HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND
CALWER ZEITUNG
Verlagsort Calw
DIENSTAG, 27. JULI 1954
AMTSBLATT FÜR DEN KREIS CALW
Gegründet 1826 / N. 171
Puschkin ist eingetroffen
BERLIN. Der neue Hohe Kommis- iar der Sowjetunion und Botschafter bei der Sowjetzonenregierung, G. M. Puschkin, ist nach einer Meldung yon ADN am Montagvormittag auf dem Flugplatz Schönefeld in Ost- Berlin eingetroffen. Puschkin wurde von dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Außenminister der Sowjetzone, Lothar Bolz, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Otto N u s c h k e, weiteren Mitgliedern der Sowjetzonenregierung und des Diplomatischen Korps in Ost- Berlin begrüßt.
Noch wild schart geschossen
HANOI. Die Evakuierung von Hanoi wird am Mittwoch, einen Tag nach Einstellung der Kampfhandlungen, beginnen. Südöstlich und nordwestlich Hanoi dauerten auch am Montagmor- fen die blutigen Kämpfe um eine Reihe von Außenposten an. Auch nordöstlich Hanoi kam es zu Kämpfen. Aus von der Front eintreffenden Berichten geht hervor, daß eine immer größere Zahl von vietnamesischen Soldaten zu den Kommunisten über- »uft. Französische Offiziere befürchten, daß die Zahl der Deserteure nach Inkrafttreten des Waffenstillstandes noch wesentlich ansteigen wird.
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Zwischen Frankreich and der Viet- minh-Republik wird mit einem baldigen Austausch diplomatischer Vertreter *u redmen sein. Man erwartet, daß der frühere französische Kommissar in Tongking, Jean Sainteny, als ständiger Vertreter Frankreichs zu Ho Tschi- minh entsandt wird.
Der südkoreanische Präsident Syng- nan Rhee ist am Montagabend zu seinem offiziellen Besuch in Washington •ingetroffen.
Außenminister Eden versucht die fünf „Colombostaaten" für eine Unter-
J tützung der Genfer Abmachungen über ndochina zu gewinnen, um die jetzige Neun-Mächte-Gruppe, die in Genf das Abkommen erzielte, zu stärken.
Der Botschafter der Vereinigten Staaten in Paris, Dillon, hatte gestern •ine mehr als einstündige Aussprache mit dem französischen Ministerpräsidenten Mendts-France, deren Thema die letzte Sowjetnote war.
Schröder: John wurde überlistet
Der Innenminister gibt in Bonn die Ansicht der Bundesregierung bekannt
BONN. Die Bundesregierung ist nicht der Ansicht, daß Dr. Otto John „in verräterischer Absicht“ nach Osten gegangen ist. Sie neigt vielmehr zu der Annahme, John sei „überlistet“ worden. Bundesinnenminister Schröder teilte dies am Montag in Bonn auf einer Pressekonferenz mit, bei der der Öffentlichkeit zum ersten Male umfassend Aufklärung über die Untersuchungen der Bundesregierung im Falle John gegeben wurde.
Nach Prüfung der Tonbandaufnahmen von der Rundfunkerklärung Johns über den ostzonalen Deutschlandsender bestehe zwar die „Neigung“ anzunehmen, daß es sich um Johns Stimme gehandelt habe, doch müsse man daran denken, was mit Menschen passieren könne, die einmal hinter dem Eisernen Vorhang verschwinden. Er erinnere in diesem Zusammenhang nur an den Namen „Mindszenty“, erklärte Schröder.
Schröder teilte auch mit, daß nach den amtlichen Feststellungen John Im Briefwechsel mit dem angeblichen Ostagenten und ehemaligen Emigranten Baron von P u 11 i t z gestanden habe, der John zu überreden versuchte, für den Osten zu arbeiten. John habe dieses Ansinnen jedoch abgelehnt, wie aus der Korrespondenz hervorgehe, die Bestandteil der Akten des Bundesamtes für Verfassungs
schutz sei. Allerdings habe John ihm, Schröder, keine Kenntnis von diesem Briefwechsel gegeben.
Nach den bisherigen Untersuchungen habe John keinerlei Aktenmaterial mit nach Osten genommen. Er habe sich auch nicht, wie in der Presse berichtet, vor seiner Fahrt nach dem Osten besonders für die Akten des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz interessiert. Diesem habe er lediglich einen Höflichkeitsbesuch abgestattet, ohne dabei irgendwelche Akten einzusehen.
Schröder erklärte, es deute alles darauf hin, daß John durch eine List über die Sektorengrenze gelockt worden sei. In diese Richtung deute auch die Tatsache, daß Wohlgemuth im Ostsektor geblieben ist, genau so wie eine Nachtschwester, die Wohlgemuth offenbar noch später in der Nacht in Westberlin abgeholt hat. Es
Bereits bei den Sowjets?
IWE meldet: John wird vernommen - Verhaftete kehren zurück
BERLIN. Der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Otto John, soll sich nach Informationen des Informationsbüros West bereits seit dem 21. Juli in Potsdam befinden, wo er laufend von sowjetischen Beamten vernommen wird.
IWE will weiter erfahren haben, daß John nach seiner Unterredung mit bisher unbekannt gebliebenen sowjetzonalen Persönlichkeiten im Presseamt der Sowjetzonenregierung am Thälmannplatz seine Erklärung, die der Sowjetzonenrundfunk später sendete, auf Band gesprochen hat. Bei Abgabe dieser Erklärung sollen der Chef des sowjetzonalen SSD, Staatssekretär Wollweber, und Staatssekretär Albert Norden zugegen gewesen sein. Unmittelbar darauf sei
John in einem sowjetischen SIS- Wagen nach Potsdam gebracht worden.
Die vom IWE gemeldete Verhaftungswelle unmittelbar nach dem Verschwinden Johns konnte bisher von keiner anderen Stelle bestätigt werden.
Inzwischen soll bereits eine Anzahl der auf rund 200 bis 300 geschätzten Festgenommenen wieder zurückgekehrt sein. Daraus ergebe sich, meint IWE, daß John offensichtlich keine Namen genannt habe, sondern lediglich angegeben habe, aus welchen Stellen sein Amt Informationen bekommen habe. In diesen Ämtern habe der SSD anscheinend nun alle als politisch unzuverlässig bekannten Personen erst einmal festgenommen.
Zwei chinesische Jäger abgeschossen
Neuer Angriff während der Rettungsaktionen für die britische Verkehrsmaschine vor Hainan
WASHINGTON. Amerikanische Flugzeuge haben zwei chinesische Maschinen abgeschossen, die sie während der Rettungsaktionen für das abgeschossene britische Flugzeug an- friffen, gab das amerikanische Außenministerium am Montag bekannt. Der Zwischenfall ereignete sich auf hoher nee bei der Suche nach Überlebenden des britischen Passagierflugzeugs, das von chinesischen Jägern zuvor angegriffen worden war.
Die Vereinigten Staaten, so erklärt das State Department, beabsichtigten, •nergisch gegen diesen „neuen Beweis kommunistischer Brutalität und negerischen Eingriff in eine Rettungsaktion auf hoher See“ zu protestieren.
Von den Insassen des britischen lugzeugs konnten acht gerettet wer- en> während zehn, darunter auch kabe^ rner ^ aner ' ^ken verloren
Der Oberkommandierende der ame- nKanischen Pazifikflotte, Admiral Fe- w ktump, erklärte am Montag in asnington, die amerikanischen Flfe-
ger seien angewiesen, sofort zurückzuschießen, wenn sie angegriffen werden. Das amerikanische Außenministerium teilte mit, daß die beiden amerikanischen Flugzeugträger trotz des Zwischenfalls ihre Suchaktion im südchinesischen Meer tortsetzen werden.
Peking bedauert
TOKIO. Das chinesische Außenministerium hat den Abschuß des britischen Passagierflugzeuges vor der chinesischen Insel Hainan, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen, in einer Note an die britische Regierung bedauert und sich bereit erklärt, Schadenersatz zu leisten. In der dem britischen Geschäftsträger in Peking, Trevelyan, überreichten Note heißt es laut Radio Peking, die beiden chinesischen Jäter hätten das Flugzeug in der Annahme beschossen, einen nationalchinesischen Bomber vor sich zu haben, der Bomben auf die Provinz Tschekiang werfen wollte.
Die chinesische Note wurde über
reicht, nachdem die britische Regierung am Samstag gegen den Abschuß des Flugzeuges protestiert hatte. In ihrer Antwort drückt die chinesische Regierung ihr Bedauern aus und versichert, daß sie alle notwendigen Maßnahmen ergriffen habe, um die Angelegenheit zu bereinigen. In der Note heißt es weiter, der Zwischenfall habe sich ereignet, weil die nationalchinesische Regierung auch weiterhin noch immer die Küstengebiete Chinas angreife, friedliche Schiffe auf dem Weg nach chinesischen Häfen überfalle und auf jede Weise versuche, einer Entspannung in Asien entgegenzuarbeiten. Die chinesische Regierung sei daher gezwungen, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen, bedauere jedoch aufs tiefste, daß ein britisches Flugzeug versehentlich ein Opfer dieser Gegenmaßnahmen geworden sei.
sei ferner nicht ausgeschlossen, das Dr. Wohlgemuth, der als Kommunist bekannt sei, eine medikamentöse und seelische Behandlung bei John vorgenommen und auf ihn eingewirkt habe. Den kommunistischen Ruf Wohlge- muths habe John stets als „Edelkommunismus“ abgetan.
Wenn John sich in seiner Arbeit behindert gefühlt habe, dann hätten ihm ganz andere Möglichkeiten für einen Ausweg zur Verfügung gestanden als nach dem Osten zu gehen, betonte der Innenminster. John habe wissen müssen, daß er im Osten nur das Objekt der propagandistischen Auswertung sein werde. Es fehle, wenn man das vorliegende Material prüfe, denn auch jedes Motiv für einen freiwilligen Übertritt Johns zum Osten.
«Kl»
Prinz Ahmad P ahl evi von P- - sien traf mit seiner bezaubernden G,. - tin sowie seiner Tochter, Prinzen x Charlotte, in Kopenhagen ein. Uns<r Bild zeigt den Bruder des Schahs vort Persien bei seiner Ankunft auf dem Flugplatz Kastrup (Kopenhagen)
Bild: Keyston«
Bemerkungen zum Tage
Puschkin
pl. Bei der Ablösung des langjährigen Vertreters des Kreml in Ost-Berlin, Botschafter Semjonow, durch den stellvertretenden sowjetischen Außenminister Puschkin, handelt es sich ohne Zweifel um einen wichtigen Vorgang. Seine wahre politische Bedeutung zu ergründen, fällt jedoch schwer, und wieder einmal sehen wir uns vor der bedauerlichen Tatsache, daß die internen Vorgänge im Machtbereich des Kreml uns mehr oder weniger ein Buch mit sieben Siegeln sind. Semjonow hat im Laufe der Jahre seiner Tätigkeit ln Deutschland ein politisches Profil gewonnen, und es ist deshalb einigermaßen bekannt geworden, welche Politik er befürwortet. Man wußte, daß er mit dem SED-Gewaltigen Walter Ulbricht beinahe auf Hauen und Stechen stand, daß er vieles in der sturen Verfolgung kommunistischer Ziele für unrealistisch und ungeschickt hielt und daß er in gewissem Maße eine Trennung zwischen sowjetischer Außenpolitik und ideologischem Missionseifer vornehmen konnte. Er unterhielt ein gutes Verhältnis zu den Überresten der bürgerlichen Parteien in der Sowjetzone und galt allgemein als ein Mann, der zum Zwecke der Wiedervereinigung Deutschlands um außenpolitischer Vorteile für die Sowjetunion willen auch Parteidogmen durchbrechen und Konzessionen machen könnte. Wenn ein so markanter Mann abgelöst wird, so liegt die Vermutung nahe, daß vielleicht eine Änderung der politischen Linie beabsichtigt ist. Es empfiehlt sich jedoch, mit solchen Schlußfolgerungen sehr vorsichtig zu sein. Über seinen Nachfolger Puschkin und seine Einstellung zur deutschen Frage wissen wir so gut wie nichts, und wir wissen auch zur Stunde noch nicht, welches Amt Semjonow in Zukunft bekleiden wird. Bis über beide Punkte Klarheit herrscht, sollte man mit der Beurteilung des Revirements zurückhalten. In totalitären Staaten können Personalveränderungen ganz andere als Gründe einer politischen Akzentverschiebung haben.
Was würde Grotius sagen?
ti. In Holland, das einen so hervorragenden Völkerrechtler wie Hugo Grotius hervorbrachte, hat im Volk selbst immer Achtung vor dem ehrlich erworbenen Eigentum eines Ausländers bestanden. Man hat niemals vergessen, daß man gerade im Grenzviertel Jahrhunderte friedlich und im besten Einvernehmen mit den Deutschen zusam-
England für Gegenvorschläge
In Verbindung mit einer Ablehnung der russischen Europa-Note
menarbeitete, ob nun die Äcker zufällig auf holländischem oder auf deutschem Boden beieinander lagen. Man greift nicht zu weit, wenn man feststellt, daß gerade Hollands Grenzbewohnern durchweg die 1945 und 1946 durchgeführte unterschiedslose Enteignung des deutschen Besitzes heute noch schwer im Magen liegt. Man versteht es dort wohl, daß Leuten, die beim Einrücken der deutschen Truppen gis „Beutemacher“ nach Holland kamen, ihr Raub restlos abgenommen wird, man sieht auch eine Bestrafung derer als gerecht an, die Spitzel- und Agentendienste für die Gestapo leisteten, aber man hat immer wieder darauf hingewiesen, daß die überwältigende Zahl
Beamienbund zum Fall John
KÖLN. Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Oberregierungsrat Hans Schäfer, erklärte am Montag zum Verschwinden Dr. Johns, politische Verdienste seien kein ausreichender Ersatz für die unabdingbare charakterliche und fachliche Eignung eines Beamten. „Nur der erlernte Beruf und das erprobte Können sichern die fachliche Leistung“. Der „Fall John“ zeige, daß die Forderung des Deutschen Beamtenbundes nach einer objektiven Personalauslese berechtigt sei.
Die deutsche Öffentlichkeit werde hoffentlich erkennen, daß ein Berufsbeamtentum mit ausgeprägtem Pflichtb** wußtsein und unerschütterlicher Staat** und Verfassungstreue, wie es der Beamtenbund immer gefordert habe, ein« staatspolitische Notwendigkeit sei.
deutscher Grenzbauern sich ihren holländischen Nachbarn gegenüber sebv ritterlich und kameradschaftlich verhalten hat. Es wurde sehr begrüßt, daß schließlich die Haager Regierung bekanntgab, wer „entfeindet“ und auf seine zuverlässige Haltung überprüft sei, könne eventuell wieder seinen Besitz zugesprochen bekommen.
Man erwartete von den Kammern, die sich damit befaßten, eine klar* Scheidung der Böcke von den Schafen, aber es kam ganz anders. Offenbar unter dem Druck gewisser Widerstandskreise wurde die Prüfung ungeheuer erschwert und auch bei „Entfeindeten“ durchaus nicht im Regelfall der Besitz zurückgegeben, den übrigens die Vermögensverwaltung zumeist längst an andere verkauft hatte. Es würde nun u. E. den berühmten holländischen Rechtslehren wohl anstehen, ihren Gerichten für das beschlagnahmte Vermögen einmal klarzumachen, daß sie hier ein Verhalten an den Tag legen, das eine kultivierte Nation mit Entrüstune von sich weisen muß
Täglich neue Übei fälle
Zwei Tunesier wurden im T«| en “ es Landes von unbekannten „, e , rn erschossen. Aus Casablanca rde gemeldet, daß Terroristen ei- n marokkanischen Händler erschos- uner kannt entkamen. Auf der k P e von Casablanca nach Marra- ter o ein französischer Beam-
m Steuer seines Kraftwagens er- ssen. Der führerlose Wagen über- ug sich. Einer der Wageninsassen letzt un ^ drei schwer ver-
In Sousse wurden mehrere Schüsse von unbekannten Attentätern abgegeben, bei denen nur der Chauffeur des Dienstwagens eines französischen Beamten leicht verletzt wurde.
Verhandlungen in Kairo
LONDON. Der britische Kriegsminister H e a d verhandelt seit Montag in Kairo über die Bedingungen für eine Räumung der Suezkanalzone durch die britischen Truppen. Er war am Wochenende in Begleitung eines Sachverständigen des Foreign Office nach Ägypten geflogen.
LONDON. Der britische Außenminister Eden hat am Montag im Unterhaus zu der sowjetischen Note Stellung genommen, in der eine Konferenz der Großmächte über ein kollektives europäisches Sicherheitssystem vorgeschlagen wird. Eden versicherte, daß Großbritannien den sowjetischen Vorschlag sehr sorgfältig prüfen werde.
Wenige Stunden vor der Erklärung Edens hatte bereits das britische Kabinett unter Vorsitz von Premierminister Churchill die sowjetische Note erörtert. Wie verlautet, hat die britische Regierung beschlossen, den
sowjetischen Vorschlag abzulehnen. Man erwartet, daß die britische Regierung jedoch Frankreich und den Vereinigten Staaten vorschlagen wird, dem Kreml gewisse Gegenvorschläge zu unterbreiten.
Als mögliche Punkte, die in der Antwort der Westmächte an die Sowjetunion aufgeführt werden könnten, werden genannt: eine gemeinsame Feststellung, daß eine Konferenz über die Frage der kollektiven Sicherheit in Europa solange unmöglich sei, als die sowjetische Regierung nicht ihre grundsätzliche Haltung zu verschiedenen Fragen ändere.
Wieder unbeständig
Bericht des Wetteramtes Stuttgart
Durdi Drockfall über dem europäischen Festland können nunmehr die im Norden vorüberziehenden Störungen auch auf nnsern Raum übergreifen, so daß sich der Wetterablauf unbeständig gestaltet. Da später anch wieder kühlere Luftmassen zngeführt werden, ist mit einem mäßigen Temperaturrückgang zu rechnen. Hente und morgen wechselhaft, einzelne Regenfälle, kühler