Hündchen Joli nicht.

Es war das deutsche Herz, das den Christbaum erdachte und ihn zu, einem deutschen Sinnbild machte.

Qoldene Melodien

des Herzens / Notenblätter erzählen

In den Wirren der napoleonischen Kriege, die so viel Not und Elend auch über Mittel­deutschland brachten, lebte in Weimar der Legationsrat Falk. Er hatte in seiner Jugend als begabter Sohn eines kinderreichen Pe­rückenmachers } in Danzig nur mit Hilfe des Stadtrats eine bessere Erziehung genießen können. Als er von Danzig schied, um die Universität Halle zu beziehen, hatte ihm einer seiner Gönner die Mahnung auf den Weg gegeben:Geh mit Gott, Johannes Falk! Du bleibst unser Schuldner. Vergiß nie, daß du ein armer Knabe warst, dem wir geholfen haben. Und wenn dereinst arme Kinder an_ deine Türe klopfen, so sind wirs, die Toten, die alten Ratsherrn von Danzig, die da an­klopfen; dann weise sie nicht von der Tür.

Daran dachte Johannes Falk in den Zeiten des Jammers und linderte viel Not. Der brave

Im Qebälk knistert leise der Wind

Drei Menschen ziehen durch die Dunkelheit zum Weihnachtslicht / Die Heilige Nacht in der Schnee-Einsamkeit

Sie haben die Kammhochfläche des Riesen­gebirges erreicht; die letzte. Mühe des Tages liegt hinter ihnen. Leichten Fußes gleiten sie unter dem unermeßlichen Lichterbaum des

r <V.-.

Eingeschneit...

nächtlichen Sternenhimmels dahin. Noch ein­mal an einer lärmvollen Baude vorbei und an jedem Bergrücken entlang, der weitab von ihnen in der Nacht kauert und in der trüge­risch-matten Helligkeit wie ein niedriger

Wall, unmittelbar neben dem Stangenweg, erscheint.

Endlich schimmert ein Licht, ein winziges Licht. Das ist ihr Weihnachtslicht. Die Holz­tür im windgeschützten ,Winkel des Hauses steht angelehnt. Die Bewohner und die weni­gen Gäste schlafen schon. Die warme, bereitete Kammer suchen die Nachtwe derer auf. Und von dem Rucksack des einen löst sich ein Baum, ein grüner, buschiger Tannenbaum. Der Zweite reicht rote Kerzen, der Dritte einen funkelnden Stern und Hände voll weicher, schimmernder Silberfäden.

Sie zünden die Kerzen an und halten die Zweige in die Flammen, daß sie knacken und würziger Duft zum finstern Bai; enwerk hin­aufsteigt. Sie hocken auf der Eckbank um den Baum und reichen rieh schweigend die Hände. Und da haben sie die Heimat ihrer Weihe­nacht gefunden: darum, weil ihnen die Liebe zueinander im Herzen brennt, die Liebe zum Wandergefährten, zum Schicksalsgenossen der Stillen, Heiligen Nacht.

Wie sie so um den Lichterbaum sitzen, wachen Kindheit und Heimat in ihnen wieder auf, jene Zeit, da ihnen im Vaterhaus der Baum zuerst unvergeßlich erstrahlte. Von Ostpreußens Dünenküste kam der Eine, der Zweite von den Weinhügeln des Rheins, der Dritte von Bayerns Bergen. Sie erzählen von ihrem Daheim, und wenn einer spricht, der Gegenwart entrückt, so verklärt sich sein Ge­sicht. Ein jeden lebt jetzt seine Welt für sich, von den Kameraden schweigend geachtet.

Vergangenheit wird zur Gegenwart, und jedem steigt das Paradies der Erinnerung hernieder, daseinzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können. Zum Para­dies oft erst geformt unter der Patina der Zeit, denn es ist eins der gefahrbergenden Gnadengeschenke an die glückhungernde

Menschheit, daß Freuden durch die Zeiten leuchten, Unzulänglichkeiten in die Dunkel­heit des Vergessens sinken. Gefahrbergend, weil durch die Überschätzung der Vergangen­heit die Gegenwart verarmt.

Darum Sagt. auch ein, nach einer Weile versunkenen Schweigens:Es war schön, aber ich möchte nicht dahin zurück; denn ich möchte nicht alles, was ich seitdem gewonnen habe, drangeben um der hilflosen Glückselig­keit der Kinderjahre wiMen. Und sie erzäh­len sich von ihren lernen Erlebnissen, von ihren Erfahrungen, Arbeiten und Plänen.

Es ist so traulich in der nächtlichen Stille des Berges. Im düstern Gebälk knistert leise der Wind, ganz scheu, um nicht zu stören. Draußen liegt der Schnee, der wunderbare Schnee, über den sie morgen jagen werden. Die Lichter flackern, es funkelt das Silber; Pfefferkuchen, Mandeln und Früchte ver­schwinden gemächlich und stetig vom bunten Teller.Ich habe auch ein Lied mitge­bracht, sagt der Jüngste.Aber ihr dürft, nicht lachen. Er kramt im Rucksack herum, zerrt einen kleinen Lederbeutel hervor und entnimmt ihm ein kinderhandgroßes, metal­lenes Ding.Was ist denn das? fragten die Gefährten lächelnd.Eine Spieluhr ohne Ge­häuse, erklärt der Musik s stolz.Ich fand sie als Junge daneim im Porzellanschrank. Im Dunkeln tönt sie am schönsten. Man muß nur recht gleichmäßig drehen. Er bewegt die metallenen Zinken, da klingt es glockenhell und reinStille Nacht, heilige Nacht. Die anspruchslosen Töne werden zum Jubelchor der Welt; die Schnee-Einsamkeit verbrüdert sich mit dem Erdball

Die Kerzen sind niedergebrannt. Drei Men­schen schlummern friedlich und fröhlich durch die Heilige Nacht.

Mann schuf auch das Lied auf die drei hohes Feste des Kirchenjahres, das durch. P Umdichtung ganz zum Weihnachtslied B worden ist.

Oh, du fröhliche, o du selige ^ gnadenbringende Weihnachtszeit ^

Auch von Doktor Martinus Luther, d«^

jährlich die Seinen gern et ?£ S mmt ein derem zum Feste überraschte, s inem vielgesungenes Weihnachtslied. a

milden Dezembertag saß d f. sein

in Wittenberg an seinem Schrei Aben d Blick ging hinaus in den d , an ^ ra ® Fissc hollen über den Elbstrom, auf derri jr en .

trieben. Flocken um Flocken sto er

ster. Wie kleine weiße En .eichen, benes denken in der Erinnerung an sein g ^ Töchterlein, dessen Geburtstag n Kinder Und dieweil nebenan seine übrige üfaer , in weihnachtlicher Vorfreude ,ar Tot en zu kam es ihn, die Lebenden mit verbinden in einem Wechselgesang_

.Vom Himmel hocA, da komm ich