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Nr. 183

Gegründet 1887

Dienstag, den 9. August 1927

Fernsprecher Nr. 29

191. Jahrgang

Xagesspiegel

Der Reichswirlschaftsmiuister Dr. Lurtius, der bei der Versasiungsfeier im Reichstag die Festrede Hallen sollte, hat abgesagt, weil er in Gastein eine Kur gegen ein Gallenieiden gebraucht.

König Fuad von Aegypten stattete dem Papste im Vati­kan einen Besuch ab und hatte mit ihm eine viertelstündige Unterredung. Der Popst verlieh dem König den Orden vom Goldenen Sporn und sein Bildnis im reichverzierten Rah­men. Spater besuchte der König den kardinal Gasparri.

Neuer Versuch der Friedensstörung

Ein Geheimbericht Guillaumats

Die Pariser ZeitungL'Avenir" veröffentlicht den Vor­abdruck eines angeblichen Geheimberichts, den der gegen­wärtige Befehlshaber des Besatzungsheers, General Gu il­lau mal, an die Regierung in Paris gesandt haben und der in einer Wochenschrift erscheinen soll. Der Bericht lautet:

Sämtliche von meinem Generailstab seit einiger Zeit empfangenen Berichte ergeben übereinstimmend, daß die deutsche Regierung seit etwa einem Jahr einen P l a n v er s o l g t, um im besetzten Gebiet und für die verschiedenen Zweige der militärischen Tätigkeit eine Streitmacht zu schaffen, die gegebenenfalls schnell gegen uns austreten -kann. Diese Anstrengungen zur Wie­derherstellung einer Streitmacht werden von dem Deutschen Reich in den nichtbesetzten Gebieten schon seit längerer Zeit gemacht. Jedoch war bas Rheinland lange Zeit außerhalb der Bewegung geblieben. Heute steht es damit anders.

Zahlreiche Sportvereine haben sich in den besetzten Gebieten gebildet, die eine stattliche Zahl junger Leute um­fassen, die von früheren Offizieren und Unteroffizieren durch Märsche und Turnübungen ausgebildet werden, also in den beiden Grund zwei gen der insanteristischen Ausbildung. Ge­wisse Vereinigungen sind sogar bei Kampsübungen über­rascht worden. Wenn auch die Verordnungen der Rhejn- kmÄkommijsion die Schießübungen in den Schützenver­einen genau regeln, so zeigen sie sich aus der andern Seite nachsichtiger gegenüber allen Vertretern der Staats­gewalt, Las heißt den mehreren tausend Zoll-, Foist - und Po l i z e ib e a m t e n. Ferner ist eine deutliche Neigung der B evölkerung, sich unter den verschiedensten Vor­wänden zu bewaffnen, festzustellen, und es ist unmöglich, die Einzelbetätigung im Schießen durch die zahlreichen Inhaber von Waffenscheinen zu verhindern. Auf einem andern Ge­biet Äer militärischen Tätigkeit verfolgen die Reiterve r- eine, die junge Leute nach den im Heer angewandten Me- chvden ausüilden, das Ziel, Kavalleristen und Artilleriefahrer -eranzuziehen.

Die Tätigkeit dieser Vereine, die sich hauptsächlich an die Jugend auf dem Land wenden, ist beträchtlich. 35 Reiter­vereine sind festgeftellt worden, und diese Zahl stellt kaum ein Drittel der in dem besetzten Gebiet bestehenden Vereinigun­gen dar. Die äußerst schnelle Entwickluna dieser Gesellschaf­ten während Äer letzten Monate läßt sich nur durch eine wirksame Unterstützung durch die deutschen Behörden er­klären. Ihre besondere Aufmerksamkeit legen die deutschen Behörden auf die L uf t sch i f fa h r t. Unmittelbar an der Grenze des besetzten Gebiets, in den Gegenden von Köln, Frankfurt und Karlsruhe, hat Deutschband drei Stützpunkte geschaffen, welche idle Zusammenziehung starker Luftgeschww- der möglich machen. Im besetzten Gebiet will man Flug­plätze einrichten, Material Herstellen, Fübrer ausbilden und Luftlinien schaffen. Die in dieser Hinststt im Jahr 1926 erzielten Ergebnisse sind noch bescheiden, weil die Be­setzung sbe h ö r de n sich der Ausführung dieser Wäne widersetzt haben. Die deutsche Regierung hat sich durch diese Mißerfolge nicht entmutigen lassen und für 1927 einen kürz­lich bei einer Besprechung am 17. Februar in Koblenz vor- gelegten Plan ausgearbeitet. Er sieht namentlich die Ein­richtung von acht Luftlinien und die Anlage von fünf Flug­häfen an der französischen Grenze, und zwar' in Aachen, Trier, Saarbrücken, Kaiserslautern und Pirmasens, vor. Diese ^kuabäfen weiden gewissermaßen die Vorposten der drei obengenannten Flugstützpunkte bilden, die noch durch die Schaffung von zwei Flugplätzen in Erbenheim und Speyer ergänzt werden. Schließlich ist die im besetzten Ge­biet betriebene Segelfliegerei zu erwähnen, die von den Deutschen mit Recht als das geeignetste Mittel zur Ausbildung von Flugpersonal betrachtet wird.

Auf einem andern Gebiet wird durch die Bläue zum Ausbau des Straßennetzes im besetzten Gebiet und in der neutralen Zone, durch die Arbeiten zur Ver­besserung gewisser Bahnlinien, die Baupläne für neue Brücken über den Rhein und die Mosel und die steigende Anwendung von Lastautomobilen das Ziel verfolgt, die Konzentrierung von Truppen zu beschleunigen und die Transporte während militärischer Operationen .zu erleich­tern. Schließlich wird die sehr schnelle Entwicklung der drahtlosen Telegraphie im besetzten Gebiet, die Aufzucht einer bedeutenden Zahl von Brieftauben der deutschen Regierung erlauben, aus diesen beiden Gebieten «n Rheinland sehr beträchtliche Hilfsquellen zu finden. Nicht einmal Äer Sanitätsdienst ist von der Leitung ver­gessen worden. Das Bestehen zahlreicher Verbände des Roten Kreuzes, die trefflich organisiert sind (Sanitätskolon­nen, Samariterbund usw.) würden gegebenenfalls alle Mit-

Das Wettrüsten geht los

Washington, 8. Aug. Nach Blötiermeldungen hat sich der Marine-Staatssekretär Wilbur nach dem Scheitern der Genfer Seeabrüstungskonserenz nach dem Landaufenthalt des Präsidenten Eoolidae beaebcn, um ihm den Bau van 17 neuen Kreuzern zu je ' 0 OVO Tonnen vorzui'chlaoen. Für den Ersatz älterer Zerstörer und Tauckbrote sollen vom Kongreß jäbrlich IVO Millionen Dollar anoelordcrt werden. Mit den Privatreedereien tollen Verhandlungen darüber eingeleitet werden, daß die Reedereien im Kriegsfall tüch­tige Schiffe und Mannschaften als Marinere'croe zu stellen haben. Ein diesbezügliches Gesetze ist vom Kongreß (Ab­geordnetenhaus und Senats bereits angenommen, die er­forderlichen Kostenbeträge sind aber -noch nicht bewilligt. In Amerika herrscht tiefe Verstimmung gegen England.

Eine Erklärung des Admiral Scheel'

Reuycrk. 8. August. Die Blätter veröffentlichen eine Erklärung des deutschen Admirals Scheer über die Ma- rinekonserenz, die er der United Preß über den Fehlschlag der Genfer Marlnekonserenz abgegeben hat. Admiral Scheer erklärte, EnAanÄ habe seit der Washingtoner Konferenz versucht, im Kreuzerbau eines Vorsprung zu erlangen. Es verstehe unter »Schutz des Handel den Besitz einer etwaigen Gegnern überlegenen Krsuzerfiotte, um selbst in ausgedehn­tem Maße das Seebeuterecht ousimüben. Der wirk­

te! und das gesamte nötige Personal für den Sanitätsdienst sicherstellsn.

Die der deutschen Regierung vor 15 Monaten (in Lo­carno usw.) gemachten Zugeständnisse, die sich im besetzten Gebiet in einer größeren Nachgiebigkeit gegenüber der Be­völkerung geäußert haben, haben durch die Lockerung der Bande nur erreicht, daß Deutschand im besetzten Ge­biet seine militärischen Vorbereitungen stärken konnte. Die Gegenwart des Besetzungsheers hat wenigstens den Erfolg, die Entwicklung eines Plans einzu- ÄLmmen, den nichts mehr aush alten kann, wenn das Rhein­land von der Besetzung geräumt würde.

Die Vorwürfe gegen Deutschland, die in diesem Bericht erhoben werden, sind nicht neu; sie haben mit allen Einzel­heiten schon oft die Spalten französischer Zeitungen geziert- Immer laufen die Verleumdungen, wie auch in vorstehendem Geheimbericht", auf die Beschuldigung hinaus: Die Schu­lung der Bevölkerung des Rheinlands für den Krieg wird durch die Anwesenheit der Besetzungstruppen gestört." Hier liegt der Kern der Veröffentlichung. Es gilt zu beweisen, Latz eine vorzeitige Räumung des Rheinlands die Sicherheit Frankreichs gefährde. So sehr gerade der Rheinländer über eine solche Verunglimpfung der Sport-, Reiter- und Schützenvereine seiner Heimat lachen

kann, weil er hierbei aus bester Kenntnis der Dinge die Haltlosigkeit der Vorwürfe zu beurteilen vermag, so gefähr­lich sind die Behauptungen bet der augenblicklich gespannten politischen Lage. Der Geheimbericht ist ein würdiges Seiten- stück zu den in Liesen Tagen lveröffentlichten sogen. Forst e r- schenDokumenten": es gilt für diejenigen, die sich ihrer bedienen wollen, zu belegen, daß Deutschland bösen Willens sei und infolgedessen die Hand des Gegners an sei­ner Gurgel dauernd, wenigstens aber bis 1935, dem letzten Räumungstermin, verspüren müsse. Das Zusammentreffen derartig gefärbter Dokumente erhärtet immer mehr den Verdacht, als ob es sich dabei um einen sorgfäl­tig vorbereiteten Plan zur Störung der Friedens­bemühungen .zwischen Frankreich und Deutschland handle.

Beschleunigung des Güterverkehrs

Die Güterzugfahrplan-Konserenz, die am 5. August in Altona zusammenkrat, hat einen neuen, am 2. Okt. in Kraft tretenden Winterfahrplan von Güter- und Eilgüterzügen auf­gestellt. Durch günstigeren Zusammenschluß und Ver­besserung der Fahrzeiten sind die Beförderungszei­len von den norddeutschen Seehäfen nach den Grenzplätzen im Süden und Westen des Reichs teilweise um 17 bis 20 Stunden verkürzt worden, in der Gegen­richtung find Beschleunigungen von etwa 7 Stunden erzielt. Dieser Zeitgewinn in der Beförderung bringt praktisch für die Güter eine Gesamkbeschleunigung bis zu 24 Stunden mit sich. Bei der Abfahrt vom Norden ist besonders daraus Rücksicht gennommen, daß die tagsüber in den Bahnhöfen verladenen Wagen noch am gleichen Tag bzw. in den Nachtstunden abrollerr. Durch diese neue Anordnung soll u. a. erreicht werden, daß die deutschen Häfen in ihrem Kampf um die Wiedergewinnung ihrer früheren Stellung in der Weltwirtschaft unterstützt werden und daß solche Güter nach Hamburg und Bremen gezogen werden, die bisher den Weg um Deutschland herum über fremde Bah­nen nach fremden Häfen hin gesucht haben. Bekanntlich ist es das Bestreben Frankreichs, durch die vom Rhein aus­gehenden neuen und alten Kanäle diesen Güterverkehr wie denjenigen von Süddeukschland und der Schweiz über­haupt über Frankreich zu leiten, wie auch der im Ver­sailler Vertrag vorgesehene ^anal von Antwerpen (Schelde)

sontste GegeuMg. de« Amerika nach dem Mißlingen der Konferenz rmternehmen könnte, um die gewünschte Herob- ^tzunq der Rüstungen zu erzwingen, würde «in Eintreten Hr die Abschaffung des Seebeukerechts sein, da mit dem Fortfall dieses Rechts dem Handelskrieg und somit auch 1er Zweckmäßigkeit der Erhaltung einer starken Kreuzer- flotte der Boden entzogen werden würde.

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Eimveihung derFriedensbrScke"

Bufscllo, 8. August. Gestern wurde die sogenannteFrie- densbrücke", die die nordamerikanische Steckt Buffalo mil der kanadischen Stadt Fort Erie verbindet, in Gegemvtw les englischen Thronfolgers und des englischen Erstmimsters Bald win, der die Weihereüe hielt, eiy-gsweiht. Präsident Loolidge telegraphierte, er bedauere, an L-e, Feier nicht teilnehmen zu können.

DieRote Sperre-

London, 8. August.Morning Post" meldet aus Pe­king, der unter dem NamenRote Sperre" bekannte Bauernbund zähle jetzt eine Viertelmillion Mann. Er ent­wickle sich ungefähr in der gleichen fremdenseindlichen Art wie seinerzeit der Borerbund, und zwar hauptsächlich infolge der kommunistischen Werbung, die von den Sowjetagenten des Generals Fengyuhstang geleitet werde.

zum Anterryetn oen uverfeeycyen cvnrerverneyr oes rheinisch-westfälischen Industriegebiets noch dem belgischen Hafen ablenken soff Es ist zu hoffen, daß auch weiter die deutsche Seeschiffahri und die Reichsbahn zur Erreichung des für beide erstrebenswerten Ziels Han- in Hand arbei­ten. Die Altonaer Konferenz hat dann noch Beratungen angestellt, die vor allem der weiteren Verbesserung der Pünktlichkeit im Lauf der Güterzüge und des Uebergangs bei durchlaufender Fracht galten.

Neuestes vom Tage

Wichtige Besprechungen in Berlin

Berlin, 8. August. Der Reichspräsidetn hat heute den Reichsaußenminister Fr Stresemann und den Botschafter in Paris, v. Hösch, der nach seiner langen Krankheit den Dienst wieder ausgenommen hat, zum Vortrag empfangen.

In der Reichskanzlei fand eine wichtige Besprechung der in Berlin anwesenden Reichsminister statt. Stresemann hatte am Samstag Unterredungen mir dem englischen Botschafts­rat und darauf mit dem belgischen Gesandten.

Tschechische Niedertracht

Prag, 8. August. Wie die Blätter melden, stößt die (reichsdeutsche) Deutsche Nothilse bei ihrer Tätigkeit in den Unwettergebieten Nordwestböhmens aus den Widerstand der tschechischen Behörden. Die Bereitstellung unentgeltlicher Hilfs­kräfte durch die (internationale) Weltnothilfe des Roten Kreuzes ans Sachsen wurde in der Gemeinde Schönwald untersagt, so - die Ansräumngsarbeiten ins Stocken gera­ten. Wie die Bohemia berichtet, veranstcllten die tschechischen Gendarmen Haussuchungen bei den Einwohnern, die Liebes- gabenpakete aus Sachsen erhalten.

Württemberg

Stuttgart, 8. August. Notzuwendung an städt. Beamte. Der Gemeinderat hat in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen: Die städt. Beamten, einschließlich Angestellte, Ledige und Hinterbliebene »erhalten eine steuerfreie Not- zurvendung bis zu einem Gehalt einschließlich Ortszuschlaq, ovn 200 Mark je 60 Mark, von 201 bis 300 Mark von je 40 Mark und bis'zu 400 Mark von je 25 Mark.

Handelsschuldirekkoren. Der Staatspräsident hat die Hau- delsschulvorstände (Handelsschulräte auf gehobener Stelle) Schneiderhan in Gmünd, Keller in Ravensburg, Jauß in Göppingen, Dr. Bahnet in Ludwigsburg zu Handesschuldirektoren und den Handelsoberlehrer Köber- l e in Ulm zum Handelsschulrat ernannt.

Arbeiter- und Angestelltenverficherung der elsaß-loth- nngischen Rentenempfänger. Elsaß-lothringische Renten­empfänger im Deutschen Reich erhalten die Reichs­beihilfen zu den Leistungen der elsaß-lothringischen Unfall-, Invaliden- und knappschaftlichen Versicherung von der für den Wohnort des Berechtigten zuständigen Landesversiche- rungsanstalt. Es sind daher sämtliche Anträge der inner­halb Württembergs wohnenden elsaß-lothringischen Unfall-, Invaliden- und Knappschastsrentenempfänoer mit den er­forderlichen Belegen an die Landesversicherungsanstott Württemberg einzureichen.

Württ. Volksbühne. Die Württ. Volksbühne eröffnet ihre neue Spielzeit unter der Leitung ihres Intendanten Hans Herbert Michels am 1. Sept. in Friedrichshafen mtt Klabunds chinesischer MärchendichtungDer Kreidekreir". Das künsllerffcke Personal ist fast durchgängig erneuert. Der