BERICHTE AUS DEUTSCHLAND

Blick in die Zone

Plauen - Hauptstadt des Vogtlandes

Das Vogtland ist nicht Grenze, sondern Brücke zwischen Mittel- und Süddeutschland

CW. DRESDEN. Unmittelbar aus Feld und Wald wächst Plauen heraus, in dem breiten Talkessel der Elster sich aus­breitend, mit einer Geschichte, die bis in das Jahr 1122 zurückführt. Heinrich von Plauen, der Freund des großen Hohenstaufenkaisers Friedrich II., der Hochmeister des Deutschritterordens, Ist der berümtestePlauener. Er war einer der Vögte des Vogtlandes, lener Landschaft, die wie ein Scharnier die südlichen und östlichen Reichsteile an der Grenze Böhmens zusammen­hielt. Auch heute noch dürfte diese historische Aufgabe das Land bestim­men, in dem die Großstadt Plauen liegt.

Das Vogtland ist kein Grenzgebiet der sogenanntenDDR nach Bayern und damit der Bundesrepublik hin, «ondern eine Brücke, die Mitteldeutsch­land mit Süddeutschland verbindet. Die Menschen, die hier wohnen, lieben das ganze Deutschland, sie benötigen keine papierenen Resolutionen, um offen zu »eigen, daß siefür die Wiederver­einigung sind. Die landschaftliche Ge­bundenheit ist so stark, daß niemand auf den Gedanken kommen könnte, in tinem Grenzland gegenüber derZo­nengrenze zu leben. Auch im Dialekt Ist die Mischung zwischen fränkischen Und sächsischen Idiomen erkennbar: das Vogtländische besteht aus einer glücklichen Verbindung beider Stam- mesdialekte.

Es ist die Hauptstadt des Vogtlandes, iner unvergleichbaren Landschaft im

südwestlichen Sachsen. Die Menschen, die hier leben, sind sehr betont selb­ständige Eigenbrötler. Sie besitzen ein dickes Fell und einen handfesten Hu­mor, der oft in diesen humorentwohn- ten Jahren in Sarkasmus umschlägt. Eine rauhe Landschaft, Berge, über die der Wind streicht, karge Äcker, tief eingeschnittene Täler ein bäuerlich armes Land, das durch die Industrie weniger zu Wohlstand als zu einem gewissen Waffenstillstand mit der Ar­mut gekommen ist.

Die Stadt aber, die inmitten dieser Landschaft heranwuchs, lebt heute von ihrem alten, großen Ruf als Stadt der Plauener Spitzen. Auf allen Kon­tinenten sind diese Spitzen, sind die Gardinen bekannt, und die Kaufleute sprechen immer noch mit Hochachtung von der Stadt, die einmal eine in Eu­ropa führende Textilhochburg gewesen ist. Die feinen zierlichen und phanta­sievollen Muster aber sind heute kaum noch zu haben. Die volkseigene Gar­dinenfabrik hat viel von ihrem Ruhm, den sie unter den privaten Besitzern besessen, eingebüßt. Die weitläufigen Handelsbeziehungen nach dem Westen sind noch immer fast vollständig ab­gerissen. Gewebte und gestickte Spit­zen, Weißwaren aller Art, Gardinen, Dekorationsstoffe sowie Herren- und Damenkleiderstoffe, Webstühle und Strickmaschinen werden in den Ost­blockstaaten vertrieben. Aber die Qua­lität und die Originalität haben sehr

Ehe-Steuer ist verfassungswidrig

Aufsehenerregende Entscheidung des Münchner Finanzgerichts

tz. MÜNCHEN. Zum erstenmal hatte »ich jetzt ein Finanzgericht München, dritte Kammer mit einer Beschwerde

f egen die gemeinsame Veranlagung von begatten zu befassen. Die Kammer unter Vorsitz von Finanzgerichtsdirek­tor Dr. Weisenseer kam dabei zu der bemerkenswerten Entscheidung, daß die sogenannteHaushaltsbesteuerung dem Artikel 3, Absatz 2 und dem Ar­tikel 6, Absatz 1 des Grundgesetzes widerspricht. Auf Antrag der Finanz­kammer muß sich nun demnächst das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit der Frage der gemeinsamen Ver­anlagung befassen.

Geklagt haben ein Mann, der ein Ruhegehalt bezieht und seine Frau, die aus einem Gewerbebetrieb sowie aus Vermietung und Verpachtung Ein­künfte bezieht. Seit ihrer Heirat im April 1951 wurden sie gemeinsam ver­anlagt und wollen nun mit Hilfe der Verfassungsbestimmungen, die . auch «ine Gleichstellung verheirateter Staats­bürger mit nicht verheirateten Staats­bürgern garantieren, ihre zuviel ge- »shlten Steuern wieder zurückhaben.

Das Gericht geht bei der Begrün­dung von der grundsätzlichen Ent­scheidung des Bundesverfassungsge­richts vom 18. Dezember 1953 aus, der- zufolge die Gleichberechtigung von Mann und Frau, wie sie im Grund­gesetzt festgelegt ist, seit dem 1. April 1953 geltendes Recht ist, auch wenn noch keine der vorgesehenen Ergän­zungsbestimmungen erlassen wurden. Es müsse also, so heißt es in den Ur­teilsgründen, die frühere Übergangs­regelungdurch die zwingende Vor­schrift, wie sie Artikel 3. 2 und Artikel U7. 1 des Grundgesetzes vorsieht, ihr ♦nde finden, und zwar unabhängig da­von, ob diese Zwischenlösung in der ln Aussicht genommenen großen Steuer­reform endgültig beseitigt und auf eine neue, dem Grundgesetz und der Ent­wicklung der Rechtsverhältnisse ent­sprechende Rechtsgrundlage gestellt werden wird.

Das Urteil des Münchner Finanz­gerichts bringt auch zum Ausdruck, daß der Rechtsgrundsatz des Artikels 3, 2 und des Artikels 6, 1 GG alle Rechts­gebiete, somit auch das Steuerrecht umfaßt.

gelitten. Die Initiative der Arbeiter und Arbeiterinnen am Webstuhl, an der Strickmaschine ist weitgehend gebro­chen.

Demontage und Parolen

Nach Eingriffen durch die Demontage und die Bürokratie des Pankower Re­gimes konnten sich Fabriken wie die PLAMAG bis heute kaum erholen. Der Drude- und Rotationsmaschinenbau kommt etwas schneller vorwärts. Im letzten Jahr mußte noch eine 96seitige Rotationsmaschine für dasHaus des polnischen Worts in Warschau gelie­fert werden auf Reparationskonto.

Die Fabriken der Veredelungsindu­strie stehen vor allem am Ufer der Elster. Sie geben dem Stadtbild die ernste Schönheit des technischen Zeit­alters aber auch hier verkleben sinn­lose Parolen die Wände und Mauern und zeigen, wie wenig das Regime ver­steht, die Menschen auch nur ein we­nig sinnvoll anzusprechen.

Kulturell ist Plauen einmal sehr be­deutend und bekannt gewesen. Hier befand sich der Günter-Wolff-Verlag, in dem vor 1933 wesentliche Bücher der deutschen Moderne verlegt wur­den. Das Stadttheater stand auf einem hohen Niveau die Opernsängerin Christel Goltz begann u. a. hier ihre Laufbahn. Freilichtbühnen und Museen waren sehr gut besucht. Heute ist dies alles im geschichtslosen Staub versun­ken, den die Kulturfunktionäre immer wieder einmal aufwirbeln, um mit einem Minimum an Geist ein Maxi­mum an Propaganda zu erzielen.

Flugzeug gegen Motorrad

MÜNCHEN. Daß ein Flugzeug mit einem Motorrad zusammenstößt, gehört zu den ungewöhnlichsten Verkehrsun­fällen. Bei dem kürzlich in München herrschenden Sturm hatte ein über der Isarmetropole kreisendes Reklame­flugzeug das lange Schriftband verlo­ren, das der Flieger hinter sich herzog. Der Pilot machte auf einer Wiese eine Notlandung, um das Spruchband zu suchen. Als er es gefunden hatte und den Propeller seiner Maschine an­warf. wurde das Flugzeug plötzlich von einer Böe erfaßt, machte sich selbständig, rollte bis zur Straße und stieß hier mit einem Motorrad zusam­men. Dann überschlug sich das Flug­zeug und blieb schwerbeschädigt liegen. Auch das Motorrad wurde zertrüm­mert. Personen kamen bei dem eigen­artigen Unfall wie durch ein Wunder nicht zu Schaden.

600 tollwutkranke Füchse abgeschossen

Gefährliche Wälder / Bevölkerung passiv / Warnungen scheinen in den Wind gesprochen

NIENBURG/Weser. Die Wälder im Westen der Weserstadt Nienburg gehören zu den größten und schönsten Forstgebieten Nordwestdeutschlands. Aber: in ihnen lauert tödliche Gefahr. Spielende Kinder, harmlose Spazier­gänger, beerensuchende Frauen, alc- kernde Bauern und Waldarbeiter: sie alle müssen auf der Hut sein, daß diese Gefahr sie nicht hinter einem Busch hervor, aus einer Schonung heraus an­springt. Die Wälder um Nienburg sind verseucht von tollwutkranken Tieren.

Vor ungefähr einem Jahr wurde der erste kranke Fuchs abgeschossen. We­nige Wochen später fanden Beeren­sammler ein verendetes Reh: Tollwut! Sofortige Serumbehandlung in einem hannoverschen Krankenhaus rettete jene Waldgänger, die mit dem Tier in Berührung gekommen waren.

Wie die Pest, so unheimlich hat sich seitdem die Seuche in den Wäldern ausgebreitet. Es mußte zu einem dra­stischen Mittel gegriffen werden, sie einzudämmen; 610 Füchse und 40 Dachse wurden vom Herbst des vergangenen

ßuperi Hvtlaut

Beim 6. Weltmei­sterschaftslauf auf der Solitude-Renn­strecke am Sonntag errang der junge österreichischeNSV - Fahrer Rupert Hol­laus den Lorbee des Weltmeisters ir der Klasse der Mo­torräder bis 12' ccm. In einer neue Rundenrekordzeit ließ er alle Kon­kurrenten, auch sei­nen Stallgefährter Werner Haas, wei. hinter sich. Unser Bild zeigt Rupert Hollaus (links) mt dem Goldenen Kranz desGroßer Preises v. Deutsch­land" bei der Sie­gerehrung. Recht:

neben ihm der Zweite im Rennen Werner Haas, Augs bürg, der das 250 ccm-Rennen für sie!, entscheiden konnte.

Bild: dpa

Jahres bis zum Juni dieses Jahres ab­geschossen. Das kommt beinahe einer Ausrottung gleich. Dutzende von Re­hen, gebissen und infiziert, verendeten qualvoll. Neuerdings sind sogar Bus­sarde tollwutverdächtig. Fraßen sie die Krankheit am verluderten Wild?

Besorgniserregend sorglos

Die Füchse, sagen die Leute,ha­ben jeden Verstand verloren. Gemeint ist, daß die Tiere,vor Wut toll, alle Gefahr mißachten, in die Gehöfte ein­brechen, die Hofhunde und die Dorf­köter anfallen, sich verbeißen und sich eher mit Knüppeln totschlagen lassen, als daß sie flüchten. Es geht dabei auch für Menschen ohne Bißwunden meist nicht ab.

Trotzdem: die Bevölkerung ist be­sorgniserregend sorglos. Es geschieht, daß die Schilderung der Gefahr mit ei­ner Handbewegung abgetan wird. War­nungen scheinen in den Wind gespro­chen zu werden. Schutzvorkehrungen begegnen einer unverständlichen Passi­vität. Es wurde eine Hunde- und Kat­zensperre angeordnet. Aber Hunde und Katzen streunen herum. Und insbe­sondere die Katzen sind in letzter Zeit tollwutkrank geworden. Fast eine Vier­telstunde hatte ein Briefträger zu tun.

ehe eine wütende Katze von ihm ab­ließ. Dann sprang sie ein Kind an, kratzte und biß es. Nur rechtzeitige Behandlung konnte es retten.

Rücksichtslos muß daher abgeschossen werden, was sich im Sperrgebiet zeigt. Manches wertvolle und auch gesunde Tier endet dabei leider auch oft durch die Kugel. Und warum diese Passivität der gefährdeten Menschen, die so weit geht, daß sogar das Auffinden und Be­obachten kranker Tiere verheimlicht wird?

Nur Scherereien

Das macht nur Scherereien, sagte jemand allen Ernstes dem Berichter. Mit den Scherereien sind die Serum­spritze, die Krankenhaus-Quarantäne- Behandlung, die Behördenwege und überhaupt alles Amtliche gemeint.

Wozu das führen kann, erzählt die Geschichte eines Spaziergängers, der von einem Fuchs überfallen wurde. Der Mann konnte sich wohl seiner Haut, nicht aber seines Hosenbeins wehren. Die zerfetzte Hose brachte er in eine Kunststopferei. Eine Arbeiterin infizierte sich an dem Kleidungsstück. Ohne zu ahnen, daß sie lebensgefähr­lich erkrankt war, kam sie erst dann in die Hände eines Arztes, als es zu snät wv

Der Amtsschimmel wieherte nicht

Ein Mann lebte 25 Jahre amtlich als Mädchen

MÜLHEIM/Ruhr.Sie wollen Mar­lene heiraten? Sie sind doch selbst ein Mädchen! Diese wahrhaft inhalts- j schweren Worte sprach der Mülheimer Standesbeamte zum 25jährigen Gerhard R.,,der sein Aufgebot bestellen wollte. Gerhard sah zunächst scheu zur Seite. Dann strich er sich aufatmend über sein blondes Haar.Donnerwetter, entrang es sich seiner Brust,das habe ich allerdings bis heute noch nicht ge- ! wußt. Natürlich hatte er sich in den 25 Jahren durchaus als Mann gefühlt. Amtlich sind Sie aber seit Ihrer Ge­burt ein Mädchen und heißen Hilde­gard!, meinte der Standesbeamte.

| Gerhard zog schließlich auch einen | amtlichen Gegenbeweis, das Familien- ! buch aus der Tasche. Da stand es ! schwarz auf weiß:Gerhard. Da aber i das Register des Standesamtes gerade ! das Gegenteil aussagte, wurde die Hei- j rat doch ein bißchen kompliziert. Gerhards Eltern wurden schließlich geladen. Sie beteuerten hoch und hei- i iig, daß ihnen damals ein Junge ge­boren worden sei und daß sie sich die Verwechslung nicht erklären könnten. Obwohl dies eine äußerst witzige An­gelegenheit war, wieherte der Amts­schimmel nicht. Der Standesbeamte 1 schaltete schnell, nahm trotz der Wi­

dersprüche das Aufgebot an und stellte zugleich einen Berichtigungsantrag beim Amtsgericht Duisburg. Die Trau­ung soll nun doch noch termingerecht vollzogen werden.

Nebelhornbahn blieb stehen

OBERSTDORF. Die Fahrgäste von vier Kabinen der Nebelhombahn erleb­ten am Samstag einige angstvolle Stun­den, als die Bahn, die Oberstdorf mit dem 2000 Meter hohen Gipfel des Ne­belhorns verbindet, auf der oberen Strecke steckenblieb. Das Zugseil war über das Drahtseil gesprungen und hatte so automatisch die Sicherheits­bremse in Aktion gesetzt. Die viermal 27 Fahrgäste mußten über einen 50 Meter tiefen Abgrund einzeln abgeseilt wer­den. Die Bahn soll nun repariert wer­den. Die Untersuchungen sind noch im Gang. Man vermutet daß die Seilbahn zu schnell gefahren ist. Etwa fünfhun­dert Urlauber, die sich auf dem Gipfel aufhielten, mußten den sechs Kilometer langen Rückweg zu Fuß zurücklegen.

150 Briefträger der österreichischen Post sind in Ausübung ihres Dienstes letztes Jahr von Hunden gebissen wor­den.

Ein Boy namens Joe Rock / von o,. h. p e tn

Inwieweit die akkulturierten Einge­borenen Australiens sich tatsächlich in die weiße Zivilisation eingegliedert haben und wieweit nicht, ist eine Frage, die sich kaum beantworten läßt. Die Missionen sind überzeugt, daß sie zu­mindest aus ihrer alten Kultur voll­kommen heraus sind, aber den rich- Weg in die neue Kultur noch nicht finden konnten; denn 10000 Jahre ununterbrochener Tradition lassen sich von heute auf morgen nicht ohne wei­teres über Bord werfen. Bedeuten aber laxrfahrten, Kofferradios und ein elek- 3J? ser Eisschrank in den kleinen «h -u^kütten tatsächlich, daß sie UDer ihre Vergangenheit nicht mehr viel Nachdenken? Vielleicht sind sie trotz er Vorliebe für zivilisatorische Be­quemlichkeiten doch noch mehr Black- » ku S alten Stils, als es die Missionare wahrhaben möchten. Folgendes Beispiel «oll das erläutern:

Ein Missionar hat einen 18jährigen n t? Us öem nördlichen Dampierland. *if r le Ste sich den Namen Joe Rode zv u nd man sieht ihn meistens auf sei- ®J?!L F ijhrrad, bekleidet mit blüten- Hose und blütenweißem Hemd. ,f. r Hater betrachtet ihn als einen 5", en C ,* sten , hält aber sonst nicht ISoi- von ., ihm , e r nennt ihn unzuver- Jjl® und einen Windhund. Seiner An- rm j ? weiß Joe Rock nichts mehr aer Kultur seines Volkes, des Bad- mmes denn er wurde auf der Lom- »n»i na i ssion von den Nonnen er- TVV,u. ist also seit seiner frühesten j niemals mit dem Stammesleben «ZZ Eingeborenen in Berührung ge- ' Er so11 s °S ar nicht einmal eine ung von der Sprache seiner Eltern Jn» S _V n ö nur Englisch beherrschen.

wSre also ein gutes Schulbei- fcn p, , einen vollständig akkulturier- Eingeborenen, der bereits im Säug­

lingsalter in die weiße Zivilisation hineingestellt wurde.

Dementsprechend sind auch die An­sprüche, die Joe Rock an das moderne Leben stellt. Zum Besuch seiner Mutter wollte er eine Flugpassage buchen. Spä­ter äußerte er den Wunsch, das neue Motorrad der Mission zu kaufen. Der Preis spiele keine Rolle. Er habe genü­gend Geld zurückgelegt.

Das ist nun die eine Version der Ge­schichte Joe Rodts, die zweite Version sieht etwas anders aus. Um sie zu verstehen, muß man ein wenig weiter ausholen: Mitte Februar fand im Busch vier Meilen südlich von Brooms eine Beschneidungsfeier statt. Der Kandidat war ein Badjunge und die Ausführen­den waren Badmänner, die aus dem nördlichen Dampierland herunterge­kommen waren. Die vorbereitenden Zeremonien hatten bereits wenige Tage vorher nahe der Lombadina-Mission stattgefunden. Alle Beteiligten hatten sich in vier Taxis zum Yona (Beschnei- dungsplatz) fahren lassen. Im Busch wurden die Schwirrhölzer alten Stiles geschwungen. Die Stelle auf dem Yona- platz, wo die Operation vorgenommen wurde, hatte man vorher ausgiebig mit DDT besprengt. Als Beschneidungsmes­ser gebrauchte man allerdings ein tra­ditionelles Messer aus weißem Quarz, das man sich aber Von Mr. Bardwell, einem Sammler alter Beschneidungs­messer, ausleihen mußte. Nach der Operation fand ein großes Corroboree statt. Im zeremonialen Ablauf der Be­schneidungsfeier hat nun besagter Joe Rode eine führende Rolle gespielt. Er war vorschriftsmäßig bemalt gewesen, mit gedrehtem Haargürtel und von den Schamteilen herabhängender Perl­muschel. Vor allem hatte er sich wäh­rend des Correborees als Vortänzer und Vorsänger betätigt, denn er galt bei den

Eingeborenen in Lombadina und in Broome als ein guter Kenner der alten Bad-Gesänge! Wenn das stimmt, muß Joe Rock doch die Sprache seines Vol­kes kennen und bis zu einem gewissen Grade jedenfalls in das sakrale Leben seines Volkes initiiert sein. Das ist also die Blackfellowseite im Leben des christlich erzogenen und hoch zivilisier­ten Joe Rock. Und was für Joe Rode zutrifft, könnte schließlich ebenso für andere schwarze Eisschrankbesitzer und Taxikunden in Broome, der verlassenen Stadt Nordwestaustraliens, zutreffen.

östlich orientierte Architektur

Entsprechend der allgemeinen öst­lichen Tendenz, auf möglichst vielen Gebieten denfortschrittlichen, d. h. sowjetisch infizierten Geist auch in Westdeutschland an Einfluß gewinnen zu lassen, hat jetzt die Ostberliner Deutsche Bauakademie mit dem Ost­berlinerBund deutscher Architekten eine gemeinsame Programmerklärung zur Verteidigung der Einheit der deut­schen Architektur erlassen. Gleichzei­tig wurde eine ausgedehnte Zusam­menarbeit aller BauschaffendenDeutsch- lands angeregt sowie u. a. die Schaf­fung eines gemeinsamen Gremiums, das Vorschläge für die Verbreitungs­freiheit der auf dem Gebiet der Archi­tektur und Denkmalspflege erschiene­nen Literatur ausgearbeitet. Hinter diesen harmlos klingenden Formulie­rungen verbirgt sich die Absicht der östlichen Einflußnahme auf die west­deutsche Architektur.

Worum es dabei geht, wurde aus einem Vortrag des Präsidenten der OstberlinerDeutschen Bauakamedie, Prof. Dr. Kurt Liebknecht, deutlich, den dieser in Ostberlin über diena­tionalen Aufgaben der deutschen Ar­chitektur hielt. Diese nationale Auf­gabe ist danach offenbar die Aneig­nung der an der modernen Moskauer Architektur nach dem Musterbeispiel

der Ostberliner Stalin-Allee orientier­ten Richtung, während die amerikani­sierende Richtung der westdeutschen Architektur scharf abgelehnt wurde. So kritisierte der Vortragende, daß die berühmte Silhouette der alten Reichs­stadt Frankfurt nicht wiederzuerken­nen sei, dieRiesenschachtel des Fern­meldeamts verdecke den Turm des Doms, derGlaskasten des Bayer- Konzerns am Eschenheimer Tor be­weise,wie der nationale Charakter unserer Architektur durch Funktiona­lismus und Konstruktivismus amerika­nischer Art zerstört wird. In Köln er­drückt dieParfümkiste von 4711 den Dom, in Hildesheim, Stuttgart und vie­len anderen Städten sei das Stadtbild durch Hochhäuser und Turmbauten von Banken und Konzernen mit einer Roheit ohnegleichen vergewaltigt. In der an diese scharfe Kritik des Westens anschließenden Diskussion wurde u. a. behauptet, die westdeutschen Archi­tekten müßten sich entweder der aus USA importierten Bau- und Lebens­weise fügen oder sie würden arbeits- und brotlos.

Mag man nun auch zugeben, daß manches in den letzten Jahren in West­deutschland entstandene Hochhaus sich nicht gerade sehr harmonisch in das gesamte Stadtbild einfügt, so scheint uns das doch noch lange kein Grund zu sein, daß unsere Architekten sich nun künftig an dem Neumoskauer Stil der Ostberliner Stalin-Allee orientie­ren, wie das die OsterlinerDeutsche Bauakademie wohl gerne möchte. Ar­chitektur sollte kein Politicum sein.

Bücher der Neunzehn

Unter dem TitelBücher der Neun­zehn haben neunzehn führende deut­sche Verlage eine neue Buchreihe be­gründet, in der literarisch wertvolle Werke in guter Ausstattung zu einem Preis unter acht Mark angeboten wer­den. Dieser durch eine hohe Auflage

erreichte Preis ist als Werbung für das literarisch anspruchsvolle Buch gedacht. Als erster Band der ..Bücher der Neunzehn erscheint Maxence van der Meerschs ArztromanLeib und Seele. An dem Unternehmen sind beteiligt die Becksche Verlags­buchhandlung (München), der Bieder­stein-Verlag (München)), der Claassen- Verlag (Hamburg), die Deutsche Ver­lagsanstalt (Stuttgart), die Verlage S. Fischer (Frankfurt/Main), Jakob Heg- ner (Köln), F. A. Herbig (Berlin), der Insel-Verlag (Wiesbaden), der Ver­lag Kiepenheuer und Witsch (Köln), der Insel-Verlag (Wiesbaden), der Ver­lage Wolfgang Krüger (Hamburg) und Paul List (München), die Nymphen­burger Verlagshandlung (München), der Münchener Verlag R. Piper und Co., der Rowohlt-Verlag (Hamburg), der Suhrkamp-Verlag (Frankfurt/Main), der Berliner Verlag Ullstein, der Ver­lag Christian Wegner (Hamburg) und der Rainer-Wunderlich-Verlag (Tübin­gen).

Kulturelle Nachrichten

Das bisher verschollene Original von MozartsKleiner Nacht­musik es weist gegenüber der bisher bekannten Fassung wesentliche Unterschiede auf ist nach Mitteilung des Präsidenten der deutschen Mozart- geselschaft, Prof. Fritz Schmidt, Augs­burg, aufgefunden worden.

Professor Georg L i p p o 1 d , em. Or­dinarius für Klassische Archäologie in Erlangen, ist bei einem Verkehrsun­fall ums Leben gekommen. Lippold stand im 70. Lebensjahr.

Eine Courths-Mahler-Ge- sellschaft wurde in Tegernsee un­ter dem Vorsitz von Bürgermeister Demmler gegründet.

Professor Josef Sellmair, Ordi­narius für Pädagogik an der Universi­tät München, ist im Alter von 59 Jah­ren in Ludwigshafen gestorben.