Seile 2 — Nr. 176
Nagower r«gd»arr „Der GsseLfchaster"
Vorstehende von Hindendurg eigenhändig geschriebene Zeilen hat der Reichspräsident der Geschäftsstelle der Hindenburgspende als seinen Sinnspruch für die Hindenburgspende zugehen lassen.; Auch diese Worte kennzeichnen wieder den gamen Mann Hindendurg, der nichts anderes denkt und will, als das Wohl des deutschen Volkes. Annahmestellen für die Hindenburgspende bei allen Postanstalten, Eisenbahnschaltern, Banken, Sparkassen usw. Auch die Geschäftsstelle des Gesellschafters
- nimmt Gaben entgegen.
Aus dem Lande
Waldenbuch OA. Stuttgart, 31. Juli. VoneinerRatte angefressen. Das 6 Wochen alte Kind einer hies. Familie wurde im Bettchen von einer Ratte an Backe, Nase und Zunge angefressen. Als auf das jämmerliche Schreien des Kinds ein Angehöriges in die Kammer eilte, sprang die Ratte davon.
Weilderstadt, 31. Juli. Schwerer Unfall. Beim Versuch, am Ortseingang ein anderes Motorvcü» zu überholen, rannte ein von zwei Rutesheimern besetztes Motorrad auf den mit seinem Fahrrad entgegen kommenden ISjähr. Ludwig Wolf von hier. Der junge Mann blieb mit einem Schädelbruch und anderen schweren Verletzungen bewußtlos Kegen. Er hat vor einem Jahr Vater und Bruder durch einen Unglücksfall verlöre«.
Bräunisheim OA. Geislingen, 30. Just. Ortsvor- steherwahl. Auf Sonntag /den 14. August, ist die Neuwahl eines Ortsvorstehers für die Gemeinde Bräunisheim- Sontbergen vom Oberamt festgesetzt, da der bisherige Schultheiß Scheible sein 24 Jahre lang mit Ehren geführtes Amt wegen schwerer Erkrankung niederlegen mußte. Als stellvertret. Ortsversteher besorgt inzwischen die Geschäfte Bauer und Kirchenpfleger Matthäus Lohrmann hier.
Illerrieden OA. Laupheim, 31. Juli. Brückenbau. An der längst ersehnten Illerbrücke zwischen dem württem- bergischen und dem bayrischen Ufer wird Tag und Nacht gearbeitet. Die Betonbrücke über den Wielandschen Fabrik- Kanal ist bereits fertig und auch das Altwasser der Iller wird in Bälde überbrückt sein. Die ganze Brückenanlage soll in einigen Monaten begehbar sein.
Sirchberg OA. Marbach, 31. Juli. Wurstvergiftung. Wie die oberamtsürziliche Untersuchung ergeben bar, ist die Erkrankung von etwa 40 hiesigen Personen in den Tagen vom 22. bis 24. Juli nicht auf Ruhr, sondern auf Wurstvergiftung infolge des Genusses von Lgberwurst zurückzuführen. Gestorben ist ein 55jähriger, schon vorher leidender Mann. Die übrigen Erkrankten dürften alle mit dem Leben davonkommen. Die betreffende Metzgerei wurde geschlossen, wird aber demnächst wieder eröffnet.
Reckarsulm, 31. Juli. Auch die Dachziegel kön- n.e,n reden. Ein Dachziegel vom alten Mittelschiffdach der Hellbrauner Kilianskirche (aus dem Jahr 1718) trägt dis Inschrift: „Gott allein die Ehre". Andere sind dem Gedächtnis der Toten gewidmet und haben Inschriften religiöser
Art. Wieder andere geben persönliche Erinnerungen wieder. So steht auf einem Dachziegel die wenig schmeichelhafte Notiz: Schneider Rohming, der größte Lump im Württem- berland, bezahlt'den Heinr. Spröhnle nicht mit 4 Kreuzer."
Tübingen, 29. Juli. lOOjähriges Jubiläum. In den Tagen vom 8 bis 11. August begeht das Korps Rhenania das Fest seines 100jährigen Bestehens.
Aus Verkaufsständen auf dem Festplatz wurden während der Jubiläumstage nachts eine wertvolle Ledermappe und einige Kofferchen gestohlen.
Aus Stadt und Land
Nagold, 1. August 1927.
Von Zeit zu Zeit muß man sich durch den Umgang mit guten und kräftigeren Menschen gewissermaßen neu einbinden lassen, sonst verliert man einzelne Blätter und fällt mutlos immer mehr auseinander. Nietzsche.
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Menstnachrichteu
Die Reichsbahndirektion hat den Reichsbahnsekretär Mauch in Unterreichenbach nach Weikersheim versetzt.
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Dom Sonntag
Der endlos verweilende Sommer ist nun doch gekommen. Fruchtschwer stehen die Halme und harren der endgültigen Reife. Dazu hat die vergangene Woche ihr Stück geleistet. Es gab schöne, endlich mal warme Tage, die am Mittwoch ein kurzes, starkes Gewitter abkühlte. Jeden Tag konnte man die Schönheit der Natur genießen. Auch die Kurgäste finden es schön bei uns. Wer seine Nerven ausspannen will, soll zu uns kommen, es wird ihn nicht gereuen. Die Eltern bezw. Mütter haben ruhigere Zeiten, denn die Kinder haben Freizeit. Oder was sind Ferien für eine Mutter, Belastung oder Entlastung? Aus das Turnfest, das in kommender Woche stattfinden soll, wird tüchtig geübt. Die Sportverbände haben uns gestern mit ihren Spielen erfreut. In der ganzen Stadt war schon von der Frühe an ein reger Verkehr. Viele unserer Stadt sind an den Bodensee gefahren und haben sicherlich bei dem schönen Wetter herrliche Stunden erlebt. Es war ein richtiger Sonntag, der Sonne und Freude brachte.
Montag. 1. Augntt iss.
Ertragreiche Steuern im «enen Rechnungsjahr
V Im Rechnungsjahr 1926/27, von dem jetzt die nisse der Steuern, Zölle und Abgaben aus den ersten dA Monaten (April bis Juni) vorliegen, haben nachstehende Steu«m usw. schon mehr als ein Viertel der für das ganze Jahr anschlagten Erträge erbracht: Grunderwerb-, Gesellscbns» Börsenumsatz-. Kraftfahrzeug-, Versicherung«-, Lotterie- Güterbeförderung«-, Obligationen-, Schaumwein-, Leulbt- mittel- und Spielkartensteuer, sowie die Zölle, Svirii»-. Monopol und statistische Gebühr.
Acnderungen an der Reichswehruniform. Die gegenwär- tige Reichswehruniform ist für den Dienst im Feld gut und zweckentsprechend, für den Friedensgebrauch und außer Dienst ist sie aber zu öde. Um die Uniform etwas gefälliger und „gesellschaftsfähiger" zu machen, hat der Reichswehr- minister in einem Erlaß gewisse Aenderungen angeordnet, so z. B. die Einführung von Vorstößen und Biesen in einer für jede Waffengattung besonders vorgeschriebenen Farbe, die Aufhellung der Knöpfe und Rangabzeichen, die Einführung von Fangschnüren zum Gesellschaftsanzug der Offiziere und die Wiedereinführung von Schützenschnüren in grüner Farbe für Offiziere und Mannschaften. Das Sturmband der Mütze wird in Zukunft bei Offizieren bis zum Oberstenrang mit einer Silberschnur, bei Offizieren höheren Ranges mit einer Goldschnur umwickelt.
Dis 15. August kein Skrafporko. Das Reichspostminjste- rium teilt mit: Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß djz Erhöhung der Postgebühren mit dem 1. August eintritt, mit Ausnahme der neuen Paket- und Zeitungsgebühren, die erst vom 1. Oktober ab gelten. In der Zeit vom 1. bis einschließlich 15. August wird für Postsendungen, die noch nach den alten Gebührensätzen sreigemacht sind, nur der Unterschied zwischen den alten und den neuen Gebühren als Nachgebühr erhoben. Nach dem 16. August wird für unzureichend freigemachte Briefsendungen (Briefe, Postkarten, Drucksachen, Geschäftspapiere, Warenproben, Mischsendungen) das eineinhalbfache des Fehlbetrags unter Aufrundung auf volle Reichspfennige, mindestens aber ein Betrag von 10 Reichspfennigen, nacherhoben.
Vas Gewerbe in Deutschland. Deutschlands Industrialisierung hat seit der letzten gewerblichen Betriebszählung von 1907 erhebliche Fortschritte gemacht. Die Zahl der gewerblich tätigen Personen in Industrie, Handel und Verkehr ist stil 1907 um 28,5 v. H. gestiegen und zwar bei Männern um 25 o. H., bei Frauen sogar um 39,1 v. H, Noch weit stärker als die Verwendung menschlicher Arbeitskraft hat die Benützung motorischer Arbeitskraft im deutschen Gewerbe Angenommen, Von den 3,5 Millionen Gewerbebetrieben verwandten 1328 548 000 oder 15,9 v. H. Kraftmaschinen (einschl. Kraftfahrzeuge). Langsamer gewachsen ist dagegen die Zahl der Betriebe selbst (um 14,4 v. H. gegenüber 1907), weil die Ausdehnung des Gewerbes weniger in Form von Neuerrich- tungen von Betrieben als durch Vergrößerung, zum Teil auch durch Zusammenlegung bestehender Betriebe, stattgefunden hat.
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Schönbronn, 31. Juli. Ertrunken. Kurz nach beendigter Besichtigung der hiesigen Feuerwehr verlautete, daß in der Nagold ein Sohn unserer Gemeinde ertrunken sei. Hauptlehrer Közle begab sich mit einem zufällig hier anwesenden Motorradfahrer sofort nach der Unfallstelle und brachte nach 2 Stunden langem Warten die traurige Nachricht, daß der einzige Sohn der Witwe Schill, der 19jährige, hoffnungsvolle Robert Schill, der m Nagold bei Schreinermeister Maier in Arbeit stand, den Tod in der Nagold durch einen Herzschlag gefunden hatte. Die ganze Gemeinde trauert mit der Mutter und Schwester um diesen ruhigen und stillen Menschen, der zu den allerbesten Hoffnungen berechtigte.
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Aus dem oberen Nagold- u. Enztal, i. Aug. Fremdenverkehr — Wassersport auf der Nagold. Eines recht guten Besuches erfreuen sich die gern und vielaufgesuchten Kurorte des Nagold- und Enzgebietes. Besonders aus Norddeutschland und den Rheinlanden läßt sich eine Steigerung der Dauergäste sowohl als auch der Touristen seststellen. Der Besuch ist vielfach stärker als im Vorjahre, trotz des schlechten Vorsommers. In Wildbad wurde Heuer bereits vor dem 1. August die Ziffer 12000 angemeldeter Kurgäste überschritten. Auch die übrigen Heilbäder wie Bad Liebenzell, Bad Teinach, sowie die bekannteren Sommerfrischen Dobel, Schömberg, Calmbach, Hirsau, Unterreichenbach haben guten Dauerbesuch. — Der auf der Nagold stark betriebenen Faltbootsport verspricht
Das Schwert von Thnle.
Noma« von Leontine von Wiuterseld-Plate».
Copyright by Greiner L Comp„ Berlin W 30.
(Nachdruck verboten.)
D. Fortsetzung.
Es war ein frischer, kalter Herbstmorgen, und auf
spitzen Schindeldächern und dem schweren Wachtturm lag noch hier un. da der Rauhreis, wo die Morgensonne de« Schatten noch nicht hatte vertreiben können. Während die Knechte emsig hantierten «nd die schweren Gäule aus den Ställen zogen, standen der Bogt und der Fremde im Jagdwams in eifrigem Gespräch nebeneinander vor dem Tor.
Da drängte sich zwischen den arbeitenden Leuten ein kleiner Händler hindurch, der sich händereibend nach allen Seiten musah und schließlich den beiden näherte.
„Wollen gnädigst verzeihe« die hohen Herren, wenn ich mir erlaube eine Frage. Kan« ich wohl sprechen einen der Ritter Maltzan» denen diese Beutestücke zu eigen sind?-
Der im Jagdwams hob ein wen« hochmütig das kühne scharfgeschnittcne Gesicht.
„Otto Maltzan steht vor dir. Was ist dein Begehr
Der Händler kreuzte die Hände über der Brust und verneigte sich abermals.
„Wollen verzeihen, Herr Ritter, die Frage eines armen Händlers. Ist wohl feil jene weiße Decke dort aus dem Fell eines nordischen Bären? Bar und ohne Säumen wird sie bezahle» dem Herrn Ritter der Salomon Asch/-
Otto Maltzan sah flüchtig zu den Wagen herüber, wo kostbare Decken und Tierfelle soeben verladen wurden.
Er zuckte die Achseln.
,^Oa mußt du dich an meinen Bruder Berend wenden. Der hat darüber zu bestimmen, ich nicht. Doch glaube ich kaum, daß die Maltzaue von dieser Beute etwas verkaufen."
Cr wandte dem Händler den Rücken und schritt auf dis Wagen zu. An einem der hochbelavenen trat er heran und zog aus dem Wollstapel das weiße Bärenfell heraus. Der Händler war nähergefchlichen und streckte schon die Hand aus.
Aber Otto Maltzan rief die alte Vogtin herbei, die am Brunnen hantierte, und hing ihr das schwere Fell über den Arm.
„Da Alte, das bringe deiner Kranken in die Kammer und jenes Linnen dort auch. Es hat mich neulich gereut, daß sie so hart auf Stroh liegen muß, und ist so wund durch unsere Schuld. Hülle sie warm ein damit und sieh fleißig nach ihrer Wunde. Die nächsten Tage schicke ich meine Schwägerin, die gestrenge Frau Gödel, einmal herüber, um nach ihr zu sehen. Die ist klug und versteht sich auf Heilkräuter. Hat auch mir schon manchen Hautriß geflickt"
Schmunzelnd zog die alte Vogtin mit ihrer Beute davon, und der Händler Halle stirnrunzelnd das Nachsehen. — ,
Heilwig hatte die Nacht ruhiger geschlafen und ihre Augen blickten klarer als die anderen Tage, als sie am späten Morgen erwachte. Mit Behagen hatte sie die warme Mehlsuppe gegessen, die ihr die Vogtin gebracht. Auch ihre Wunde brannte nicht mehr so arg. als die Alte sie wusch und verband. Aber sie war noch zu erschöpft, um sich zu erheben, und lag mit still gefalteten Händen auf ihrem Strohlager. Ehe die Alte foctging, hatte sie auf Heilwigs Mtte den Laden vom kleinen Gitterfenster auf- gestoßen, daß frische Herbstluft und Morgensonnenschein voll hereinfluten konnten. Heilung hatte den Kopf gewandt und sah mit großen, sehnsüchtigen Augen in das Stücklein blauen Himmels, das sie just durch die Eijen- stangen erspähen konnte.
Sie hörte die kleinen, emsigen Wellen des Sees gegen die alten Burgmauern plätschern, uns die Spatzen im Röhricht zwitschern. Von Zeit zu Zeit sah sie auch ein welkes Herbstblatt am Fenster vorübertaumelu, das sich zögernd von den knorrigen Eichen am klfer löste. Vom Hof her drang das Rollen schwerer Lastwagen und dos Rufen und Schreien der Knechte an ihr Ohr.
Nacb einer Weile hörte sie 'schwere mühsame Schritte auf der Stiege, und die alte Bogtin trat keuchend über die Schwelle. Sie trug das Helle Bärenfell und das feine Linnen über dem Arm und trat damit an das Lager der Wunden.
„Der Ritter Maltzan schickt euch dies, Frau, dieweil es ihn erbarmt, »atz Ihr allweil so hart aus Stroh müßt liegen. Kommt, nun will ich Euer Lager glätten unschön machen"
Heilwig wandte erstaunt den Kopf und strich behutsam mit den Händen über das weiche Fell.
„Was treibt den Ritter zu solcher Freundschaft, Dogtin' Er kennt mich doch nimmer und soll ein gar harter und strenger Herr sein."
Die Alt? breitete geschäftig das Linnen über das Stroh indes sie Heilwig stützte.
„Er sah Euch liegen, da Ihr noch im Fieber wäret, Frau. Auch ist er nimmer so hart und streng, als die Leute sagen."
Heilwig schwieg eine Weile, als sänne sie nach.
„Ab? er hat den Herzog überfallen mit seinem Bruder und ihm all dies geraubt."
lind fast scheu sah sie auf das Fell und Linnen, darein die Alte sie hüllte.
,Jch mag es fast nimmer nehmen. Vogtin, denn es klebt Blut daran. Es ist wohl doch wahr, was mein Oheim Hasjelbactz zu Rostock immer sagte: Die Maltzaue seien doch die Raubritter im Land."
Da furchte die Bogtin ärgerlich die Slirn-
„Laßt ihn das nimmer hören, den Ritter Otto, Frau. Denn dann wird er zornig. Was verstehen wir Weiber anch von solchen Sachen, wenn sie die hohen Herren im l^inde befehden. Sie müssen wohl ein Ursach haben dazu, mein ich." ' ' " - ^
(Fortsetzung folgt.)