BERICHTE AUS DEUTSCHLAND
Blick in die Zone
Plauen - Hauptstadt des Vogtlandes
Das Vogtland ist nicht Grenze, sondern Brücke zwischen Mittel- und Süddeutschland
CW. DRESDEN. Unmittelbar aus Feld und Wald wächst Plauen heraus, in dem breiten Talkessel der Elster sich ausbreitend, mit einer Geschichte, die bis in das Jahr 1122 zurückführt. Heinrich von Plauen, der Freund des großen Hohenstaufenkaisers Friedrich II., der Hochmeister des Deutschritterordens, Ist der berümteste „Plauener“. Er war einer der Vögte des Vogtlandes, lener Landschaft, die wie ein Scharnier die südlichen und östlichen Reichsteile an der Grenze Böhmens zusammenhielt. Auch heute noch dürfte diese historische Aufgabe das Land bestimmen, in dem die Großstadt Plauen liegt.
Das Vogtland ist kein Grenzgebiet der sogenannten „DDR“ nach Bayern und damit der Bundesrepublik hin, «ondern eine Brücke, die Mitteldeutschland mit Süddeutschland verbindet. Die Menschen, die hier wohnen, lieben das ganze Deutschland, sie benötigen keine papierenen Resolutionen, um offen zu »eigen, daß sie „für die Wiedervereinigung“ sind. Die landschaftliche Gebundenheit ist so stark, daß niemand auf den Gedanken kommen könnte, in tinem Grenzland gegenüber der „Zonengrenze“ zu leben. Auch im Dialekt Ist die Mischung zwischen fränkischen Und sächsischen Idiomen erkennbar: das Vogtländische besteht aus einer glücklichen Verbindung beider Stam- mesdialekte.
Es ist die Hauptstadt des Vogtlandes, •iner unvergleichbaren Landschaft im
südwestlichen Sachsen. Die Menschen, die hier leben, sind sehr betont selbständige Eigenbrötler. Sie besitzen ein dickes Fell und einen handfesten Humor, der oft in diesen humorentwohn- ten Jahren in Sarkasmus umschlägt. Eine rauhe Landschaft, Berge, über die der Wind streicht, karge Äcker, tief eingeschnittene Täler — ein bäuerlich armes Land, das durch die Industrie weniger zu Wohlstand als zu einem gewissen Waffenstillstand mit der Armut gekommen ist.
Die Stadt aber, die inmitten dieser Landschaft heranwuchs, lebt heute von ihrem alten, großen Ruf als Stadt der „Plauener Spitzen“. Auf allen Kontinenten sind diese Spitzen, sind die Gardinen bekannt, und die Kaufleute sprechen immer noch mit Hochachtung von der Stadt, die einmal eine in Europa führende Textilhochburg gewesen ist. Die feinen zierlichen und phantasievollen Muster aber sind heute kaum noch zu haben. Die volkseigene Gardinenfabrik hat viel von ihrem Ruhm, den sie unter den privaten Besitzern besessen, eingebüßt. Die weitläufigen Handelsbeziehungen nach dem Westen sind noch immer fast vollständig abgerissen. Gewebte und gestickte Spitzen, Weißwaren aller Art, Gardinen, Dekorationsstoffe sowie Herren- und Damenkleiderstoffe, Webstühle und Strickmaschinen werden in den Ostblockstaaten vertrieben. Aber die Qualität und die Originalität haben sehr
„Ehe-Steuer“ ist verfassungswidrig
Aufsehenerregende Entscheidung des Münchner Finanzgerichts
tz. MÜNCHEN. Zum erstenmal hatte »ich jetzt ein Finanzgericht — München, dritte Kammer — mit einer Beschwerde
f egen die gemeinsame Veranlagung von begatten zu befassen. Die Kammer unter Vorsitz von Finanzgerichtsdirektor Dr. Weisenseer kam dabei zu der bemerkenswerten Entscheidung, daß die sogenannte „Haushaltsbesteuerung“ dem Artikel 3, Absatz 2 und dem Artikel 6, Absatz 1 des Grundgesetzes widerspricht. Auf Antrag der Finanzkammer muß sich nun demnächst das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit der Frage der gemeinsamen Veranlagung befassen.
Geklagt haben ein Mann, der ein Ruhegehalt bezieht und seine Frau, die aus einem Gewerbebetrieb sowie aus Vermietung und Verpachtung Einkünfte bezieht. Seit ihrer Heirat im April 1951 wurden sie gemeinsam veranlagt und wollen nun mit Hilfe der Verfassungsbestimmungen, die . auch «ine Gleichstellung verheirateter Staatsbürger mit nicht verheirateten Staatsbürgern garantieren, ihre zuviel ge- »shlten Steuern wieder zurückhaben.
Das Gericht geht bei der Begründung von der grundsätzlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 1953 aus, der- zufolge die Gleichberechtigung von Mann und Frau, wie sie im Grundgesetzt festgelegt ist, seit dem 1. April 1953 geltendes Recht ist, auch wenn noch keine der vorgesehenen Ergänzungsbestimmungen erlassen wurden. Es müsse also, so heißt es in den Urteilsgründen, die frühere Übergangsregelung „durch die zwingende Vorschrift, wie sie Artikel 3. 2 und Artikel U7. 1 des Grundgesetzes vorsieht, ihr ♦nde finden, und zwar unabhängig davon, ob diese Zwischenlösung in der ln Aussicht genommenen großen Steuerreform endgültig beseitigt und auf eine neue, dem Grundgesetz und der Entwicklung der Rechtsverhältnisse entsprechende Rechtsgrundlage gestellt werden wird“.
Das Urteil des Münchner Finanzgerichts bringt auch zum Ausdruck, daß „der Rechtsgrundsatz des Artikels 3, 2 und des Artikels 6, 1 GG alle Rechtsgebiete, somit auch das Steuerrecht umfaßt“.
gelitten. Die Initiative der Arbeiter und Arbeiterinnen am Webstuhl, an der Strickmaschine ist weitgehend gebrochen.
Demontage und Parolen
Nach Eingriffen durch die Demontage und die Bürokratie des Pankower Regimes konnten sich Fabriken wie die PLAMAG bis heute kaum erholen. Der Drude- und Rotationsmaschinenbau kommt etwas schneller vorwärts. Im letzten Jahr mußte noch eine 96seitige Rotationsmaschine für das „Haus des polnischen Worts“ in Warschau geliefert werden — auf Reparationskonto.
Die Fabriken der Veredelungsindustrie stehen vor allem am Ufer der Elster. Sie geben dem Stadtbild die ernste Schönheit des technischen Zeitalters — aber auch hier verkleben sinnlose Parolen die Wände und Mauern und zeigen, wie wenig das Regime versteht, die Menschen auch nur ein wenig sinnvoll anzusprechen.
Kulturell ist Plauen einmal sehr bedeutend und bekannt gewesen. Hier befand sich der Günter-Wolff-Verlag, in dem vor 1933 wesentliche Bücher der deutschen Moderne verlegt wurden. Das Stadttheater stand auf einem hohen Niveau — die Opernsängerin Christel Goltz begann u. a. hier ihre Laufbahn. Freilichtbühnen und Museen waren sehr gut besucht. Heute ist dies alles im geschichtslosen Staub versunken, den die Kulturfunktionäre immer wieder einmal aufwirbeln, um mit einem Minimum an Geist ein Maximum an Propaganda zu erzielen.
Flugzeug gegen Motorrad
MÜNCHEN. Daß ein Flugzeug mit einem Motorrad zusammenstößt, gehört zu den ungewöhnlichsten Verkehrsunfällen. Bei dem kürzlich in München herrschenden Sturm hatte ein über der Isarmetropole kreisendes Reklameflugzeug das lange Schriftband verloren, das der Flieger hinter sich herzog. Der Pilot machte auf einer Wiese eine Notlandung, um das Spruchband zu suchen. Als er es gefunden hatte und den Propeller seiner Maschine anwarf. wurde das Flugzeug plötzlich von einer Böe erfaßt, machte sich selbständig, rollte bis zur Straße und stieß hier mit einem Motorrad zusammen. Dann überschlug sich das Flugzeug und blieb schwerbeschädigt liegen. Auch das Motorrad wurde zertrümmert. Personen kamen bei dem eigenartigen Unfall wie durch ein Wunder nicht zu Schaden.
600 tollwutkranke Füchse abgeschossen
Gefährliche Wälder / Bevölkerung passiv / Warnungen scheinen in den Wind gesprochen
NIENBURG/Weser. Die Wälder im Westen der Weserstadt Nienburg gehören zu den größten und schönsten Forstgebieten Nordwestdeutschlands. Aber: in ihnen lauert tödliche Gefahr. Spielende Kinder, harmlose Spaziergänger, beerensuchende Frauen, alc- kernde Bauern und Waldarbeiter: sie alle müssen auf der Hut sein, daß diese Gefahr sie nicht hinter einem Busch hervor, aus einer Schonung heraus anspringt. Die Wälder um Nienburg sind verseucht von tollwutkranken Tieren.
Vor ungefähr einem Jahr wurde der erste kranke Fuchs abgeschossen. Wenige Wochen später fanden Beerensammler ein verendetes Reh: Tollwut! Sofortige Serumbehandlung in einem hannoverschen Krankenhaus rettete jene Waldgänger, die mit dem Tier in Berührung gekommen waren.
Wie die Pest, so unheimlich hat sich seitdem die Seuche in den Wäldern ausgebreitet. Es mußte zu einem drastischen Mittel gegriffen werden, sie einzudämmen; 610 Füchse und 40 Dachse wurden vom Herbst des vergangenen
ßuperi Hvtlaut
Beim 6. Weltmeisterschaftslauf auf der Solitude-Rennstrecke am Sonntag errang der junge österreichischeNSV - Fahrer Rupert Hollaus den Lorbee des Weltmeisters ir der Klasse der Motorräder bis 12' ccm. In einer neue’ Rundenrekordzeit ließ er alle Konkurrenten, auch seinen Stallgefährter Werner Haas, wei. hinter sich. Unser Bild zeigt Rupert Hollaus (links) m’t dem Goldenen Kranz des „Großer Preises v. Deutschland" bei der Siegerehrung. Recht:
neben ihm der Zweite im Rennen Werner Haas, Augs bürg, der das 250 ccm-Rennen für sie!, entscheiden konnte.
Bild: dpa
Jahres bis zum Juni dieses Jahres abgeschossen. Das kommt beinahe einer Ausrottung gleich. Dutzende von Rehen, gebissen und infiziert, verendeten qualvoll. Neuerdings sind sogar Bussarde tollwutverdächtig. Fraßen sie die Krankheit am verluderten Wild?
Besorgniserregend sorglos
„Die Füchse“, sagen die Leute, „haben jeden Verstand verloren.“ Gemeint ist, daß die Tiere, „vor Wut toll“, alle Gefahr mißachten, in die Gehöfte einbrechen, die Hofhunde und die Dorfköter anfallen, sich verbeißen und sich eher mit Knüppeln totschlagen lassen, als daß sie flüchten. Es geht dabei auch für Menschen ohne Bißwunden meist nicht ab.
Trotzdem: die Bevölkerung ist besorgniserregend sorglos. Es geschieht, daß die Schilderung der Gefahr mit einer Handbewegung abgetan wird. Warnungen scheinen in den Wind gesprochen zu werden. Schutzvorkehrungen begegnen einer unverständlichen Passivität. Es wurde eine Hunde- und Katzensperre angeordnet. Aber Hunde und Katzen streunen herum. Und insbesondere die Katzen sind in letzter Zeit tollwutkrank geworden. Fast eine Viertelstunde hatte ein Briefträger zu tun.
ehe eine wütende Katze von ihm abließ. Dann sprang sie ein Kind an, kratzte und biß es. Nur rechtzeitige Behandlung konnte es retten.
Rücksichtslos muß daher abgeschossen werden, was sich im Sperrgebiet zeigt. Manches wertvolle und auch gesunde Tier endet dabei leider auch oft durch die Kugel. Und warum diese Passivität der gefährdeten Menschen, die so weit geht, daß sogar das Auffinden und Beobachten kranker Tiere verheimlicht wird?
„Nur Scherereien“
„Das macht nur Scherereien“, sagte jemand allen Ernstes dem Berichter. Mit den Scherereien sind die Serumspritze, die Krankenhaus-Quarantäne- Behandlung, die Behördenwege und überhaupt alles Amtliche gemeint.
Wozu das führen kann, erzählt die Geschichte eines Spaziergängers, der von einem Fuchs überfallen wurde. Der Mann konnte sich wohl seiner Haut, nicht aber seines Hosenbeins wehren. Die zerfetzte Hose brachte er in eine Kunststopferei. Eine Arbeiterin infizierte sich an dem Kleidungsstück. Ohne zu ahnen, daß sie lebensgefährlich erkrankt war, kam sie erst dann in die Hände eines Arztes, als es zu snät wv
Der Amtsschimmel wieherte nicht
Ein Mann lebte 25 Jahre amtlich als Mädchen
MÜLHEIM/Ruhr. „Sie wollen Marlene heiraten? Sie sind doch selbst ein Mädchen!“ Diese wahrhaft inhalts- j schweren Worte sprach der Mülheimer Standesbeamte zum 25jährigen Gerhard R.,,der sein Aufgebot bestellen wollte. Gerhard sah zunächst scheu zur Seite. Dann strich er sich aufatmend über sein blondes Haar. „Donnerwetter“, entrang es sich seiner Brust, „das habe ich allerdings bis heute noch nicht ge- ! wußt.“ Natürlich hatte er sich in den 25 Jahren durchaus als Mann gefühlt. „Amtlich sind Sie aber seit Ihrer Geburt ein Mädchen und heißen Hildegard!“, meinte der Standesbeamte.
| Gerhard zog schließlich auch einen | amtlichen Gegenbeweis, das Familien- ! buch aus der Tasche. Da stand es ! schwarz auf weiß: „Gerhard“. Da aber i das Register des Standesamtes gerade ! das Gegenteil aussagte, wurde die Hei- j rat doch ein bißchen kompliziert. Gerhards Eltern wurden schließlich geladen. Sie beteuerten hoch und hei- i iig, daß ihnen damals ein Junge geboren worden sei und daß sie sich die Verwechslung nicht erklären könnten. Obwohl dies eine äußerst witzige Angelegenheit war, wieherte der Amtsschimmel nicht. Der Standesbeamte 1 schaltete schnell, nahm trotz der Wi
dersprüche das Aufgebot an und stellte zugleich einen Berichtigungsantrag beim Amtsgericht Duisburg. Die Trauung soll nun doch noch termingerecht vollzogen werden.
Nebelhornbahn blieb stehen
OBERSTDORF. Die Fahrgäste von vier Kabinen der Nebelhombahn erlebten am Samstag einige angstvolle Stunden, als die Bahn, die Oberstdorf mit dem 2000 Meter hohen Gipfel des Nebelhorns verbindet, auf der oberen Strecke steckenblieb. Das Zugseil war über das Drahtseil gesprungen und hatte so automatisch die Sicherheitsbremse in Aktion gesetzt. Die viermal 27 Fahrgäste mußten über einen 50 Meter tiefen Abgrund einzeln abgeseilt werden. Die Bahn soll nun repariert werden. Die Untersuchungen sind noch im Gang. Man vermutet daß die Seilbahn zu schnell gefahren ist. Etwa fünfhundert Urlauber, die sich auf dem Gipfel aufhielten, mußten den sechs Kilometer langen Rückweg zu Fuß zurücklegen.
150 Briefträger der österreichischen Post sind in Ausübung ihres Dienstes letztes Jahr von Hunden gebissen worden.
Ein Boy namens Joe Rock / von o,. h. p e tn
Inwieweit die akkulturierten Eingeborenen Australiens sich tatsächlich in die weiße Zivilisation eingegliedert haben und wieweit nicht, ist eine Frage, die sich kaum beantworten läßt. Die Missionen sind überzeugt, daß sie zumindest aus ihrer alten Kultur vollkommen heraus sind, aber den rich- Weg in die neue Kultur noch nicht finden konnten; denn 10000 Jahre ununterbrochener Tradition lassen sich von heute auf morgen nicht ohne weiteres über Bord werfen. Bedeuten aber laxrfahrten, Kofferradios und ein elek- 3J? s ™er Eisschrank in den kleinen «h -u^kütten tatsächlich, daß sie UDer ihre Vergangenheit nicht mehr viel Nachdenken? Vielleicht sind sie trotz „er Vorliebe für zivilisatorische Bequemlichkeiten doch noch mehr Black- » ku S alten Stils, als es die Missionare wahrhaben möchten. Folgendes Beispiel «oll das erläutern:
Ein Missionar hat einen 18jährigen ■n„ t? Us öem nördlichen Dampierland. *if r le Ste sich den Namen Joe Rode zv u nd man sieht ihn meistens auf sei- ®J?!L F ijhrrad, bekleidet mit blüten- Hose und blütenweißem Hemd. „,f. r Hater betrachtet ihn als einen 5", en C ,* sten , hält aber sonst nicht ISoi- von ., ihm , e r nennt ihn unzuver- Jjl® und einen Windhund. Seiner An- rm j ? weiß Joe Rock nichts mehr aer Kultur seines Volkes, des Bad- mmes denn er wurde auf der Lom- »n»i na ■ i ssion von den Nonnen er- T„VV,u. ist also seit seiner frühesten j niemals mit dem Stammesleben «ZZ Eingeborenen in Berührung ge- ' Er so11 s °S ar nicht einmal eine ung von der Sprache seiner Eltern Jn» S _V n ö nur Englisch beherrschen.
wSre also ein gutes Schulbei- fcn p, , einen vollständig akkulturier- Eingeborenen, der bereits im Säug
lingsalter in die weiße Zivilisation hineingestellt wurde.
Dementsprechend sind auch die Ansprüche, die Joe Rock an das moderne Leben stellt. Zum Besuch seiner Mutter wollte er eine Flugpassage buchen. Später äußerte er den Wunsch, das neue Motorrad der Mission zu kaufen. Der Preis spiele keine Rolle. Er habe genügend Geld zurückgelegt.
Das ist nun die eine Version der Geschichte Joe Rodts, die zweite Version sieht etwas anders aus. Um sie zu verstehen, muß man ein wenig weiter ausholen: Mitte Februar fand im Busch vier Meilen südlich von Brooms eine Beschneidungsfeier statt. Der Kandidat war ein Badjunge und die Ausführenden waren Badmänner, die aus dem nördlichen Dampierland heruntergekommen waren. Die vorbereitenden Zeremonien hatten bereits wenige Tage vorher nahe der Lombadina-Mission stattgefunden. Alle Beteiligten hatten sich in vier Taxis zum Yona (Beschnei- dungsplatz) fahren lassen. Im Busch wurden die Schwirrhölzer alten Stiles geschwungen. Die Stelle auf dem Yona- platz, wo die Operation vorgenommen wurde, hatte man vorher ausgiebig mit DDT besprengt. Als Beschneidungsmesser gebrauchte man allerdings ein traditionelles Messer aus weißem Quarz, das man sich aber Von Mr. Bardwell, einem Sammler alter Beschneidungsmesser, ausleihen mußte. Nach der Operation fand ein großes Corroboree statt. Im zeremonialen Ablauf der Beschneidungsfeier hat nun besagter Joe Rode eine führende Rolle gespielt. Er war vorschriftsmäßig bemalt gewesen, mit gedrehtem Haargürtel und von den Schamteilen herabhängender Perlmuschel. Vor allem hatte er sich während des Correborees als Vortänzer und Vorsänger betätigt, denn er galt bei den
Eingeborenen in Lombadina und in Broome als ein guter Kenner der alten Bad-Gesänge! Wenn das stimmt, muß Joe Rock doch die Sprache seines Volkes kennen und bis zu einem gewissen Grade jedenfalls in das sakrale Leben seines Volkes initiiert sein. Das ist also die Blackfellowseite im Leben des christlich erzogenen und hoch zivilisierten Joe Rock. Und was für Joe Rode zutrifft, könnte schließlich ebenso für andere schwarze Eisschrankbesitzer und Taxikunden in Broome, der verlassenen Stadt Nordwestaustraliens, zutreffen.
östlich orientierte Architektur
Entsprechend der allgemeinen östlichen Tendenz, auf möglichst vielen Gebieten den „fortschrittlichen“, d. h. sowjetisch infizierten Geist auch in Westdeutschland an Einfluß gewinnen zu lassen, hat jetzt die Ostberliner „Deutsche Bauakademie“ mit dem Ostberliner „Bund deutscher Architekten“ eine gemeinsame Programmerklärung „zur Verteidigung der Einheit der deutschen Architektur“ erlassen. Gleichzeitig wurde eine ausgedehnte Zusammenarbeit aller BauschaffendenDeutsch- lands angeregt sowie u. a. die Schaffung eines gemeinsamen Gremiums, das Vorschläge für die Verbreitungsfreiheit der auf dem Gebiet der Architektur und Denkmalspflege erschienenen Literatur ausgearbeitet. Hinter diesen harmlos klingenden Formulierungen verbirgt sich die Absicht der östlichen Einflußnahme auf die westdeutsche Architektur.
Worum es dabei geht, wurde aus einem Vortrag des Präsidenten der Ostberliner „Deutschen Bauakamedie“, Prof. Dr. Kurt Liebknecht, deutlich, den dieser in Ostberlin über die „nationalen Aufgaben der deutschen Architektur“ hielt. Diese nationale Aufgabe ist danach offenbar die Aneignung der an der modernen Moskauer Architektur nach dem Musterbeispiel
der Ostberliner Stalin-Allee orientierten Richtung, während die amerikanisierende Richtung der westdeutschen Architektur scharf abgelehnt wurde. So kritisierte der Vortragende, daß die berühmte Silhouette der alten Reichsstadt Frankfurt nicht wiederzuerkennen sei, die „Riesenschachtel“ des Fernmeldeamts verdecke den Turm des Doms, der „Glaskasten“ des Bayer- Konzerns am Eschenheimer Tor beweise, „wie der nationale Charakter unserer Architektur durch Funktionalismus und Konstruktivismus amerikanischer Art zerstört wird“. In Köln erdrückt die „Parfümkiste von 4711“ den Dom, in Hildesheim, Stuttgart und vielen anderen Städten sei das Stadtbild durch Hochhäuser und Turmbauten von Banken und Konzernen mit einer Roheit ohnegleichen vergewaltigt. In der an diese scharfe Kritik des Westens anschließenden Diskussion wurde u. a. behauptet, die westdeutschen Architekten müßten sich entweder der aus USA importierten Bau- und Lebensweise fügen oder sie würden arbeits- und brotlos.
Mag man nun auch zugeben, daß manches in den letzten Jahren in Westdeutschland entstandene Hochhaus sich nicht gerade sehr harmonisch in das gesamte Stadtbild einfügt, so scheint uns das doch noch lange kein Grund zu sein, daß unsere Architekten sich nun künftig an dem Neumoskauer Stil der Ostberliner Stalin-Allee orientieren, wie das die Osterliner „Deutsche Bauakademie“ wohl gerne möchte. Architektur sollte kein Politicum sein.
„Bücher der Neunzehn“
Unter dem Titel „Bücher der Neunzehn“ haben neunzehn führende deutsche Verlage eine neue Buchreihe begründet, in der literarisch wertvolle Werke in guter Ausstattung zu einem Preis unter acht Mark angeboten werden. Dieser durch eine hohe Auflage
erreichte Preis ist als Werbung für das literarisch anspruchsvolle Buch gedacht. Als erster Band der ..Bücher der Neunzehn“ erscheint Maxence van der Meerschs Arztroman „Leib und Seele“. An dem Unternehmen sind beteiligt die Becksche Verlagsbuchhandlung (München), der Biederstein-Verlag (München)), der Claassen- Verlag (Hamburg), die Deutsche Verlagsanstalt (Stuttgart), die Verlage S. Fischer (Frankfurt/Main), Jakob Heg- ner (Köln), F. A. Herbig (Berlin), der Insel-Verlag (Wiesbaden), der Verlag Kiepenheuer und Witsch (Köln), der Insel-Verlag (Wiesbaden), der Verlage Wolfgang Krüger (Hamburg) und Paul List (München), die Nymphenburger Verlagshandlung (München), der Münchener Verlag R. Piper und Co., der Rowohlt-Verlag (Hamburg), der Suhrkamp-Verlag (Frankfurt/Main), der Berliner Verlag Ullstein, der Verlag Christian Wegner (Hamburg) und der Rainer-Wunderlich-Verlag (Tübingen).
Kulturelle Nachrichten
Das bisher verschollene Original von Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ — es weist gegenüber der bisher bekannten Fassung wesentliche Unterschiede auf — ist nach Mitteilung des Präsidenten der deutschen Mozart- geselschaft, Prof. Fritz Schmidt, Augsburg, aufgefunden worden.
Professor Georg L i p p o 1 d , em. Ordinarius für Klassische Archäologie in Erlangen, ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Lippold stand im 70. Lebensjahr.
Eine Courths-Mahler-Ge- sellschaft wurde in Tegernsee unter dem Vorsitz von Bürgermeister Demmler gegründet.
Professor Josef Sellmair, Ordinarius für Pädagogik an der Universität München, ist im Alter von 59 Jahren in Ludwigshafen gestorben.