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Glanz und Elend der Schönheitsköniginnen - So wurde Yvette die Frau Aga Khans
Unser spannender Tatsachenbericht von C. F. Warrick
Copyright by Dukas-Press durch Deutscher Matem-Verlag GmbH.. Bad Kreuma*
X.
Jahr für Jahr dasselbe: die Reklametrommeln werden gerührt, Mädchen in Badeanzügen und tiefdekolletierten Abendkleidern schreiten über den Laufsteg, ein Lächeln im Gesicht, den Kopf voller hochfliegender Träume. Die geschäftstüchtigen Macher des ganzen geschmacklosen Rummels kargen nicht mit Superlativen: die schönste Frau der Stadt, die schönste Frau des Landes, die schönste Frau des Kontinents, die schönste Frau der Welt!
Natürlich sind diese Schönheitskonkurrenzen amerikanischen Ursprungs. Aber Nachkriegseuropa importierte sie gar zu willig, •wie ja auch Kaugummi, Coca Cola, Jazz- Bands und andere sogenannte Errungenschaften. Eine Schönheitskonkurrenz jagt die andere, und überall derselbe Krampf, dasselbe
T^omantik in 2an ^A-ugen
„Klein, aber oho“ — „Endlich kein Pin-up- Girl" — „So schlicht und bescheiden", das waren einige Urteile über „Miss Germany 1954". Regina Ernst heißt sie, diese nur 1,67 Meter große, mit natürlicher Grazie augestattete 19jährige Schlesierin, die in Bremen ihre zweite Heimat gefunden hat. Sie hat nicht die Laufsteg-Routine und das Berufslächeln der Mannequins, aber dafür besitzt sie die dem deutschen Wesen so gemäße zurückhaltende Anmut mit einem Schuß Romantik in den blauen Augen. Pausbacken und Stupsnase passen zu ihr wie ihr Name, denn sie nahm die Wahl sehr „ernst" — wie sie selbst sagte. Daß sie als Schönste im Lande" erkoren wurde, noch dazu mit einem Vorsprung von 262 Stimmen .vor der zweiten, „Miss Rheinland", kam ihr so überraschend, daß sie ein bißchen schlapp machte und im verdunkelten Zimmer erst mal ein Weilchen verschnaufen mußte. Und dann? — Ganz schnell ein Telegramm an die Mutti. Aber erst mit dem sechsten Formular klappte es. Vor Aufregung hatte sich Regina fünfmal verschrieben. Ist ja kein Wunder, wenn man plötzlich eine Königin wird und das der „Königinmutter" telegrafieren mußl
Schema: ein Lächeln aus einem mehr oder minder schönen Mund — oft ein wenig verkrampft und verlegen geschieht es schon; Hoffnungen blühen auf und sind doch schon dem Untergang geweiht; Blumen werden überreicht — doch sie welken schnell. Schneller noch welkt der Ruhm der Schönheit, der die eben gewählte Miss umstrahlt. „Eintage- Schönheiten“ hat man sie getauft. Trifft dieser Name zu?
„Und wann war das?“ fragte der junge Reporter. „Ich meine: wann wurden Sie zur Schönheitskönigin gekrönt?“
Mrs. Brent blickt nachdenklich auf den Fußboden, streicht sich dann über das graue Haar und sagt: „Warten Sie, vor fünfundzwanzig Jahren, so lange ist es her.“
Der junge Reporter übersetzte die zögernde Antwort gleich in seinen Zeitungsstil, und sein Bleistift rast über das Papier: „Vor fünfundzwanzig Jahren, ich weiß es noch ganz genau, sagt Mrs. Brent, es war der schönste Tag meines Lebens. Ueber ihr noch immer schönes Gesicht, dem auch das Alter nichts anhaben konnte, gleitet ein goldenes Lächeln der Erinnerung.“ So schreibt Bill Frankins.
Knochenmark, Eigelb und Rum
Es ist seine erste Reportage. „Keine große Sache“, hatte der Chef gesagt, „denn Schönheitsköniginnen gibt es wie Sand am Meer, und die Welt hat keine Zeit, ihre Namen zu behalten. Aber hier hat man eine der ersten ln den Vereinigten Staaten ausgegraben, und •s müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn sie nicht eine gute Reportage abgeben würde.“
Für Bill Frankins ist es aber eine große Sache, denn es ist sein erster Bericht. Er will sie so schreiben, daß alle aufhorchen, ein bißchen kritisch und sehr glanzvoll, so wie es die Leute lieben, und vielleicht wird er durch diese Mrs. Brent sogar Chefreporter seiner Zeitung, vielleicht.
Bill Frankins selbst hält eigentlich nicht viel von den sogenannten Schönheitsköniginnen. Gewiß, es ist ganz nett, wenn da hübsche Mädchen im Badeanzug über den Laufsteg stolzieren, ein gefrorenes Lächeln im Gesicht, aber im Grunde genommen, so denkt Bill Frankins, ist denn Schönheit eine Leistung?
Natürlich weiß Bill Frankins genau, wie anstrengend es ist, schön zu bleiben. Wieviel Kuren so ein Filmstar durchmachen muß, um sein Gewicht zu halten, wieviel Cremetöpfe notwendig sind, um Falten und Runzeln aus dem Gesicht zu bannen, welche Batterien von kosmetischen Flaschen und Mixturen in so einem Star-Boudoir, stehen. Frankins liest etliche Film-Magazine; er weiß daher genau, daß Odette Joyeux, die französische Schauspielerin, jeden Morgen mit dem ersten Hahnenschrei aus dem Bett springt — Möbel rückt, nur um schlank zu bleiben. Bill weiß auch, daß die kleine, zierliche Cöcile Aubry ein paarmal in der Woche das Haar mit einer selbsterfundenen Mixtur wäscht, die aus zwei Suppenlöffel Knochenmark, einem Eigelb und einem Glas Rum besteht.
Aber schließlich kann zunächst einmal keiner etwas dafür, daß er gut gewachsen ist, und
keiner kann etwas dafür, daß er eine schiefe Nase oder zu kurze Beine oder keine schlanken Fesseln hat. Wie kann man da Schönheit preiskrönen?
Auf diese Art und Weise hat man in den letzten fünfundzwanzig Jahren — ungefähr so lange gibt es Schönheitskonkurrenzen in Amerika — Millionen von Schönheiten auf den Thron gesetzt; und was ist aus ihnen geworden?
Etliche fuhren nach Hollywood — es soll sogar ein paar gegeben haben, die dort nicht nur „Extras" blieben, sondern eine größere Rolle beim Film, beim Funk oder beim Fernsehen spielten. Die meisten aber fielen schon bei den Probeaufnahmen durch und landeten als Platzanweiserinnen oder Eisfräulein in den Kinos.
„Wissen Sie“, unterbricht Mrs. Brent seine Gedanken, „es war ja keine große Sache, damals. Man machte noch nicht so viel her damit wie heute. Wie waren nur ein paar Mädchen, und ich wurde ohne große Beratung zur Schönheitskönigin ausgerufen. Ich bekam einen Strauß gelber Rosen überreicht, die Leute applaudierten; dann gingen wir nach Hause. Das war gut, daß wir das taten. Unterwegs trafen wir nämlich einen jungen Mann, er wußte gar nicht, daß ich eben gekrönt worden war, und ehrlich gesagt, mir war das Ganze auch ein wenig peinlich, ich genierte mich ein bißchen. Er war fremd in unserer Stadt und wollte eine Stellung antre- ten. Meine Eltern kamen mit ihm ins Gespräch, ich war natürlich viel zu schüchtern, um mit ihm zu sprechen. Aber sympathisch war er mir gleich.Weil er so nette Ansichten über das Leben hatte und so lustig war. Sechs Monate später haben wir geheiratet. Wenn Sie wollen, begann also mein Glück an dem Tag, an dem ich Schönheitskönigin wurde. Allerdings . . .“
Selbstmord an der Riviera
„Die Wahl damals“, übersetzt Bill Frankins — man kann die Geschichte, denkt er, doch unmöglich so weitergeben, wie sie erzählt wird, was sollen die Leser denken —, wie war der Abschluß eines glänzenden Festes. „Alle Welt war zusammengekommen und jubelte mir zu. Ein unvergessener Tag. Noch heute lebe ich von seinem Zauber. Von überallher trafen Telegramme und Glückwunschschreiben ein. Ich wurde mit Heiratsangeboten überschüttet. Da war besonders ein junger Mann, schlank von Gestalt, mit einem schmalen edlen Kopf, ihn heiratete ich. Ich wurde sehr glücklich. Er ist heute —.“ Bill stock^ einen Moment beim Schreiben.
„Und was ist Mr. Brent?“ fragte er.
„Oh, wir haben hier in der Stadt einen Laden.“
„Er ist“, schreibt Bill Frankins weiter, „Besitzer eines großen Warenhauses.“ Aber dann kommen ihm Bedenken, er überlegt, daß man diesen Satz doch besser streichen sollte. Er wendet sich an Mrs. Brent: „Sie haben ihr Glück gemacht. Was halten Sie nun eigentlich von der jetzigen Miss Amerika? Von einer ihrer Nachfolgerinnen: denn das ist sie doch?“
Mrs. Brent sieht etwas hilflos aus. „Ich weiß nicht, wer es ist“, sagt sie und faßt dann Mut. „Aber sie wird gewiß sehr hübsch sein“, fährt sie fort. „Wissen Sie, es wird jetzt soviel Rummel um die Wahlen gemacht: und ich hoffe nur, daß es den jungen Mädchen nicht zu Kopf steigt. Sie sollen sich freuen — aber was heißt es denn schon,
Renate Hoy aus Nürnberg war „Miss Germany 1S5*'
Schönheitskönigin zu sein? Hab' ich nicht recht, junger Mann?“
„Königinnen für einen Tag sind sie“, meint Mrs. Brent. „Das Glück klopft nur einmal an die Tür, und meistens ist es weg, ehe man sie geöffnet hat. Da muß man dann sein Herz fest in beide Hände nehmen, um wieder zurück auf den Erdboden zu springen. Aber wie viele können das? Wie viele schweben im siebenten Himmel und stürzen dann so — wenn sie sich nicht rechtzeitig fangen —, daß sie nie wieder aufstehen?
Ich muß immer an die arme P e g g y D a v i e s denken. Welcher Aufwand wurde getrieben, als man sie krönte. Die Männer lagen ihr zu Füßen, keine Illustrierte gab es, die nicht ihr Bild brachte! Und dann? Peggy fuhr an die Riviera — und nahm sich das Leben. Warum? Ich glaube aus demselben Grund, aus dem die rumänische Schönheitskönigin eines Tages Gift nahm. Sie wollte nach ein paar Tagen des Glückes nicht in ein Leben voller Armut zurückkehren. Sie konnte den Glanz nicht mehr missen.
Das grausamste Spiel unserer Zeit?
Denken Sie an die australische Schönheitskönigin von 1926. Ein Leben voller Glück und Schönheit lag vor ihr. Blutjung war sie, als alle Welt von ihr sprach. Sie träumte von Prinzen, Grafen und Filmstars, von Autos und von einem Leben voller Sonnenschein. Doch der Traum verflog, die Wirklichkeit sah ganz anders aus.
.Schönheitskönigin von 1926 — na, und?“ sagten die Leute. Bald hatte die Welt das Mädchen aus Australien vergessen. Andere waren gekommen, jüngere, schönere. Schließlich berichtete nur eine kurze Zeitungsnotiz, daß sich das schöne hoffnungsfrohe Mädchen im Jahre 1939 das Leben genommen habe aus Enttäuschung."
Bill Frankins nickt nachdenklich.
„Nein“, wiederholt Mrs. Brent, „Schönheitskönigin — man soll sich das nicht zu Kopf steigen lassen. Das Glück währte nur einen Tag. Was danach kam, war desto schwerer zu ertragen. Dieser Thron ist eine Versuchung.“ Sie gibt Bill die Hand. „Auf Wiedersehen!“ sagt sie.
Während Bill im Wagen sitzt, überlegt er: Vielleicht ist dies das grausamste Spiel unserer Zeit, wir überhäufen jemanden mit Ruhm — und kaum hat er es begriffen, haben wir ihn schon vergessen und stoßen ihn zurück. Was aber nützt der größte Ruhm, wenn er nur einen Tag währt? Oder liegt es nur an den Menschen, wenn sie das Glück nicht halten können? Gibt es nicht auch Beispiele genug von schönen Mädchen, die das Glück packten und festhielten — ein ganzes Leben lang?
1928. Ein Fieber hat die jungen Mädchen der alten Seidenstadt Lyon gepackt. All die
kleinen Stenotypistinnen, Grisetten, Arbeiterinnen aus den Fabriken, ja selbst die Hausfrauen kennen nur noch ein Gesprächsthema: „Hast du dich auch gemeldet? Nein? Na hör mal, du mit deiner Figur? Ja, ich mache mit.“
Der Grund der Aufregung? Zum erstenmal in der Geschichte Lyons findet ein Schönheitswettbewerb statt. Man lebt in einer Wirtschaftskrise, und Lyon kann es recht gut gebrauchen, daß die Augen Frankreichs, Europas, ja der ganzen Welt auf die Stadt zwischen Rhone und Saöne blicken; denn eine Miss Lyon ist eine gute Reklame für die Stadt und ihre Seidenindustrie. Man sagt Schönheitskönigin und meint Seide. Für die Mädchen von Lyon ist dieser Titel wie überall ein Zauberwort. Sie sehen sich verehrt und umschwärmt, und beschließen, um den Titel zu kämpfen.
Natürlich sind da auch einige Frauen und Mädchen, die nicht daran denken, sich zu beteiligen. Eine von denen heißt Yvette- Blanche Labrousse.
Yvette-Blanche stammt aus Sete, einer kleinen Hafenstadt am Mittelmeer. Ihr Vater ist dort Angestellter bei der Straßenbahn gewesen. Ein schlanker Mann; fleißig, korrekt und bescheiden. Man sagt, das Haus der Labrousses, in dem Madame Marie, geborene Bouet, schaltete, sei eines der saubersten der Stadt gewesen.
Gewiß geben sie sich kernen falschen Hoffnungen hin. Adrien verdient wenig, und an Sparen ist bei seinem Lohn kaum zu denken. Aber welche Ansprüche stellt man auch schon an die Zukunft — und die Tochter Yvette-Blanche? Yvette heißt sie auf Wunsch
des Vaters, Blanche auf Wunsch der Mutter, Am 15. Februar 1906 wurde sie geboren und wird wahrscheinlich auch einmal einen Straßenbahnschaffner heiraten.
Hätte man damals, als die Labrousses von Sete nach Cannes zogen, Adrien gesagt,' Yvette-Blanche würde einmal in einer dieser Millionärsvillen wohnen, würde mit „König« liehe Hoheit“ angeredet werden und auf keiner der internationalen Gesellschaften fehlen — Adrien hätte gewiß schallend gelacht; und doch wird all dies einmal wahr sein. Vorläufig allerdings noch nicht. Vorläufig besucht Yvette noch die Schule und geht mit 14 Jahren in die Lehre. Sie will Schneiderin werden.
Schon immer hat sie Freude an schönen Kleidern gehabt. In Cannes hatten oft die Nachbarn die Köpfe zusammengesteckt und getuschelt: „Woher mag der Labrousse das Geld haben? Sehen Sie doch nur, Madame, wie seine Tochter gekleidet geht! Dieses kleine Ding, und dann so viel .Rüschen, Schleifen, das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen!“ Aber es ging mit rechten Dingen zu, denn Marie nähte für ihre Tochter alles selber.
Sie war nie eine schöne Frau, diese Marie Labrousse, aber lustig und immer guter Laune, und die Tochter Yvette-Blanche verspricht im Wesen genau so zu werden. Im übrigen vereinigt Yvette-Blanche die Vorzüge beider Eltern in sich. Sie ist schön, wie der Vater, aber sie ist eine eigenwillige Schönheit, kein Sporttyp. Sie ist voller als ihre Altersgenossinnen. Sie ist eine zeitlose Schönheit!
Alle halten den Atem an
Sie liebt Cannes; und sicher wäre sie cU't geblieben. Aber was soll eine angehende Modekünstlerin an der Riviera? Kerner kauft hier seine Garderobe. Eine Textilindustrie gibt es hier nicht. Also zieht Fräulein Labrousse nach Lyon. Hier gibt es Aufstiegsmöglichkeiten — und Yvette-Blanche nutzt sie. Es ist ihre Chefin, die sie überredet, sich in die Liste der Schönheitskonkurrentinnen emzutragen. Yvette-Blanche tut es.
Der Saal, in dem der Wettbewerb stattfindet, ist bis auf den letzten Platz gefüllt- Scheiriwerfer flammen auf, leises Gemurmel der Zuschauer dringt zu dem Platz herauf, auf dem Yvette-Blanche sitzt und wartet.
„Fräulein“, ruft plötzlich der Inspizient, „Sie sind dran . . .“ Yvette-Blanche steht auf. Sie trägt ein Kleid, das zwar nicht ganz der Mode entspricht, wohl aber ihrer Schönheit; es bringt ihre Figur voll zur Geltung. Langsam geht Yvette der Bühne zu. Als si dann draußen vor den Zuschauern steht, e überzeugtes, unbekümmertes und doch em wenig scheues Lächeln zeigt, halten alle im
Saal den Atem an. Fortsetzung folg*